Membranoproliferative Glomerulonephritis N05.5

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 26.04.2022

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Synonym(e)

Dense Deposit Disease; Dense Deposite Disease; Glomerulonephritis mesangiokapilläre; Lobuläre Glomerulonephritis; Membranoproliferative Glomerulonephritis Typ II; Mesangiale Glomerulonephritis; Mesangiokapilläre Glomerulonephritis; MPGN; OMIM: 305800; OMIM: 609814; OMIM: 614809; OMIM:615008

Definition

Als „membranoproliferative Glomerulonephritis“ wird eine, in jedem Lebensalter auftretende, genetisch heterogene Gruppe immunvermittelter, chronisch-progredienter  Nierenerkrankungen bezeichnet, die sich durch überlagernde, nephritische und nephrotische Symptome sowie durch einen gemeinsamen histopathologischen Nierenbefund mit Verdickung der glomerulären Basalmembran (GBM) und Proliferationen der Mesangiumzellen kennzeichnet.

Einteilung

Idiopathische membranoproliferative Glomerulonephritis (Ausschlußdiagnose)

Sekundäre membranoproliferative Glomerulonephritis

  • Sekundäre membranoproliferative Glomerulonephritis mit gemischter Kryoglobulinämie
  • Sekundäre membranoproliferative Glomerulonephritis ohne nachweisbare Kryoglobulinämie

Vorkommen/Epidemiologie

Die MPGN tritt weltweit mit unterschiedlichen Inzidenzen auf (Nakagawa N et al. 2018). Die primäre (idiopathische) MPGN betrifft Kinder und junge Erwachsene zwischen dem 8. und 30. Lebensjahr; die primäre MPGN macht 10% der Fälle von nephrotischem Syndrom bei Kindern aus. Die sekundäre MPGN betrifft v.a. Erwachsene > 30 Jahre. M:w=1:1.

Ätiopathogenese

Ursächlich liegt dieser Erkrankungsgruppe eine Immunkomplexablagerung zugrunde, die bei der primären MPGN idiopathisch, bei der sekundären MPGN auf Grund einer systemischen Störung (z.B. durch Kryoglobuline- Sethi S et al. 2017) zustande kommt. Berichte über einzelne familiäre Fälle lassen bei diesen Formen auch genetische Faktoren vermuten.

Bei der sekundären Form der membranoproliferativen Glomerulonephritis scheint eine unkontrollierte Aktivierung des alternativen Weges der Komplementkaskade pathogenetisch bedeutsam zu sein. Bei über 80 % der Betroffenen findet sich ein Autoantikörper gegen die C3-Konvertase des alternativen Weges C3bBb, wodurch diese nicht mehr durch Faktor H deaktiviert werden kann.

Manifestation

Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Der primäre (idiopathische) Typ der MPGN betrifft Kinder und junge Erwachsene zwischen dem 8. und 30. Lebensjahr (und machen 10% des nephrotischen Syndroms bei Kindern aus. Die sekundäre MPGN betrifft v.a. Erwachsene > 30 Jahren.

Klinisches Bild

Die MPGN wird bei der Erstdiagnose bei 60–80% der Fälle durch ein nephrotisches Syndrom auffällig. 30% der Patienten weisen eine Hypertonie und 20% eine Niereninsuffizienz auf. Überlagernde Symptome einer Glomerulonephritis sind bei ca. 15–20% der Fälle nachweisbar.

Ein wichtiges Indiz ist bei etw 75% der MPGN-Patienten eine Hypokomplementämie (Larsen CP et al. 2015).

Hinweis: Patienten mit Typ-2-KPGN leiden an einer höheren Inzidenz von Augenanomalien (basallaminare Drusen, diffuse retinale Pigmentveränderungen, scheibenförmige Makulopathie, choroidale Neovaskularisierung), die schließlich den Visus beeinträchtigen.

Labor

Bei Typ I findet sich häufig eine Panhypokomplementämie: C3↓, C4↓ und CH50↓; möglich isteine positive Hepatitis und HBV-Serologie; möglicher Nachweis von Kryoglobulinen oder Kryofibrinogen

Histologie

Die Diagnose wird durch Nierenbiopsie bestätigt. Lichtmikroskopsich finden sich auffällige Verdickungen der glomerulären Kapillarschlingen mit subendothelialen Ablagerungen von Immunglobulinen einschließlich Komplement (Lionaki S et al. 2016) sowie einer Proliferation von Mesangiumzellen. Die Lage der Immunkomplex-Ablagerungen definiert weitgehend die Einordnung der Erkrankung. In der Regel finden sich bei Typ-1 die Ablagerungen subendothelial und mesangial, bei Typ 2 intramembranös und bei Typ 3 subepithelial. Alle 3 histopathologischen Typen können idiopathisch auftreten oder sekundäre Ursachen haben.

  • Typ 1 (80%): Membranoproliferative Glomerulonephritis mit subendothelialen und mesangialen Ablagerungen von Immunkomplexen (IgG, IgM, C3): Der Typ 1 tritt am häufigsten sekundär zusammen mit einer der folgenden Erkrankungen auf:
    • Systemische Autoimmunerkrankungen: SLE, gemischte Kryoglobulinämie, Sjögren-Syndrom.
    • Chronische Infektionskrankheiten z. B. bakterielle Endokarditis, viszerale Abszesse, HIV-Infektion, Hepatitis-B- oder C-Infektionen, ventrikuloatriale Shunt-Infektionen.
    • Tumorerkrankungen z. B. chronische lymphatische Leukämie, T-Zell-Lymphome (Wu SC et al.2017), Melanome; Nierenzellkarzinome (Mogili HK et al. 2017)
    • Weitere Erkrankungen z. B. partielle Lipodystrophie, C2 oder C3 Defizienzen, Sarkoidose, thrombotische Mikroangiopathie.
  • Typ 2 (15–20%) Dense Deposite Disease: vergleichbar mit Typ 1; jedoch geringere mesangiale Proliferation; Ablagerungen von Depots an der glomerulären Basalmembran und im Mesangium (OMIM: 609814).
  • Typ 3 wird als eine dem Typ 1 ähnliche Form angesehen und ist selten. Die Ursache ist unbekannt, könnte aber mit Immunkomplexablagerungen (IgG, C3) in Zusammenhang stehen. Ein IgG-Autoantikörper gegen die terminale Komponente des Komplements wird bei 70% der Patienten gefunden.

Diagnose

Die Diagnose ist eine histologische Diagnose und wird mittels Nierenbiopsie gestellt.

Therapie

Die Behandlung besteht, wenn indiziert, in der Gabe von Kortikosteroiden und antithrombozytären Medikamenten.

Kortikosteroide bei Kindern mit Proteinurie im nephrotischen Bereich

Nierentransplantation bei Patienten mit fortgeschrittener MPGN

Bei der sekundären MPGN sollten stets, wenn möglich die Grunderkrankungen kurativ behandelt werden. Eine spezifisch nephrologische Therapie ist bei Patienten mit einer nicht-nephrotischen Proteinurie nicht angezeigt.

Bei Kindern mit Nephrotischem Syndrom kann die Behandlung mit Kortikosteroiden die Nierenfunktion stabilisieren (z. B. Prednison 2,5 mg/kg p.o. 1-mal/Tag alle 2 Tage [bis max. 80 mg] für 1 Jahr, mit anschließendem Ausschleichen bis zu einer Erhaltungsdosis von 20 mg alle 2 Tage für 3–10 Jahre). Allerdings kann die (Langzeit-)Therapie mit Kortikosteroiden das Wachstum verzögern und einen Hypertonus auslösen.

Alternativ: Eculizumab (Soliris©): Antikörper gegen C5,
Alternativ: Rituximab (Mabthera©): Antikörper gegen CD20 (nur bei Pat. mit Nachweis von C3NeF, C3-Verbrauch und fehlender CFH-Mutation)

Alterativ: Plasmapherese (nur bei Pat. mit Nachweis von C3NeF, C3-Verbrauch u1nd fehlender CFH-Mutation)

Alterativ: Plasmainfusion: 10-15 ml/kg KG FFP alle 14 Tage (bei inaktivierenden CFH-Mutationen, evtl. auch bei Risikoallelen. Cave Volumenbelastung

Hinweis: Studien zur Antithrombozytentherapie führen zu inkonsistenten Ergebnissen.

Verlauf/Prognose

Bei ca. 50 % der Patienten tritt nach 10 Jahren und bei ca. 90% nach 20 Jahren eine Nierenerkrankung im Endstadium auf. Die idiopathische membranoproliferative Glomerulonephritis Typ 1 verläuft oft nur langsam progressiv, Typ 2 hingegen schnell. Eine Spontanremission erfolgt bei < 5% der Fälle mit Typ 2.

Die membranoproliferative Glomerulonephritis Typ 1 rezidiviert bei 30% der nierentransplantierten Patienten. Typ-2 rezidiviert bei 90%, führt dennoch trotz der hohen Rezidivrate nur selten zum Verlust des Transplantats. Insgesamt verschlechtert sich die Prognose, wenn die Proteinurie im nephrotischen Bereich liegt. Dies trifft v.a. auf ältere Patienten zu (Nakagawa N et al. 2018).

Die Prognose ist günstig, wenn die Ursache der sekundären membranoproliferativen Glomerulonephritis erfolgreich behandelt wird.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Alasfar S et al. (2016) Membranoproliferative glomerulonephritis recurrence after kidney transplantation:using the new classification. BMC Nephrol 17:7.
  2. Erlij D et al. (2016) Polyarthritis and membranoproliferative glomerulonephritis as paraneoplastic manifestation of Hodgkin's lymphoma: A case report and literature  review. Reumatol Clin 12:282-284.
  3. Larsen CP et al. (2015) Membranoproliferative glomerulonephritis with masked monotypic immunoglobulin deposits. Kidney Int 88:867-873.
  4. Lionaki S et al. (2016) Understanding the complement-mediated glomerular diseases: focus on membranoproliferative glomerulonephritis and C3 glomerulopathies. APMIS 124:725-735.
  5. Masani N et al. (2014) Update on membranoproliferative GN. Clin J Am Soc Nephrol 9:600-608.
  6. Mogili HK et al. (2017) Association of membranoproliferative glomerulonephritis with renal cell carcinoma. Nephrology (Carlton) 22:95-96.
  7. Nakagawa N et al. (2018) Clinical features and pathogenesis of membranoproliferative glomerulonephritis: a nationwide analysis of the Japan renal biopsy registry from 2007 to 2015. Clin Exp Nephrol 22:797-807.
  8. Sethi S et al. (2012) Membranoproliferative glomerulonephritis--a new look at  an old entity. N Engl J Med 366:1119-1131.
  9. Sethi S et al. (2017)  Cryofibrinogen-Associated Glomerulonephritis. Am J Kidney Dis 69:302-308.
  10. Wu SC et al.(2017) Hepatosplenic T-cell lymphoma associated with membranoproliferative glomerulonephritis. Leuk Lymphoma 58:2734-2737.

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