Raupendermatitis L24.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 14.06.2022

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Synonym(e)

Caterpillar dermatitis; Dermatitis by oak processionary caterpillar; Dermatitis Raupenhaare; Erukismus; Lepidopterismus; Prozessionsspinnerdermatitis

Definition

Durch direkten oder indirekten (aerogen übertragen) Kontakt oder mit nesselhaartragenden Lepidopteren (Schmetterlingsraupen) wird eine toxische Dermatitis ausgelöst. Folgende Schmetterlingsraupen spielen hierbei in Europa eine Rolle:

  • Goldafterraupe
  • Raupen von Prozessionsspinnern (Eichenprozessionsspinner, Pinienprozessionsspinner, Kieferprozessionsspinner)
  • Bärenspinner und Fleckenfalter.

Dermatitiden durch Schmetterlingsraupen spielen in den letzten Jahren eine zunehmende Rolle (Utikal J et al. 2009)

Vorkommen/Epidemiologie

Nur in den warmen Jahreszeiten auftretend, v.a. von Mai bis August.  Die Raupen besitzen feine Brennhaare, die sie abwerfen. Diese verbreiten sich aerogen und können sich in die Haut von Personen einbohren, die sich in der Nähe der Nester der Schmetterlingsraupen befinden (freigetragene Partien) und massiv juckende Hautveränderungen verursachen.   

Ätiopathogenese

Direkter oder (meist) indirekter (aerogener) Kontakt mit den Nesselhaaren der Raupen und dem in ihnen enthaltenen Protein Thaumetopoein (Rodriguez-Mahillo A et al. 2012), das als Histaminliberator wirkt, bzw. selbst histaminartige Wirkung besitzt.

Klinisches Bild

Stark juckende Erytheme und urtikarielle Papeln oder Bläschen, häufig strichförmig, entsprechend der Kriechspur der Raupe angeordnet. Beim Verteilen der Raupenhaare durch Kratzen und Wischen entsteht auch an anderen Orten eine Raupendermatitis.

Möglich ist auch eine Übertragung der Raupengifthaare durch die Luft, so dass eine sog. " Airborne Contact Dermatitis" entsteht. Parallel dazu können auch Atemwegsbeschwerden und Bindehautentzündungen auftreten.

In seltenen Fällen kann es zu einem anaphylaktischen Schock kommen.

Histologie

Superfizielle, lymphoidzellige, perivaskuläre und interstitielle Dermatitis mit geringer fokaler Epidermotropie. Vereinzelt zeigen sich eosinophile Granulozyten (unspezifisches Entzündungsmuster).

Diagnose

Anamnese mit dem Zusammenhang: Aufenthalt im Freien/Auftreten einer Dermatitis im Bereich freigetragener Hautpartien;  Nachweis der Brennhaare mittels transparentem Klebestreifen der auf die Haut aufgeklebt und mikroskopisch untersucht werden kann.

Therapie

Bei starkem Juckreiz Lotio alba, ggf. mit Zusatz von Polidocanol 2-5% R200 . Alternativ kühlende Menthol-Lösung  oder bei starker lokaler Inflammation  Glukokortikoid-haltige Externa wie 0,1% Triamcinolon Creme R259 oder 0,1% Mometason (z.B. Ecural Fettcreme). S.a. toxisches Kontaktekzem.

Verlauf/Prognose

Effloreszenzen heilen unter externer Therapie meist innerhalb einer Woche ab.

Hinweis(e)

Das Risiko an einer Raupendermatitis zu erkranken, hängt u.a. von der jährlichen Entwicklung der verschiedenen Raupenpopulationen ab. Insbesondere die Verbreitung des Eichenprozessionsspinners hat in den letzten Jahren weiter stark zugenommen.

Praxistipps

Aus Sicht des Gesundheitsschutzes ist eine Bekämpfung notwendig, wenn befallene Bäume in der Nähe von Kindergärten, Schulen oder Erholungsgebieten stehen, wobei die Hauptgefährdungszeit in die Urlaubszeit fällt (Mitte Juni bis August). Für eine Bekämpfung kommt besonders das mechanische Absaugen (Sauger Filterklasse H, Atemschutzgeräte Vollmaske mit FFP-2-Filter) infrage oder der Einsatz von Insektiziden. Ein breiter Einsatz chemischer Mittel ist aber aus Umweltsicht bedenklich, da die Mittel oft über eine Breitbandwirkung verfügen und daher auch Nützlinge abtöten.

Fallbericht(e)

  • Ein 7-jähriges Mädchen ohne dermatologische oder allergologische Krankheitskarriere stellte sich im Juni mit einem massiv juckenden, teils urtikariellen, teils papulo-vesikulösen Ausschlag vor. 2 Tage zuvor hatte sie zusammen mit der Mutter und einer Freundin in einem Waldweiher gebadet. Die ersten Hautveränderungen waren einige Stunden nach dem Baden auch bei Mutter und Freundin aufgetreten.
  • Befund: Am Stamm und an 1 Bein, asymmetrisch verteilte, hochrote, teils flächenhafte, teil strichförmige urtikarielle Papeln und Papulo-Vesikeln. Die vom Badeanzug bedeckten Stellen waren komplett frei von Hauterscheinungen. Bei der Mutter waren die Veränderungen nur am Oberschenkel ausgeprägt.
  • Therapie: Unter einer 0,5% Hydrocortison-Creme heilten die Läsionen innerhalb einer Woche komplett ab.

Literatur
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  1. Rodriguez-Mahillo AI et al. (2012) Setae from the pine processionary moth (Thaumetopoea pityocampa) contain several
    relevant allergens. Contact Dermatitis 67:367-374.
  2. Schöllnast R et al. (2004) Ödematöse Papeln und Papulovesikeln bei Mutter und Kind. Hautarzt 55: 480-481
  3. Utikal J et al. (2009) Caterpillar dermatitis. An increasing dermatologic problem in warmer regions of Germany. Der Hautarzt 60: 48–50.

  4. Wang D et al. (2019) Itchy rash caused by the oak processionary caterpillar.
    Ned Tijdschr Geneeskd 163. pii: D4243.

Disclaimer

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