Sulfonylharnstoffanaloga

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 09.10.2021

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Definition

Synonyme

Glinide; prandiale Glukoseregulatoren;

 

 

Definition

Glinide zählen zu den oralen Antidiabetika, zur Gruppe der postprandialen Glukoseregulatoren (Herold 2020).

Erste Glinide wurden 1999 (Repaglinid) bzw. 2001 (Nateglinid) in Deutschland zugelassen (Schatz 2006). Im Jahre 2005 erreichte die Verordnung ihren Höhepunkt und geht seitdem deutlich zurück. Seit Juli 2016 ist laut Beschluss des G- BA Repaglinid nur noch ab einer eGFR < 25 ml / min durch die GKV erstattungsfähig, Nateglinid überhaupt nicht mehr (Schwabe 2017).

 

Die Metabolisierung der Glinide erfolgt in der Leber und die Ausscheidung über die Galle (Schatz 2006). Die Halbwertszeit liegt bei 1 – 1,4 h (Scherbaum 2008).

 

 

Allgemeine Information

Pharmakodynamik (Wirkung)

Glinide wirken in der Basalmembran durch die Sulfonylharnstoffrezeptor- Konfiguration (Schatz 2006). Sie führen zu einer kurzfristigen Insulinsekretion aus den Beta- Zellen, indem sie die ATP- sensitiven Kaliumkanäle blockieren (Herold 2020) und haben dadurch eine ausgeprägte Wirkung auf die postprandiale BZ- Glukose (Scherbaum 2008). Der Nüchtern- BZ hingegen wird kaum beeinflusst (Herold 2020).

Glinide werden zwischen 90 % – 99 % an Plasmaproteine gebunden (Mehnert 2003) 

 

Indikation

Die Indikation für eine Behandlung mit Gliniden ist ein normgewichtiger (Freissmuth 2020) Typ 2 Diabetiker mit noch vorhandener endogener Insulinproduktion, der trotz Ernährungs- und Bewegungstherapie nur befriedigend eingestellt werden kann und bei gleichzeitig bestehender Niereninsuffizienz Stufe 3. Die Erstattung durch die GKV ist inzwischen ausschließlich ab einer eGFR < 25 ml / min. möglich (Herold 2020).

 

Dosierung und Art der Anwendung

Voraussetzung für eine Behandlung mit Gliniden sind eine entsprechende Schulung und eine gute Compliance des Patienten (Herold 2020).

Wegen der kurzen Halbwertszeit von 1 – 1,4 h (Scherbaum 2008) sollte die Einnahme unmittelbar vor den (Haupt-)Mahlzeiten erfolgen (Diederich 2020).

Dosierungsempfehlung: Repaglinid 0,5 – 2,0 mg / d. Initial sollte mit der niedrigsten Dosis begonnen werden und anschließend - je nach BZ- Werten – die Dosis entsprechend angepasst werden (Herold 2020). Die Maximaldosis liegt bei 16 mg / d, die der Einzeldosis bei max. 4 mg (Scherbaum 2008).

Bei mittelschwerer bis schwerer Niereninsuffizienz ist die Dosis ggf. zu reduzieren (Schatz 2006).

Repaglinid ist zur Kombinationstherapie mit Metformin zugelassen (Scherbaum 2008).

 

Unerwünschte Wirkungen

  • Hypoglykämierisiko ist niedriger als bei Sulfonylharnstoffen
  • gastrointestinale Beschwerden
  • Anstieg der Leberenzyme (selten)
  • Allergien
  • Sehstörungen (Herold 2020)
  • bisweilen Gewichtszunahme (Scherbaum 2008)
  • cholestatischer Ikterus (Freissmuth 2020)

 

Kontraindikation

  • Kombination mit Gemfibrozil (Herold 2020)
  • Kombination mit anderen durch CYP2C8 metabolisiertem Wirkstoff
  • Typ 1 Diabetes
  • azidotische Stoffwechseldekompensation
  • Präkoma
  • Koma
  • komplettes Sekundärversagen einer Behandlung mit Sulfonylharnstoffen bzw. deren Analoga
  • schwere Lebererkrankungen
  • Pankreatektomie
  • Schwangerschaft
  • Stillzeit
  • Unfälle
  • operative Eingriffen
  • Entzündungen

(Scherbaum 2008)

 

Wechselwirkungen

Die Gefahr von Hypoglykämien ist erhöht bei gleichzeitiger Gabe von:

  • ACE- Hemmern
  • Beta- Blockern (können hypoglykämische Symptome kaschieren [Freissmuth 2020])
  • Glukokortikoiden
  • Salicylaten
  • Schleifendiuretika
  • Thiaziden

(Freissmuth 2020)

 

Präparate

In Deutschland ist ausschließlich Repaglinid zugelassen. Da bislang keine Wirksamkeitsbelege zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen, ist das Medikament kaum noch im Rahmen der GKV erstattungsfähig (s. o. „Indikationen“).

(Herold 2020)

Hinweis(e)

In den Leitlinien wird von der Behandlung mit Gliniden im Alter abgeraten, da keine Wirksamkeitsbelege zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen (Bahrmann 2018).

Hinsichtlich der Langzeitanwendung fehlen umfangreiche Erfahrungen, ebenso hinsichtlich der Sicherheit einer Kombinationstherapie mit Metformin (Scherbaum 2008).

 

 

Literatur
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  1. Bahrmann A et al. (2018) S2k- Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter. 2. Auflage AWMF-Registernummer: 057-017
  2. Diederich S et al. (2020) Referenz Endokrinologie und Diabetologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 492 
  3. Freissmuth M et al. (2020) Pharmakologie und Toxikologie: Von den molekularen Grundlagen zur Pharmakotherapie. Springer Verlag 687 – 688
  4. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 734
  5. Mehnert H et al. (2003) Diabetologie in Klinik und Praxis. Georg Thieme Verlag Stuttgart 200
  6. Schatz H et al. (2006) Diabetologie kompakt – Grundlagen und Praxis.Thieme Verlag 148 - 156
  7. Scherbaum W A et al. (2008) Medikamentöse antihyperglykämische Therapie des Diabetes mellitus Typ 2. Update der Evidenzbasierten Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft 
  8. Schwabe W D et al. (2017) Arzneiverordnungsreport 2017. Springer Verlag 304
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