Mantelzell-Lymphom C83.1

Zuletzt aktualisiert am: 12.09.2023

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Synonym(e)

Mantelzelllymphom; Mantel-Zell-Lymphom

Definition

Das Mantelzell-Lymphom wird unter den indolenten (zytischen) B-Zell-Lymphomen geführt, zeigt jedoch einen heterogenen, bei einem Teil der Patienten aggressiven Verlauf. Pathognomonisch ist die chromosomale Translokation t(11;14) mit konsekutiver Überexpression von Cyclin-D1 (über bcl-1). Die Tumorzellen zeigen eine Koexpression von B-Zell-Markern und CD5, im Gegensatz zur CLL jedoch kein CD23. Die große Mehrzahl der Patienten wird in bereits fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert.

Einteilung

Die Stadieneinteilung erfolgt in Stadium I bis IV nach der Ann-Arbor/Lugano-Klassifikation der NHL. Aufgrund des häufigen KM-Befalls liegt jedoch in den meisten Fällen ein fortgeschrittenes Stadium vor.

  • I: Befall einer einzigen Lymphknotenregion oder Vorliegen eines einzigen oder lokalisierten extranodalen Herdes
  • II: Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells oder Vorliegen lokalisierter extranodaler Herde und Befall einer oder mehrerer Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells
  • III: Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells oder Befall von lokalisierten extranodalen Herden und Lymphknotenbefall, so dass ein Befall auf beiden Seiten des Zwerchfells vorliegt
  • IV: disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne Befall von Lymphknoten

Die Stadien erhalten den Zusatz „A” bei Fehlen, „B” bei Vorliegen von:

  • nicht erklärbarem Fieber >38°C
  • nicht erklärbarem Nachtschweiß (mit Kleiderwechsel)
  • nicht erklärbarem Gewichtsverlust (> 10% des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten)

Vorkommen/Epidemiologie

5 bis 7% der malignen Lymphome werden in Europa als Mantelzell – Lymphome klassifiziert. Die Inzidenz beträgt 2/100.000/Jahr. m:w=4:1

Pathophysiologie

Pathognomonisch für das Mantelzell-Lymphom ist eine chromosomale Translokation zwischen dem Immunglobulin-Schwerketten-Gen auf Chromosom 14 und dem Cyclin-D1-Gen auf Chromosom 11. Die Translokation t(11;14)(q13;q32), die sich in ca. 95% aller Fälle findet, führt zur aberranten Überexpression von Cyclin-D1 und zur Aktivierung des Zellzyklus. Zusätzliche genetische Aberrationen beeinflussen das Krankheitsbild, dabei spielen p53-Mutationen und Deletionen eine zentrale Rolle

Manifestation

Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 65 Jahren.

Klinisches Bild

Das klinische Bild ist heterogen, in aller Regel ist die Erkrankung bei Erstdiagnose bereits im fortgeschrittenen Stadium. Beim sogenannten leukämischen, non-nodalen, eher indolenten (SOX11-negativen) Mantelzelllymphom steht die leukämische Erkrankung mit Splenomegalie im Vordergrund. Bei der klassischen Form sind Lymphknotenvergrößerungen häufig, Splenomegalie und Lymphozytose kommen ebenfalls vor. In ca. 80 - 90% liegt eine Knochenmarkinfiltration vor, mit leukämischer Ausschwemmung bei 20 - 30% der Fälle. Extranodale Manifestationen (z.B. Darmbefall, Hautbefall) sind häufiger als bei anderen indolenten Lymphomen (Dreyling M et al. (2017).

Diagnostik

Die Diagnostik beruht auf der histologischen Untersuchung des befallenen Lymphknotens. Im charakteristischen, zytologischen Bild stellt sich der Zellkern unregelmäßig und mit einer Einkerbung dar, das Chromatin ist dicht, das Zytoplasma schmal. Daneben gibt es ein ganzes Spektrum von Varianten, bei denen die Lymphomzellen eher lymphozytisch (wie bei der CLL), pleomorph oder blastär imponieren. Zur Abgrenzung von anderen Lymphomsubtypen ist der immunhistochemische Nachweis einer Cyclin-D1-Überexpression oder einer t(11;14) in der Fluoreszenz In Situ Hybridisierung (FISH) obligat. Ki67 sollte obligat bestimmt werden, empfohlen wird zusätzlich zumindest eine p53-Immunhistochemie.

Da die Therapie des Mantelzell-Lymphoms vom Ausbreitungsstadium abhängt, ist eine ausführliche Diagnostik vor Therapiebeginn essentiell (Staging). Hierzu gehören (Erstuntersuchung):

  • Anamnese, insbesondere von B-Symptomen
  • Körperliche Untersuchung
  • Blubild: Zellzählung, Differenzialblutbild
  • Blutchemie: LDH, β²-Mikroglobulin, Immunglobuline quantitativ, bei V.a. auf ein monoklonales Immunglobulin: Immunfixation, Hepatitis-, HIV-Serologie
  • Oberflächenmarker durch FACS-Analyse (nur bei leukämischem Verlauf)
  • Knochenmarkzytologie, Knochenmarkhistologie
  • Bildgebung:
  • CT Hals/Thorax/Abdomen
  • (alternativ: Sonographie zur Verlaufskontrolle)
  • Die Durchführung einer 18F-FDG-Positronen-Emissions-Tomographie (PET-CT) wird bei geplanter lokaler Radiatio in frühen Stadien aufgrund der therapeutischen Konsequenzen empfohlen. Je nach geplanter Therapie sind Untersuchungen der Lungenfunktion (Hochdosis-Konsolidierung) und des Herzens (CHOP, Ibrutinib) vor Therapiebeginn obligat.

Therapie

Die Therapie des Mantelzell-Lymphoms erfolgt in der Regel in Therapiezentren im Rahmen von Studien.  

Der Therapieanspruch bei diesen Patienten ist das Erreichen einer Langzeitremission mit Verlängerung der Überlebenszeit. Die Therapie orientiert sich vor allem am Allgemeinzustand. Jüngere Patienten werden mit einer aggressiven, Cytarabin-haltigen Chemotherapie und anschließender autologer Stammzelltransplantation mit Rituximab-Erhaltung behandelt, bei älteren Patienten wird eine Immunchemotherapie mit anschließender Rituximab-Erhaltungstherapie empfohlen.

Im Krankheitsrückfall erfolgt eine individuelle Abschätzung der geeigneten Therapie unter Berücksichtigung klinischer und biologischer Faktoren und dem Krankheitsverlauf (POD 24). Optionen umfassen erneute Immunchemotherapie, zielgerichtete Therapien, Transplantationsverfahren und aktuell zusätzlich die CAR-T-Zell-Therapie. Im Frührezidiv (innerhalb der ersten 24 Monate nach Abschluss der Erstlinientherapie, POD 24) haben sich zielgerichtete Substanzen (BTK-Inhibitoren) konventionellen Therapien überlegen gezeigt.

Interne Therapie

Patienten mit Mantelzell-Lymphomen sollten, wenn immer möglich, im Rahmen von klinischen Studien behandelt werden.

Erstlinientherapie: Für die Minderheit der Patienten, die in einem limitierten Stadium I-II mit geringer Tumorlast diagnostiziert werden, kann eine verkürzte Immunchemotherapie mit konsolidierender Strahlentherapie oder eine alleinige Bestrahlung diskutiert werden. Patienten im Stadium I-II mit hoher Tumorlast sollten wie Patienten in fortgeschrittenen Stadien behandelt werden.

Bei jüngeren Patienten (≤65 Jahre) stellt ein dosisintensiviertes Konzept (Induktion plus Hochdosiskonsolidierung mit autologer Stammzelltransplantation) aufgrund des deutlich verlängerten progressionsfreien und Gesamt-Überlebens die Standardtherapie dar  (Dreyling M et al. 2005). Eine Cytarabin-haltige Induktionstherapie führt zusätzlich zu einem signifikant verlängerten progressionsfreien Überleben [10]. Eine Erhaltungstherapie mit Rituximab über 3 Jahre verlängert nach autologer Stammzelltransplantation das progressionsfreie und das Gesamt-Überleben (Le Gouill S et al. (2018).

Bei älteren Patienten sind mögliche Kombinationsregime VR-CAP, R-Bendamustin oder R-CHOP. Allerdings rezidiviert aufgrund des aggressiveren Krankheitsverlaufs die Mehrzahl der Patienten innerhalb weniger Jahren, wenn keine Erhaltungstherapie geplant wird. Die Gabe von Bortezomib anstelle von Vincristin (VR-CAP) führt zu einer Verlängerung des progressionsfreien und Gesamt-Überlebens (Robak T et al. 2018).

Hinweis: Bei indolentem klinischen Verlauf mit niedriger Tumorlast, leukämischer Präsentation ohne nodalen Befall) oder biologischer Marker (Ki67 <10%) kann zunächst eine engmaschige „watch & wait“ Strategie verfolgt werden und erst bei Progress eine Therapie eingeleitet werden.

Rezidiv: Speziell bei Frührezidiven scheint Ibrutinib einer erneuten Chemotherapie überlegen zu sein. Bei Rezidiven nach einem BTK-Inhibitor ist häufig ein aggressiver Verlauf zu beobachten. Die kürzlich zugelassene CAR-T-Zell-Therapie erzielt in diesem Patientengut lange anhaltende Remissionen. Bei älteren Patienten kann (das für MCL nicht zugelassene) Venetoclax in bis zur Hälfte der Patienten eine Remission erzielen (Wang M et al. 2020), allerdings ist die Ansprechdauer begrenzt.

Verlauf/Prognose

Die Prognose kann mittels des klinischen MCL International Prognostic Index (MIPI) bzw. etablierter biologischer Faktoren (blastische Variante, Ki-67, p53-Alteration (Mutationen in PCR oder NGS, Überexpression in der Immunhistochemie) abgeschätzt werden. Der MIPI-c führt die klinische Prognoseabschätzung mit dem biologischen Marker Ki-67 zusammen, und erlaubt eine differenziertere Risikoabschätzung. Die mediane Überlebenszeit liegt für alle Patienten bei etwa 5 Jahren, mit erheblichen Unterschieden in den verschiedenen Risikogruppen. Eine schlechte Prognose hat das sog. Blastoide Mantelzell-Lymphom (Jain P et al. 2020).

Risikogruppen: Der etablierte klinische Risiko-Score (MIPI: MCL International Prognostic Index) schließt den Allgemeinzustand und das Alter des Patienten sowie LDH- und Leukozytenwerte ein (Hoster E et al. 2008).  Zusätzlich besitzt der Proliferationsmarker Ki-67 (>30%) und das Vorliegen von p53-Alterationen (Mutationen oder eine Überexpression in der Immunhistochemie; der Stellenwert einer Deletion 17p ist bisher nicht ausreichend geklärt) eine hohe prognostische Relevanz für einen ungünstigen Verlauf (Aukema SM et al. 2018; Hoster E et al. 2016).

Literatur
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  1. Aukema SM et al. (2018) Expression of TP53 is associated with the outcome of MCL independent of MIPI and Ki-67 in trials of the European MCL Network. Blood 131:417-420.
  2. Dreyling M et al. (2005) Early consolidation with myeloablative radiochemotherapy followed by autologous stem cell transplantation in first remission significantly prolongs progression - free survival in mantle cell lymphoma: results of a prospective randomized trial of the European MCL Network. Blood 105:2677-2684.
  3. Dreyling M et al. (2017) ESMO Guidelines Working Group. Newly diagnosed and relapsed mantle cell lymphoma: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 28 Suppl 4:iv62-iv71.
  4. Hoster E et al. (2008) A new prognostic index (MIPI) for patients with advanced-stage mantle cell lymphoma. Blood 111:558-565
  5. Hoster E et al. (2016) Prognostic value of Ki-67 index, cytology, and growth pattern in Mantle-Cell Lymphoma. J Clin Oncol 34:1386-1389.
  6. Hermine OE et al. (2016) Addition of high-dose cytarabine to immunochemotherapy before autologous stem-cell transplantation in patients aged 65 years or younger with mantle cell lymphoma (MCL Younger): a randomised, open-label, phase 3 trial of the European Mantle Cell Lymphoma Network. Lancet 388:565-575.
  7. Jain P et al. (2020) Blastoid Mantle Cell Lymphoma. Hematol Oncol Clin North Am 34:941-956.
  8. Kim DH et al. (2019) Mantle Cell Lymphoma Involving Skin: A Clinicopathologic Study of 37 Cases. Am J Surg Pathol 43:1421-142 
  9. Le Gouill S et al. (2018) Rituximab after Autologous Stem-Cell Transplantation in Mantle-Cell Lymphoma. N Engl J Med 377:1250-1260
  10. Robak T et al. (2018) Frontline bortezomib, rituximab, cyclophosphamide, doxorubicin, and prednisone (VR-CAP) versus rituximab, cyclophosphamide, doxorubicin, vincristine, and prednisone (R-CHOP) in transplantation-ineligible patients with newly diagnosed mantle cell lymphoma: final overall survival results of a randomised, open-label, phase 3 study.. Lancet Oncol 19:1449-1458.
  11. Wang M et al. (2020) KTE-X19 CAR T-Cell Therapy in Relapsed or Refractory Mantle-Cell Lymphoma. N Engl J Med 382:1331-1342.

Disclaimer

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