Extrakt

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 24.10.2017

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Synonym(e)

Pflanzenextrakt; pflanzlicher Extrakt

Definition

Extrakte sind  konzentrierte Zubereitungen von flüssiger, trockener oder zähflüssiger Beschaffenheit, die üblicherweise aus getrockneten Pflanzenteilen (Arzneidrogen) durch Mazeration oder Perlokation hergestellt werden.   Arzneidrogen enthalten in der Regel etwa 20% extrahierbare Stoffe, was einem Drogen/Extrakt-Verhältnis (DEV) von 5:1 entspricht.  

Im Vergleich zu der bisherigen Extrakt-Rahmenmonographie 0765 (1997) wird im Europäischen  Arzneibuch zur Herstellung folgendes vorgeschlagen: „dass Extrakte durch geeignete validierte Methoden mit den entsprechenden Lösungsmitteln hergestellt werden sollen“. Methoden der Perkolation und Mazeration werden nur bei der klassischen Arzneiform der Tinkturen beschrieben.

Weiterhin definiert das Europäische  Arzneibuch pflanzliche Extrakte „als flüssige, feste oder halbfeste Zubereitungen aus getrocknetem pflanzlichem oder tierischem Material. Extrakte können Reinigungs- und Anreicherungsprozessen unterworfen werden, wobei in diesen Fällen die Extrakte als "enriched" oder "purified" bezeichnet werden sollten“.

Reinheitsprüfungen: Hierfür werden im Europäischen Arzneibuch Untersuchungen zur mikrobiellen Reinheit und zur Schwermetall-, Mycotoxin-, Radioaktivitäts- und Pestizid-Kontamination vorgeschrieben, soweit Risiken nicht auf anderem Wege auszuschließen sind.

Einteilung

Pflanzliche Extrakte können bestimmten Kategorien zugeordnet werden:

Extraktkategorie Typ A . Extrakte, die Inhaltsstoffe (einzelne oder Gruppen) mit einer bekannten und wissenschaftlich dokumentierten therapeutischen Aktivität enthalten, die ausschließlich für die klinische Effizienz dieser Extrakte verantwortlich sind. Eine Standardisierung dieser Extrakte (Normierung) auf definierte Inhaltsstoffe sollte vorgesehen werden. Ein Beispiel dafür ist standardisierter Senna-Extrakt.

Extraktkategorie vom Typ B. Extrakte mit chemisch definierten Inhaltsstoffen (einzelne oder Gruppen), von denen wissenschaftlich relevante pharmakologische Eigenschaften bekannt sind. Es ist anzunehmen, dass diese Substanzen wesentliche Beiträge zur klinischen Effizienz besitzen. In der Regel fehlt jedoch der Beleg, dass diese ausschließlich für die klinische Effizienz verantwortlich sind; Beispiel: Ginkgo-Extrakt oder Johanniskraut-Extrakt. Monographien für diesen Extrakttyp B sollten soweit wie möglich wichtige Parameter der Extraktherstellung definieren.

Extraktkategorie Typ C: Extrakte, bei denen zurzeit keine chemisch definierten Substanzen als verantwortlich für die pharmakologische oder klinische Effizienz benannt werden können. Ersatzweise können chemisch definierte Inhaltsstoffe (Marker- oder Leitsubstanzen) für Kontrollzwecke verwendet werden, auch wenn für sie ein Beitrag zur therapeutischen Aktivität nicht nachgewiesen ist. Diese Marker- oder Leitsubstanzen sollten benannt werden, um eine GMP-konforme Herstellung zu ermöglichen; Beispiel: Baldrian- oder Brennnesselwurzel-Extrakt.

Allgemeine Information

Die Zusammensetzung eines Extraktes ist auf Grund seines Herstellungsverfahrens meist komplex. Dies betrifft auch nicht durch Extraktion gewonnene Phytopharmaka. Trotz dieser Komplexität wird per Definition die Gesamtheit des Extraktes (nach AMG §3, Abs. 2) stets als "Wirkstoff" bezeichnet.

In der Regel finden sich in einem pflanzlichen Extrakt wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe, wozu man diejenigen die Komponenten rechnet, an die die therapeutischen Eigenschaften der nativen Droge ganz oder zum überwiegenden Teil gebunden sind.

Weiterhin enthält ein Extrakt  Begleitstoffe,  die im Sinne der reproduzierbaren Gesamtwirkung nicht wertlos sind,  sondern die die Hauptwirkung unterstützen können. Sie können z.B. die Resorption bestimmter Wirkkomponenten fördern oder auch deren Stabilität erhöhen (Co-Effektoren).

Weiterhin enthält ein Extrakt  meist wenig definierte Matrixstoffe (variieren je nach Verwendung des eingesetzten Lösungsmittels), die als Matrixbildner des Extraktes eine Bedeutung haben .

Somit ist ein pflanzlicher Extrakt stets ein Vielkomponentengemisch das in seiner komplexen Zusammensetzung eine Wirkung auf den Organismus ausübt. Es ist schwierig bis unmöglich pharmakologische oder klinische Daten, die mit einem Extrakt in vivo und in vitro ermittelt wurden, mit den pharmakologischen oder klinischen Daten einzelner Komponenten qualitativ und quantitativ zu korrelieren. Untersuchungen zur Wirkung einzelner Inhaltsstoffe in den verschiedenen pharmakologischen Modellen können nur unzureichend beantworten, ob exakt ein bestimmter Inhaltsstoff  für die besondere klinische Wirksamkeit verantwortlich ist.  In-vivo-Daten werden i.A. eine höhere Aussagekraft als In-vitro-Daten beigemessen.

Nicht selten können neben den wirksamkeitsbestimmenden, oder wirksamkeitsmitbestimmenden Inhaltsstoffen, in den Begleitstoffen und den Matrixsubstanzen auch unerwünschte Komponenten vorhanden sein (Toxine, Allergene u.a.), die durch entsprechende Modifikation eines Extraktionsverfahrens – z.B. durch Abreicherungen - aus einem Extrakt entfernt werden können. 

Folge Extraktarten werden unterschieden:

  • Flüssigkextrakte (Fluidextrakte) werden ausschließlich durch unter Verwendung von Ethanol, Wasser oder Mischungen von Ethanol  und Wasser
  • Trockenextrakte sind feste Zubereitungen, die durch Verdampfen des zu ihrer Herstellung benutzten Lösungsmittels gewonnen werden (nativer Trockenextrakt).
  • Als Wirkstoffkonzentrate können ätherische Öle angesehen werden, die i.A. durch Destillationsverfahren aus der Droge direkt oder seltener über lipophile Extrakte gewonnen werden. Hierbei beträgt das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) ätherischer Öle etwa 50 – 100:1 (1-2% ätherisches Öl) . 

Hinweis(e)

Es ist wünschenswert, eine zumindest für Europa geltende, möglichst weitgehende Standardisierung der im Handel befindlichen Extrakte durchzuführen.  Schwierig ist es einen Vergleich (essential similarity) der zurzeit erhältlichen Extrakte und der daraus hergestellten Fertigarzneimittel durchzuführen oder eine Vergleichbarkeit zu postulieren. 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Dutra RC et al. (2016) Medicinal plants in Brazil: Pharmacological studies, drug discovery, challenges and  perspectives. Pharmacol Res 112:4-29.  https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26812486
  2. Loew D et al. (1999) Phytopharmareport. Rationale Therapie mit pflanzlichen Arzneimitteln. S.21-24 Steinkopff Verlag Darmstadt  
  3. Schulz V et al. (1999)   Rationale Phytotherapie S. 5-6 Springer Verlag Berlin Heidelberg
  4. Wiesenauer M (2008) PhytoPraxis. S. XVIII-XX Springer Verlag Berlin Heidelberg 

Verweisende Artikel (1)

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