WPW-Syndrom I45.6

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 30.04.2020

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Synonym(e)

Antesystolie; Wolff- Parkinson- White- Syndrom

Erstbeschreiber

Das WPW- Syndrom, wurde im Jahre 1930 erstmals von Wolff, Parkinson und White beschrieben und nach ihnen benannt (Greten 2010). 

Definition

Unter einem WPW- Syndrom versteht man das Vorhandensein einer oder mehrerer akzessorischer Leitungsbahnen zwischen Vorhof und Kammer, die zu einer Präexzitation während des Sinusrhythmus und zu einer paroxysmalen supraventrikulären Tachykardie führen können (Kasper 2015).

Einteilung

Das WPW- Syndrom zählt zur Gruppe der paroxysmalen supraventrikulären Tachykardien (PSVT) und hierbei zur Untergruppe der atrio- ventrikulären Tachykardie (AVRT). Beim WPW - Syndrom differenziert man auf Grund der Lokalisation des akzessorischen Bündels zwischen einem:

  • Typ A (auch als sternal- positiv bezeichnet) Hierbei findet sich: ein linksseitiges akzessorisches AV- Bündel, auch linksventrikuläre Präexzitation genannt (Cote 2013)
  • Typ B (auch als sternal- negativ bezeichnet) mit rechtsseitig akzessorischem AV- Bündel, auch rechtsventrikuläre Präexzitation genannt (Cote 2013, Stierle 2017)

Vorkommen/Epidemiologie

Das WPW- Syndrom ist das häufigste der Präexzitationssyndrome und tritt bei ca. 01 % - 3 % der Bevölkerung auf (Biro 2005). Die Erstmanifestation findet sich bei 50 % vor dem 20. Lebensjahr, die Erkrankung kann aber in jedem Lebensalter symptomatisch werden (Pinger 2019).

Assoziierende kardiale Fehlbildungen:

Beim WPW- Syndrom finden sich bei ca. 7 % bis 20 % der Patienten zusätzliche Herzfehler, insbesondere:

Ätiopathogenese

Der Defekt ist angeboren. Es besteht ein hereditärer autosomal- dominanter Erbgang (Biro 2005). Die Ursache ist eine inkomplette Ausbildung des Anulus fibrosus (der normalerweise Vorhof und Kammer voneinander trennt) (Kasper 2015).

Pathophysiologie

Die akzessorischen Bahnen zwischen Vorhof und Kammer können die Erregung parallel zum AV- Knoten auslösen, aber auch die Erregung schneller als die des AV- Knoten übertragen. Aus Letzterem resultiert das Auftreten einer Delta- Welle im EKG (Biro 2005 / Herold 2020). Die faszikulo- ventrikulären Fasern zwischen His- Bündel und Ventrikelseptum können zu einer Präexzitation führen, jedoch nicht zu Arrhythmien.

Durch verborgene akzessorische Leitungen kommt es ausschließlich zu einer retrograden Überleitung vom Ventrikel auf den Vorhof, bei denen während des Sinusrhythmus keine Präexzitation auftritt. Supraventrikuläre Tachykardien sind jedoch möglich (Kasper 2015).

Klinisches Bild

Es gibt 3 unterschiedliche Gruppen von Patienten hinsichtlich der Symptomatik:

Gruppe 1: Die Patienten sind asymptomatisch. Es bestehen keine paroxysmalen Tachykardien.

Gruppe 2: Bei diesen Patienten kommt es zu intermittierend auftretenden Tachykardien.

  • Orthodrome AVRT (häufigste Form): Hierbei besteht eine antegrade kreisende Erregung über dem AV- Knoten und eine retrograde Erregung über den akzessorischen Bahnen. Die Symptomatik beginnt und endet abrupt.
  • Antidrome Form (seltener): Hierbei verläuft die Erregung über die akzessorische Bahn antegrad und über den AV- Knoten retrograd.

Gruppe 3: Patienten dieser Gruppe zeigen potentiell lebensbedrohliche Tachyarrhythmien. Die akzessorischen Bahnen weisen eine kurze Refraktärzeit auf. Es kann zum Auftreten von Vorhofflimmern, Kammertachykardien, Kammerflimmern bis hin zum plötzlichen Herztod kommen (Herold 2020).

Diagnostik

Ruhe- EKG: Es kann bei akzessorischen Leitungsbahnen, die ausschließlich retrograde Erregungen verursachen, ein normales Oberflächen- EKG bestehen. Man spricht in solchen Fällen von einem sog. „verborgenen WPW- Syndrom“ (Herold 2020).

Ansonsten können folgende Veränderungen vorhanden sein:

  • bei der antidromen Form (s. a. „Klinisches Bild“) :
    • intermittierende oder permanente Tachykardie (Frequenz 150 – 220 Schläge pro Minute)
    • PQ- Zeit < 0,12 s (Biro 2005)
    • typische Deltawellen durch vorzeitige Erregung eines oder beider Ventrikel
    • Deformierung und Verlängerung des QRS- Komplexes
    • Veränderung der Repolarisation (Gertsch 2007)
  • bei der orthodromen Form (s. a. „Klinisches Bild“):
    • schmale QRS- Komplexe
    • keine Delta- Welle (Herold 2020)
    • Typ A (s. „Einteilung“): positive Haupt- QRS- Ausrichtungsrichtung V1 und V2
    • Typ B (s. „Einteilung“): negative Haupt- QRS- Ausrichtungsrichtung V1 und V2
  • bei den Tachykardien finden sich:
    • Reentry- Tachykardien bei 80 %
    • Vorhofflimmern bei 10 %
    • Vorhofflattern bei ca. 4 % (Stierle 2017)

Langzeit- EKG: Bei lediglich intermittierend einsetzenden Tachykardien sollte ein Langzeit- EKG erfolgen (Herold 2020). Falls hierbei während der 24stündigen Aufnahme keine Ereignisse registriert werden können, empfiehlt sich der Einsatz eines implantierbaren Event- Rekorders, auch als „Insertable Cardiac Monitors“ (ICMs) oder „Implantable Loop Recorders“ (ILRs) bezeichnet (Rörig 2014)

Intrakardiales EKG: Das intrakardiale EKG dient zur genauen Lokalisation der akzessorischen Bahnen. Außerdem können hiermit Patienten mit kurzer Refraktärzeit der akzessorischen Bahnen identifiziert werden. Dies ist prognostisch von großer Bedeutung, da Patienten mit verkürzter Refraktärzeit potentiell vom plötzlichen Herztod bedroht sind (Herold 2020).

Belastungs- EKG: Patienten, bei denen sich im Belastungs- EKG ein Verlust der Delta- Welle zeigt, haben eine lange Refraktärzeit und sind i. d. R nicht durch einen plötzlichen Herztod gefährdet (Biro 2005).

Differentialdiagnose

  • Lown- Ganong- Levine- Syndrom (LGL- Syndrom): Hierbei findet sich:
    • keine Delta- Welle
    • PQ- Zeit liegt < 0,12 s
    • die Erkrankung hat keine klinische Relevanz
  • AV- Kno,ten- Rentrytachykardie ohne Präexzitationssyndrom (Biro 2005) 

Therapie allgemein

Zunächst sollte eine Reizung des N. vagus versucht werden:

  • Valsalva- Pressversuch (nach tiefer Einatmung soll möglichst lange gepresst werden)
  • in rascher Zeitfolge trinken eines großen, möglichst kalten und säurehaltigen Getränkes
  • Eintauchen des Gesichtes in kaltes Wasser
  • Eiskrawatte (Herold 2020)

Interne Therapie

Falls sich durch die Vagusreizung keine Verbesserung der Symptomatik zeigt, ist eine medikamentöse Behandlung erforderlich. Diese sollte erfolgen mit:

  • Ajmalin: Dosierungsempfehlung: z. B. Gilurytmal 50 mg langsam i. v. unter EKG- Kontrolle

Bei einem Präexzitationssyndrom mit Vorhofflimmern sind immer kontraindiziert: Verapamil, Digitalis und Adenosin. Diese Medikamente können bei den akzessorischen Bahnen zu einer Verkürzung der Refraktärzeit führen und damit ein Kammerflimmern auslösen (Herold 2020).

Operative Therapie

Sollte es Hinweise auf einen drohenden kardiogenen Schock geben, ist eine Kardioversion angezeigt. Bei rezidivierenden AVRT empfiehlt sich die HFS- / Cyto- Katheterablation im Rahmen eines selektiven Eingriffes. Die Erfolgsrate liegt bei über 95 %. 

Literatur
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  1. Biro P et al. (2005) Anästhesie bei seltenen Erkrankungen. Springer Verlag 229
  2. Cote R A (2013) SNOMED Systematisierte Nomenklatur der Medizin: Band I Numerischer Index. Springer Verlag 480
  3. Gertsch M et al. (2007) Das EKG: Auf einen Blick und im Detail. Springer Verlag 423 - 425
  4. Greten H et al. (2010) Innere Medizin Thieme Verlag 90
  5. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 283 - 284
  6. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1481 - 1482
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1808
  8. Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag.
  9. Rörig O et al. (2014) Perspektiven der Kardiologie: Eventrecorder: Arrhythmiesuche zwischen Neurologie und Kardiologie. Dtsch Arztebl 111(39) 31
  10. Stierle U et al. (2014) Klinikleitfaden Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer 420 - 423
     

Verweisende Artikel (1)

Herzglykoside;

Weiterführende Artikel (1)

Ajmalin;

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