Oligurie R34

Autoren: MSc Sebastian Gaul, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 15.09.2022

This article in english

Synonym(e)

Harnverhalt; Ischurie; Oligoanurie; verminderte Harnausscheidung; vermindertes Harnvolumen

Erstbeschreiber

Die Oligurie wurde bereits zu der Zeit beschrieben, als Hippokrates die prognostische Bedeutung der Harnausscheidung erkannte. Galen schlug im 2. Jahrhundert vor, die Urinausscheidung als Indikator für die Nierenfunktion zu verwenden.

Heberden beschrieb ein Nierenversagen, welches mit einer Oligurie einhergeht, als „ischiuria renalis“ (Haider 2021).

Zwischen den beiden Weltkriegen beschrieb Reinwein die mit einem hohen spezifischen Harngewicht einhergehende Oligurie. Nonnenbruch fasste im Jahre 1942 die Oligoanurie beim extrarenalen Nierensyndrom zusammen (Mohr 1968).

 

 

Definition

Unter einer Oligurie versteht man eine Verminderung der täglichen Harnausscheidung auf < 500 ml (Herold 2020). Im angelsächsischen Raum spricht man erst ab einer Harnausscheidung von < 400 ml / d von einer Oligurie (Kasper 2015). Die Oligurie ist Leitsymptom des akuten Nierenversagens (Kuhlmann 2015).

Die „Acute Dialysis Quality Initiative Group“ definiert die Oligurie als eine über mindestens 24 h anhaltende verminderte Urinausscheidung von < 0,3 ml / kg / h (Haider 2021).

 

 

Einteilung

Die Oligurie kann auftreten im Rahmen:

  • des prärenalen Nierenversagens durch eine Exsikkose als sog. funktionelle Oligurie (Braun 2022)
  • des intra- oder postrenalen Nierenversagens (Scheurlen 2013)
  • chronischen Niereninsuffizienz (Braun 2022)

 

 

Vorkommen/Epidemiologie

Eine Oligurie kann in jedem Lebensalter auftreten.

 

 

Ätiopathogenese

Die Ursache einer Oligurie kann im prärenalen, intrarenalen oder postrenalen Bereich liegen. 

  • Prärenales Nierenversagen:
    • Schock 
    • traumatisch
    • kardial
    • anaphylaktisch
  • Störung der Herzkreislauffunktion
    • z. B. durch Herzinsuffizienz
  • Volumenmangel
    • Flüssigkeitsmangel (besonders bei Älteren)
    • bei parenteraler Ernährung iatrogen verminderte Flüssigkeitszufuhr
  • Niereninsuffizienz
    • akute oder
    • chronische
  • vermindertes intravasales Volumen im Rahmen einer:
    • Pankreatitis
  • vermindertes intraarterielles Volumen durch z. B.:
    • Leberzirrhose
    • nephrotisches Syndrom
  • Störungen der intrarenalen Hämodynamik durch z. B.:
    • NSAR (können zu einer präglomerulären Vasokonstriktion führen)
    • ACE- Hemmer (können zu einer postglomerulären Vasokonstriktion führen)

 

  • Intrarenales Nierenversagen:
    • vaskuläre Ursachen wie z. B.:
      • Thrombose, Embolie oder Stenose der V. oder A. renali
    • akute Glomerulonephritis
    • akute Tubulusnekrose z. B.
      • ischämisch oder 
      • toxisch bedingt

 

  • Postrenales Nierenversagen:
    • Obstruktion des oberen Harntraktes bei z. B.
    • Nephrolithiasis
    • Urothelkarzinom
    • M. Ormond (retroperitoneale Fibrose unklarer Ursache [Staubach 2008])
  • Obstruktion des unteren Harntraktes bei z. B.
    • benigner Prostatahyperplasie
    • Harnblasenkarzinom
    • Phimose
  • neurogene Blase

(Hautmann 2006 / Brunkhorst 2010)

 

 

Diagnostik

Falls die Oligurie das einzige Symptom darstellt, sollte zunächst eine Obstruktion des Harntraktes ausgeschlossen werden (Keller 2010).

In allen anderen Fällen ist eine umgehende anamnestische, körperliche, apparative und laborchemische Untersuchung - der jeweiligen Symptomatik angepasst - zur Ursachenfindung erforderlich.

 

 

Differentialdiagnose

Differentialdiagnostisch sind die Anurie abzugrenzen, bei der die tägliche Harnausscheidung < 100 ml / d liegt (Herold 2020) sowie die funktionelle Oligurie, bei der es durch eine Erniedrigung der glomerulären Filtrationsrate zu einer Verminderung der täglichen Harnausscheidung kommt (Herold 2022).

Therapie

Die Therapie richtet sich nach der die Oligurie verursachenden Grunderkrankung.

Verlauf/Prognose

Unbehandelt geht eine (funktionelle) Oligurie immer in ein akutes Nierenversagen über (Scheurlen 1988).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Brunkhorst R et al. (2010) Differentialdiagnose und Differentialtherapie: Entscheidungen in der Inneren Medizin. Urban und Fischer Verlag München 12
  2. Hautmann R et al. (2006) Urologie Springer Verlag 48
  3. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 599
  4. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 289 - 293
  5. Keller C K et al. (2010) Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 185
  6. Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme 473
  7. Mohr L et al. (1968) Handbuch der Inneren Medizin. Achter Band: Nierenerkrankungen. Springer Verlag Berlin 944
  8. Scheurlen P G et al. (1989) Differentialdiagnose in der Inneren Medizin. Springer Verlag 506
  9. Staubach K H et al. (2008) Viererverband kleine operative Fächer: Kurzlehrbuch Urologie, Augenheilkunde, HNO, Orthopädie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 20

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 15.09.2022