Typ 1-Diabetes E10.90

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 21.12.2021

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Synonym(e)

Blutzuckererkrankung; Diabetes Typ 1; Jugenddiabetes; Zuckererkrankung

Definition

Der Typ 1-Diabetes mellitus ist gekennzeichnet durch die Zerstörung das Insulin produzierenden Beta-Zellen der Langerhansschen Inseln durch einen immunvermittelten (T-Zell-mediierten) „Autoimmuninsulismus“ mit absolutem Insulinmangel (Wang K et al. (2019). Stets nachweislich sind Antikörper gegen die Glutamatdecarboxylase (GADA) oder gegen Insulin (IAA). Bei einem Zerstörungsgrad etwa 80% der Beta-Zellen steigt der Blutzuckerspiegel an, der Diabetes wird klinisch relevant. In der Anfangsphase der Erkrankung ist möglicherweise noch eine kleine Insulinrestproduktion – messbar über das C-Peptid – vorhanden.

Einteilung

Typ 1-Diabetes: Immunologischer Diabetes

Sonderformen:

  • LADA: Akronym für „Latent Autoimmune Diabetes in Adults“. Bei diesem latent insulinpflichtigen Diabetes mellitus im Erwachsenenalter lassen sich typischerweise Antikörper gegen Glutamat-Decarboxylase (GAD) nachweisen.
  • JODA: Akronym für „Juvenile-Onset Diabetes of the Adults“ bezeichnet einen ab dem 40. Lebensjahr auftretenden Diabetes vom Typ 1.

Vorkommen/Epidemiologie

In Deutschland leiden circa 7,2% der Menschen im Alter von 18 bis 79 Jahren an einem Diabetes mellitus. Etwa 90 bis 95% sind an Typ 2-Diabetes erkrankt, 5-10% an einem Typ 1- Diabetes. Die Anzahl der Typ 1-Diabetiker werden für Deutschland auf etwa 300.000 Menschen geschätzt. Im Jahre 2017 lebten weltweit > 1.1 Millionen Kinder mit einem Typ 1-Diabetes (Rosner B et al.). Verlässliche Zahlen gibt es aber nicht, da Diabetes keine meldepflichtige Krankheit in Deutschland ist.

Ätiopathogenese

Ätiopathogenetisch kommt es zu einer immuninduzierten Zerstörung der Beta-Zellen der Langerhansschen Inseln, zu einem zellulären und humoralem „Autoimmuninsulismus“ mit einem konsekutiven, absoluten Insulinmangel, insofern auch der Name „insulinabhängiger Diabetes mellitus“. Ursächlich wird der Typ-1-Diabetes als multifaktorielles Geschehen verstanden, an dem sowohl autoimmunologische, genetische (bei >90% der Patienten mit Typ 1-Diabetes sind die HLA-Merkmale DR 3 und/oder DR 4 nachweisbar) als auch Umweltfaktoren beteiligt sind. Genetische Faktoren spielen eine prädisponierende Rolle: 20% der Typ 1-Diabetiker haben eine positive Familienanamnese. Bisher wurden > 50 Gene identifiziert, bei denen ein Zusammenhang mit der Entstehung von Typ-1-Diabetes nachweisbar war. Bei den allermeisten Typ 1-Diabetiker liegt einen polygenetischen Formationstypen vor. In seltenen Fällen liegen monogenetische Diabetesformen vor. (s.u. MODY-Diabetes).

Immunsituation: Nachweisbar sind Antikörper gegen versch. Proteine der Beta-Zellen von denen die wichtigsten die Glutamatdecarboxylase-Antikörper (GAD65) oder die gegen Insulin (Anti-IA-2) gerichteten Antikörper sind. Nachweislich korreliert diese immunologische Reaktivität mit dem IgG-Titer gegen Rotaviren. Ein ähnlicher Wirkmechanismus wird auch bei anderen Enteroviren und deren Schutzimpfung, wie z. B. Coxsackie-B-Viren (v.a. B4) vermutet. Weiterhin sind Assoziationen mit Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis, Typ-A-Gastritis, Morbus Addison und Zöliakie nachweisbar.

Umweltfaktoren:

Sectio: Das Risiko für Kinder zuckerkranker Eltern, nach einem Kaiserschnitt bis zum 12. Jahr ebenfalls an Diabetes zu erkranken, ist mit 4,8% 2x so hoch wie nach einer natürlichen Geburt (2,2%). Angenommen wird, dass eine Sectio die Zusammensetzung der kindlichen Darmflora verändert und damit die Entwicklung von Autoimmunität begünstigt.

Adipositas der Mütter: Bei Mütter mit bestehendem Übergewicht besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko für ein Kind das in der Kindheit einen Typ 1-Diabetes entwickelt. Das trifft auch auf Frauen zu mit einem bestehenden Typ 1-Diabetes zu (Hidayat K et al. 2019).

Bafilomycine (Gruppe von Makrolidantibiotika), die insbesondere an Wurzelgemüsen (Kartoffeln, Karotten) durch Streptomyces-Arten gebildet werden, schädigt (tierexperimentell) bereits in kleinsten Mengen die Langerhansschen Zellen und führt zu einer Glukoseintoleranz.

Vitamin-D-Mangel: Vitamin-D-Substitution bei Kleinkindern kann das spätere Diabetesrisiko verringern. Kinder, die hohe Dosen erhielten, hatten dabei das geringste Erkrankungsrisiko. Länder mit niedriger UVB-Sonnenstrahlung haben eine hohe Rate von Neuerkrankungen. Auch werden Atemwegsinfektionen im Säuglingsalter mit einem späteren Diabetes mellitus Typ 1 in Verbindung gebracht.

Als weitere Umweltfaktoren werden diskutiert:

Kuhmilch: Der Konsum von Kuhmilch in den ersten 3 Lebensmonaten bei Kindern mit nur kurzer Stillzeit.

Gluten: Die sehr frühe Exposition gegenüber Gluten führt zu einer speziellen Darmflora und wird als Ursache für die Entwicklung von Hyperglykämie und Typ-1-Diabetes in Mäusen vermutet.

Man.: Der Diabetes Typ 1 beginnt meist im Kindes- und Jugendalter. Ist ein Elternteil erkrankt, beträgt das Risiko der Kinder bei Erkrankung des Vaters ca. 5%, bei Erkrankung der Mutter 2,5%. Sind beide Elternteile erkrankt liegt das Erkrankungsrisiko der Kinder bei 20%. Das Erkrankungsrisiko liegt bei eineiigen Zwillingen bei 35%.

Manifestation

Erstmanifestation meisten zwischen dem 11. und dem 13. Lebensjahr (Jugenddiabetes).

Klinisches Bild

Zu Beginn verursacht ein Typ-1-Diabetes keine Beschwerden. Erst wenn die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse deutlich eingeschränkt ist, können sich die charakteristischen Symptome zeigen:

  • Gewichtsabnahme: Charakteristisch für die Manifestation des Typ 1-Diabetes ist die ausgeprägte Gewichtsabnahme innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen, verbunden mit Exsikkose, ständigem Durstgefühl, Polyurie
  • Allgemeine Leistungsminderung, Inappetenz (seltener bei Typ 2 –Diabetes), Müdigkeit und Kraftlosigkeit, Sehstörungen und Konzentrationsstörungen
  • Kopfschmerzen, diabetogene Hautveränderungen
  • Hyperglykämie und Glukosurie mit osmotischer Diurese (starkem Harndrang und vermehrtem Durst) verbunden mit Exsikkose
  • Störungen des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt
  • Sehstörungen und Konzentrationsstörungen
  • Nachlassen von Libido und Potenz, Amenorrhoe
  • Häufig Kopfschmerzen, Pruritus

Histologie

Infiltration der Langerhans-Inseln mit autoreaktiven T-Lymphozyten.

Diagnose

Blutglukose-Bestimmung: Wichtigster Test ist die Bestimmung des Nüchternblutzuckers. Plasmaglukose nüchtern > 126mg/dl

OGTT-Wert (oraler Glukose-Toleranzwert) oder Gelegenheitswert im Plasma=/ >200mg mg/dl

HBA1c-Bestimmung (Rückwirkende Bestimmung der Stoffwechsellage der letzten 2-3Monate.
HBA1c<5,7% schließt Diabetes mellitus aus. HBA1c =/>6,5% ist ein diagnostisches Diabetes-Kriterium

Bestimmung von Ketonkörper (Acetoaceta, Aceton; Beta-Hydroxybutyrat)

Komplikation(en)

Akute Komplikationen:

Chronische Komplikationen:

Therapie

Therapie (s.u. Diabetes mellitus)

  • Ernährungsumstellung
  • Körperliche Bewegung
  • Betroffene benötigen regelmäßig Insulin, um ihren Blutzuckerwerte zu regulieren. Nach den derzeit gültigen Richtlinien Guidelines benötigt der Typ 1-Diabetiker initial eine tägliche Insulindosis die zwischen 0.5 bis 1.0 IU/kg schwankt (Muller M et al. 2018). Eine Minderheit der Patienten versorgt sich über Insulinpumpe.
  • Der Großteil der Patienten folgt dem Schema der intensivierten Insulintherapie (ICT). Hierbei wird 1-2x/Tag ein langwirkendes Insulin injiziert + jeweils zu den Mahlzeiten, eine Dosis eines schnell-wirksamen Insulins appliziert. Das Verfahren erlaubt eine flexible Planung des Alltags und hat deswegen starrere Spritzschemata als Standard in der Diabetestherapie abgelöst (Nally LM et al. 2019). Der Kohlenhydratgehalt der Mahlzeiten wird jeweils abgeschätzt damit die benötigte Insulinmenge berechnet werden kann. Es ist bei diesem Verfahren unabdingbar notwendig den Blutzucker regelmäßig zu überprüfen.
  • Alternativ: Immunomodulatorische Therapieansätze mit Cyclosporin A, Mycophenolatmofetil, Anti-CD20-Antikörpern, Zytotoxischen T Zellen, Anti-TNF-Antikörper, Anti-CD3-Antikörper, Anti-Thymozytenglobulin, einer kombinierten Rapamycin/Interleukin-2 -Therapie bedürfen weiterer Analysen (Xin GLL et al. 2019).
  • Experimentell: Applikationen von umbilikalen Stammzellen: Durch die Applikation multipotenter CD45+ Stammzellen und CD90+, mesenchymaler Stammzellen aus Nabelschnurblut kann ein Diabetes mellitus behandelt werden. Es kommt zu einer Korrektur der autoimmunologischen Dysfunktionen und zu einer Ergänzung der Beta-Zell-Funktionen und – Zahlen (Stiner R et al.2019).

Literatur
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  1. Feldman EL et al. (2019) Diabetic neuropathy. Nat Rev Dis Primers 5:41.
  2. Dong S et al. (2019) Effects of Periodic Intensive Insulin Therapy: An Updated Review. Curr Ther Res Clin Exp 90:61-67.
  3. Hidayat K et al. (2019) The influence of maternal body mass index, maternal diabetes mellitus, and maternal smoking during pregnancy on the risk of childhood-onset type 1 diabetes mellitus in the offspring: Systematic review and meta-analysis of observational studies. Obes Rev: doi:10.1111/obr.12858.
  4. Kahsay H et al. (2019) Evaluation of Hypoglycemia and Associated Factors among Patients with Type 1 Diabetes on Follow-Up Care at St. Paul's Hospital Millennium Medical College, Addis Ababa, Ethiopia. J Diabetes Res 10:9037374.
  5. Kallinikou D et al. (2019) Diabetic neuropathy in children and adolescents with type 1 diabetes mellitus: Diagnosis, pathogenesis, and associated genetic markers. Diabetes Metab Res Rev:e3178.
  6. Muller M et al. (2018) The influence of patient variables on insulin total daily dose in paediatric inpatients with new onset type 1 diabetes mellitus. J Diabetes Metab Disord 17:159-163.
  7. Nally LM et al. (2019) Pharmacologic treatment options for type 1 diabetes: what's new? Expert Rev Clin Pharmacol 12:471-479.
  8. Rosner B et al. (2019) Health-related quality of life in paediatric patients with Type 1 diabetes mellitus using insulin infusion systems. A systematic review and meta-analysis. PLoS One 14:e0217655.
  9. Schofield J et al. (2019) Cardiovascular Risk in Type 1 Diabetes Mellitus. Diabetes Ther 10:773-789.
  10. Stiner R et al. (2019) Transplantation of stem cells from umbilical cord blood as therapy for type I diabetes. Cell Tissue Res doi: 10.1007/s00441-019-03046-2.
  11. Wang K et al. (2019) The Association between Depression and Type 1 Diabetes Mellitus: Inflammatory Cytokines as Ferrymen in between? Mediators Inflamm 28:2987901.
  12. Xin GLL et al. (2019) Current Status on Immunological Therapies for Type 1 Diabetes Mellitus. Curr Diab Rep 19:22.

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