Niereninfarkt N28.0

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 06.05.2021

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Erstbeschreiber

Im Jahre 1988 beschrieben Pickering et al. ein Syndrom, bei dem es durch eine beidseitige atheromatöse Stenosierung der A. renalis zu einem kardial bedingten rezidivierenden Lungenödem kommen kann. Das Syndrom wurde nach Pickering benannt (Messerli 2011).

Definition

Unter einem Niereninfarkt versteht man den plötzlichen Verschluss der A. renalis oder einer der Segmentarterien, was zu einem potentiellen Funktionsverlust der Niere bzw. zum Parenchymverlust des versorgten Segmentes führt (Engelbrecht 2017) oder aber den Verschluss einer Nierenvene durch eine Thrombose, was auch als „hämorrhagischer Infarkt“ bezeichnet wird (Manski 2019).

Einteilung

Der Niereninfarkt wird unterteilt in einen anämischen und einen hämorrhagischen Infarkt.

Anämischer Infarkt: Es handelt sich dabei um einen arteriellen Infarkt der A. renalis oder ihrer Äste. Man differenziert dabei zwischen:

Hämorrhagischer Infarkt: Hierbei liegt ein venöser Infarkt der V. renalis oder ihrer Äste vor (Manski 2019). 

Vorkommen/Epidemiologie

Bei allgemeinen Autopsien finden sich bei bis zu 1,4 – 4,0 % anämische Niereninfarkte (Remmele 2013). Abgeheilte Infarkte sind somit nicht selten, im Gegensatz zu akuten Niereninfarkten, die als Krankheitsbild lediglich 0,02 von 1.000 Notfallpatienten ausmachen (Manski 2019).

Ätiopathogenese

Die häufigste Ursache eines anämischen Niereninfarktes durch Thromboembolie sind:

  • durch Vorhofflimmern ausgelöste Embolien (Herold 2021).

Seltenere Ursachen können sein:

Ursache eines anämischen Niereninfarktes durch Nierenarterienthrombose sind:

  • Plaquebildung bei Arteriosklerose der Nierenarterie (häufigste Ursache)

und seltener:

  • Nierentrauma
  • Vaskulitis
  • iatrogen bedingt (Manski 2019)
  • Fettembolie
  • Endokarditis (Kasper 2015)

Venöse Thrombosen können ausgelöst werden durch:

Der hämorrhagische Infarkt tritt meistens im Rahmen einer  chronischen Grunderkrankung auf wie z. B.:

Pathophysiologie

Bei arteriellen Verschlüssen finden sich keilförmige Infarkte mit hämorrhagischem Randsaum, während bei venösen Verschlüssen eine hämorrhagische Infarzierung besteht (Manski 2019).

Klinisches Bild

In den meisten Fällen werden Niereninfarkte nicht als solche identifiziert (Manski 2019). 

Symptome können sein:

  • Lendenschmerzen
  • Hämaturie (Herold 2021)
  • unregelmäßiger Puls
  • arterielle Hypertonie (entwickelt sich meistens sehr plötzlich durch die Freisetzung von Renin aus dem ischämischen Bereich [Kasper 2015])
  • Fieber 
  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Oligurie
  • Anurie (wenn beide Nieren betroffen sind) (Kasper 2015 / Manski 2019)
  • venöse Stauung des linksseitigen Hodens bei linksseitiger Thrombose (Herold 2021)

Diagnostik

Farbdopplersonographie: Die Methode der Wahl hinsichtlich eines Niereninfarktes ist die Farbdopplersonographie (Herold 2021). Hierbei wird der maximale systolische Fluss (peak systolic velocity) bestimmt. Dieser kann bei höhergradigen Stenosen Flussgeschwindigkeiten von > 260 cm / sec. annehmen. Die Sensitivität der Methode liegt bei 85 % und die Spezifität bei 92 %. Bei der Untersuchung sollten grundsätzlich auch die vorgeschalteten Iliakalgefäße mit einbezogen werden (Risler 2008). Nach Abheilung eines segmentalen Infarktes bleiben im Parenchym tief eingezogene Narben zurück. Bei einem kompletten Infarkt bildet sich eine Schrumpfniere aus (Manski 2019).

Kontrastmittel- CT: Der Niereninfarkt kann auch durch eine Kontrastmittel- CT nachgewiesen werden, sofern keine Niereninsuffizienz oder andere Kontraindikationen bestehen (Seeler 2005).

Zur Ursachenforschung empfiehlt sich beim anämischen Infarkt:

  • Ruhe- EKG
  • Langzeit- EKG
  • Eventrecorder
  • Abdominalsonographie mit Tumorsuche (Claus 2019)

Bildgebung

  • Hämaturie
  • Proteinurie
  • GOT (meistens nur gering erhöht)
  • AP (ebenfalls nur gering erhöht)

(Herold 2021)

und als Zeichen des Zellzerfalls [Manski 2019])

  • LDL (kann auf Extremwerte ansteigen [Kasper 2015]
  • CK
  • Kreatininanstieg
  • Anstieg von Cystatin C (Manski 2019)

Labor

  • Hämaturie
  • Proteinurie
  • GOT (meistens nur gering erhöht)
  • AP (ebenfalls nur gering erhöht) (Herold 2021)

und als Zeichen des Zellzerfalls [Manski 2019])

  • LDL (kann auf Extremwerte ansteigen [Kasper 2015]
  • CK
  • Kreatininanstieg
  • Anstieg von Cystatin C  (Manski 2019) 

Histologie

Der anämische Niereninfarkt findet sich typischerweise kegelförmig mit der Basis zur Nierenkapsel gerichtet und reicht mit der Spitze bis ins Mark hinein. Der schmale Kortex- Parenchymsaum verbleibt auf Grund der erhaltenen Durchblutung durch Kapselgefäße vital.

Das Infarktgebiet kollabiert nach ca. einer Woche und wird über mehrere Wochen hinweg in eine narbige Struktur umgewandelt.

(Thomas 2006)

Komplikation(en)

  • akutes Nierenversagens (tritt allerdings nur sehr selten auf [Segerer 2014])
  • arterielle Hypertonie (tritt einige Tage nach dem Niereninfarkt auf [Herold 2021])
  • Lungenödem (kann bei bilateraler Stenose der Nierenarterien auftreten [Messerli 2011])

Interne Therapie

Ein Niereninfarkt kann konservativ behandelt werden mit:

Über eine Lysetherapie sollte in Abhängigkeit vom Ausmaß des Infarktes und der noch verbleibenden Funktion der Niere entschieden werden (Manski 2019).

Operative Therapie

Zur Verfügung stehen bei rechtzeitiger Diagnosestellung die anatomische bzw. extraanatomische Bypass- Operation. 

Indiziert sind Bypass- Maßnahmen bei:

  • Einzelniere
  • bilateraler Embolie

Das Zeitfenster für diese operativen Maßnahmen ist nicht eindeutig definiert (Manski 2019).

Verlauf/Prognose

Falls nur eine Niere betroffen ist, sind die Auswirkungen auf die Nierenfunktion oftmals nur gering. Nachdem sich das ischämische Gewebe in Narbengewebe umgewandelt hat, kann sich durch die reduzierte Freisetzung von Renin der arterielle Hypertonus wieder zurückbilden (Kasper 2015).

Literatur
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  1. Claus J et al. (2019) Nekrosen. In: Kurs Allgemeine Pathologie. Springer Verlag Berlin, Heidelberg. 24 – 25 https://doi.org/10.1007/978-3-662-59356-1_4
  2. Engelbrecht V (2017) Niereninfarkt in: Reiser M et al. Duale Reihe Radiologie Thieme Verlag 9.1.3.
  3. Herold G et al. (2021) Innere Medizin. Herold Verlag 658, 840
  4. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1627 - 1630, 1847 – 1848, 1863 – 1864 
  5. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1987 – 1992, 2275 - 2276, 2294 – 2295
  6. Keller C K et al. (2010) Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 116, 395 - 401
  7. Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme Verlag 104, 623 - 628
  8. Manski D (2019) Das Urologielehrbuch. Dirk Manski Verlag 238 – 241, 243
  9. Messerli F H et al. (2011) Flash pulmonary oedema and bilateral renal artery stenosis: the Pickering Syndrome. European Heart Journal, (32) 2231– 2235,
  10. Remmele W et al. (2013) Pathologie 3: Urogenitalorgane- Mamma- Endokrine Organe- Kinderpathologie- Bewegungsapparat (außer Muskulatur)- Haut. Springer Verlag 35 – 36, 38 - 39
  11. Risler T et al. (2008) Facharzt Nephrologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 123 – 124, 520
  12. Seeler D et al. (2005) Sonographischer Nachweis des embolischen Niereninfarktes mit Echokontrastmittel. Ultraschall Med Thieme Verlag 26 (6) 518 – 523
  13. Segerer K et al. (2014) Niereninfarkt und Nierenvenenthrombose. In: Steffel J et al. Niere und ableitende Harnwege. Springer Verlag 171 - 174
  14. Thomas C et al. (2006) Histopathologie: Lehrbuch und Atlas zur Befunderhebung und Differentialdiagnostik. Schattauer Verlag 192

Verweisende Artikel (1)

Endokarditis, infektiöse;

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