Herzbeuteltamponade I31.9

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 24.05.2022

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Synonym(e)

Perikardtamponade

Definition

Die Herzbeuteltamponade ist ein schwerwiegendes, akut lebensbedrohliches Ereignis, bei dem es zu einer Behinderung der Füllung sämtlicher Herzhöhlen kommt (Kühl 2004).

Durch das Vorhandensein großer Mengen Flüssigkeit, Blutkoagel und / oder Gas im Perikardspalt kommt es zu einer übermäßigen Steigerung des intraperikardialen Drucks mit allmählicher Kompression der rechten und im weiteren Verlauf auch der linken Herzhöhlen (Kühl 2004).

Bei dem Krankheitsbild besteht jederzeit die Gefahr eines plötzlichen Kreislaufkollaps oder eines kardiogenen Schocks bis hin zur pulslosen elektrischen Aktivität (PEA).

Sofern es sich um eine rasche Ergussbildung handelt, liegt die kritische Exsudatmenge bei ca. 300 - 400 ml (Herold 2018). Laut van Aken (2007) kann bereits eine akute iatrogene Blutung von nur 100 ml zu einer lebensbedrohlichen Perikardtamponade führen.

Bei sich langsam entwickelnder Perikardtamponade kann die Flüssigkeitsmenge u. U. auf mehr als 2000 ml ansteigen (Kasper 2015).

Vorkommen/Epidemiologie

Die Perikardtamponade tritt nur sehr selten auf (Fritze 2012). Laut Erdmann (2009) entwickelt sich bei bis zu einem Drittel der Patienten mit einem asymptomatischen, ausgedehnten und chronischen Perikarderguss im weiteren Verlauf eine Herzbeuteltamponade.

Ätiopathogenese

Die Herzbeuteltamponade kann bei folgenden Erkrankungen auftreten:

  • Perikarditis (häufigste Ursache [Kasper 2015])
  • traumatisch
  • Urämie
  • Neoplasien
  • Tuberkulose
  • andere bakterielle Infektionen
  • Kollagenosen
  • Vaskulitiden
  • im Rahmen einer Radiatio
  • akuter Myokardinfarkt (besonders unter Antikoagulation)
  • Postperikardiotomiesyndromiatrogen (Herzkatheter, Myokardbiopsie, Schrittmacheranlage, nach Herzoperation, unter Antikoagulation, nach Thrombolyse etc.)

 

Manifestation

Die Behinderung der Füllung während der Diastole führt in der Vorhofdruckkurve zu einem erniedrigten oder fehlenden Y-Abfall. Durch Äquilibrierung der diastolischen Druckwerte erfolgt letztlich ein vorzeitiger Schluss der AV-Klappen. In der frühen Diastole übersteigt der intraperikardiale Druck kurzfristig den intrakavitären Druck. Dieser Mechanismus läuft zunächst nur im rechten Vorhof und Ventrikel ab, im weiteren Verlauf auch im linken Vorhof. Dadurch bedingt kommt es zu einem Kollaps der dünnwandigen Anteile des Herzens (Vorhöfe, rechter Ventrikel und dem Ausflusstrakt rechts ventrikulär) (Kühl 2004).

Klinisches Bild

Die klinischen Symptome einer Herzbeuteltamponade werden nicht durch die Größe des Ergusses bestimmt, sondern vielmehr durch die Einschränkung der Hämodynamik (van Aken 2007).

Drei Hauptmerkmale der Herzbeuteltamponade werden auch als sogenanntes „Beck Trias“ ( Kasper 2015) bezeichnet. Dazu zählen:

  1. leise bis fehlende Herztöne
  2. arterielle Hypotonie
  3. erhöhter Venendruck mit prall gefüllten Gefäßen am Zungengrund und im Bereich der Jugularvenen (differentialdiagnostisch gut vom Volumenmangelschock mit kollabierten Venen abzugrenzen).

Außerdem können auftreten (Herold 2018):

  • Pulsus paradoxus (inspiratorische Abnahme der Blutdruckamplitude um mehr als 10 mmHg; tritt allerdings auch bei Patienten mit Spannungspneumothorax, Panzerherz, Lungenembolie und schwerem Asthmaanfall auf)
  • Kussmaul-Zeichen (inspiratorischer Druckanstieg der Jugularvene; ist Hinweis auf eine epikardiale Konstriktion [Schoeneberger 2008])
  • Oligurie
  • Tachykardie

Bei sich langsam entwickelnder Perikardtamponade ähnelt die Symptomatik eher einer Herzinsuffizienz mit:

  • Orthopnoe
  • Dyspnoe
  • Tachypnoe
  • Lebervergrößerung ggf. mit durch Leberkapselspannung bedingten Oberbauchbeschwerden (Kasper 2015)
  • kleiner Aszites (Herold 2018)
  • Leistungsminderung
  • Dysphagie
  • Husten
  • Heiserkeit
  • Singultus
  • retrosternale Schmerzen, mitunter lage- und / oder atemabhängig
  • belastungsabhängige Synkopen

Bildgebung

Bei einer Perikardtamponade zeigen sich in der Echokardiographie:

  • ein sog. „Swinging heart“ mit unzureichenden Kontraktionen durch die mangelnde Ausdehnungsmöglichkeit
  • ein Kollaps des rechten Vorhofes, später auch des linken Vorhofs und des rechten Ventrikels
  • ein Pseudoprolaps (van Aken 2007)

Das Ausmaß des Ergusses wird echokardiographisch unterteilt in (Maisch 2008):

  • kleiner Erguss (die echofreie diastolische Separation von Peri- und Epikard liegt < 10 mm)
  • mäßiger Erguss (die diastolische Separation liegt zwischen 10mm – 20 mm)
  • großer Erguss (die diastolische Separation liegt über 20 mm)
  • sehr großer Erguss (die diastolische Separation liegt über 20 mm und es finden sich zusätzlich Kompressionszeichen).

Wichtige Hinweise auf die hämodynamische Relevanz eines Ergusses lassen sich durch die diastolischen Flussprofile über der Mitral- und Trikuspidalklappe gewinnen. Die für die Tamponade typischen reziproken respiratorischen Effekte lassen sich nachweisen (Kühl 2004):

  • über der Mitralklappe findet eine inspiratorische Abnahme der maximalen Geschwindigkeit der E-Welle (abrupte Abnahme von mehr als 25% ) statt
  • über der Trikuspidalklappe findet sich eine inspiratorische Zunahme der Geschwindigkeit der E-Welle (Zunahme von mehr als 40%)
  • in der Exspirationsphase zeigen genau umgekehrte Verhältnisse
  • während der Expiration ist ein deutlicher Rückfluss in die Lebervenen nachweisbar

 

Diagnose

EKG: Im EKG zeigen sich bei einer Perikardtamponade folgende Veränderungen (Kühl 2004):

  • die Amplitude des QRS-Komplexes nimmt ab (periphere bzw. zentrale Niedervoltage)
  • elektrischer Alternans der P-Wellen, der QRS-Komplexe und der T-Wellen, verursacht durch die von Schlag zu Schlag wechselnde anatomische Position des Herzens (Herold 2018)
  • Tachykardie
  • konkave ST-Streckenhebung und PR-Streckensenkung (Hinweis auf eine Perikarditis)

 

Differentialdiagnose

Bei einer akuten Herzbeuteltamponade sind differentialdiagnostisch folgende Erkrankungen auszuschließen:

  • akute Lungenembolie
  • akuter Rechtsherzinfarkt

Das EKG und die Echokardiographie liefern hier die entscheidenden Hinweise.

  • Aortendissektion
  • Pneumothorax

andere Ursachen für einen Schockzustand (Schönenberger 2008):

Bei einer chronischen Herzbeuteltamponade sind differentialdiagnostisch folgende Erkrankungen auszuschließen:

  • unterschiedliche Ursachen einer Rechtsherzinsuffizienz (pulmonale Hypertonie durch z. B. durch eine obstruktive Ventilationsstörung)
  • restriktive Kardiomyopathien
  • ischämische Herzinsuffizienz
  • pulmonale venookklusive Erkrankungen (PVOD)
  • intrakardiale Tumoren

Hier kommt der bildgebenden Diagnostik eine größere Bedeutung zu (Kühl 2004). 

Therapie

Bei jedem unklaren Schockzustand sollte unbedingt eine Perikardtamponade ausgeschlossen werden (Kühl 2004). Die Tamponade des Perikards stellt eine absolute Indikation zur notfallmäßigen bzw. dringlichen ultraschall-gesteuerten Perikardiozentese dar. In speziellen Fällen kann auch eine chirurgische Drainage (EG-D) erforderlich sein (Schoenenberger 2008).

Bei der ultraschall-gesteuerten Perikardiozentese sollte die optimale Punktionsstelle zuvor echokardiographisch festgelegt werden. Durch Injektion von Echokontrastmittel in die Punktionsnadel lässt sich deren korrekte Lage im Pleuraspalt vor Einführung des Drainagekatheters kontrollieren. Meistens wird der Zugang zum Perikard durch eine subxiphoidale Punktion gewählt, da dann die größtmögliche Sicherheit und Erfolgsrate zu erwarten sind. Die Punktionsnadel sollte dabei flach unterhalb der Thoraxwand im 15 Grad Winkel in Richtung auf die linke Schulter oder entlang des linken Sternalrandes geführt werden.

Schon die Entlastung geringer Mengen Flüssigkeit führt bei einer akuten Herzbeuteltamponade oftmals zu einer deutlichen klinischen Verbesserung beim Patienten. Bei großen Ergussmengen (> 1.000 ml) sollte die Entlastung allerdings nur stufenweise erfolgen, da ansonsten die Gefahr einer akuten rechtsventrikulären Dilatation besteht (Schoenenberger 2008).

Indikationen für eine chirurgische Intervention z. B. Perikardiotomie, Perikardfensterung (Schoenenberger 2008):

  • gesicherte Tamponade, aus der keine Flüssigkeit aspiriert werden kann (z. B. bei einem lokalisierten Erguss)
  • nach erfolgter Aspiration tritt klinisch keine Verbesserung ein
  • traumatische bzw. iatrogene Tamponaden (z. B. nach Myokardbiopsie, Schrittmacherelektrodeneinlage etc.)
  • bei einem Rezidiv mit raschem Wiederauffüllen
  • postoperative Tamponade
  • purulente Perikarditis
  • Tamponade bei Aortendissektion oder Myokardruptur

Das entnommene Punktat sollte zur weiteren Diagnostik hinsichtlich der Ursache der Tamponade laborchemisch, Immunologisch, molekularbiologisch, mikrobiologisch und zytologisch untersucht werden (Maisch 2008).

Kontraindikation (van Aken 2007):

  • Aortendissektion (absolute Kontraindikation; hierbei besteht die Gefahr einer sekundären letalen Ruptur)
  • Vorliegen einer Koagulopathie stellt eine relative Kontraindikation dar und ist im Einzelfall bei diesem lebensbedrohlichen Krankheitsbild zu entscheiden

Komplikationen (Kühl 2004):

  • Perforation des rechten Ventrikels
  • Fehlpunktion der V. Cava inferior oder der Lebervenen
  • Lazeration einer Vene oder Arterie der Koronargefäße
  • Spannungspneumoperikard
  • Spannungspneumothorax
  • in bis zu 5% kommt es trotz optimaler Bedingungen und Durchführung zu lebensbedrohlichen Komplikationen (Erdmann 2009).

Überwachung: Bei der Überwachung des Patienten nach dem Eingriff auf der Intensivstation sollten für mindestens 24 h Messungen der Herzfrequenz, des Blutdrucks und klinische Zeichen der Tamponade kontrolliert bzw. überwacht werden. In der ersten Zeit nach dem Eingriff sind regelmäßige Kontrollechokardiographien zu empfehlen.

Der intraperikardiale Katheter kann für wiederholte Aspirationen oder Instillation von Arzneimitteln für mehrere Tage in situ belassen werden (Schoenenberger 2008)

Interne Therapie

Medikamentöse Therapie:  In der Literatur wird die medikamentöse Versorgung mit positiv-inotropen Substanzen bei Patienten mit Perikardtamponade, die eine erhebliche Hypotension zeigen, kontrovers diskutiert. Volumengabe bei Hypotension sei generell indiziert. Es bestehe aber auch die Gefahr einer Beschleunigung bzw. Verstärkung der bestehenden Tamponade (Marx 2015).

Verlauf/Prognose

Die Prognose einer Herzbeuteltamponade hängt von der Dauer und dem Schweregrad der hämodynamischen Kompromittierung ab. Bei frühzeitiger Entlastung ist die Prognose hinsichtlich der Folgen dieser Kompromittierung prinzipiell gut.Ansonsten beeinflusst die Grunderkrankung die weitere Prognose (Marx 20015). Eine Aortendissektion oder eine Ruptur bei Myokardinfarkt als Ursache der Perikardtamponade enden i. d. R. rasch letal (Schoenenberger 2008).

Bei nicht-malignen Ergüssen ist in bis zu 25% - 30% der Fälle mit einem Rezidiv zu rechnen. Es empfehlen sich deshalb hierbei engmaschige echokardiographische Verlaufskontrollen (Marx 2015).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. van Aken H et al. (2007) Intensivmedizin. Georg Thieme Verlag SS 190-193
  2. Angstwurm M et al. (2014) Mediscript StaR: Das Staatsexamen-Repetitorium zum Hammerexamen. Elsevier Urban und Fischer Verlag. 92
  3. Erdmann E (2009) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Springer Verlag SS 363-365
  4. Fritze J et al. (2012) Die Ärztliche Begutachtung: Rechtsfragen, Funktionsprüfungen, Beurteilungen. Springer Verlag SS 371-376
  5. Gerabek W E et al. (2007) Enzyklopädie Medizingeschichte. Band 1. Walter de Gruyter Verlag S 583
  6. Herold G et al. (2018) Innere Medizin. Herold Verlag S 235
  7. Kühl H P et al. (2004) Akute und chronisch konstriktive Perikarditis. Der Internist 45:  573-586
  8. Maisch B et al. (2008) Neue Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie der Perikarditis. Der Internist 49: 18-25
  9. Marx G et al. (2015) Die Intensivmedizin. Springer Verlag SS 660-667
  10. Schoenenberger R A et al. (2008) Internistische Notfälle: Sicher durch die Akutsituation und die nachfolgenden 48 Stunden. Thieme Verlag SS 77-79
  11. Zerkowski H R et al. (2006) HerzAkutMedizin: Ein Manual für die kardiologische, anästhesiologische und internistische Praxis. Steinkopff Verlag Darmstadt S 49

     

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Perikarditis; Tuberkulose; Vaskulitis (Übersicht);

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