Perikarderguß I31.3

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 24.05.2022

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Synonym(e)

Herzbeutelerguss; Perikarderguss; Perikarditis exsudativa

Erstbeschreiber

Hasebrock beschrieb 1888 in seiner Veröffentlichung „Analyse einer chylösen perikardialen Flüssigkeit“ in der Zeitschrift physiologische Chemie erstmals einen Perikarderguss (Kawano 2012).

Definition

Unter einem Perikarderguss versteht man die Ansammlung von Flüssigkeit zwischen beiden Perikardblättern, die die normalerweise vorkommende Flüssigkeitsmenge von ca. 10 – 50 ml übersteigt (Pinger 2019).

Einteilung

Bei einem Perikarderguss wird nach Pinger (Pinger 2019) differenziert zwischen:

  • Exsudat
  • Transsudat
  • Hydroperikard
  • Hämatoperikard
  • Pyoperikard

und chronologisch zwischen

  • < 1 Woche (akuter Erguss)
  • 1 Woche bis 3 Monate (subakuter Erguss)
  • > 3 Monate (chronischer Erguss)

Ein Perikarderguss wird nach Horowitz anhand der Bewegungsformen der beiden Perikardblätter im Time-Motion-Echokardiogramm nach Maisch (Maisch 2008)in folgende Typen unterteilt:

  • Typ A: kein Erguss nachweisbar
  • Typ B: eine ausschließlich systolische Separation zwischen Peri- und Epikard, bei der es zu einer systolischen Mitbewegung des Perikards kommt (sog. feuchtes Perikard)
  • Typ C: ebenfalls eine ausschließlich systolische Separation zwischen Peri- und Epikard, es kommt jedoch nicht zu einer systolischen Mitbewegung des Perikards
  • Typ D: hierbei kommt es zu einer systolischen und diastolischen Separation des Perikards (entspricht dem klassischen Erguss)
  • Typ E: nach abgeheiltem Erguss findet sich eine Verdickung bzw. eine Fibrosierung des Perikards, welche eine Mitbewegung in der Systole zeigt
  • Typ F: hierbei handelt es sich ein abgeheilter Erguss, bei dem weiterhin eine Mitbewegung des Perikards in der Systole zu beobachten ist
     

Vorkommen/Epidemiologie

Ein maligner Perikarderguss ist bei Autopsien im angelsächsischen Raum in ca. 5% - 10% der Tumorpatienten nachzuweisen (Kasper 2015).

Ätiopathogenese

Sämtliche Erkrankungen des Perikards können einen Perikarderguss auslösen:

  • infektiöse bzw. nicht-infektiöse Perikarditis (insbesondere die Tuberkulose)
  • tumoröse Erkrankungen (sowohl sekundär metastasierende Tumoren als auch primäre Tumoren)
  • iatrogen bedingt durch z. B. Schrittmacherimplantation, Katheterinterventionen etc.
  • Herzinsuffizienz
  • Leberzirrhose
  • nephrotisches Syndrom
  • rheumatologische Erkrankungen
  • Myxödem
  • Gravidität (kommt bei ansonsten gesunden Frauen vor)

- u. v. a.

In den Entwicklungsländern verursacht in erster Linie die Tuberkulose einen Perikarderguss. In unseren Breiten bleibt die Ursache häufig ungeklärt (idiopathisch). Große Ergussmengen finden sich typischerweise bei Patienten mit Malignomen, Tuberkulose, Urämie, Myxödem und Parasitosen (Pinger 2019).

Klinisches Bild

Ein großer Teil der Patienten ist völlig asymptomatisch. Der Erguss wird als Zufallsbefund diagnostiziert.

Ansonsten können folgende Symptome auftreten:

  • Dyspnoe, zunächst bei Belastung, später auch in Ruhe
  • Heiserkeit (durch Druck auf den N. recurrens)
  • Singultus (ebenfalls durch Druck auf den N. recurrens)
  • Husten
  • Thoraxschmerzen
  • Dysphagie bei Kompression des Ösophagus

Zusätzlich können auch Symptome der Grunderkrankung bestehen, wie z. B.

  • Appetitlosigkeit
  • Fieber
  • allgemeine Schwäche etc.

(Pinger 2019)

Diagnose

In früheren Zeiten fand sich die Tuberkulose als häufigste Ursache eines Perikardergusses, heutzutage sollte man bei jedem chronischen Erguss als erstes – bis zum Beweis des Gegenteils - ein Malignom in Betracht ziehen.

Bei jüngeren Patienten mit entsprechendem Risikoprofil (Homosexuelle, beruflicher Umgang mit Blutprodukten, Hämophilie-Patienten, Drogenabhängige etc.) sollte auf jeden Fall eine HIV-Infektion ausgeschlossen werden (Kunert 2006).

Auskultation: Die Herztöne sind i. d. R. abgeschwächt.

Labordiagnostik: Je nach klinischer Konstellation sollten folgende Laborwerte bestimmt werden (Pinger 2019):

  • Blutbild einschließlich eines Diff. BB (bei Tuberkulose Nachweis von spezifischen T-Lymphozyten mittels Elispot-Technologie)
  • Anlage einer Bakterienkultur

optional:

  • Tumormarker bestimmen (z. B. AFP, CA125, CA72-4, CA15-3, CA19-9, CEA, CD30, CD25, Zytologie)
  • Tuberkulosediagnostik (z. B. Kultur oder BACTEC-Nachweis, Lysozym oder IFN-gamma, ADA, PCR)
  • Virusdiagnostik (z. B. PCR-Diagnostik für kardiotrope Viren zur Differenzierung eines viral bedingten Ergusses von einem autoreaktiv bedingten Erguss)

EKG 

  • periphere Niedervoltage
  • bei großem Perikarderguss (swinging heart) kann ein elektrischer Alternans durch den rhythmischen Amplitudenwechsel auftreten
  • unspezifische T-Wellen-Veränderungen

Röntgenbild

  • typischerweise findet sich ein sog. Bocksbeutelherz, auch „Water-bottle-Silhouette“ genannt (dieses ist ab ca. 250 -300 ml Ergussmenge nachweisbar)
  • es können etwaige nativ-radiologische Befunde vorhanden sein (wie z. B. Rundherd, Lymphangiosis carcinomatosa etc.)

Echokardiographie: Die Echokardiographie ist die sensitivste und zugleich auch die einfachste zu handhabende Methode, um einen Perikarderguss nachzuweisen bzw. diesen auszuschließen. Zusätzlich kann hierbei die Hämodynamik des Ergusses beurteilt werden. Ein Erguss ist ab ca. 15 ml echokardiographisch nachweisbar und außerdem fehlt bei Vorhandensein eines Ergusses die diastolische Berührung der Perikardblätter (van Aken 2007).

Das Ausmaß des Ergusses wird nach Maisch (Maisch 2008) echokardiographisch unterteilt in:

  • kleiner Erguss (die echofreie diastolische Separation von Peri- und Epikard liegt < 10 mm)
  • mäßiger Erguss (die diastolische Separation liegt zwischen 10mm – 20 mm)
  • großer Erguss (die diastolische Separation liegt über 20 mm)
  • sehr großer Erguss ((die diastolische Separation liegt über 20 mm und es finden sich zusätzlich Kompressionszeichen)

Hinweis: Man sollte grundsätzlich sowohl von parasternal als auch von subcostal schallen, da es auf diese Weise möglich ist, zwischen einem Perikarderguss und einem Pleuraerguss zu differenzieren. Sofern es sich sowohl um einen Pleura- als auch um einen Perikarderguss handelt, lassen sich beide durch Beobachtung der unterhalb des linken Atriums gelegenen Aorta descendens im parasternalen Längsschnitt differenzieren: Bei der Aorta ist es möglich, dass diese durch Flüssigkeit im Perikard vom linken Vorhof separiert wird. Bei einem Pleuraerguss ist das nicht möglich (Kunert 2006).

Auf Zeichen eines sog. Swinging heart achten und dieses abgrenzen von eventuell durch die ausladenden Bewegungen des Herzens vorgetäuschten Mitral-, Trikuspidalprolaps oder ein SAM-Phänomen (Systolic Anterior Movement) der Mitralklappe (Engberding 2013).

Etwaige Zeichen einer Tamponade oder einer Tumorinfiltration ausschließen (Pinger 2019).

Um die Entwicklung eines Perikardergusses beurteilen zu können, empfehlen sich nach Herold (Herold 2018):

  • engmaschige Blutdruckkontrollen (bei Zunahme des Ergusses fällt der Blutdruck ab)
  • regelmäßige ZVD-Messungen (und der ZVD steigt an)
  • Echokardiographiekontrollen

Computertomographie / kardiale Magnetresonanztomographie: Durch die Computertomographie kann der Perikarderguss exakt quantifiziert werden. Besonders lokalisierte Ergüsse sind hierbei besser zu beurteilen als in der Sonographie, da sich der echofreie Raum hinter dem Herzen und bei großen Ergüssen auch vor dem Herzen besser darstellen lässt (Herold 2018). Zudem kann man in der CT aufgrund der verschiedenen Dichtewerte zwischen hämorrhagischem und serösem Erguss differenzieren, was für die weitere Diagnostik u. U. von Bedeutung ist. Bei unklaren Ergüssen sollte stets eine CT oder eine kardiale Magnetresonanztomographie durchgeführt werden, da es sich bei diesen beiden Untersuchungsformen um die besten bildgebenden Verfahren zum Ausschluss bzw. Nachweis von Raumforderungen im Mediastinum, in der Lunge oder im Perikard handelt (Maisch 2008). Von der EACVI 2015 (European Association of Cardiovascular Imaging) wird eine CT allerdings nur bei mittelmäßigem bzw. großem Erguss mit V. a. Aortendissektion oder bei Z. n. Trauma empfohlen (Cosyns 2015).

 

Punktion:  Sofern es sich um einen erstmalig nachgewiesenen und unkomplizierten Erguss handelt, ist bei einer routinemäßigen Punktion nur mit einer geringen diagnostischen Ausbeute zu rechnen (die Perikardiozentese von 32 Patienten erbrachte lediglich bei 2 Fällen eine gesicherte Diagnose [Pinger 2019]).

Indiziert ist eine Punktion aber in jedem Fall bei V. a. eine purulente Perikarditis oder bei V. a. einen malignen Erguss (Pinger 2019). Bei diesem Eingriff sollte eine prolongierte Drainage für einige Tage eingelegt werden, da dadurch die Rezidivrate gesenkt werden kann (Adler 2015).

Der Perikarderguss sollte anschließend zur weiteren Diagnostik molekularbiologisch, immunologisch und zytologisch untersucht werden, damit eine rasche Einleitung der ätiopathogenetischen Therapie möglich ist (Maisch 2008).

Therapie

Die ursächlich zugrunde liegende Erkrankung sollte – sofern diese bei der Diagnostik eruierbar war – umgehend behandelt werden.

Medikamentöse Therapie: Eine nachweisliche medikamentöse Therapieoption, die zu einer Reduktion der Ergussmenge führen würde, ist nicht bekannt. Sofern Zeichen einer systemischen Infektion bestehen und bei V. a. Perikarditis sollten NSAR / ASS plus Colchicin eingesetzt werden. Diese medikamentöse Behandlung ist jedoch nicht erfolgversprechend bei fehlenden Entzündungszeichen (Pinger 2019).

Therapievorschlag (Herold 2018):

  • z.B. Ibuprofen 600mg alle 8 h
  • als Magenschutz Cimetidin 200mg – 400mg / d
  • Colchizin 0,5 mg/d

Perikardpunktion/ Perikardiozentese: Ein Perikarderguss muss nicht grundsätzlich punktiert werden. Falls sich der Erguss als hämodynamisch stabil erweist, können zunächst weitere Verlaufskontrollen abgewartet werden. Die Indikationen einer therapeutischen Perikardpunktion zur Prophylaxe einer Tamponade sind nach ESC 2015 (European Society of Cardiology) folgende:

  • ein großer subakuter Erguss (nach ca. 4-6 Wochen), bei dem sich ein Kollaps des rechten Vorhofes und der rechten Kammer darstellt
  • ein großer, chronischer Erguss, der länger als 3 Monate besteht (Adler 2015)

 

Besonderheiten und spezielle Aspekte einzelner ursächlich auslösender Faktoren eines Perikardergusses:

Chronischer idiopathischer Erguss: Dieser ist definiert als ein Erguss, der ohne nachweisbare Ursache > 3 Monate hinaus besteht. Hier sollte das weitere Vorgehen als Einzelfallentscheidung erfolgen. Bei stabiler Hämodynamik und in Abhängigkeit der Größe des Ergusses kann zunächst abgewartet werden. Ansonsten sollte eine Perikardiozentese erfolgen.

Bei autoreaktiver Genese des Perikardergusses empfiehlt sich eine über 24 h dauernde Instillation mit 300 mg Triamcinolon (Pinger 2019).

Maligner Perikarderguss: Bei einem malignen Perikarderguss handelt es sich meistens um einen sekundär-metastatischen Befall, seltener um einen Primärtumor des Perikards. Der Erguss ist überwiegend hämorrhagisch. Da sich aber – trotz bestehender Tumorerkrankung - der Erguss in bis zu zwei Dritteln (!) der Fälle als nicht durch das maligne Geschehen hervorgerufenen Erguss handelt, ist die Biopsie mit zytologischer Analyse zur Diagnosestellung „maligner Erguss“ essentiell (Pinger 2019). Therapeutisch sollte hierbei in Abhängigkeit von der Histologie, dem Staging und Grading eine tumorgezielte Behandlung erfolgen.

Hinsichtlich des Ergusses sind nach Pingert (Pinger 2019) mehrere Optionen gegeben:

  • Durchführung einer Perikardiozentese
  • Anlage einer prolongierten Drainage
  • intraperikardiale Instillationsbehandlung zur Sklerosierung (z. B.
    • Tetrazyklin 1 – 8 x 0,5 g – 1,0 g; die Behandlung ist preisgünstig, verursacht aber häufig Fieber und Schmerzen
    • Bleomycin 1- 2 x 5 mg - 30 mg in 20 ml NaCl; die Behandlung ist nebenwirkungsärmer, aber teurer)

Perikarderguss in der Gravidität: Diese Art von Erguss verläuft häufig klinisch inapparent. Zeichen einer bestehenden oder statt gehabten Perikarditis finden sich hierbei nicht. Eventuell bestehende Schwangerschafts-assoziierte EKG-Veränderungen stehen in keinem Zusammenhang mit dem Erguss. Eine therapeutische Maßnahme ist nicht erforderlich.

 

 

Verlauf/Prognose

Die Prognose des Perikardergusses ist abhängig von der Genese.

Während der Schwangerschaft auftretende Ergüsse heilen ohne therapeutische Maßnahmen komplikationslos aus (Pinger 2019).

Anders sieht es bei den malignen Ergüssen aus. Nach Perikardiozentese tritt bei ca. 38 % ein Rezidiv auf. Bei prolongierter Drainage liegt die Rezidivrate bei 12 % und bei intraperikardialer Instillationstherapie sind es 11 %.

Die mediane Überlebenszeit bei malignen Perikardergüssen liegt bei ca. 2 Monaten, 25% der Patienten überleben bis zu 11 Monate (Pinger 2019).

Bei einem chronischen, idiopathischen Erguss ist in ca. 29% der Fälle mit einer Tamponade zu rechnen. Die Patienten sollten deshalb über die mögliche Symptomatik aufgeklärt werden. Sofern der Erguss durch eine Perikardiozentese behandelt wurde, findet sich bei 42% der Patienten ein anhaltender Therapieerfolg (Pinger 2019).

Bei einem durch eine autoreaktive Perikarditis hervorgerufenen Erguss ist mit einer Rezidivfreiheit bei 82% der Patienten im 1. Jahr zu rechnen (Pinger 2019).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. van Aken H et al. (2007) Intensivmedizin Georg Thieme Verlag 190
  2. Adler Y et al. (2015) ESC Guidelines for the Diagnosis and Management of Pericardial Diseases: Executive summary. Eur. Heart J (25) Oxford University Press 587-610
  3. Burchardi H et al. (2008) Die Intensivmedizin Springer Verlag 404
  4. Cosyns B et al. (2015) EACVI position paper: multimodality imaging in pericardial disease. Eur Heart J(16) Oxford University Press 12-31
  5. Engberding R (2013) Untersuchungstechniken in der Echokardiographie: Transthorakale, transösophageale Schnittebenen. Springer Verlag 92
  6. Herold G et al. (2018) Innere Medizin Herold Verlag 236
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1788-1789
  8. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1912-1913
  9. Kawano H (2012) Primary chylopericardium. J Cardiol Cases (3) Elsevier. e173-e174
  10. Kühl H P et al. (2004) Akute und chronisch-konstriktive Perikarditis. Der Internist (45) Springer Verlag 573-586
  11. Kunert M et al (2006) Praktische Echokardiographie: Lehrbuch und CD-Rom mit Videoatlas. Deutscher Ärzte Verlag Köln 68
  12. Maisch B et al. (2008) Neue Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie der Perikarditis. Der Internist (49) 17-26 Springer Verlag
  13. Pinger S et al. (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag 590-593
  14. Schölmerich J et al. (2005) Medizinische Therapie 2005/2006 Springer Verlag 1130

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