Schenkelblöcke

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 24.12.2023

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Synonym(e)

Faszikuläre Blockierungen; Schenkelblockierungen; Störung der Erregungsleitung unterhalb des AV- Knotens; ventrikuläre Blockierungen

Erstbeschreiber

Die permanente Stimulation des Herzens ist seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts möglich (Kasper 2015). Earl Bakken, Mitbegründer der Firma Medtronic, entwickelte 1957 den ersten tragbaren Schrittmacher. Das Gerät wurde mit einer Kette um den Hals getragen, die Elektroden über eine Thorakotomie direkt zum Myokard geführt (Detho 2009).

Im Jahre 1958 implantierte Senning den ersten Schrittmacher. Es handelte sich hierbei um einen einfachen Kammerschrittmacher mit fixer Stimulationsfrequenz (Gertsch 2008).

Der Patient, Arne Larsson, wies einen kompletten Schenkelblock mit Adam- Stokes- Anfällen auf, weshalb er bis zu 30 x / d das Bewusstsein verlor. Zwar musste das Gerät nach wenigen Stunden und in den Folgewochen mehrmals ausgetauscht werden, aber Larsson war hoch zufrieden. Er verstarb im hohen Alter von 86 Jahren an einem Karzinom (Detho 2009).

Rosenbaum et al. beschrieben im Jahre 1968 als Erste die verschiedenen Formen eines Hemiblocks (Schmidt- Voigt 1982).  

Die programmierbaren Schrittmacher werden seit 1988 durch die Internationale Nomenklatur von Schrittmachersystemen, dem sog. NBG- Code klassifiziert (Bauch 2002).

Die Möglichkeit zur Aufzeichnung eines Langzeit- EKGs stellte der amerikanische Physiker Norman J Holter erstmals 1961 vor (Apitz 2002). 

Der erste Loop- Rekorder war der in den Niederlanden seit 1998 im Handel befindliche „Reveal“ (Pezawas 2004).

Definition

Unter einem Schenkelblock versteht man eine Störung der Erregungsleitung des Herzens vom AV- Knoten zum Kammermyokard (Sagmeister 2019), wodurch die Überleitung vom AV- Knoten auf das Kammermyokard im Bereich der Tawara- Schenkel gestört ist (Christ 2019).

Einteilung

Der Schenkelblock zählt zu den intraventrikulären Blockierungen (Herold 2022).

Die Erregungsleitung des Herzens nimmt im Normalfall vom Sinusknoten, der im oberen rechten Vorhof lokalisiert ist, ihren Ausgang (Meinertz 2018). Nach Erregung der Vorhöfe wird die Erregung auf die Kammern weitergeleitet. Damit aber Vorhöfe und Kammern nicht gleichzeitig erregt werden, wird die Erregung kurz im AV- Knoten gebremst (So 2004).  Über den AV- Knoten wird die Erregung in das His- Bündels weitergegeben und teilt sich unterhalb des His- Bündels in einen rechten Bündelast (RBB = rechter Tawara- Schenkel) und einen komplexen, sich teilenden linken Bündelast (LBB = linker Tawara- Schenkel) auf (Fisher 2018). Neuere Untersuchungen legen den Verdacht auf einen weiteren zusätzlichen Faszikel des linken Bündelastes nahe, der das Septum versorgt (Fisher 2018).

 

Man differenziert zwischen 3 Schweregraden bei einer Reizleitungsstörung:

- I. Inkompletter Block

- II: Intermittierender Block

- III. Permanenter Block (Herold 2022)

 

Durch die trifaszikuläre Struktur des ventrikulären Reizleitungssystems differenziert man zwischen folgenden Blockierungen:

I. unifaszikulärer Block = Hemiblock

Der Hemiblock selbst wird entsprechend der Lokalisation noch unterteilt in einen:

I. a. linksanterioren Hemiblock = LAH

Hierbei findet sich im EKG ein überdrehter Linkstyp mit tiefen S- Zacken in den Brustwandableitungen V5 – V6 und nur träge ansteigenden R- Zacken. In den Ableitungen I und aVL zeigt sich eine kleine Q- Zacke (Schuster 2005). Die QRS- Dauer ist jedoch nicht wesentlich verändert, lediglich die QRS- Achse verschoben (Kasper 2015).

I. b. linksposterioren Hemiblock  = LPH (Schuster 2006)

Der Lagetyp ist hierbei ein Rechtstyp oder überdrehter Rechtstyp. Es zeigen sich kleine Q- Zacken in II, III, aVF.  Die R- Zacken in den Brustwandableitungen zeigen lediglich einen trägen Anstieg (Schuster 2005). Auch hierbei ist die QRS- Dauer nicht wesentlich verändert, sondern lediglich die QRS- Achse verschoben (Kasper 2015).

 

II.  Bifaszikulärer Block

Hierbei treten sowohl LAH als auch LPH gemeinsam auf und man spricht von einem kompletten Linksschenkelblock bzw. einem bifaszikulären (Links-) Schenkelblock (Schuster 2005).

- II. a. RSB + LAH:

Man sieht im EKG in V1 die typische Rechtsschenkelblockform des QRS- Komplexes mit Verbreiterung des QRS- Komplexes auf ≥  0,12 s bei einer kompletten Blockierung (Herold 2022) bzw. zwischen 0,10 – 0,11 s bei einer inkompletten Blockierung (Herold 2022) sowie eine große R- Zacke in V1, verursacht durch einen ausgeprägten terminalen Vektor nach rechts.

Die sonst immer bei einem kompletten Rechtsschenkelblock vorhandene breite R- Zacke in Ableitung III fehlt in der Frontalebene. Die Achse QRS zeigt einen überdrehen Linkstyp.

Die Kombination von überdreht linkstypischer Herzachse mit dem fehlenden terminalen Vektor in Ableitung III lassen sich nur durch einen zusätzlichen linksanterioren Hemiblock erklären (Klinge 2015).

- II. b. RSB + LPH:

Hierbei zeigen sich im EKG Merkmale des Rechtsschenkelblocks (RSB) und des Rechtstyps (Strödter 2008).

- der QRS- Komplex ist verbreitert auf  ≥  0,12 s bei einer kompletten Blockierung (Herold 2022) bzw. zwischen 0,10 – 0,11 s bei einer inkompletten Blockierung (Herold 2022)

- die Herzachse lässt sich trotz des RSB bestimmen: Herzachse ist rechts- bis überdreht rechts typisch

- in den Brustwandableitungen finden sich Veränderungen eines RSBs

- der terminale Vektor ist nach rechts gerichtet:

            - in V1 findet sich ein auffälliger plumper positiver Kammerkomplex, dessen Vektor über die gesamte Erregungszeit nach rechts gerichtet ist (Klinge 2015). Der verbreiterte QRS- Komplex in V1 sieht mitunter nicht „M– förmig“ aus, wie es beim RSB der Fall ist, sondern eher wie eine „Zuckertüte“, die man beim LSB in V5 und V6 findet (Strödter 2008).

            - in Ableitung III ist ebenfalls ein nach rechts gerichteter terminaler Vektor erkennbar (Klinge 2015)

 

III. Trifaszikulärer Block

Dieser ist durch die Blockierung aller 3 Faszikel charakterisiert. Falls die Blockierung vollständig ist, spricht man von einem totalen AV- Block (Klinge 2002). Falls die Blockierung in einem der Faszikel unvollständig sein sollte, kann die Erregung aus den Vorhöfen auf die Ventrikelmuskulatur weitergeleitet werden, wenn auch verzögert. Man spricht in diesem Fall von einem AV- Block I bzw. II Grades. Im EKG stellen sich die Kammerkomplexe in diesem Fall wie bei einem bifaszikulären Block dar (Klinge 2002).

 

 Linksschenkelblock (LSB)

Derzeit existieren mindestens 3 verschiedene Definitionen des LSB: AHA- / ACC- / HRS- Kriterien, Definition nach Strauss und die ESC- Kriterien (Herold 2022).

Ein LSB kann komplett sein, d. h. die QRS- Dauer ist verlängert auf ≥ 0,12 sek. oder inkomplett mit einer QRS- Zeit von 0,10 – 0,11 sek. (Herold 2022).

Beim LSB ist der Hauptvektor nach links und posterior gerichtet (Kasper 2015).

Bei einem LSB differenziert man zwischen einem:

- Unifaszikulären Schenkelblock des linken Tawara- Schenkels vor der Aufzweigung

- Bifaszikulären Block des linken Tawara- Schenkels nach der Aufzweigung (Herold 2022)

 

Im EKG finden sich typischerweise:

- in V1 und V2 tiefe S- Zacken

- in V5 / V6 aufgesplitterter Kammerkomplex (der sog. „abgebrochene Zuckerhut“)

- Diskordanz des Kammerendteils zum Kammerkomplex

- verspäteter Beginn der endgültigen Negativitätsbewegung

- in I und aVL findet sich keine Q- Zacke

- in I und aVL plumpe, aufgesplitterte R- Zacke (Herold 2022)

 

 Rechtsschenkelblock (RSB)

Ein RSB entsteht durch die Blockierung des rechten Tawara Schenkels (Herold 2022). Auch hierbei differenziert man zwischen einem kompletten RSB mit einer verlängerten QRS- Dauer von ≥ 0,12 sek. und einem inkompletten RSB mit einer QRS- Zeit von 0,10 – 0,11 sek. (Herold 2022).

Beim RSB ist der terminale QRS- Vektor nach rechts und anterior gerichtet (Kasper 2015).

Im EKG finden sich typischerweise folgende Veränderungen:

- S- Zacke in I aufgesplittert (Herold 2022)

- In I schmales, kleines R

- In V1 ist der QRS- Komplex M- förmig aufgesplittert

- In V1 und V2 finden sich:

        - St- Senkung

        - Negatives T

- Endgültige Negativitätsbewegung verspätet (So 2004)

- Diskordanz des Kammerendteils zum Kammerkomplex (Herold 2022)

Vorkommen

Ein LSB tritt bei < als 1 % der Bevölkerung auf und einen RSB findet man bei ca. 0,3 – 2,5 %. Beide Schenkelblockbilder nehmen im Alter deutlich zu. So finden sich bei den > 80- Jährigen bei 15 – 20 % Schenkelblockbilder (Meinertz 2018).

Ein LSB ist häufig die Folge schwerwiegender Herzerkrankungen (Striebel 2015). 

Ätiologie

Die Ursachen eines Schenkelblocks sind vielfältig. Sie können z. B. auftreten im Rahmen folgender Erkrankungen:

- KHK

- Vitien

- Myokarditis

- Kardiomyopathie

- Arterielle Hypertonie

- Vorhofseptumdefekt vom Ostium- primum- Typ (Hamm 2014)

- Myokardinfarkt

- Klappendefekte (insbesondere Trikuspidal- und Aortenklappendefekte)

- Ventrikelseptumdefekte (Elizari 2021)

- Septum primum- Defekt (Weber 2022)

- Linksherzhypertrophie (diese ist z. B. die häufigste Ursache für einen LSB)

- Idiopathische fibrotische Degeneration des Erregungsleitungssystems wie sie z. B. im Rahmen eines M. Lev und M. Lenègre auftreten kann

- Rechtsherzbelastung durch z. B. kongenitale Vitien oder Lungenembolie (Herold 2022)

Diagnostik

Die Diagnose erfolgt durch Ruhe- EKG, Langzeit- EKG, Ergometrie und Echokardiographie (Herold 2022). Bisweilen, z. B. zur Differenzierung eines trifaszikulären Blocks bzw. eines AV- Blocks kann auch ein His- Bündel- EKG erforderlich werden (Klinge 2002).

Therapie allgemein

Die Therapie der Schenkelblöcke besteht zunächst in einer Behandlung der Grunderkrankung (Herold 2022).

Bei alternierenden Schenkelblöcken und beim trifaszikulären Block besteht eine Klasse- I- Indikation für einen Schrittmacher (Herold 2022).

Bei einem bifaszikulären Block und gleichzeitigem V. a. kardiale Synkopen besteht nach Ausschluss anderer Ursachen für die Erkrankung eine Klasse- IIa- Indikation für einen Schrittmacher (Herold 2022).

Prognose

Da Schenkelblöcke keine eigenständigen Erkrankungen darstellen, hängt die Prognose von der zugrunde liegenden Erkrankung ab (Meinertz 2018).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Apitz J (2002) Pädiatrische Kardiologie: Erkrankungen des Herzens bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Heranwachsenden. Steinkopff- Springer Verlag Berlin / Heidelberg 80
  2. Bamberger W (2015) 1 x 1 der EKG- Interpretation. Lehmanns Media Verlag Berlin 100
  3. Bauch J, Betzler M, Lobenhoffer P (2002) Chirurgie upgrade 2002: Weiter- und Fortbildung. Springer Verlag Heidelberg 132 – 133
  4. Christ J, Sagmeister V (2019) Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 19
  5. Detho F (2009) OP- Techniken: Implantation eines Herzschrittmachers – Taktell in der Brust. Via medici 14 (1) 30 – 33
  6. Fisher J D (2018) Hemiblocks and the fascicular system: myths and implications. J Interv Card Electrophysiol. 52 (3) 281 - 285
  7. Gertsch G, Fässler B (2008) Das EKG: Auf einen Blick und im Detail. Springer Verlag Heidelberg 531 – 551
  8. Hamm C, Willems S (2014) Checkliste EKG. Georg Thieme Verlag 13.8.4, 13.9.3
  9. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 280
  10. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1454 – 1455
  11. Klinge R (2002) Das Elektrokardiogramm: Leitfaden für Ausbildung und Praxis. Georg Thieme Verlag Stuttgart New York 155
  12. Meinertz T (2018) Herz und Herzerkrankungen: Die 101 wichtigsten Fragen. C H Beck Verlag München 24
  13. Pezawas T, Schmiding24er H (2004) Effektive Synkopenabklärung: Wann soll der implantierbare Loop- Rekorder verwendet werden? J Kardiol Austrian (9) 353 - 358
  14. Schmidt- Voigt J (1982) Die ambulante Herzuntersuchung: Kardiologische Basisdiagnostik für die Praxis. Springer Verlag Berlin / Heidelberg / New York 74
  15. Schuster H P, Trappe H J (2005) EKG- Kurs für Isabel.  Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 42 – 45
  16. So, C- S (2004) Praktische EKG- Deutung: Einführung in die ElektroKardiographie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 78
  17. Striebel H W (2015) Operative Intensivmedizin: Sicherheit in der klinischen Praxis. Schattauer Verlag Stuttgart 308
  18. Strödter D (2008) Fallorientiert lernen: Schenkelblöcke im EKG. Via medici Thieme Verlag doi:  https://www.thieme.de/viamedici/klinik-faecher-innere-1535/a/schenkelbloecke-4253.htm
  19. Weber S (2022) Hemiblock. au: Pschyrembel online
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Zuletzt aktualisiert am: 24.12.2023