Ebstein-Anomalie Q22.5

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 02.09.2022

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Synonym(e)

Morbus Ebstein

Erstbeschreiber

Der Göttinger Internist Wilhelm Ebstein beschrieb 1866 als Erster das Krankheitsbild der Ebstein- Anomalie, welches dann auch nach ihm benannt wurde (Apitz 2002).

Definition

Unter einer Ebstein- Anomalie versteht man die Fehlbildung einer oder mehrerer Segel der Trikuspidalklappe. Der Schweregrad der Erkrankung wird im Wesentlichen durch die Verlagerung des septalen und muralen Segels spitzenwärts bestimmt. Das Herz wird durch die apikale Verlagerung der Segel in einen rechten Vorhof, einen atrialisierten rechten Ventrikel (aRV) sowie einen funktionellen Restventrikel (fRV) unterteilt (Herold 2019). Es kommt durch die Verlagerung der Trikuspidalklappenschlussebene zu einer Rotation in Richtung des Ausflusstraktes des rechten Ventrikels (Vogt 2014).
 

Einteilung

Bei der Ebstein- Anomalie findet sich morphologisch eine erhebliche Varianz. Die Einteilung erfolgt deshalb nach anatomischen Gesichtspunkten. Die am häufigsten verwendete Klassifikation ist die von Alain Carpentier:

  • Typ A: Auch als „leichtgradig“ bezeichnet. Die Verlagerung des anterioren und septalen Segels ist nur moderat. Der anteriore Teil ist frei beweglich. Es findet sich eine kleine atrialisierte Kammer.
  • Typ B: Beim Typ B findet sich eine deutliche Verlagerung des septalen und posterioren Segels bzw. beim Klappenschluss. Die atrialisierte Kammer ist in diesem Fall groß und von einer dünnen, nicht kontraktilen Wand umgeben.
  • Typ C: Hierbei ist das anteriore Segel zusätzlich noch restriktiv. Mitunter ist das septale Segel stark hypoplastisch. Es findet sich ein kleiner funktioneller rechter Ventrikel mit eingeschränkter Funktion.
  • Typ D: Auch als „schwere Form“ bezeichnet. Das anteriore Segel ist hierbei stark an die Vorderwand adhärent. Dadurch erscheint der atrialisierte Anteil der rechten Kammer wie ein trikuspidaler „Sack“.(Vogt 2014)

Auf Grund der systolischen Regurgitation von Blut aus dem rechten Restventrikel über die insuffiziente Trikuspidalklappe in den rechten Vorhof bzw. den atrialisierten Ventrikel kommt es zu einer Volumenbelastung sowohl des rechten Vorhofes als auch des atrialisierten rechten Ventrikels. Das Schlagvolumen ist klein, sofern der rechte Ventrikel klein ist. Das wiederum bewirkt einen geringen pulmonalen Blutfluss (Herold 2019).

Durch den verminderten transpulmonalen Nettovorwärtsfluss kommt es zu einer verminderten Vorlast des linken Ventrikels und damit zu einem erniedrigten Herzzeitvolumen. (Vogt 2014)

In 80 % - 94 % ist zusätzlich eine intraatriale Verbindung vorhanden, die bei erhöhtem Druck im rechten Ventrikel zu einem Rechts- Links- Shunt führt (Pinger 2019). Seltener kommt es zu einem Links- Rechts- Shunt.

 

 

Vorkommen/Epidemiologie

Beim M. Ebstein handelt es sich um ein selten auftretendes Vitium. Es macht lediglich ca. 0,5 % der angeborenen Herzfehler aus (Pinger 2019).

Die Inzidenz liegt bei 1 pro 20.000 Lebendgeburten (Poels 2018). Männliche Neugeborene sind häufiger betroffen. Das Geschlechterverhältnis liegt bei 1,4 : 1 (m : w) (Herold 2019).

Eine Studie aus dem Jahre 1984 (Long 1984) ließ den Verdacht aufkommen, dass nach mütterlicher Einnahme von Lithium während der Frühschwangerschaft vermehrt Kinder mit M. Ebstein geboren werden. Dieses konnte jedoch durch Untersuchungen aus dem Jahre 1990 nicht bestätigt werden (Apitz 2002).

Eine kontrollierte Studie von Boyle et al. aus dem Jahre 2016 umfasst 264 Neugeborene mit Ebstein- Anomalie. Hier zeigte sich eine Assoziation der Anomalie mit mütterlichen psychischen Erkrankungen, aber nicht generell nach Einnahme von Lithium, vielmehr trat die Missbildung dosisabhängig auf. Wichtig ist von daher die regelmäßige Kontrolle des Lithiumspiegels bei der Mutter.

Es empfiehlt sich die engmaschige Zusammenarbeit mit Psychiatern. Über die Fortführung der Behandlung mit Lithium sollte im Einzelfall entschieden werden, da auch ein Rückfall ein hohes Risiko – sowohl für die Mutter als auch das Ungeborene bedeuten würde (Stress, Alkohol- oder Drogenmissbrauch, fehlende Compliance hinsichtlich der ärztlichen Betreuung etc.).

Eine weitere Option wäre die Medikamentenumstellung vor der Empfängnis z. B. auf Lamotrigin (Poels 2018).

Vereinzelt findet sich eine familiäre Häufung (Blum 2015)

Bei 38 % - 42 % der Fälle finden sich zusätzliche kardiovaskuläre Fehlbildungen (Schumacher 2008) wie z. B.:

Assoziierte nicht kardiale Erkrankungen sind in bis zu 19 % der Fälle beschrieben (Schumacher 2008). Zu ihnen zählen:

  • Fehlbildungen des Gesichtes
  • Fehlbildungen des Kiefers
  • unilaterale Nierenaplasie
  • Leistenhernien
  • Megakolon
  • Gallengangsatresie etc. (Blum 2015)

In < 5 % der Fälle finden sich zusätzliche Chromosomenanomalien wie z. B.:

 

Ätiopathogenese

Bei der Ebstein- Anomalie handelt es sich um eine kongenitale Fehlbildung. Sie entsteht in der Embryonalphase durch eine fehlende oder inkomplette Ablösung der Klappensegel vom Myokard (Vogt 2014). Die freie Klappenöffnung ist hierbei in Richtung der Trabekelzone des rechten Ventrikels verlagert (Muntau 2018). Bei ca. 15 % der Betroffenen findet sich eine Mikrodeletion am Chromosom 22q11.

Die Mutation führt zu einer Anomalie der Trikuspidalklappe. Diese ist in den rechten Ventrikel verlagert (Kasper 2015). Die Klappe selbst ist dysplastisch, was wiederum eine Trikuspidalklappeninsuffizienz unterschiedlichen Ausmaßes zur Folge hat (Kasper 2015). Durch die Verlagerung der Klappe wird der rechte Ventrikel zweigeteilt. Oberhalb der Klappe liegt der sog. atrialisierte Anteil, unterhalb der eigentliche funktionelle Anteil des rechten Ventrikels, welcher in Abhängigkeit der Schwere der Trikuspidalklappeninsuffizienz vergrößert sein kann (Vogt 2014).

Klinisches Bild

Der M. Ebstein zeigt klinisch ein ungewöhnlich vielfältiges Erscheinungsbild. Es reicht von bereits pränatal diagnostizierten Fällen mit darauf folgendem intrauterinem Fruchttod bis hin zur intravitalen Primärdiagnostik bei einem ehemaligen Farmer im Alter von 85 Jahren (Apitz 2002).

Neugeborene fallen auf durch eine:

  • zentrale Zyanose

Kleinkinder meistens durch:

  • Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz
  • Halsvenenstau
  • Ödeme an den abhängigen Partien des Körpers
  • Lebervergrößerung
  • Nykturie
  • Pleuraergüsse
  • Belastungsdyspnoe
  • Vergrößerung der V. cava (Lasserre 2002)

Schulkinder durch:

  • uncharakteristisches Herzgeräusch

Jugendliche bzw. junge Erwachsene durch:

  • Tachyarrhythmien (Vogt 2014)

Weitere häufige Symptome – unabhängig vom Alter - können sein:

  • Dyspnoe
  • Müdigkeit
  • Belastungseinschränkungen
  • thorakale Schmerzen (atypische Angina pectoris- Symptome [Stier 2014])
  • Palpitationen (Herold 2019)
  • paradoxe Embolien
  • plötzlicher Herztod (Pinger 2019) Näheres s. w. u. unter „Verlauf und Prognose“ (Attenhofer Jost 2018)

Bildgebung

Röntgen Thorax

Es findet sich eine ausgeprägte Kardiomegalie bei schmaler Herztaille (typisch für den M. Ebstein). Die Ursachen dafür sind:

  • Vergrößerung des rechten Atriums und Trikuspidalklappeninsuffizienz (sog. Bocksbeutel- Form)
  • bei zusätzlicher Obstruktion des rechten Ventrikels eintretende Minderperfusion der Lunge (Pinger 2019)
  • der linke Ventrikel und der rechtsventrikuläre Ausflusstrakt sind nach links verlagert
  • V. cava superior ist nicht erweitert (trotz der Vergrößerung des rechten Ventrikels)
  • Aorta hat ein schmales Kaliber
  • verminderte Lungengefäßzeichnung
  • normal große Pulmonalarterie (Stierle 2014)

Echokardiographie

Die Echokardiographie spielt eine große Rolle in der Diagnostik einer Ebstein- Anomalie. Im Jahre 1974 waren bei der Erstdiagnose lediglich 17 % der Patienten jünger als 1 Jahr. Durch die Weiterentwicklung der Echokardiographie konnte 1994 bereits die Diagnose bei 49 % der betroffenen Neugeborenen (nicht älter als 1 Monat) gestellt werden (Apitz 2002).

Im M- Mode zeigen sich:

  • verzögerter Schluss der Trikuspidalklappe (> 40 ms nach dem Schluss der Mitralklappe)
  • das anteriore Trikuspidalsegel zeigt überschießende Exkursionsbewegungen

Im 2- D- Echo finden sich:

  • ein dilatiertes rechtes Atrium im apikalen 4- Kammer- Blick
  • der rechte Ventrikel ist vergrößert
  • der rechte Vorhof verkleinert
  • das septale Segel der Trikuspidalklappe ist verlagert in Richtung des rechten Ventrikels – Apex
  • das anteriore Segel zeigt eine überschießende Beweglichkeit (Stierle 2014)

Doppler- Sonographie

Bei der Doppler- Sonographie können folgende Aussagen getroffen werden:

  • Bestimmung des Ausmaßes der Trikuspidalklappeninsuffizienz
  • auf Vorhofebene Darstellung des Rechts- Links- Shunts
  • Nachweis oder Ausschluss von Obstruktionen des rechtsventrikulären Ausflusstraktes
  • beim Vierkammer- Blick kann man mit Hilfe eines Flächenindex die Fläche des rechten Atriums ins Verhältnis zur restlichen Schnittfläche setzen (damit ist eine Graduierung des Schweregrades unter prognostischen Gesichtspunkten möglich) (Apitz 2002)

Kardio- MRT

Eine Kardio- MRT sollte nur dann erfolgen, wenn die Echokardiographie keinen eindeutigen Befund erbrachte.

Sie kann allerdings bei komplexen Läsionen präoperativ hilfreich sein.

Außerdem spielt sie eine wichtige Rolle bei der Verlaufskontrolle (Stierle 2014).

Herzkatheter

Die Herzkatheteruntersuchung ist i. d. R. verzichtbar. Sie hat lediglich Bedeutung zum Ausschluss bzw. Nachweis einer KHK (Herold 2019) oder assoziierender Fehlbildungen (Apitz 2002).

Bei V. a. akzessorische Leitungsbahnen kann eine elektrophysiologische Untersuchung erfolgen (Pinger 2019).

Diagnose

Inspektion und Palpation:

Je nach Schwere der Stenose und Fortschreiten der Erkrankung findet sich eine unterschiedliche Symptomatik wie z. B.:

  • Halsvenenstauung
  • Hepatomegalie
  • Zeichen einer zentralen Zyanose (tritt bei Rechts- Links- Shunt oder / und low cardiac output auf [Herold 2019]; bläuliche Verfärbung der Haut plus der zentralen Schleimhäute) (Stierle 2014)
  • glühend rote Wangen, teilweise mit lila- farbiger Schattierung
  • Teleangiektasien
  • gedunsenes Gesicht
  • geringes systolisches Schwirren im 4. ICR links
  • leichte hebende Pulsationen über dem 2. - 3. ICR links parasternal sind möglich (Schumacher 2008)
  • Präkordium meistens normal, sog. „stiller Thorax“ (Herold 2019)

Auskultation

Die Auskultation ist oftmals unauffällig. Falls nicht, können folgende Geräuschphänomene bestehen:

  • der 1. Herzton ist leise, gespalten (Schumacher 2008) und hat eine laute 2. Komponente durch den verspäteten Schluss der Trikuspidalklappe (auch „sail sound“ [Stierle 2014] genannt)
  • der 2. Herzton kann ebenfalls weit gespalten sein und eine Abschwächung des Schlusstones der Pulmonalarterienklappe (PaV) durch den verminderten Pulmonalisflow (Schumacher 2008) aufweisen
  • serielle Klicks
  • häufig finden sich ein dritter und bisweilen auch ein 4. Herzton (sog. triple oder quadruple Rhythmus)
  • am linken unteren Sternalrand ist ein systolisches Sofortgeräusch der Trikuspidalklappeninsuffizienz auskultierbar
  • kurzes mesodiastolisches Geräusch (Herold 2019)

EKG

Falls sich im EKG ein WPW- Syndrom zeigt und gleichzeitig eine zentrale Zyanose besteht, sollte immer ein M. Ebstein ausgeschlossen werden (Pinger 2019).

Im EKG können auftreten:

  • überwiegend Sinusrhythmus, seltener AV- Knotenrhythmus
  • Rechtslagetyp (Schumacher 2008)
  • Zeichen der rechtsatrialen Hypertrophie
  • tiefes Q in den Ableitungen II, III, aVF, V1 – V4
  • WPW Konfiguration
  • Rechtsschenkelblock (kommt in bis zu 50 % vor [Pinger 2019], mitunter mit einem darin erhaltenen 2. QRS- Komplex
  • PR- Intervall kann verlängert sein
  • supraventrikuläre Extrasystolen
  • Niedervoltage möglich (Herold 2019)
  • P- dextroatriale mit einem spitzen positiven P von > 0,2 mV (tritt bei 71 % der Fälle auf)
  • AV- Block I. Grades (findet sich in 34 %)
  • Delta- Welle (bei ca. 25 % bestehen akzessorische Leitungsbahnen, die eine AV- Reentry- Tachykardie ermöglichen) (Pinger 2019)

Langzeit- EKG

Zum Nachweis der häufig auftretenden supraventrikulären Tachykardien ist ein Langzeit- EKG angezeigt (Muntau 2018).

Differentialdiagnose

  • Trikuspidalinsuffizienz anderer Genese
  • Dysplasie der Trikuspidalklappe
  • andere zyanotische Herzfehler (insbesondere Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum)
  • Cor triatriatum dextrum
  • idiopathische Dilatation des rechten Atriums (Vogt 2014)

Therapie

Die Behandlung der Ebstein- Anomalie gliedert sich in eine konservative und eine operative Therapie.

Konservative Therapie: Patienten, die nur eine geringe Kardiomegalie ohne relativen Shunt aufweisen und asymptomatisch sind, sollten zunächst konservativ behandelt werden.

In erster Linie kommen in Frage:

  • Behandlung der Herzrhythmusstörungen (medikamentös oder durch Ablation [Herold 2019])
  • orale Antikoagulation (kann bei Rechts- Links- Shunt oder erhöhter Gefahr einer Thromboembolie in Frage kommen [Herold 2019])
  • eine Schrittmacher- Implantation muss bei ca. 3,7 % erfolgen (Pinger 2019); sie ist zu ca. 80 % erfolgreich, bei ansonsten Herzgesunden sind es 95 % ; die Rezidivrate beträgt 30 % (Vogt 2014)
  • Diuretika bei Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz
  • Digitalisierung fraglich (kontraindiziert bei WPW- Syndrom)
  • umgehende Endokarditis- Prophylaxe (Näheres s. u. „Nachsorge“)
  • Verbot körperlicher Anstrengungen (Schumacher 2008).

Bei kritischen zyanotischen Neugeborenen kommt als Palliativmaßnahme in Frage:

  • Infusionen mit Prostaglandin- E1- Infusionen (um den Ductus Botalli geöffnet zu halten) (Stierle 2014)

Operative Therapie

Indikationen für eine operative Behandlung sind:

  • symptomatische Patienten mit > Nyha II und abnehmender Leistungsbreite
  • progrediente Größenzunahme des Herzens und abnehmende Funktion des rechten Ventrikels
  • symptomatische Trikuspidalinsuffizienz, die mehr als mittelgradig ist
    • als mittelgradige TI wird bezeichnet:
    • Morphologie der Klappe normal oder abnorm
    • V. contracta (mm) < 7
    • PISA Radius (mm)x1 6 - 9
    • EROA (mm 2) nicht definiert
    • R Vol (ml) nicht definiert
    • PW- Signal des Einstroms normal
    • CW- Signal der TI dicht/ parabolisch
    • Lebervenenfluss systolisch abgeschwächt (Pinger 2019)
  • progrediente oder höhergradige Zyanose mit einer arteriellen Sättigung in Ruhe < 90 %
  • Auftreten paradoxer Embolien
  • die Ausflussobstruktion rechts ist relevant (Herold 2019)

1. Die Indikationen nach ESC 2010 zur Durchführung einer chirurgischen Therapie sind:

Indikationsklasse I:

Klappenrekonstruktion und ggf. simultaner Verschluss eines ASD bzw. VSD bei schwerer Trikuspidalinsuffizienz und Vorliegen von:

  • Herzinsuffizienz > NYHA II
  • oder Arrhythmien
  • oder spirometrische Verschlechterung unter Belastung

Indikationsklasse IIa:

Durchführung einer Klappenrekonstruktion bei:

  • einer zunehmenden Dilatation des rechten Ventrikels
  • oder einer Reduktion der systolischen Funktion des rechten Ventrikels
  • oder zunehmende Kardiomegalie

2. Die Indikationen nach ESC 2010 zur Durchführung einer interventionellen Therapie sind:

Indikationsklasse I:

  • bei relevanten Arrhythmien elektrophysiologische Untersuchung (EPU) mit Ablation

Indikationsklasse IIa:

  • bei systemischen Embolien, die wahrscheinlich als paradoxe Embolien auftreten, sollte ein Verschluss des ASD bzw. VSD erfolgen (Pinger 2019).

Es stehen an operativen Maßnahmen zur Verfügung:

  1. interventionelle Herzkatheter- Maßnahmen
  2. chirurgische Therapie
  3. rekonstruktive Operation
  4. Trikuspidalklappenersatz
  5. palliative Op- Maßnahmen (Vogt 2014)

zu 1. interventionelle Herzkatheter- Maßnahmen:

Es kann in den ersten Lebensmonaten im Einzelfall ein Ductus- Stenting als Alternative zur aortopulmonalen Shuntanlage erfolgen. Außerdem ist ein ASD- Verschluss möglich. Dieser kann indiziert sein bei:

  • milder Ausprägung der Ebstein- Anomalie

und

  • einer ASD- Hämodynamik mit signifikantem Links- Rechts- Shunt

Bei Vorliegen einer Zyanose sollte stets Einzelfall entschieden werden (Vogt 2014).

Bei kritischen zyanotischen Neugeborenen kann als interventionelle palliative Maßnahme durchgeführt werden:

  • Rashkind- Ballon- Septostomie (Stierle 2014)

zu 2. chirurgische Therapie:

Hierbei differenzieren wir zwischen korrigierenden Op- Methoden und palliativen Op- Methoden.

Bei korrigierenden Eingriffen kann entweder klappenerhaltend rekonstruktiv operiert werden oder durch Ersatz der Trikuspidalklappe (mechanischer oder biologischer Ersatz)

(Vogt 2014)

In letzter Zeit wird zunehmend die Cone Rekonstruktion nach Da Silva durchgeführt, bei der die Klappensegel ausgeprägt mobilisiert werden, eine trichterförmige Rekonstruktion der Segel erfolgt sowie eine longitudinale Raffung des atrialisierten rechten Ventrikels (Eschenbach 2017)

Zu den palliativen Verfahren zählen:

  • der aorto- pulmonale Shunt zur Verbesserung der Durchblutung der Lungen
  • die partielle cavo- pulmonale Anastomose (auch als 1,5- Kammerherz bezeichnet) zur Entlastung des rechten Ventrikels
  • die totale cavo- pulmonale Anastomose (auch als 1- Kammerherz bezeichnet) ebenfalls zur Entlastung des rechten Ventrikels (Vogt 2014)

zu 3. rekonstruktive Operation:

Die plastische Rekonstruktion der nativen Klappe wird aktuell, sofern die anatomischen Gegebenheiten es zulassen, favorisiert. Es gibt dafür differente Konzepte:

  • Exklusion (auch Plikation genannt) des ineffektiv pumpenden rechten Ventrikels
  • Veränderung der Klappenaufhängung der Trikuspidalklappe (Vogt 2014).

zu 4. Trikuspidalklappenersatz:

Es stehen sowohl mechanische als auch Bioprothesen zur Verfügung (s. Klappenersatz). Die Zahl der Re- Operationen ist bei beiden Klappen ähnlich. Allerdings zeigte sich bei der 20- Jahresüberlebensrate ein deutlicher Vorteil der porkinen Bioprothesen: 75 % versus 43 % (Vogt 2014).

zu 5. palliative Operationsverfahren:

Die palliativen Operationsverfahren sind beschränkt auf symptomatische Patienten mit schwerer Ebstein- Anomalie. Hierbei werden ein aorto- pulmonaler Shunt und ein Verschluss des Trikuspidalklappenostiums mit einem fenestrierten Patch (sog. Starnes- Operation) durchgeführt.

Dieses Verfahren ermöglicht eine univentrikuläre Kreislaufsituation. Es ist nicht auf das Neugeborenenalter begrenzt, auch in späteren Jahren kann zusätzlich zu einer Trikuspidalklappenplastik eine partielle cavo- pulmonale Anastomose indiziert sein (Vogt 2014).

 

Verlauf/Prognose

Spontanverlauf: Die meisten Patienten mit Ebstein- Anomalie werden heutzutage - dank immer präziserer diagnostischer Möglichkeiten – frühzeitig erkannt. Dennoch ist die Sterblichkeit besonders im 1. Lebensjahr sehr hoch (23 % [Schumacher 2008]). Bei bereits intrauteriner Erstdiagnose ist überleben nur 10 % der Kinder das 1. Lebensjahr (Apitz 2002).

Die mittlere Lebenserwartung liegt unbehandelt bei ca. 15 Jahren. Das Risiko eines plötzlichen Herztodes ist gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht (Attenhofer Jost 2018). Es gibt aber andererseits auch bis ins Erwachsenenalter hineinreichende symptomarme Verläufe, bei denen die Erstmanifestation sich oftmals äußert durch:

Die Operationsletalität liegt bei 4,9 % (Apitz 2002) und die Rate der Re- Operationen bei ca. 2 % bis 5 % pro Patientenjahr (Blum 2015).

Postoperativ bleibt meistens die körperliche Belastbarkeit eingeschränkt. Auch Herzrhythmusstörungen sind nicht selten (Vogt 2014).

Die 10- Jahresüberlebensrate liegt bei > 90 % (Pinger 2019).

Sonstige Residualbefunde, die postoperativ auftreten können sind z. B.:

  • neu aufgetretene Trikuspidalklappeninsuffizienz
  • persistierende Trikuspidalklappeninsuffizienz
  • Rest- Shunt auf Vorhofebene
  • Versagen des rechten oder linken Ventrikels
  • Auftreten von Arrhythmien (sowohl supraventrikuläre als auch ventrikuläre)
  • höhergradige Blockbilder

Bei Patienten mit Ebstein- Anomalie besteht grundsätzlich lebenslang ein erhöhtes Risiko für einen plötzlicher Herztod (PHT). Untersuchungen deuten darauf hin, dass klinische Parameter wie Lungenstenose, Herzinsuffizienz, frühere Synkopen und ventrikuläre Tachykardien eine Vorhersage der Wahrscheinlichkeit des plötzlichen Herztodes ermöglichen. Bei diesen Patienten sollte die Implantation eines Defibrillators erfolgen, da Herzrhythmusstörungen die wahrscheinlichste Ursache für den PHT sind.(Attenhofer Jost 2018)

Familiäre Häufungen der Ebstein- Anomalie sind zwar extrem selten, dennoch sollte betroffenen Familien eine genetische Beratung und eine pränatale Diagnostik einschließlich fetaler Echokardiographie angeboten werden (Vogt 2014).

Prophylaxe

Eine Antibiotikaprophylaxe ist bereits 30 – 60 min vor einem operativen  Eingriff als Einzeldosis zu verabreichen.

Sofern eine orale Gabe möglich ist, können Amoxicillin oder Ampicillin 2 g p. o. verabreicht werden

falls eine orale Gabe nicht möglich sein sollte, empfiehlt sich Ampicillin oder Cefalexin 2 g i.v.

bei Ampicillin- oder Penicillinallergie sollte oral Clindamycin 600 mg gegeben werden

bei notwendiger i.v. - Gabe Clindamycin 600 mg i.v.

Es ist zu beachten, dass Cephalosporine aufgrund der Kreuzallergie nicht bei Patienten eingesetzt werden dürfen, die nach Ampicillin oder Penicillin mit Anaphylaxie, Angioödem oder Urtikaria reagiert haben (Herold 2018).

Nachsorge

Es sollten lebenslang regelmäßige Kontrolluntersuchungen (ein- bis zweimal im Jahr) bei einem auf angeborene Herzfehler spezialisierten Arzt erfolgen. Umfang der Kontrolluntersuchungen:

  • Standard- EKG
  • Echokardiographie
  • und ggf. kardiale Funktionsuntersuchungen wie z. B.:
  • Langzeit- EKG
  • Belastungs- EKG
  • Spirometrie
  • MRT- Untersuchung (diese ist am besten geeignet zur Quantifizierung der rechts- und linksventrikulären Funktion) (Vogt 2014)

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Apitz J et al. (2002) Pädiatrische Kardiologie: Erkrankungen des Herzens bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Heranwachsenden. Steinkopff Verlag 483 - 487
  2. Attenhofer Jost C H et al. (2018) Sudden death in patients with Ebstein anomaly. European Heart Journal (39) 1970 - 1977
  3. Blum U et al. (2015) Kompendium angeborene Herzfehler bei Kindern: Diagnose und Behandlung. Springer Verlag 184 – 193
  4. Eschenbach L K (2017) Die Cone- Methode nach Das Silva bei Ebstein- Anomalie. Inauguraldissertation der Technischen Universität München, Abteilung für Herzchirurgie
  5. Herold G et al. (2019) Innere Medizin. Herold Verlag 194 - 195
  6. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1527
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1861 - 1862
  8. Lasserre A (2002) Anamneseerhebung und allgemeine Krankenuntersuchung. Original- Prüfungsfragen mit Kommentar. GK 2. Georg Thieme Verlag 174
  9. Long W A et al. (1984) Maternal lithium and neonatal Ebstein‘s anomaly of the tricuspid valve. Am J Perinatol (1) 182 - 184
  10. Muntau A C et al. (2018) Pädiatrie Hoch 2. Elsevier Verlag 346
  11. Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag. 404 – 406
  12. Poels E M P et al (2018) Lithium during pregnancy and after delivery: a review.Int J Bipolar Disord. 6 : 26
  13. Schumacher G et al. (2008) Klinische Kardiologie: Diagnostik und Therapie der angeborenen Herzfehler. Springer Verlag 244 – 247
  14. Stierle U et al. (2014) Klinikleitfaden Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer 268 – 270
  15. Vogt M et al. (2014) Leitlinie Pädiatrische Kardiologie: Ebstein- Anomalie der Trikuspidalklappe e bei Kindern und Jugendlichen. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. Registriernummer 023 – 041 (wird derzeit überarbeitet)

Weiterführende Artikel (3)

Apert-Syndrom; Cephalosporine; Noonan-Syndrom;

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Zuletzt aktualisiert am: 02.09.2022