Zellweger-Syndrom Q89

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 10.07.2018

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Synonym(e)

Cerebro-hepato-renales Syndrom; Zerebral-hepatisches-renales Syndrom

Erstbeschreiber

Hans Ulrich Zellweger, 1964.

Definition

Autosomal rezessiv vererbter Enzymdefekt mit Mutation, der für Peroxisome kodierende Genen (v.a. PEX-1, PEX-5). Diese Mutation führt zu schweren Störungen der peroxisomalen Funktion (in den Peroxisomen laufen neben der Katalase-Reaktion weitere wichtige biochemische Reaktionen ab, die den Abbau und die Modifikation von Fettsäuren regulieren). Der Enzymdefekt führt zu einer Akkumulation von sehr langkettigen Fettsäuren (very long chain fatty acids VLCFA) in verschiedenen biochemisch aktiven Zellsystemen und zu konsekutiven Organstörungen mit degenerativen Veränderungen  und komplexen Dystrophien an Gehirn (Leukodystrophie), Leber, Nieren (Zystenbildungen), Herz (Herzfehler), Skelett, Augen und Hautorgan (Abe Y et al. 2014) .  

 

Vorkommen/Epidemiologie

1:50.000 (Malinescu B et al. 2015)

Ätiopathogenese

Mutationen in sämtlichen, für Peroxisome kodierende Genen, insbesondere in den PEX-1-, und PEX-5-Genen.  Der resultierende Gendefekt ist autosomal rezessiv vererbt und führt zu schweren Störungen bzw. zum Fehlen der Peroxisomen. In den Peroxisomen laufen neben der Katalase-Reaktion weitere biochemische Reaktionen ab (Malinescu B et al. 2015), die den Abbau und die Modifikation von Fettsäuren regulieren (Crane DI 2014).

 

Klinisches Bild

Nach einer meist ungestörten Schwangerschaft von normaler Dauer kommen die betroffenen Kinder mit einem normalem Gewicht zur Welt; gelegentlich fehlt ein Nabelschnurgefäß, was als Hinweis auf eine angeborene Störung zu werten ist. Folgende klinische Besonderheiten weisen auf das Zellweger-Syndrom hin:

ZNS: 

  • zerebrale Zysten, verminderte Ausbildung der Hirnwindungen (Mikrogyrie oder Agyrie), Erweiterung der Seitenventrikel.

Leber/Nieren:

  • zunehmende Hepatomegalie mit Leberfunktionsstörungen in den ersten Lebensjahren. Zystische Degeneration der Nieren mit Störungen der Ausscheidungsfunktionen.

Skelett:  

  • hohe, vorgewölbte Stirn bei einem „birnenförmig“ gestalteten Langschädel (Skaphozephalus),
  • weit offene Fontanellen und breite Schädelnähte 
  • hoher Gaumen mit Segelspalte
  • breite, flache Nasenwurzel, kräftige Wangen,
  • kleines, zurückweichendes Kinn
  • Handflächen: Vierfinger- oder Brückenfurchen
  • Finger: Daumen sind breit, die Finger oft versteift (Kamptodaktylie); bei hypoplastischen Hautleisten (Dermatoglyphen werden auf den Fingerbeeren überwiegend ulnare Schleifen gefunden.

Augen: 

  • flache Augenhöhlen, leicht vorspringende Augen, gelegentlich Hornhauttrübung
  • Katarakt oder Glaukom (grauer/ grüner Star), Brushfield-Spots (weiße Flecken) der Iris, Pigmentierung der Netzhaut, Optikusatrophie und Nystagmus, häufig verdickte Augenlider, Epikanthus

Muskulatur: 

  • ausgeprägte Muskelhypotonie mit überstreckbaren Gelenken und fehlenden Muskeleigenreflexen („floppy infant“).

Sonstiges: 

  • Thymusdysplasie, Hypoplasie der Lungen,   Ventrikelseptumdefekte 
  • nach hinten rotierte Ohren mit hypoplastischem Helixbogen und fehlenden Ohrläppchen
  • überschüssige, schlaffe Nackenhaut.
  • seltener sind  Fehlentwicklung des weiblichen äußeren Genitals.

Labor

 

Die Diagnose ist durch die Bestimmung der überlangkettigen Fettsäuren, der Plasmalogene und der Pipecolinsäure im Urin zu bestätigen. Es kommt zu einer Akkumulation von Wasserstoffperoxid (Fehlen der Katalase).

Pränatale Diagnostik sinnvoll: Chorionzottenbiopsie bzw. Amniozentese erforderlich. Träger des Gens (Gendefekt auf dem Chromosom 1p22-23) können molekulargenetisch identifiziert werden

Verlauf/Prognose

Bei allgemeiner Entwicklungsverzögerung und Hypotonie, wegen Trinkschwäche und Erbrechen gedeihen die Kinder schlecht. Sie sind bewegungsarm und reagieren wenig auf ihre Umwelt (häufig auch wegen Schwerhörigkeit und Sehbehinderungen). Weiterhin werden gehäuft epileptische  Anfälle und Atemstörungen mit rezidivierenden Infektionen beobachtet. Prognose ist  insgesamt ungünstig (Malinescu B et al. 2015).

Hinweis(e)

Zu diesen Erkrankungen gehören neben dem Zellweger-Syndrom, die neonatale Adrenoleukodystrophie, das infantile Refsum-Syndrom, und die rhizomelische  Chondrodysplasia punctata

Literatur
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  1. Abe Y et al. (2014) Very-long-chain polyunsaturated fatty acids accumulate in phosphatidylcholine of fibroblasts from patients with Zellweger syndrome and acyl-CoA oxidase1 deficiency. Biochim Biophys Acta 1841:610-619. 
  2. Crane DI (2014) Revisiting the neuropathogenesis of Zellweger syndrome. Neurochem Int 69:1-8. 
  3. Klouwer FC et al. (2015) Zellweger spectrum disorders: clinical overview and management approach.
    Orphanet J Rare Dis 10:151. 
  4. Kumar S et al. (2014) Zellweger syndrome: prenatal and postnatal growth failure with epiphyseal stippling. J Pediatr Endocrinol Metab 27:185-188. 
  5. Lee PR et al. (2013) Child neurology: Zellweger syndrome. Neurology 80:e207-210. 
  6. Malinescu B et al.(2015) Violent death in a rare peroxisomaldisease--Zellweger syndrome. Forensic Sci Int 255:89-95. 

Verweisende Artikel (2)

Peroxisome; PHYH-Gen;

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