Präeklampsie

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 15.12.2023

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Synonym(e)

Präeklampsie; Schwangerschaftshypertonie

Erstbeschreiber

Das HELLP- Syndrom, eine lebensbedrohliche Komplikation der Gestationshypertonie, wurde erstmals im Jahre 1982 von Weinstein beschrieben (Baltzer 2004).

 

Definition

Die Präeklampsie ist definiert als jede neue und jede vorbestehende Hypertonie mit Blutdruckwerten ≥ 140 / 90 mmHg während einer Schwangerschaft mit mindestens einer neu aufgetretenen Organmanifestation, die sich keiner anderen Ursache zuordnen lässt (Scharl 2019).

Einteilung

Zu den hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen (HES) zählen:

- chronische Hypertonie

Hierbei besteht bereits vor der Konzeption oder im 1. Trimester eine Hypertonie (Scharl 2019).

- Gestationshypertonie (SIH)

Diese tritt erstmals im Rahmen einer Schwangerschaft nach der 20. SSW auf und hält nicht länger als 12 Wochen post partum an (Rath 2005).

- Präeklampsie

Hierbei finden sich neben der SIH noch weitere neu aufgetretene Abnormitäten wie z. B. Proteinurie, Niereninsuffizienz, Leberbeteiligung, uteroplazentare Dysfunktion, hämatologische bzw. neurologische Komplikationen (Herold 2022).

 

Bei der Präeklampsie differenziert man zwischen einer

- leichten hypertensiven Erkrankung:

       - Blutdruckwerte zwischen 140- 159 mmHg systolisch und 90 – 109 mmHg diastolisch

       - Proteinurie zwischen 0,5 – 5 g / l / 24h.

- schweren hypertensiven Erkrankung

       - Blutdruckwerte > 160 mmHg systolisch und > 110 mmHg diastolisch

       - Oligurie < 400 ml / 24 h

       - Hyperreflexie

       - Lungenödem

       - Zyanose

       - Oberbauchbeschwerden (Dudenhausen 2011)

- drohenden Eklampsie

       - Kopfschmerzen

       - Sehstörungen (Dudenhausen 2011)

- schwersten hypertensiven Erkrankung (Eklampsie)

       - tonisch- klonische Krämpfe

       - Apnoe

       - Koma (Dudenhausen 2011)

 

Vorkommen

Hypertensive Schwangerschaftsstörungen stellen weltweit eine der Hauptursachen sowohl für die Mortalität der Mütter als auch für die perinatale Mortalität des Kindes dar (Gestational Hypertension and Preeclampsia 2020).

Bei ca. 5 % aller Schwangeren entwickelt sich eine Präeklampsie (Herold 2022).

Ätiologie

Die Präeklampsie wird durch die Schwangerschaft selbst verursacht (Schwenger 2021).

Risikofaktoren sind:

- Nullparität

- anamnestisch bekannte:

       - Nierenerkrankung

       - Diabetes mellitus

       - Präeklampsie bei vorausgegangener Schwangerschaft

       - chronischer Hypertonus

- Adipositas

- Alter der Mutter < 15 Jahre oder > 35 Jahre

- Mehrlingsschwangerschaft

- Antiphospholipid- Antikörper- Syndrom (Kasper 2015)

- Hydrops fetalis

- Trisomie

- In- Vitro- Fertilisation (IVF)

- Blasenmole (Scharl 2019)

 

Klinisches Bild

Bei einer Präeklampsie bestehen folgende Symptome:

- Blutdruckerhöhung > 135 / 85 mmHg

- Ödeme

- Proteinurie (Dudenhausen 2011)

 

Im weiteren Verlauf der Schwangerschaft kann es durch Komplikationen zu folgenden Symptomen kommen:

- Nierenfunktionsstörungen mit

       - Oligurie oder einem Kreatininwert > 1,5 mg / dl

- hepatozelluläre Schädigung mit

       - Erhöhung des Alanin- Aminotransferase- Spiegels im Serum auf mehr als das doppelte

- Lungenödem

- hämatologische Funktionsstörungen mit z. B.

       - Thrombozyten < 100.000 / l

       - disseminierte intravasale Gerinnung

- Funktionsstörungen des ZNS mit

       - Kopfschmerzen

       - Verschwommensehen

       - Krampfanfälle (Dudenhausen 2011)

 

Diagnostik

Im 1. Trimenon sollte zunächst eine Risikoerfassung der Mutter erfolgen.

Im 2. und 3. Trimenon sind beim Screening auf eine Präeklampsie bei den regelmäßigen Untersuchungen nach den Mutterschaftsrichtlinien insbesondere die Blutdruckmessung und eine Proteinurie von Bedeutung (Scharl 2019).

Das Abschätzen des Risikos einer Präeklampsie kann durch eine Dopplersonographie der A. uterinae und durch Bestimmung angiogener Faktoren erfolgen (Scharl 2019).

 

Sonstige Untersuchungen

Blutdruckmessung

Diese sollten immer mit an den Oberarmumfang adaptierten Manschetten erfolgen, die primäre Messung immer beidseits und stets nach einer entsprechenden Ruhephase bei der sitzenden Schwangeren (Scharl 2019).

24- h- Blutdruckmessung

Diese Untersuchung dient der differentialdiagnostischen Abklärung des Hypertonus, insbesondere zum Ausschluss einer „white coat hypertension“. Außerdem lassen sich hierbei Rückschlüsse auf einen etwaigen Verlust des zirkadianen Rhythmus ziehen, welcher ein prognostisch ungünstiges Zeichen ist. Zusätzlich lässt sich der Erfolg einer etwaigen antihypertensiven Therapie beurteilen (Scharl 2019).

Bildgebung

Dopplersonographie

Die Untersuchung sollte im 2. Trimenon erfolgen. Hierbei wird der mittlere Pulsatilitäts- Index (PI) als bester Marker für die Prädiktion einer Präeklampsie bestimmt. Die Sensitivität liegt bei bis zu 93 % (Scharl 2019).

Labor

- Nierenfunktionsstörungen mit einem Kreatininwert > 1,5 mg / dl

- Anstieg von

       - Alanin- Aminotransferase- Spiegel im Serum

       - Bilirubin

       - ALT und AST (GPT bzw. GOT) um ≥ 2 fache des Referenzbereiches

       - LDH um ≥ 2 fache des Referenzbereiches

- hämatologische Funktionsstörungen mit z. B. Thrombozyten < 100.000 / l

- Proteinurie:

Im Rahmen einer SIH ist die Proteinurie definiert als ein 24- Stunden- Harnprotein > 300 mg / 24 h

oder ein Protein- Kreatinin- Verhältnis ≤ 0,3 (Kasper 2015). Falls die Proteinurie bereits vor der 20. SSW auftritt, gilt dies als Hinweis auf eine präexistente Nierenerkrankung (Scharl 2019).

Wiederholte Urin- Untersuchungen auf Protein sind nicht erforderlich, da die Höhe der Proteinurie keine prädiktive Aussagekraft hat (Scharl 2019).

Komplikation(en)

- HELLP- Syndrom (haemolysis, elevated liver enzymes, low platelet count)

Dieses findet sich bei ca. 0,5 % der SIH- Betroffenen (Herold 2022). Hierbei bestehen in erster Linie Schmerzen im rechten Oberbauch durch eine Kapselspannung der Leber sowie Übelkeit, Erbrechen (Baltzer 2004). Es handelt sich hierbei um eine lebensbedrohliche Komplikation (Baltzer 2004 / Schölmerich 2005).

- Eklampsie

Die Eklampsie findet sich bei ca. 0,1 % der von einer SIH Betroffenen (Herold 2022). Es treten generalisierte tonisch- klonische Krämpfe auf (Schölmerich 2005).

Auch bei der Eklampsie handelt es sich um eine lebensbedrohliche Komplikation (Baltzer 2004 / Schölmerich 2005).

- Apoplex

Bei Auftreten von Gerinnungsstörungen bzw. Störungen der Thrombozytenfunktion erhöht sich das Risiko eines Apoplexes (Kasper 2015).

- Entwicklungsstörungen beim Kind

Diese entstehen im Rahmen der SIH durch degenerative Prozesse in der Plazenta (Dellas 2022).

Therapie allgemein

Zwar ist die SIH selbstlimitiert und verschwindet ohne Therapie innerhalb weniger Wochen post partum, aber wegen der Morbidität und Mortalität für Mutter und Kind ist eine frühzeitige Therapie unbedingt erforderlich (Kasper 2015).

 

Indikationen für eine Krankenhauseinweisung sind:

- klinisch gesicherte Präeklampsie

- Blutdruckwerte ≥ 160 mmHg systolisch bzw. ≥ 110 mmHg diastolisch

- V. a. ein HELLP- Syndrom (vor allem bei persistierenden Schmerzen im Oberbauch)

Bei Dyspnoe, hypertensiver Krise und schweren neurologischen Prodromalsymptomen ist ein umgehender Transport ins Krankenhaus per Rettungswesen erforderlich (Scharl 2019).

 

Leichte Präeklampsie:

Hier empfiehlt sich eine konservative Behandlung mit Begrenzung der körperlichen Aktivität, genauer Überwachung von Blutdruck, Nierenfunktion und dem Föten (Kasper 2015).

 

Schwere Präeklampsie:

Bei Blutdruckwerten ≥ 160 / 110 mm Hg besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Eklampsie, Frühgeburt oder Apoplex (Scharl 2019).

Hier wird den Schwangeren oftmals eine (vorzeitige) Entbindung empfohlen (Kasper 2015).

 

Interne Therapie

Eine medikamentöse Therapie sollte ab Blutdruckwerten von 150 – 160 / 100 – 110 mmHg erfolgen. Bei Blutdruckwerten ≥ 160 / 110 mm Hg empfiehlt sich die Blutdruckeinstellung unter stationären Bedingungen (Scharl 2019).

Der erhöhte arterielle Blutdruck sollte allerdings langsam gesenkt werden, da ansonsten zerebrovaskuläre Zwischenfälle drohen (Kasper 2015). Eine zu drastische Senkung mindert außerdem die plazentare Perfusion und stellt damit eine akute fetale Beeinträchtigung dar (Scharl 2019).

 

An oraler Medikation stehen zur Verfügung:

- Alpha- Methyldopa

Dieses stell das Medikament der 1. Wahl dar. Dosierungsempfehlung: 250 – 500 mg 2 – 4 x / d p. o., Höchstdosis 2 g / d (Scharl 2019).

- Nifedipin ret.

Dosierungsempfehlung: 20 – 60 mg oral, Maximaldosis 120 mg / d (Scharl 2019)

- Labetalol (Kasper 2015)

Dosierungsempfehlung: Initial 3 x 200 mg / d, die Maximaldosis liegt bei 4 x 300 mg / d (Scharl 2019).

 

Die Zielwerte des Blutdrucks liegen zwischen 130 – 150 mmHg systolisch und zwischen 80 – 100 mmHg diastolisch (Scharl 2019).

 

Wegen der negativen Auswirkungen auf die fetale Entwicklung im 2. und 3. Trimenon sollten vermieden werden:

- Angiotensin- Rezeptorblocker

- ACE- Hemmer (Kasper 2015)

Laut Leitlinie sind zwar keine teratogenen Effekte nachgewiesen, sie sind aber dennoch im 2. und 3. Trimenon kontraindiziert, da sie beim Neugeborenen zu akutem Nierenversagen führen (Scharl 2019).

 

Zur raschen akuten Blutdrucksenkung werden eingesetzt:

- Urapidil

Dosierungsempfehlung: Initial 6,25 mg langsam i. v. (über 2 min), anschließend über Perfusor 3 – 24 mg / h (Scharl 2019)

- Dihydralazin

Dosierungsempfehlung: Initial 5 mg i. v., anschließend 2 – 20 mg / h über Perfusor (Scharl 2019)

 

- Magnesiumsulfat

Da Magnesium mit den N- Methyl- D- Aspartat- Rezeptoren im ZNS interagiert, können diese das Anfallrisiko bei Müttern mit SIH senken (Kasper 2015).

Prognose

Die Prognose ist abhängig vom Ausmaß der Hypertonie, da diese die perinatale Sterblichkeit von Mutter und Kind bestimmt (Herold 2022).

Bei Frauen mit einer Präeklampsie stehen ca. 10 – 15 % der maternalen Todesfälle in Zusammenhang mit der (Prä-) Eklampsie. Diese wären in Europa bei bis zu 90 % vermeidbar gewesen (Scharl 2019).

Außerdem besteht bei Frauen mit Z. n. Präeklampsie ein lebenslang gesteigertes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (Herold 2022).

Das Wiederholungsrisiko einer Präeklampsie bei weiteren Schwangerschaften liegt zwischen 14 – 18 %. Es hängt vom Gestationsalter der Erstmanifestation ab und ist um so niedriger, je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten war (Scharl 2019).

Hinweis(e)

Prophylaxe

Das Risiko, an einer Präeklampsie zu erkranken, lässt sich durch niedrig dosiertes Aspirin ab Ende des 1. Trimesters reduzieren (Kasper 2015). Laut Leitlinie liegt die Dosierungsempfehlung bei 150 mg / d ASS ab der 16. SSW. Damit lässt sich das Risiko, vor der 37. SSW an einer Präeklampsie bzw. einer SIH zu erkranken, mit bis zu 63 % deutlich senken (Scharl 2019).

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Baltzer J, Friese K, Graf M, Wolff F (2004) Praxis der Gynäkologie und Geburtshilfe: Das komplette Praxiswissen in einem Band. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 244
  2. Dellas C (2022) Pharmakologie – Kurzlehrbuch. Elsevier Urban und Fischer Verlag München 406
  3. Dudenhausen J W, Grab D, Obladen M, Pschyrembel W + (2011) Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen. Walter de Gruyter Verlag Berlin / Boston 73
  4. Gestational Hypertension and Preeclampsia (2020) ACOG Practise Bulletin Summary, Number 222. Obstetrics and Gynecology 135 (6) 1492 – 1495 DOI 10.1097/AOG.0000000000003892
  5. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 299, 521
  6. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 45 – 46
  7. Rath W, Friese K (2005) Erkrankungen in der Schwangerschaft. Georg Thieme Verlag Stuttgart 73
  8. Scharl A, Ehm D, Kohlberger P, Schlembach D, Stepan H (2019) Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Diagnostik und Therapie. Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG undSGGG. AWMF- Registriernummer 015 / 018
  9. Schölmerich J, Burdach S, Drexler H, Hallek M, Hiddemann W, Hörl W H, Klein H, Landthaler M, Lenz K, Mann K, Mössner J, Müller- Ladner U, Reichen J, Schmiegel W, Schröder J O, Seeger W, Stremmel W, Suttrop N, Weilemann L S, Wöhrle J C (2005) Medizinische Therapie 2005 / 2006. Springer Verlag Heidelberg New York 1522
  10. Schwenger V (2021) Klinikleitfaden Nephrologie. Elsevier, Urban und Fischer Verlag Deutschland 604
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