Myokardinfarkt I21.9

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 05.12.2022

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Synonym(e)

Herzinfarkt; Herzmuskelinfarkt; Myocardial infarction

Erstbeschreiber

Harold Pardée beschrieb als Erster im Jahre 1920 das Phänomen des tiefen Qs beim frischen Myokardinfarkt. Nach ihm wurde das breite Q als sog. Pardée- Q benannt (Angstwurm 2014).

Im Jahre 1996 wurden von Sgarbossa die nach ihm benannten Sgarbossa- Kriterien entwickelt, mit deren Hilfe man einen Myokardinfarkt auch bei einem anamnestisch vorliegenden Linksschenkelblock erkennen kann. Diese Kriterien wurden im Jahre 2012 von Smith modifiziert(Sgarbossa 1996 / Smith 2012).

Definition

Der Myokardinfarkt (MI) wurde Ende der 50er Jahre durch die WHO in Bezug auf einen epidemiologischen Ansatz definiert und in den Folgejahren mehrfach angepasst. Erst im Jahre 2000 erfolgte die Definition unter einem klinischen Ansatz durch die ESC (European Society of Cardiology) und das ACC (American College of Cardiology). Wenige Jahre später ergänzte die UDMI (Universal Definition of Myocardial Infarction) die klinisch- definierte Version (Thygesen 2018).

Bei einem Myokardinfarkt (MI) handelt es sich um ein plötzliches Ereignis. Sich langsam entwickelnde Koronarstenosen gehen einem MI nur selten voraus, da bei einer sich langsam entwickelnden Stenose rasch ein Kollateralkreislauf ausgebildet wird (Kasper 2015).

Beim MI kommt es zu einer ischämischen Myokardnekrose mit:

  • Anstieg des Troponins cTN (sog. Hauptkriterium [Stierle 2017])
    • bei der Aufnahme oder nach 3 – 6 h > 99 Perzentil
    • relevanter Anstieg und / oder Abfall der Troponinkonzentration innerhalb von 3 – 6 h (Stierle 2017)

Außerdem müssen mindestens eine der folgenden Kriterien (sog. Nebenkriterien - Stierle 2017) vorliegen:

  • ischämisch bedingte Beschwerden
  • neu aufgetretene signifikante ST- Veränderungen oder ein neu aufgetretener Linksschenkelblock
  • neu aufgetretene Q- Zacken im EKG
  • durch Bildgebung nachgewiesener Verlust vitalen Myokards oder Nachweis einer neu aufgetretenen regionalen Störung der Wandbewegung
  • Nachweis eines intrakoronaren Thrombus (durch eine Angiographie bzw. durch eine Autopsie - Herold 2020)

Einteilung

Der MI zählt, neben der instabilen Angina pectoris zur Gruppe des akuten Koronarsyndroms. Anhand der EKG- Veränderungen wird differenziert zwischen einem:

  • STEMI (ST- elevation myocardial infarction). Beim STEMI finden sich eine persistierende ST- Streckenhebungen > 20 min und ein Anstieg des Troponins.

und einem

  • NSTEMI (Non- ST- elevation myocardial infarction). Beim NSTEMI fehlt die persistierende ST- Hebung. Der Anstieg des Troponins ist vorhanden (Herold 2020).

Laut ESC finden sich folgende 5 Infarkttypen:

  • MI Typ 1: Spontan auftretender MI bei dem es durch einen konsekutiv verminderten Blutfluss zu einer Myokardnekrose kommt. Ursachen dafür sind:
    • Plaqueruptur
    •  Einreißungen oder Dissektion mit Ausbildung eines intraluminalen Thrombus in einer oder mehrerer Koronararterien. Bei einem postmortal nachgewiesenen MI findet sich eine akute Atherothrombose in der das Myokardinfarkt versorgenden Arterie. Damit sind die Kriterien für den MI Typ 1 erfüllt (Thygesen 2018).
  • MI Typ 2: Ischämiebedingter MI durch z. B.:
    • Koronarspasmen
    • Embolien in den Koronarien
    • Arrhythmien
    • Anämie
    • Hypertonie
    • Hypotonie
  • MI Typ 3: Wenn es zum Eintritt des Todes bei einem Patienten mit typischen Symptomen kommt, die auf eine Myokardischämie hindeuten und im EKG mutmaßlich neu aufgetretene Veränderungen im Sinne einer Ischämie vorhanden sind, während die cTN- Werte aber noch nicht vorliegen bzw. noch nicht abnorm sind, spricht man vom MI Typ3 (Thygesen 2018).
  • MI Typ 4: Beim Typ 4 wird differenziert zwischen:
    • Typ 4 a: Auftreten eines MIs während oder unmittelbar nach einer PCI (percutaneous transluminal coronary angioplasty)
    • Typ 4 b: Auftreten eines MIs als Folge einer Stentthrombose
  • Typ 4 c: Auftreten eines MIs als Folge einer Rest- Stenose nach PCI (Stierle 2017).
  • MI Typ 5: Auftreten eines MIs während oder unmittelbar nach einer CABG (koronararterielle Bypass-Operation)

Sonderfälle eines MI:

  • Rekurrenter Infarkt: Kommt es nach einem MI innerhalb von 28 Tagen zu einem Re- Infarkt, so spricht man von einem rekurrenten Infarkt (Thygesen 2018).
  • MINOCA- Infarkt: Bei einem MINOCA- Infarkt (ohne obstruktive koronare Atherosklerose ) kommt es zu einem MI ohne das Vorhandensein einer obstruktiven koronaren Herzkrankheit (= Stenose > 50 %). Die Prävalenz des MINOCA-Infakrtes wird  auf 6 % - 8 % geschätzt (w>m). Der MINOCA- Infarkt tritt häufiger beim NSTEMI als beim STEMI auf (Thygesen 2018)Verantwortlich für die Ischämie mit Schädigung der Myozyten können u. a. sein:
    • Ruptur arteriosklerotischer Plaques
    • Koronarthrombose
    • Koronarspasmus
    • spontane Dissektion eines Koronargefäßes

 

Vorkommen/Epidemiologie

Die Inzidenz eines Myokardinfarktes zeigt große geographische Unterschiede.

Derzeit finden sich Myokardinfarkte pro 100.000 Einwohner / Jahr in:

  • Frankreich: 55
  • Schweden, Belgien, Tschechien, Japan: < 100
  • den Mittelmeerländern: 80 – 120
  • Deutschland: 120 (Herold 2020)

Die Erkrankung betrifft weitaus häufiger das männliche Geschlecht.

Prämenopausale Frauen machen lediglich 4% der Patienten mit MI aus (Waldecker 2003). Sobald jedoch die atherogenen Risikofaktoren nach Eintritt der Menopause an Bedeutung gewinnen, kommt es zunehmend zu einer Geschlechterangleichung (Kasper 2015).

Der Myokardinfarkt tritt nach einem zirkadianen Rhythmus auf, der zwischen 6.00 Uhr bis 12.00 Uhr liegt. Die Ursache dafür ist die Zunahme der Gerinnungsaktivität in diesem Zeitraum (Herold 2020).

Assoziierte nicht- kardiale Erkrankungen:

  • Diabetes mellitus (Kasper 2015)
  • Phäochromozytom (der MI stellt eine seltene Komplikation dar [Mauser 2001])
  • Sepsis (der MI stellt eine häufig übersehene Komplikation im Verlauf einer Sepsis dar [Hoffmann 2002])
  • Eisenmangel (Serum- Ferritin und Transferrinsättigung)

Eisenmangel hat eine erhebliche prognostische Bedeutung. In einer Studie zeigte sich, dass Eisenmangel eine hohe Prävalenz zum akuten Koronarsyndrom (ACS) hat. 29,1 % der Patienten mit ACS (davon 42,8 % Frauen) wiesen niedrige Eisenspiegel auf.

Das Risiko der kardiovaskulären Mortalität und der nicht- tödlichen Myokardinfarkte war bei diesen Patienten in einem Nachbeobachtungszeitraum von 4 Jahren um 73 % erhöht (Zeller 2018).

Assoziierte nicht- kardiale Erkrankungen bei der koronaren Herzerkrankung:

  • bei ca. 25 % der Patienten besteht eine Migräne
  • bei ca. 33 % ein Raynaud-Syndrom (Stierle 2017)

Ätiopathogenese

Pathophysiologie: Initial kommt es zu einer Schädigung des Koronarendothels. Diese wird durch bestimmte Risikofaktoren bzw. bestimmte Noxen ausgelöst (s. u. „Ursachen“). Durch die Schädigung des Endothels wird die Oberfläche der Gefäßinnenwand unregelmäßig und es lagern sich fibromuskuläre Plaques ab, die zu einer Stenosierung der Koronarien führen (Greten 2010). Diese Stenosierung bewirkt ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot im Bereich des jeweiligen Myokards, welches von dem stenosierten Gefäß versorgt wird (Lapp 2014). Zusätzlich bewirkt die Schädigung des Endothels eine Regulationsstörung der koronaren Vasodilatation bzw. Vasokonstriktion. Das Endothel ist dadurch nicht mehr in der Lage, auf körperliche Belastung mit einer Weitstellung der Koronarien zu reagieren. Es bewirkt vielmehr eine Konstriktion der Gefäße und führt dadurch zum Auftreten einer Angina pectoris (Greten 2010).Den Übergang zu einem MI leitet meistens ein Riss in einem atheromatösen Plaque ein, dem anschließend eine Thrombose der Koronarien folgt(Herold 2020).

Verursacht wird der MI in erster Linie durch eine Arteriosklerose, die über eine Koronarstenose zur koronaren Herzkrankheit führt. Nur selten stellt eine Embolie in den Koronarien die Ursache dar (Herold 2020).

Die Ursachen für das Auftreten einer Arteriosklerose sind sehr unterschiedlich. Als Hauptfaktoren wären zu nennen:

  • LDL- Cholesterin- Erhöhung > 160 mg/dl
  • HDL- Cholesterin- Erniedrigung < 40 mg/dl
  • arterielle Hypertonie
  • Diabetes mellitus mit HbA1c Werten > 7 %
  • Konsum von Tabak
  • familiäre Disposition (bei erstgradigen Familienangehörigen kommt es zum Auftreten eines Infarktes vor dem 55. Lebensjahr [m] bzw. vor dem 65. Lebensjahr [w])
  • Lebensalter > 55 Jahre (m) bzw. > 65 Jahre (w) (Herold 2020)

Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle wie z. B.:

  • Adipositas mit einem Bauchumfang von > 94 (m) bzw. > 80 (w)
  • atherogene Diät
  • niedriger sozialer Status
  • mangelnde körperliche Bewegung
  • Lipid- Stoffwechselstörungen z. B. Hypertriglyzeridämie ≥ 150 mg/dl
  • Störung der Glukosetoleranz mit Nüchtern- BZ- Werten ≥ 100 mg/dl
  • Hyperfibrinogenämie ≥ 3,5 g/l
  • Entzündungszustände bei KHK- Patienten
  • Z. n. thorakaler Radiatio
  • Z. n. Herztransplantation
  • obstruktive Schlafapnoe
  • längerer Aufenthalt unter erhöhter Feinstaub- Belastung
  • genetische Veränderungen (bislang sind 20 Genregionen bekannt, die mit einem erhöhten Risiko für einen Myokardinfarkt assoziiert sind) (Herold 2020)

Vorliegen bestimmter Erkrankungen wie z. B.:

Bei einem Infarktereignis vor dem 30- ten Lebensjahr sollten besonders folgende Ursachen ausgeschlossen werden:

Pathogenese: Pathogenetisch spielen sowohl der erhöhte Koronarwiderstand als auch extrakoronare Faktoren eine Rolle.

1. Erhöhter Koronarwiderstand:

  • dieser kann durch vasale Hauptfaktoren entstehen wie z. B.:
    • Makroangiopathie > 90 %
    • Mikroangiopathie (small vessel disease)
    • Koronarspasmen (können u. a. durch Kokain ausgelöst werden)
    • Koronaranomalien
    • arteriovenöse Koronarfisteln
    • angeborene Myokardbrücken
  • und durch myokardiale Zusatzfaktoren wie z. B.:
    • Herzhypertrophie
    • erhöhter enddiastolischer Druck in den Ventrikeln
    • Tachykardie / Tachyarrhythmie bei Vorhofflimmern
    • arterielle Hypertonie

Sobald Tachykardie und Hypertonie durch den Anstieg der Herzarbeit eine kritische Grenze überschreiten, kommt es zum Auftreten eines Angina- pectoris- Anfalles (Herold 2020)

2. Extrakoronare Faktoren:

  • Diese können kardial bedingt sein wie z. B.:
  • und extrakardial wie z. B.durch:
    • erhöhten Sauerstoffbedarf bei z. B. Fieber, Hyperthyreose, körperlichen Anstrengungen etc.
    • erniedrigtes Sauerstoffangebot wie z. B. bei Anämie, Aufenthalt in großen Höhen, Lungenerkrankungen, Schlafapnoe- Syndrom, CO- Vergiftung etc.
    • erhöhte Viskosität des Blutes bei z. B. Erythropoetin- Doping, Hyperfibrinogenämie, Multiples Myelom, Polycythemia vera u.a.

Klinisches Bild

Auslösende Faktoren für einen MI können sein:

  • plötzliche Kraftanstrengung
  • stärkere Blutdruckschwankungen bei Stress- Situationen

Laut MONICA- Studie (Keil 2005) zeigen sich die typischen Infarktsymptome nur bei ca. 40 % aller Infarkte. Diese typischen Symptome sind:

intensive und anhaltende Angina pectoris Schmerzen, die jedoch durch Ruhe oder Nitrogabe kaum zu beeinflussen sind (im Unterschied zu einer stabilen Angina pectoris)

  • die retrosternalen Schmerzen können ausstrahlen in
    • den Hals / Nacken
    • Unterkiefer
    • Zähne
    • Schulterbereich
    • beide (!) Arme (mit Fokus auf die ulnaren Seiten der Unterarme), die bis in die ulnaren Fingerspitzen ausstrahlen können
  • Schmerzen unterhalb des Xyphoids im Epigastrium (selten auch unterhalb des Bauchnabels)
  • typischerweise bleibt die Region des M. trapezius schmerzfrei (Schmerzen in diesem Bereich sind typisch für eine Perikarditis) (Kasper 2015)
  • Herzrhythmusstörungen in Form von ventrikulären Tachykardien, Kammerflimmern, AV- Blockierungen treten bei ca. 95 % auf
  • häufig Blutdruckabfall mit zerebralen Funktionsstörungen
  • Symptome einer Linksherzinsuffizienz mit Luftnot treten bei ca. 33 % auf
  • beim rechtsventrikulären Infarkt:
    • fehlende Lungenstauung
    • Halsvenenstauung
    • oftmals Bradykardien (Herold 2020)
  • Schweißausbruch
  • kalte Extremitäten
  • Erhöhung der Körpertemperatur bis 38 Grad C (Kasper 2015)

Bei ca. 5 % tritt ein durch lokalen Druck ausgelöster und reproduzierbarer Thoraxschmerz auf (Pinger 2019)

Bei ca. 15 % der Patienten mit MI fehlen die typischen Symptome. Hiervon ist besonders häufig folgende Patientengruppe betroffen:

  • Diabetes mellitus
  • Niereninsuffizienz
  • Frauen
  • ältere Patienten > 75 Jahre
  • Z. n. Herzoperation
  • Z. n. Herztransplantation (Herold 2020)

Bei ihnen treten eher unspezifische Symptome auf, wie z. B.:

  • Übelkeit
  • Atemnot
  • Schwindel
  • Schmerzen im Epigastrium
  • subfebrile Temperatur
  • Angstzustände

Bei ca. 20 % der Patienten kommt es zu sog. „stummen Infarkten“. Hiervon sind insbesondere Diabetiker betroffen (als Folge einer autonomen diabetischen Neuropathie.

Bei ca. 40 % der Patienten stellt der MI eine Erstmanifestation einer Angina pectoris dar. Bei diesen Patienten haben in der Anamnese keine Angina- pectoris- Anfälle bestanden.

Beim NSTEMI bestehen die thorakalen Schmerzen > 10 – 15 min., gelegentlich aber auch länger (Stierle 20017).

Beim STEMI hält die Schmerzsymptomatik > 20 min. an (Kasper 2015).

Bildgebung

Echokardiographie: In der Echokardiographie finden sich:

  • nahezu immer regionale Störungen der Wandbewegung (rWbSt). Allerdings lassen sich alte Narben hierbei nicht von einer frischen Ischämie unterscheiden (Kasper 2015).

Diese regionalen Wandbewegungen treten beim MI sehr frühzeitig auf, noch vor Enzym- oder EKG- Veränderungen. Fehlende Wandbewegungen sprechen mit 95 %iger Vorhersage gegen einen MI (Herold 2020).

  • fehlende oder verminderte Dickenzunahme im Bereich der Infarktzone (Herold 2020)
  • Beurteilung der linksventrikulären Auswurffraktion (ist prognostisch bedeutsam s. u. „Interne Therapie“)
  • Beurteilung eines eventuell vorhandenen rechtsventrikulären Infarktgeschehens
  • Ausschluss eines
    • ventrikulären Aneurysmas
    • Perikardergusses
    • intraventrikulären Thrombus‘

Eventueller Nachweis von schweren Komplikationen beim MI:

Kardio- MRT: Das Kardio- MRT spielt bei der Diagnostik eines Myokardinfarktes eher eine untergeordnete Rolle. Hiermit lässt sich frühestens nach 1 h durch ein Late enhancement im T1- gewichteten Bild nach Gabe von Gadolinium eine Nekrose nachweisen. Im T2- gewichteten Bild kann man durch den Ödemnachweis zwischen einer akuten bzw. chronischen Läsion differenzieren. Die Spezifität liegt bei 96 % (Pinger 2019).

Koronarangiographie: Die Koronarangiographie stellt eine der wichtigsten Maßnahmen hinsichtlich Diagnostik und Therapie beim akuten MI dar. Ausführliche Angaben zu Indikationen, Kontraindikationen, Durchführung etc. s. Koronarangiographie.

An dieser Stelle werden ausschließlich für den MI wichtige Faktoren genannt.

Bei einer Koronarangiographie, die < 4 h nach Beginn des Infarktes erfolgt, findet sich bei rund 90 % ein kompletter Gefäßverschluss (Pinger 2019). Folgende diagnostische bzw. therapeutische Maßnahmen bei einer Koronarangiographie zusätzlich durchgeführt werden:

  • Koronarangioskopie (zur Beurteilung der Gefäßmorphologie und etwaig vorhandener Plaques)
  • intravaskulärer Ultraschall (ebenfalls zur Beurteilung der Gefäßmorphologie und etwaig vorhandener Plaques)
  • optische Kohärenztomographie (durch die OCT gelingt die hohe Auflösung luminaler und intramuraler Gefäßstrukturen)
  • intrakoronare Dopplerflussmessung zur Bestimmung der fraktionellen Flussreserve = FFR (eine hämodynamisch wirksame Koronarstenose besteht ab einer FFR < 0,80 mit einer Spezifität von 100 %)
  • perkutane Katheterintervention (PTCA bzw. PCI) mit Einbringen von Stents

 

Labor

Das hochsensitive Troponin (hs- Tn) stellt den entscheidenden Biomarker zum Nachweis eines MI dar. Die Sensitivität liegt nach 3 h bei 80 % und nach 10 h bis max. 5 Tagen bei 100 %. Die Spezifität beträgt 98 % - 99 % (Pinger 2019).

Frühester Nachweis ca. 1 – 2 h nach Schmerzbeginn, da Troponine die Schädigung des Herzmuskels anzeigen, nicht die Ischämie (Stierle 2017). Das Maximum ist i. d. R. nach 12 h erreicht. Eine Normalisierung des Wertes findet sich nach ca. 1 – 2 Wochen.

Der Troponinwert korreliert mit der Größe des Infarktes.

Troponin T:

  • beim STEMI ≥ 1,0
  • beim NSTEMI ≥ 0,01 bis ≤ 1,0 (Stierle 2017)

Weitere Ursachen einer Troponinerhöhung können sein:

  • Myokardschaden ohne Hinweise auf eine akute Ischämie
  • Lungenembolie
  • kardiale Dekompensation
  • Myokarditis
  • Stress- Kardiomyopathie
  • Herz- OP
  • perkutane koronare Intervention (PCI)
  • hypertensive Krise
  • Aortendissektion
  • Aortenklappenstenose
  • Tachyarrhythmien
  • Bradyarrhythmien
  • Apoplex
  • akute oder chronische Niereninsuffizienz
  • Sepsis
  • starke körperliche Belastung wie z. B. Marathonlauf

Creatinkinase (Gesamt- CK): Bei einem Infarkt steigt die Gesamt- CK innerhalb von 4 – 8 h an und kehrt nach 48 – 72 h in den Referenzbereich zurück. Die Spezifität ist jedoch gering(Kasper 2015). Das Verhältnis zwischen CKMB / CK beträgt bei Vorliegen eines MI i. d. R. 10 % - 20 % (Herold 2020).

Weitere Ursachen eine Erhöhung der Gesamt- CK können sein:

  • Myokarditis
  • i. m. Injektionen
  • Traumen
  • Operationen
  • körperliche Anstrengung
  • Entbindung
  • arterielle Embolien / Verschlüsse
  • epileptische Anfälle
  • Reanimation
  • Muskelerkrankungen wie z. B.:
    • Polymyositis
    • Muskeldystrophie
    • Verletzung des Muskels 
    • Rhabdomyolyse
  • Intoxikationen
  • Delirium tremens
  • Alkoholismus
  • Heroinkonsum
  • nekrotisierende Pankreatitis
  • Malignome 
  • akute Leberzellnekrose
  • endokrine Myopathien wie z. B.:
    • M. Addison
    • Hypoparathyreoidismus
    • Hypothyreose
    • Hyperthyreose 
  • Coxsackie B - Infektion
  • Trichinose
  • Medikamente wie z. B.:
    • Lipidsenker
    • CSE- Hemmer
    • trizyklische Antidepressiva
    • Vincristin
    • Psychopharmaka
    • Cyclosporin

Laborchemisch sollten auch Parameter, die eine Atherogenese beschleunigen, bestimmt werden, wie z. B.:

  • Lipide
  • BZ
  • Kreatinin
  • Hämatokrit
  • ggf. auch die Schilddrüsenwerte T3, T4 und TSH (bei entsprechenden anamnestischen Angaben, Untersuchungsbefunden etc.)
  • Urinuntersuchung auf
    • eine Glukosurie
    • Hinweise auf eine Nierenerkrankung (inklusive Mikroalbuminurie) (Kasper 2015)

Weiterhin (Näheres s. o. unter „Assoziierende nicht- kardiale Erkrankungen):

  • Serumeisen (oftmals erniedrigt)
  • Transferrinsättigung (oftmals erniedrigt) (Zeller 2018)

Diagnose

Inspektion und Palpation: Typischerweise halten die Patienten die geballte Faust bei Beschreibung der Schmerzen in Sternummitte (Levine-Zeichen), die Hand wird flach auf das Sternum gelegt bzw. beide Hände, die Fingerspitzen einander zugewandt von lateral auf das Sternum platziert, um die gürtelförmige Enge anzuzeigen. Die Sensitivität bei kardialem Schmerz liegt bei ca. 80 %, die Spezifität bei ca. 49 % (Edmondstone 1995)

Auskultation: Obwohl der MI selbst keine typischen Geräuschphänomene verursacht, sollte der Patient täglich auskultiert werden, da es durch Komplikationen zu folgenden Auskultationsbefunden kommen kann:

  • 3. Herzton durch paradoxe Spaltung des 2. Herztons als Folge einer Dysfunktion des linken Ventrikels (Kasper 2015 / Pinger 2019)

EKG: Die EKG- Ableitung stellt die initiale Diagnostik beim MI dar. Mit Hilfe des EKGs lassen sich Aussagen machen:

  • zur näheren Lokalisation des betroffenen Gebietes
  • zum Ausmaß des Infarktes
  • zum Alter des Infarktes

Man differenziert zwischen direkten und indirekten Infarktzeichen:

  • direkte Infarktzeichen entstehen durch einen Abgriff direkt über dem Infarktareal
  • indirekte Infarktzeichen sind spiegelverkehrte Veränderungen in den gegenüber liegenden Ableitungen (Herold 2020).

Mit Hilfe der sog. Sgarbossa- Kriterien ist es möglich, auch bei einem vorbestehenden Linksschenkelblock einen STEMI zu erkennen.

  • Sgarbossa A: Hierbei besteht eine konkordante ST- Hebung > 1 mm in mindestens 1 Ableitung (5 Punkte)
  • Sgarbossa B: Es findet sich eine konkordante ST- Senkung von mindestens 1 mm in den Ableitungen V1, V2 oder V3 (3 Punkte)
  • Sgarbossa C: Eine Hebung der ST- Strecke von ≥ 5 mm in einer Ableitung mit gleichzeitig diskordanter Ausschlagsrichtung im Bereich des QRS- Komplexes (2 Punkte)

Eine einigermaßen zuverlässige Aussage lässt sich ab einem Wert von ≥ 3 Punkten treffen.

Die Spezifität liegt bei 98 %, die Sensitivität bei 20 % (Jahn 2019).

Etwas exaktere Aussagen lassen sich mit den modifizierten Sgarbossa- Kriterien nach Smith machen.

  • Sgarbossa C modifiziert:

    Es findet sich mindestens eine Hebung der diskordanten ST- Strecke von ≥ 1 mm, sofern diese ≥ 25 % der vorausgehenden S- Welle misst.

    (Gotthardt 2018)

 

STEMI: Bei einem STEMI differenziert man zwischen 3 unterschiedlichen Stadien:

1. Stadium / akutes Stadium (frischer Infarkt): Als früheste EKG- Veränderung tritt eine kurzfristige T- Überhöhung, das sog. Erstickungs- T oder auch als T- en- dôme bezeichnet. Anschließend kommt se zwischen dem gesunden und dem geschädigten Myokard zur Ausbildung eines Verletzungspotentials mit einer bis zu 20 minütigen ST- Überhöhung, der sog. monophasischen Deformierung des Kammerkomplexes. Dabei geht unmittelbar vom absteigenden R die ST- Strecke ab und verschmilzt zu einer Plateau- oder Kuppelform mit der T- Zacke.

Typische Veränderungen sind Die ST- Streckenhebung am J- Punkt (Übergang vom QRS- Komplex zur ST- Strecke). Diese sind

  • bei Männern < 40 Jahren: V2 und V3 ≥ 0,25 mV

  • bei Männern > 40 Jahren: V2 und V3 ≥ 0,20 mV

  • bei Frauen : V2 und V3 ≥ 0,15 mV

  • In allen anderen Ableitungen (jeweils in wenigstens 2 zusammenhängenden Ableitungen) ≥ 0,1 mV

Atypische Veränderungen sind:

  • Linksschenkelblock

  • eine isolierte ST- Hebung bei aVR

  • ventrikulär stimulierte Rhythmen

2. Stadium (Zwischenstadium):

  • Die ST- Überhöhung nimmt ab (DD: z. B. Herzwandaneurysma, Perikarditis, Prinzmetal- Angina)
  • Es kommt zu einer R- Reduktion bzw. zu einem R- Verlust
  • Es bildet sich ein QS- Komplex aus oder eine tiefe Q- Zacke sog. pathologisches Q, auch als Pardée- Q bezeichnet mit einer Breite von ≥ 0,04 sec. und einer Tiefe von > ¼ R (DD: z. B. hypertrophe Kardiomyopathie, Lungenembolie [S1 Q3 III- Typ], WPW- Syndrom [sternal- positiver Typ])
  • Erscheinen einer terminal negativen T- Zacke mit einer spitz- negativen, gleichschenkeligen T- Welle. DD: z. B. NSTEMI, Folgestadium einer Perikarditis, Myokarditis, hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie)

3. Stadium / chronisches Stadium (alter Infarkt):

  • Fortbestehen des terminal negativen T oder Normalisierung des T
  • eventuell Wiederaufbau einer kleinen R- Zacke
  •  tiefes Q (bleibt meistens lebenslang bestehen)

Als Anhaltspunkt hinsichtlich der Lokalisation des Infarktes gilt die folgende Zuordnung:

  • RIVA proximal:
    • großer Infarkt im Bereich der Vorderwand
    • V1 bis V6, aVL, I als direkte Infarktzeichen
    • (II), III, aVF als indirekte Infarktzeichen
  • RIVA nach Abgang der Diagonaläste:
    • anteroseptaler Infarkt
    • V1 bis V4, aVL, I als direkte Infarktzeichen
    • (II), III, aVF als indirekte Infarktzeichen
  • Diagonalast:
    • Lateralinfarkt
    • V5 bis V7, aVL, I als direkte Infarktzeichen
    • keine indirekten Infarktzeichen
  • Posterolateralast:
    • Posterolateralinfarkt
    • V5 bis V6, aVF, II, III als direkte Infarktzeichen
    • V1 bis V3, aVL, I als indirekte Infarktzeichen
  • RCX:
    • strikt posteriorer Hinterwandinfarkt
    • V7 bis V9, aVF, III als direkte Infarktzeichen
    • V 1 bis V2 als indirekte Infarktzeichen
  • RCA:
    • inferiorer Hinterwandinfarkt / rechtsventrikulärer Infarkt
    • V1 , V 3r bis V6r, aVF, II, III als direkte Infarktzeichen
    •  V1 bis V3 als indirekte Infarktzeichen

Innerhalb der ersten 24 h kann u. U. das EKG noch unauffällig sein. Deshalb empfiehlt sich eine erneute Ableitung im Abstand von 24 h. Sollten auch hierbei keinerlei infarkttypische Veränderungen auftreten und das Troponin I/T und CK- MB negativ bleiben, ist ein Infarkt ausgeschlossen (Herold 2020).

NSTEMI: Beim NSTEMI fehlt die für den STEMI typische ST-Streckenhebung . Es können vorhanden sein:

  • bei 20 % - 25 % Senkungen der ST- Strecke , die über mehrere Tage persistieren können (Kasper 2015)
  • transiente ST- Hebungen
  • T- Wellen können normal oder negativ sein (Stierle 2017)

Ein NSTEMI betrifft überwiegend den Bereich der linken Kammer. Aus dem EKG mit für einen Infarkt typischen Ableitungen lässt sich der exakte Bereich des Verschluss praktisch nicht lokalisieren, da die Koronarien variabel sind und der Versorgungstyp nicht bekannt ist (Stierle 2017).

 

Differentialdiagnose

Zu den sog. „big five“ des Thoraxschmerzes zählen – neben dem MI:

  • Lungenembolie
  • Aortendissektion
  • Boerhaave- Syndrom (spontane Ruptur des Ösophagus nach starkem Erbrechen)
  • Spannungspneumothorax
  • instabile Angina pectoris (kein Troponinanstieg)
  • akute Perikarditis
  • Lungenembolie (D- Dimer- Erhöhung)
  • akute Dissektion der Aorta (Kasper 2015)
  • akutes Abdomen (insbesondere ein Hinterwandinfarkt kann sich infradiaphragmal projizieren)
  • Stress- Kardiomyopathie (auch als Tako- Tsubo- Kardiomyopathie bezeichnet)

Weitere Differentialdiagnosen s. koronare Herzkrankheit.

 

Komplikation(en)

Hierbei wird differenziert zwischen frühen und späten Komplikationen.

  • Frühkomplikationen: Der gefährlichste Zeitraum bei einem MI sind die ersten 48 h. Hier treten die sog. Frühkomplikationen auf. Ca. 40 % der Patienten mit MI versterben in dieser Zeit. Häufigste Komplikationen sind Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz.

1. Herzrhythmusstörungen

Sie treten bei ca. 95 % - 100 % der Patienten auf. Man differenziert zwischen:

  • ventrikuläre Extrasystolen: Sie sind mit ebenfalls 95 % - 100 % am häufigsten. Es handelt sich dabei um polymorphe VES, Couplets, R- auf T- Phänomen. Diese gelten als sog. Warnarrhythmien, da sie mit einem erhöhten Risiko für Kammerflimmern einhergehen. Kammerflimmern kann allerdings auch akut ohne vorhergegangene Warnarrhythmien auftreten.
  • ventrikuläre Tachykardien und Kammerflimmern: Am häufigsten tritt Kammerflimmern innerhalb der ersten 4 h nach dem Infarktereignis auf und bei 80 % innerhalb der ersten 24 h. Kammerflimmern führt bei ebenfalls 80 % der Patienten, die an einem Infarkt plötzlich versterben, zum Tod.
  • Vorhofflimmern mit absoluter Tachyarrhythmie: Hierbei handelt es sich um ein prognostisch ungünstiges Zeichen.
  • bradykarde Herzrhythmusstörungen: Es kann sich dabei um eine Sinusbradykardie oder eine AV- Blockierung handeln. Letztere tritt bevorzugt bei einem inferioren Infarkt auf (Herold 2020).
  • Schenkelblock: Bei Auftreten eines neuen bifaszikulären Schenkelblocks (RSB plus LAH = linksanteriorer Hemiblock oder LPH = linksposteriorer Hemiblock) besteht ein hohes Risiko für einen kompletten AV- Block. Deshalb sollte in diesen Fällen frühzeitig die Implantation eines Schrittmachers erfolgen (Stierle 2017).

2. Herzinsuffizienz

  • Linksherzinsuffizienz und kardiogener Schock: Sowohl die Linksherzinsuffizienz als auch der kardiologische Schock können verursacht werden durch:
    • einen Funktionsausfall des Myokards. Wenn der MI ca. 20 % des linken Ventrikels betrifft, sind immer Zeichen einer Linksherzinsuffizienz nachweisbar. Bei einer Infarzierung von ca. 40 % kommt es bei den überwiegenden Fällen zu einem kardiogenen Schock mit einer Letalitätsrate von über 90 %.
    • Herzrhythmusstörungen: durch die Behandlung mit neg. ionotrop wirksamen Substanzen wie z. B. Antiarrhythmika, Betablocker
    • einen Volumenmangel
    • seltene Ursachen sind:
      • Ventrikelseptumperforation (führt zum akuten Links- Rechts- Shunt und einer Lungenüberflutung; auskultatorisch findet sich ein neu aufgetretenes Systolikum; Diagnose durch einen Farbdoppler)
      • Papillarmuskelabriss (hierbei finden sich Zeichen einer akuten Mitralklappeninsuffizienz; auskultatorisch besteht ein neu aufgetretenes Systolikum)
      • Ruptur der Ventrikelwand mit Herztamponade (es handelt sich häufig um eine gedeckte Perforation)
      • Perikarderguss (Antikoagulantien sind relativ kontraindiziert)

Der kardiogene Schock ist definiert als:

  • arterielle Hypotonie (RR systolisch < 90 mmHg)
  • Herzindex < 2,2 l/min/m2 (Normwert: > 2,5 l/min/m2)
  • PCW- Druck > 15 mmHg (Normwert: 8 – 12 mmHg)

Zu einem kardiogenen Schock kommt es durch:

  • Pumpversagen des linken Ventrikels (bei ca. 80 %)
  • mechanische Komplikationen wie z. B. Papillarmuskeldysfunktion (6,9 %), infarktbedingter Ventrikelseptumdefekt ( 3,9 %), Ruptur der Ventrikelwand (1,4 %) (Stierle 2017)

Diagnose der Linksherzinsuffizienz:

  • über den basalen Lungenfeldern RGs auskultierbar
  • Auftreten eines 3. Herztones
  • radiologisch nachweisbare Zeichen einer Lungenstauung
  • im Farbdoppler / Echokardiografie:
    • Nachweis von hypo- bzw. akinetischen Infarktarealen
    • Ventrikelseptumperforation
    • Dysfunktion bzw. Abriss eines Papillarmuskels
    • Perikarderguss
    • Ejektionsfraktion sollte im Echo geschätzt werden

Rechtsherzinsuffizienz: Zu einer Rechtsherzinsuffizienz kann es im Rahmen eines rechtsventrikulären Infarktes kommen. Klinisch finden sich eine Hypotonie, ein erhöhter zentralvenöser Druck, kein Hinweis auf eine Lungenstauung. Die Herzinsuffizienz nach MI wird durch die Killip- Klassifikation bestimmt:

  • Killip I (Letalität ca. 6 %): Kein Nachweis einer pulmonalen Stauung
  • Killip II (Letalität ca. 18 %): Auskultatorisch RGs < 50 % der Lunge, Auftreten eines 3. Herztones. Halsvenenstauung bzw. erhöhter ZVD
  • Killip III (Letalität ca. 36 %): Auftreten eines Lungenödems mit auskultatorischen RGs > 50 % der Lunge
  • Killip IV (Letalität ca. 70 % - 80 %): Kardiogener Schock (Stierle 2017)

3. Reinfarkt nach Lyse

Innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen kommt es bei ca. 4 % der Patienten nach einer erfolgreichen Fibrinolyse zu einem Re- Verschluss des Gefäßes. Hier empfiehlt sich die direkte Durchführung einer PTCA / PCI. Ein primär mit einem Stent versorgtes Gefäß ist hingegen mit einer > 98 % Wahrscheinlichkeit auch nach 2 Jahren noch offen (Stierle 2017).

Spätkomplikationen: Von Spätkomplikationen spricht man, wenn diese > 48 h nach dem Infarkt auftreten.

Dazu zählen:

  • Herzwandaneurysma: Ein Herzwandaneurysma tritt bei bis zu 20 % aller Infarktpatienten auf. Im EKG finden sich eventuell persistierende ST- Hebungen. Die Diagnose erfolgt durch eine Echokardiografie.
  • arterielle Embolien: Das Risiko, arterielle Embolien zu entwickeln, besteht bei Patienten mit einem muralen linksventrikulären Thrombus und tritt bei ca. 5 % der Patienten auf.
  • Frühperikarditis: Die Pericarditis epistenocardica tritt wenige Tage nach dem Ereignis auf und findet sich heutzutage bei den den Infarkt überlebenden Patienten nur noch selten (< 5 %).
  • Postmyokardinfarktsyndrom: Zu einem Postmyokardinfarktsyndrom, auch als „Spätperikarditis“ oder „Dressler- Syndrom“ bezeichnet, kommt es bei ca. 3 % der Patienten innerhalb der 1. - 6. Wochen nach dem MI.
  • Arrhythmien
  • Herzinsuffizienz
  • persistierende bzw. rezidivierende Angina pectoris: Bei bis zu 20 % der Patienten kommt es zu einem erneuten Auftreten einer Angina pectoris oder ST- Hebungen. Besonders betroffen sind davon Patienten nach NSTEMI oder bekannter Mehrgefäßerkrankung bzw. nach Thrombolyse (Stierle 2017)
  • Rezidiv- Infarkt

 

Therapie allgemein

Die Akutbehandlung eines Patienten mit MI sollte bestehen in:

  • Oberkörper hochlagern (bei Atemnot)
  • O2 Gabe von 4 – 8 l / min über eine Nasensonde, sofern die Sauerstoffsättigung < 90 % liegt
  • Gabe von Nitroglycerin: ambulant sublingual 1 – 3 Hub, nach Erreichen der Klinik über Perfusor (1mg – 5 mg / h i. v.); Kontraindikationen: systolische RR- Werte < 90 mmHg, Einnahme von PDE- 5- Inhibitoren wie z. B. Viagra
  • Morphin bei starken Schmerzen (3 mg – 5 mg i. v., anschließend 2 mg alle 5 – 15 min. bis zum Erreichen der Schmerzfreiheit; Nebenwirkungen: Übelkeit, Atemdepression, Hypotonie)
  • bei Übelkeit: Gabe eines Antiemetikums z. B. Metoclopramid
  • bei Auftreten einer vagalen Reaktion Gabe von Atropin 0,5 mg i. v.
  • initiale Antikoagulation:
    • Heparin (z. B. Enoxaparin 2 x 1 mg / kg KG / d s. c. [Stierle 2017])
    • ASS (initial 160 mg – 325 mg parenteral oder s. l., anschließend 75 mg – 100 mg/ d p. o.) Die sofortige Gabe von ASS führt laut ISIS- 2- Studie zu einer Senkung der Letalität von über 20 %(Herold 2020 / Stierle 2017).
  • Betablocker bei symptomatischen Patienten mit systolischen Blutdruckwerten > 100 mmHg bei einer Herzfrequenz von > 55 / min.; Dosierung: 5 mg – 15 mg i. v. (Stierle 2017)

Die Zuweisung des Patienten mit MI sollte bereits vom Notarztwagen aus in Zentren mit PCI- Möglichkeit erfolgen (Herold 2020).

Patienten mit einem NSTEMI sollten umgehend einer Koronarangiographie zugeführt werden, um das weitere Vorgehen entscheiden zu können. Bei Patienten mit einem STEMI besteht die dringliche Indikation zu einer Revaskularisierung (s. u. „Chirurgische Therapie“).

Sofern eine Akut- PCI nicht innerhalb von 120 min nach Erstkontakt möglich ist, sollte eine konservative Therapie mit Aktivatoren der Fibrinolyse (s. u. „Chirurgische Therapie“) erfolgen (Herold 2020).

Interne Therapie

Duale Antiplättchentherapie (DAPT):

  • Acetylsalicylsäure: ASS sollte nach der Initialdosis von 160 mg – 325 mg parenteral oder s. l. lebenslang oral verabreicht werden (Dosis: 75 mg – 100 mg /d)
  • plus Ticagrelor: initial 180 mg, anschließend 2 x 90 mg / d
  • Kontraindikationen:
    • anamnestisch intrakranielle Blutungen
    • aktuelle Blutungen

alternativ: 

  • Prasugrel: initial 60 mg, anschließend 10 mg / d
  • Kontraindikationen:
    • anamnestisch intrakranielle Blutungen
    • ischämischer Insult
    • transitorisch ischämische Attacke
    • aktuelle Blutungen

Hinweis: Prasugrel wird allerdings nicht eingesetzt bei Patienten ≥ 75 Jahre oder mit einem Körpergewicht ≤ 60 kg

alternativ:

  • Clopidogrel: initial 300 – 600 mg, anschließend 75 mg / Tag

Betablocker: Die i. v. Gabe eines Betablockers sollte unabhängig von der Fibrinolyse oder PCI bei allen Patienten ohne Kontraindikation erfolgen. Bei bestehenden Kontraindikationen (wie z. B. systolischer RR < 120 mmHg, Herzfrequenz < 60 / min, akute Herzinsuffizienz) sollte eine Reevaluation nach den ersten 24 h erfolgen . Frühzeitig eingesetzte Betablocker bewirken zwar keine Senkung der Letalität, sie führen aber zu einer Abnahme von rezidivierenden Ischämien und von Re- Infarkten (Kasper 2015). Dosierungsempfehlung:

  • Atenolol 5 mg – 10 mg initial i. v., anschließend 100 mg / Tag

oder

  • Metoprolol 5 mg – 10 mg initial i. v., anschließend 4 x 50 mg / d oral und nach weiteren 2 Tagen 2 x 100 mg / Tag (Pinger 2019)

ACE- Hemmer: Eine Behandlung mit ACE- Hemmern sollte bei Fehlen von Kontraindikationen in den ersten 24 h bei allen Patienten - insbesondere aber bei den Folgenden - durchgeführt werden:

  • Vorderwandinfarkt
  • Lungenstauung
  • LVEF < 40 %
  • Diabetes mellitus
  • Herzinsuffizienz (Stierle 2017)
  • Hinweis: Sofern eine Unverträglichkeit für ACE- Hemmer besteht, empfiehlt sich die Gabe von Angiotensinrezeptorblockern (AT1- Blocker). ACE- Hemmer senken die Sterblichkeit beim STEMI. Den maximalen Nutzen haben insbesondere Hochrisikopatienten.(Kasper 2015)
  • Dosierungsempfehlung:
    • Captopril: 6,25 mg initial, 2 h später 12,5 mg, 12 h später 25 mg, anschließend 2 x 50 mg / Tag

oder

  • Ramipril 2 x 2,5 mg, anschließend 2 x 5 mg / Tag (Pinger 2019)

Renin- Angiotensin- Aldosteron- Inhibitor (RAAS): Es besteht die Indikation zur Gabe eines Renin- Angiotensin- Aldosteron- Inhibitors auf unbestimmte Zeit bei Patienten mit:

  • eingeschränkter linksventrikulärer Funktion
  • Herzinsuffizienz
  • Unverträglichkeit eines ACE- Hemmers (Kasper 2015).
  • Dosierungsempfehlung:
    • Valsartan: 20 mg in 4 Stufen auf 2 x 160 mg als Erhaltungsdosis

Cholesterinsyntheseenzymhemmer (CSE- Hemmer) / Statine: Patienten mit MI sollten frühzeitig nach einem MI hoch dosiert Statine erhalten und das unabhängig vom initialen Cholesterinwert.

Dosierungsempfehlung:

  • Pravastatin: 40 – 80 mg / Tag (Pinger 2019)

  • Hinweis: Der Zielwert des LDL- Cholesterin sollte bei < 70 mg / dl liegen (Herold 2020).

Eisencarboxymaltose i. v. bei bestehendem Eisenmangel (s. o. „Vorkommen“: Assoziierende nicht- kardiale Erkrankungen) (Zeller 2018)

Operative Therapie

STEMI: Patienten mit einem STEMI sollten zeitnah einer Revaskularisierung zugeführt werden. Dies kann erfolgen durch:

  • eine primäre PCI
  • eine Fibrinolyse

Primäre PCI: Die sofortige primäre PCI ist das Mittel der Wahl für alle Patienten mit anhaltender ST- Streckenhebung und Symptomen einer Ischämie von ≥ 12 h. Allerdings sind hierbei für die Durchführung einer PCI enge zeitliche Grenzen gesetzt. Sie sollte nicht später als 120 min nach Erstkontakt erfolgen. Falls eine direkte PCI in einem Zeitraum von 120 min nach Erstkontakt nicht möglich ist, empfiehlt sich bei Patienten mit STEMI die Einleitung einer sofortigen Lyse unter Beachtung der Kontraindikationen. Nach erfolgter Lyse sollte eine Herzkatheteruntersuchung innerhalb von 24 h, jedoch nicht vor 3 h durchgeführt werden (Stierle 2017).

(Ausführliche Informationen über die Revaskularisierung s. koronare Herzkrankheit)

Bei Patienten mit einem NSTEMI wird keine Thrombolyse durchgeführt (Stierle 2017).

Konservative Therapie mit Aktivatoren der Fibrinolyse:  Die Fibrinolyse erfolgt bei Patienten mit STEMI, die nicht zeitnah einer PCI zugeführt werden können und bei denen keine Kontraindikationen bestehen. Absolute Kontraindikationen der Fibrinolyse:

  • intrakranielle Blutung
  • hämorrhagischer Apoplex
  • Apoplex unklarer Genese
  • ischämischer Apoplex < 6 Mon.
  • Verletzungen des ZNS
  • intrakranielle Neoplasien
  • atrioventrikuläre Malformationen
  • Aortendissektion
  • Op / Trauma / Kopfverletzung < 3 Wochen
  • gastrointestinale Blutung < 1 Mon.
  • anamnestisch bekannte hämorrhagische Diathese (mit Ausnahme der Menses)
  • in den letzten 24 h stattgehabte nicht komprimierbare Punktion (wie z. B. Leberbiopsie, Lumbalpunktion) (Stierle 2017)

Relative Kontraindikationen:

  • orale Antikoagulation
  • Gravidität
  • Entbindung ≤ 1 Woche
  • TIA innerhalb der letzten 6 Monate
  • infektiöse Endokarditis
  • aktives Magenulkus
  • fortgeschrittene Lebererkrankung
  • protrahierte bzw. traumatische Reanimation
  • refraktäre Hypertension (RR systolisch > 180 mmHg und / oder diastolisch > 110 mmHg) (Stierle 2017)

Für die Fibrinolyse werden folgende Substanzen verwendet:

  • Streptokinase: Die Streptokinase wirkt als einziges der genannten Mittel indirekt fibrinolytisch. Es sollte eine Vorinjektion mit Kortikosteroiden wegen der Antigenität erfolgen.
  • Dosierungsempfehlung: Streptase: 1,5 Mio U i. v. über einen Zeitraum von 30 – 60 min.
  • Enoxaparin: Als Begleittherapie: initial bei Patienten < 75 Jahren einen Bolus von 30 mg i. v. , nach 15 min und dann alle 12 h bis zur Entlassung bzw. Revaskularisation 1 mg / kg s. c. Bei Patienten > 75 Jahre alle 12 h 0,75 mg / kg. Eine Bolusgabe sollte nicht erfolgen (Herold 2020)
  • Alteplase: Alteplase wirkt direkt fibrinolytisch. Als Bolus 15 mg i. v., anschließend 0,75 mg / kg über einen Zeitraum von 30 min, anschließend 0,5 mg / kg über 60 min i. v.. Die Gesamtdosis sollte ≤ 100 mg betragen.
  • Reteplase: Wirkt ebenfalls direkt fibrinolytisch. 10 U als Bolus und erneute 10 U im Abstand von 30 min i. v.

Hinweis: Begleitend sollten antithrombotische Medikamente wie z. B. Heparin oder Fondaparinux eingesetzt werden.

  • Heparin. Dosierungsempfehlung: Als Bolus 60 U / kg i. v. (Maximaldosis 4.000 U). Anschließend als i. v. Infusion maximal über 48 h 12 U / kg, maximal 1.000 U / h. Zielwert aPTT: 50 s – 70 s. Kontrolle jeweils nach 3, 6, 12, 24 h
  • Fondaparinux: Fondaparinux sollte nur in Kombination mit Streptokinase verwendet werden. Kontraindikation:                                Kreatinin > 3,0 mg / Tag.  Dosierungsempfehlung: Als Bolusgabe 2,5 mg i. v., anschließend 2,5 mg s. c. / d bis zur Entlassung bez. bis maximal 8 Tage.

Nach i. v. Applikation des Thrombolytikums kommt es innerhalb von 90 min bei 50 % der Patienten zu einem TIMI- 3- Fluss (Stierle 2017).

Indirekte Zeichen für eine erfolgreiche Reperfusion sind:

  • Rückbildung der ST- Streckenhebung im EKG um 50 % - 75 %
  • Verschwinden der Infarktschmerzen

Direkte Zeichen für eine erfolgreiche Reperfusion: diese sind ausschließlich durch eine Koronarangiographie nachweisbar.

Komplikationen: Es kommt mitunter unter der Reperfusion zum Auftreten von Arrhythmien (Herold 2020). Außerdem besteht die Gefahr intrakranieller Blutungen. Sie liegt bei 0,9 % (Stierle 2017).

Erfolgsrate: In ca. 70 % - 80 % der Fälle kommt es zu einer Rekanalisation. Durch eine frühzeitige Lyse kann die Letalität bei MI um ca. 50 % gesenkt werden.

Prognose: In ca. 20 % - 25 % der Fälle kommt es nach einer erfolgreichen Lyse zu einer Reokklusion. Deshalb empfiehlt es sich, bei allen Patienten kurzfristig eine Koronarangiographie zur weiteren therapeutischen Entscheidung durchzuführen (z. B. Durchführung einer PCI oder Bypass- Op). Ohne eine Reperfusionstherapie sind nach 2 Wochen ca. 50 % der Infarktgefäße wieder eröffnet (Pinger 2019).

NSTEMI: Patienten mit einem eindeutigen NSTEMI sollten nach ACC / AHA (2016) einer Koronarangiographie zugeführt werden. Bei niedriger bis mittlerer Wahrscheinlichkeit auf einen NSTEMI ist die Koronarangiographie aber nur selten angemessen. Das weitere Vorgehen geschieht in Abhängigkeit des Befundes der Koronarangiographie (Pinger 2019).

Verlauf/Prognose

Die Patienten sollten nach einem unkomplizierten MI über Monitor für 24 h – 48 h überwacht werden. Bettruhe empfiehlt sich für 12 – 24 h oder bis zum deutlichen Abfall des CK- Wertes.

Bei einem großen transmuralen MI besteht in der 1. Woche ein erhöhtes Risiko für eine Herzwandruptur. Aus diesem Grund sollte die Mobilisierung nur verzögert erfolgen, um eine Wandspannung durch körperliche Anstrengungen zu vermeiden. Bei einem sehr kleinen MI ist eine Entlassung aus der stationären Behandlung frühestens nach 72 h möglich, sofern eine frühe Reha organisiert ist (Stierle 2017).

Die Eingliederung ins Alltags- bzw. Berufsleben kann stufenweise erfolgen. Die Teilnahme an einer ambulanten Herzgruppe sollte dem Patienten nahe gelegt werden (Herold 2020).

Die Klinikletalität liegt bei Patienten:

  • mit Primär- PCI bei ca. 5 %
  • mit systemischer Thrombolyse bei ca. 10 %
  • Patienten ohne Revaskularisationstherapie bei 15 %

Die häufigsten Todesursachen eines MI sind:

  • Auftreten von Kammerflimmern (häufigste)
  • Pumpversagen (zweithäufigste Ursache)

Den 1. Tag nach dem MI überleben 40 % der Patienten nicht. Meistens versterben diese bereits innerhalb der ersten Stunden nach Symptombeginn. Laut MONICA- Projekt (monitoring trends and determinants in cardiovaskular disease) versterben innerhalb der ersten 4 Wochen 50 % aller Patienten mit MI. In den 2 Folgejahren nach KH- Entlassung versterben weitere 5 % - 10 % aller MI- Patienten an einem plötzlichen Herztod.

Mit Hilfe der Killip- Klassifikation lassen sich Aussagen über die weitere Prognose in Bezugnahme auf die Störung der Pumpfunktion machen.

  • Stadium I: Auskultatorisch keine RGs, kein 3. Herzton, keine Dekompensationszeichen; Letalität < 5 %
  • Stadium II: Ein 3. Herzton ist auskultierbar, über maximal 50 % des Lungengewebes sind RGs auf Grund der Herzinsuffizienz auskultierbar, es besteht eine pulmonalvenöse Druckerhöhung; Letalität bis 20 %
  • Stadium III: Auf Grund einer schweren Herzinsuffizienz sind über mehr als 50 % des Lungengewebes RGs auskultierbar oder es besteht ein Lungenödem; Letalität bis 40 %
  • Stadium IV: Es besteht ein kardiogener Schock mit Hypotension (systolischer Blutdruck ≤ 90 mmHg), peripherer Vasokonstriktion, Oligurie, Zyanose, Kaltschweißigkeit; Letalität bis zu 90 % (Herold 2020 / Pinger 2019 / Siegenthaler 2006)

Forrester- Klassifikation :Die Forrester- Klassifikation wurde ebenfalls für die weitere Prognose der Patienten nach Myokardinfarkt entwickelt. Hierbei werden im Wesentlichen klinische Zeichen einer peripheren Perfusionsstörung und die pulmonalkapillären Druckwerte berücksichtigt (Siegenthaler 2006).

  • Klasse I: PCWP < 18 mmHg (pulmonal- kapillärer Verschlussdruck). CI > 2,2 l / min / m² (Herzindex). Es finden sich keine Lungenstauung und keine periphere Minderdurchblutung. Die Herztätigkeit liegt im physiologischen Bereich.
  • Klasse II: PCWP > 18 mmHg. CI > 2,2 l / min / m2. Es findet sich eine isolierte Lungenstauung, die Peripherie des Körpers wird noch ausreichend durchblutet. Auch bekannt als sog. „Rückwärtsversagen des linken Herzens“.
  • Klasse III: PCWP < 18 mmHg. CI < 2,2 l / min / m2. Es besteht eine periphere Minderdurchblutung. Auch „Vorwärtsversagen des linken Herzens“ genannt.
  • Klasse IV: PCWP > 18 mmHg. CI < 2,2 l / min / m2. Es sind sowohl eine Lungenstauung als auch eine periphere Minderdurchblutung nachweisbar. Der Patient befindet sich im kardiogenen Schock (Böhm 2000).

Prognoseverbesserung: Eine Verbesserung der Prognose ist durch folgende Allgemeinmaßnahmen möglich:

  • Einhalten der Nikotinkarenz
  • mediterrane Ernährung 
  • aerobe körperliche Belastung ≥ 3x die Woche für 30 – 45 min
  • optimale Einstellung einer etwaig vorhandenen arteriellen Hypertonie
  • optimale Einstellung eines etwaig vorhandenen Diabetes mellitus
  • regelmäßige Grippeschutzimpfung 1 x jährlich

Prognoseverbesserung durch die folgenden medikamentösen- bzw. therapeutischen Maßnahmen:

  • Betablocker ohne intrinsische Aktivität: Diese führen zu einer Abnahme des Herzminutenvolumens. Bei längerer Einnahme kommt es zu einer Senkung der Herzfrequenz, des Herzzeitvolumen und der Plasmareninaktivität. Dadurch wird die Gefahr eines Reinfarktes und einer Herzinsuffizienz reduziert. Ebenso kommt es zu einer Abnahme rhythmogen bedingter Todesfälle. Dosierungsempfehlung: Initial sollte nur 1/10 der Zieldosis verabreicht werden. Die Zieldosis sehr langsam und unter ständiger klinischer Kontrolle von Symptomatik, Gewicht, Auskultationsbefund steigern. Alle 14 Tage Erhöhung der Dosis. Meistens dauert die Anpassung mehrere Monate.
  • Bisoprolol 1 x 23, 75 mg / d, Zieldosis 2 x 100 mg / Tag
  • Carvedilol 3 x 3,125 mg / d, Zieldosis 2 x 25 mg / Tag (Braun 2018 / Rietbrock 1991 / )
  • Thrombozytenaggregationshemmer Nach einem MI sollte für 1 Jahr eine duale Antiplättchentherapie (DAPT) erfolgen. Dosierungsempfehlung:
    • Acetylsalicylsäure: ASS 75 mg – 100 mg /d lebenslang (Herold 2020)
  • plus
    • Clopidogrel: initial 300 – 600 mg, anschließend 75 mg / Tag für 1 Jahr
  • oder
    • Ticagrelor: initial 180 mg, anschließend 2 x 90 mg / Tag. Kontraindikationen (anamnestisch intrakranielle Blutungen, aktuelle Blutungen)
  • oder
    • Prasugrel: initial 60 mg, anschließend 10 mg / Tag. Kontraindikationen: anamnestisch intrakranielle Blutungen, ischämischer Insult, transitorisch ischämische Attacke, aktuelle Blutungen. Hinweis: Prasugrel wird nicht eingesetzt bei Patienten ≥ 75 Jahre oder mit einem Körpergewicht ≤ 60 kg
  • Orale Antikoagulation zusätzlich zu DAPT: Beim Auftreten von Vorhofflimmern, einem linksventrikulären Thrombus oder der Notwendigkeit des Einsetzens einer Herzklappe, sollte zusätzlich eine orale Antikoagulation erfolgen (s. a. Thromboseprophylaxe).
  • Cholesterinsenker / Statine. Dosierungsempfehlung: Pravastatin: 40 – 80 mg / Tag (Pinger 2019).  Der Zielwert des LDL- Cholesterin sollte bei < 70 mg / dl liegen. Falls dieser nicht erreicht werden kann, sollten zusätzlich Ezetimib oder PCSK9- Inhibitoren gegeben werden. Dosierungsempfehlung:
    • Ezetimib 10 mg / Tag
    • PCSK9- Inhibitor z. B. Evolocumab 10 mg / Tag (Schwabe 2016))
  • ACE- Hemmer: Nach einem MI kommt es am Herzen zu einem strukturellen Umbau- und zu Anpassungsvorgängen, dem sog. „remodeling“. Diese Veränderungen können zu einer Hypertrophie, einer Expansion der Myokardnarbe und einer Dilatation des linken Ventrikels führen, die die weitere Prognose erheblich verschlechtern. Durch ACE- Hemmer ist es möglich, diesen Prozess aufzuhalten und damit die Gesamtsterblichkeit zu verringern, wie mehrere Studien (wie z. B. SAVE, TRACE, AIRE etc.) gezeigt haben. Dosierungsempfehlung:
    • Captopril: 6,25 mg initial, 2 h später 12,5 mg, 12 h später 25 mg, anschließend 2 x 50 mg / d
  • oder
    • Ramipril 2 x 2,5 mg, anschließend 2 x 5 mg / d oral (Pinger 2019).
  • oder
    • sollten beim Patienten Unverträglichkeiten wie z. B. Husten auftreten oder Kontraindikationen bestehen, kann auf Sartane (AT1- Blocker) umgestellt werden. Dosierungsempfehlung: Valsartan: 20 mg in 4 Stufen auf 2 x 160 mg als Erhaltungsdosis
  • Aldosteron- Rezeptor- Antagonist: Falls sich beim Patienten – trotz der Behandlung mit Betablockern und ACE- Hemmern (bzw. AT1- Blockern) ein Persistieren der Herzinsuffizienz besteht bzw. eine Einschränkung der linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LV- EF) von < 35 % vorhanden sein sollte, empfiehlt sich die Gabe eines Aldosteron- Rezeptor- Antagonisten.
  • Aldosteron- Rezeptor- Antagonist. Dosierungsempfehlung:
    • Spironolacton: Startdosis: 1 x 25 mg, Zieldosis 2 x 25 mg – 50 mg (Aktories 2017)

Kardiale Rechronisationstherapie: Die kardiale Rechronisationstherapie sollte erfolgen bei:

  • einem linksschenkelblockartigen QRS- Komplex > 120 ms – 150 ms
  • einer LV- EF ≤ 35 % einer - trotz optimaler medikamentöser Therapie - fortschreitenden Herzinsuffizienz (NYHA > II)
  • Implantierbarer Defibrillator (ICD): Sollte nach optimaler medikamentöser Behandlung > 40 Tage eine symptomatische Herzinsuffizienz NYHA II – III oder eine reduzierte linksventrikuläre Auswurffraktion ≤ 35 % bestehen, besteht die Indikation zum ICD.

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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Zuletzt aktualisiert am: 05.12.2022