Lymphoproliferatives Syndrom X-chromosomal vererbtes (Übersicht) D82.3

Zuletzt aktualisiert am: 30.05.2022

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Synonym(e)

B-lymphoproliferatives Syndrom; Duncan`s disease; Lymphoproliferative Krankheit, X-chromosomale; OMIM: 300635; OMIM: 308240; X- chromosomale lymphoproliferative Erkrankung; X-chromosomale lymphoproliferative Syndrom; X-linked lymphoproliferative syndrome; XLP

Erstbeschreiber

Die Bezeichnung „Purtilo-Syndrom“ bezieht sich auf den Autor der Erstbeschreibung von 1974 D. T. Purtilo. Duncan ist der Name der beschriebenen Familie.

Definition

Das X-chromosomale lymphoproliferative Syndrom (XLP) ist ein seltener, x-chromosomal, rezessiv vererbter primärer Immundefekt. Es wird durch Mutationen von Genen auf dem X-Chromosom verursacht.

Einteilung

  • Das X-chromosomal vererbte lymphoproliferative Syndrom Typ 1 ist der häufigste Typ (etwa 60% aller Fälle) wird durch eine Mutation im SH2D1A-Gen an der Location Xq25 hervorgerufen. Dieses Gen kodiert das Signalisierungslymphozytenaktivierungs-Molekül-(SLAM)-assoziierte Protein (SAP, auch als SH2-Domänen-Protein 1A  oder DSHP bezeichnet). Ohne SAP vermehren sich die Lymphozyten in unkontrollierter Reaktion gegenüber einer Epstein-Barr-Virus-(EBV/HHV-4)-Infektion, während die natürlichen Killerzellen (NK) eine mangelnde Funktion aufweisen.

  • Das X-chromosomal vererbte lymphoproliferative Syndrom Typ 2  ist dem Typ 1 phänotypisch ähnlich; er ist für die hämophagozytische Lymphohistiozytose(HLH) prädisponiert. XLP2 wird durch Mutationen eines ebenfalls auf Xq25 lokalisiertem  Gens verursacht, das den X-chromosomalen Inhibitor des Apoptose-Proteins (XIAP-Gen) kodiert.

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: <1/ 100.000  Personen

Ätiopathogenese

Das defekte SAP-Protein führt einerseits dazu, dass die Aktivierung bestimmter Zellfunktionen beeinträchtigt wird. So können z.B.  natürliche Killer (NK)-Zellen oder zytotoxische T-Zellen eine ihrer wesentlichen Aufgaben, die Abtötung von Virus-infizierten Zellen, nur nungenügend wahrnehmen. Auch ihre Aufgabe, B-Lymphozyten bei der Bildung von Antikörpern zu unterstützen, ist beeinträchtigt.

Mutationen des 2. Gens (XIAP-Gen) führen ebenfalls zur XLP. Dieses Gen liegt ebenfalls auf dem X-Chromosom und kodiert für ein Protein, das bei der Auslösung Apoptose von Immunzellen beteiligt ist.

Manifestation

Erkrankungsbeginn im frühen Kleinkindalter (2. bis 3. Lebensjahr), nach einer Infektion mit dem Epstein- Barr- Virus (HHV-4). 

Die infektiöse Mononukleose führt bei immungesunden Kindern zu meist harmlosen, grippeähnlichen Symptomen. Bei der XLP-Erkrankung führt sie zu einer hochakuten und oft lebensbedrohlich verlaufenden Epstein- Barr- Virus-Infektion (Gilmour KC et al. 2000).

Klinisches Bild

Primäre Ekrankungsphase: Starke Halsschmerzen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit, einhergehend mit Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen und Fieber. Die Tonsillen sind mit gräulich- schmutzigen Belägen bedeckt. Häufig ist ein flüchtiger Hautausschlag zu beobachten. Im Verlauf kommt es zu einer generalisierten Lymphadenopathie,  zur Hepato- und Splenomegalie.

Postinfektiös: Nach einem mehr oder weniger schwerem Verlauf einer infektiösen Mononukleose zeigt sich die XLP im Schulkindesalter meist als sekundäres Antikörpermangelsyndrom, mit einem CVID (common variable immunodeficiency) ähnlichen Krankheitsbild. Die Folge sind gehäufte Infektionen.

bakterielle Infektionen der Atemwege:

  • Mittelohrentzündungen
  • Nasennebenhöhlenentzündungen
  • Bronchitien
  • Pneumonien 

virale Infektionen:

- z.B. Herpes simplex-Infektionen

Pilzinfektionen:

- z.B. Mundsoor oder Onychomykosen.

Gehäuft treten chronische Durchfallerkrankungen auf.

Seltenere Erkrankungszeichen, die bei XLP Patienten beobachtet werden (3-5% aller Patienten) sind:

  • aplastische Anämie
  • Vaskulitis
  • granulomatöse Veränderungen in unterschiedlichen Organen
  • Bronchiektasen der Lunge

Labor

Thrombozytopenie mit der Gefahr einer erhöhten Blutungsneigung. Viele der betroffenen Kinder entwickelt im Krankheitsverlauf ein lebensbedrohliches Hämophagozytosesyndrom (HLH), welches zu einer Zerstörung der körpereigenen Blutzellen und einer hochentzündlichen Erkrankung vieler Organe führt.

Komplikation(en)

Hepatitis, Myokarditis, Enzephalitis, Nephritis, oder Pneumonie; B-Zell-Lymphome ( Woon ST et al. 2008)

Therapie

Die Behandlung von XLP besteht in der Transplantation hämatopoetischer Stammzellen.

Sofern keine Transplantation hämatopoetischer Stammzellen vorgenommen wird erreichen etwa 75% der Patienten das 10. Lebensjahr nicht! Alle Patienten versterben vor Vollendung des 40. Lebensjahres.

Etwa 80% der Patienten, die eine Transplantation erhalten, überleben.

Eine Transplantation ist kurativ, wenn sie vorgenommen wird, bevor die Epstein-Barr-Virus-Infektion oder andere Störungen irreversibele Schäden induziert haben. 

Hinweis(e)

Eine Verdachtsdiagnose sollte gestellt werden bei:

verringerten Antikörperantworten auf Antigene (insbesondere EBV nukleares Antigen)

beeinträchtigter T-Zell-proliferative Reaktion auf Mitogene

verminderter NK-Zell-Funktion

einem invertierten CD4: CD8-Verhältnis

Diese Befunde sind vor und nach der Epstein-Barr virus-Infektion typisch. Eine Knochenmarkbiopsie kann bei der Bestätigung von HLH helfen.

Beachte:  Gentests bei Verwandten werden durchgeführt, wenn ein Fall oder Träger in einer Familie identifiziert wurde. Ein pränatales Screening ist bei Personen zu empfehlen, bei denen eine Mutation, die XLP verursacht, in der Familie identifiziert worden ist.

Literatur
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  1. Gilmour KC et al. (2000) Diagnosis of X-linked lymphoproliferative disease by analysis of SLAM-associated protein expression. Eur J Immunol 30:1691-1697.
  2. Lyu X et al. (2018) Identification of a novel nonsense mutation in SH2D1A in a patient with X-linked lymphoproliferative syndrome type 1: a case report. BMC Med Genet 19:60.
  3. Purtilo DT et al. (1974) Letter: Fatal infectious mononucleosis in familial lymphohistiocytosis. New Engl J Med 291: 736
  4. Skare JC et al. (1987) Mapping the X-linked lymphoproliferative syndrome. Proc Natl Acad Sci U S A 84:2015-2018.
  5. Woon ST et al. (2008) Follicular lymphoma in a X-linked lymphoproliferative syndrome 1carrier female. Scand J Immunol 68:153-158.

Verweisende Artikel (1)

SH2D1A-Gen;

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Zuletzt aktualisiert am: 30.05.2022