Lamine

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 27.03.2020

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Definition

Lamine gehören einer Proteinfamilie an, die für den Erhalt von Struktur und Funktion des Zellkerns zuständig sind. Mutationen in Genen, die für Lamine kodieren (LMNA-/LMNB-Gen; > 200 Mutationen sind bislang bekannt), können den Zellkern instabil machen und zur Entstehung so genannter Laminopathien führen. Diese Gruppe von Erkrankungen, zu denen auch Muskeldystrophien gehören, manifestiert sich bereits kurz nach der Geburt und führt oft frühzeitig zum Tod. Die Entwicklung therapeutischer Strategien ist schwierig, da die Mechanismen auf molekularer Ebene zum Großteil ungeklärt sind.

Allgemeine Information

Lamine sind evolutionär hoch konserviert. Sie sind spezifisch für Tiere. Pflanzen oder eukaryotische Einzeller exprimieren keine Lamine. Die einzelnen Lamin-Proteine sind an der Kernstabilität, der Chromatinstruktur und der Genexpression beteiligt. Einige Lamine spielen eine wichtige Rolle in der Neuorganisation des Chromatins während der Meiose. Sie können aufgrund ihrer strukturellen und biochemischen Eigenschaften, sowie ihres Verhaltens während der Mitose unterteilt werden in:

  • Typ A-Lamine
  • und
  • Typ B-Lamine (Gruenbaum et al. 2003; Gruenbaum et al. 2005).

Typ A-Lamine verteilen sich während der Mitose als lösliche Proteine im Zytoplasma. Die Typ B-Lamine sind während der Entwicklung in allen Stadien und allen Zelltypen zu finden. Das Cystein wird kurz nach der Translation im Zytoplasma farnesyliert, worauf die letzten drei Aminosäuren abgespalten werden. Anschließend folgt eine Methylierung des Cysteins (Moir et al., 1995). Der durch diese Modifikation sehr hydrophobe Carboxyterminus interagiert schließlich mit der Kernmembran. Auch während der Mitose bleiben die Typ B-Lamine über das CxxM-Motiv mit der inneren Kernmembran assoziiert.

7 Lamin-Isoformen sind bei den Wirbeltieren bekannt, die durch alternatives Spleißen erzeugt werden. Für diese kodieren 3 Lamin-Gene: 

  • LMNA kodiert für die A-Typ Lamine (A, A10, C, und C2).
  • LMNB1 für Lamin B1, LMNB2 für die Lamine B2 und B3

Lamine unterscheiden sich von den zytoplasmatischen Intermediärfilamenten durch eine längere Aminosäuresequenz (+ 42 Aminosäuren) (Stuurmann et al. 1998). Weiterhin tragen sie ein Kernlokalisierungssignal. Lamine besitzen eine dreigeteilte Molekülstruktur und eine typische Tertiärstruktur mit:

  • kurzer nicht-helikaler amino-terminaler Kopfdomäne
  • alpha-helikaler Stabdomäne und
  • langem carboxyterminalen nicht-alpha-helikalem Schwanz

Lamin-Peptide haben eine fast vollständige alpha-helikale Gestalt mit zahlreichen alpha-helikalen Proteindomänen, getrennt von nicht-alpha-helikalen Verknüpfungen, die in Länge und Aminosäurensequenz unveränderlich sind. Sowohl das C-Ende als auch das N-Ende sind nicht-alpha-helikal, das C-terminale Ende ist globulär und trägt eine Faltung ähnlich einer Immunglobulin-Domäne. Das molekulare Gewicht der Lamin-Polypeptide reicht von 60 bis 80 kDa.

Lamine als Bestandteile der Kern-Lamina (Lamina): Lamine sind ein wesentlicher Bestandteil der Kern-Lamina. Bei der Kern-Lamina handelt es sich um ein dichtes Proteingeflecht, das über seine Vernetzungen Interaktionen mit Kernmembran-Proteinen, herbeiführt. Die Lamina liegt im Zellkern der inneren Seite der Kernmembran an. Sie ist mit dieser über die Lamin-bindenden Membranproteine eng verbunden, auch in funktioneller Hinsicht. Die wichtigsten Membranproteine sind LAP1 und LAP2 (für lamin associated protein), Emerin, Lamin-B-Rezeptor (LBR), Otefin, MAN1 und die Nesprine. Zusätzlich kommen Lamine auch als sog. „nukleäre Retikuli“ im Nukleoplasma vor. Die Kern-Lamina selbst weist eine Schichtdicke von durchschnittlich 10-50 (60) nm auf (Liu et al. 2000) und trägt zur strukturellen Stabilität des Zellkerns bei. Weiterhin spielt die Lamina eine Rolle bei wichtigen Prozessen wie z.B. bei der DNA-Replikation, der Transkription oder der Organisation des Chromatins (Gruenbaum et al., 2003; 2005).

Die molekulare Struktur der Lamine: Die Lamine bilden die Klasse V der 6 Klassen der Intermediärfilament-Proteinfamilie. Die IF-Proteine haben molekulare Massen zwischen 60 und 80 kDa und lagern sich zu Filamenten mit einem Durchmesser von 7-12 nm zusammen, aus denen unter anderem Teile des Zytoskeletts aufgebaut sind (Stewart 1993).

Beim Menschen (und bei Säugetieren) gibt es 4 Typ A-Lamin-Isoformen (Lamin A, C, AΔ10 und C2), die durch ein einziges Gen (LMNA, 1q21) kodiert werden und durch alternatives Spleißen entstehen. Die Typ A-Lamine unterscheiden sich nur in ihren C-terminalen Schwanzdomänen und sind sonst vollkommen identisch (Fisher et al. 1986). Typ A-Lamine werden gewebe- und entwicklungsspezifisch exprimiert. Das Lamin C2 kommt exklusiv in Spermien vor. In humanen Zellen kann Lamin AΔ10 nachgewiesen werden, das sich von normalem Lamin A durch das Fehlen des Exons 10 unterscheidet. Die Funktion bzw. das Expressionsprofil ist bisher allerdings noch unbekannt (Machiels et al. 1996).

Typ B-Lamine bleiben während der Mitose mit Membranvesikeln assoziiert. Typ B-Lamine werden beim Menschen von zwei Genen, LMNB1 und LMNB2, kodiert. Das Lamin B2-Gen erzeugt 2 Spleiß-Isoformen, Lamin B2 und das Keimbahn-spezifische Lamin B3. Typ B-Lamine werden in allen Zellen bereits in der frühen Embryonalentwicklung ubiquitär exprimiert und sind unabdingbar für die Überlebensfähigkeit der Zelle.

Die Funktion der Lamine: Die Lamine spielen während der Mitose, sowohl bei der Dissoziation als auch beim Wiederaufbau der Kernhülle, eine wichtige Rolle. Die Dissoziation der Kernhülle wird durch die Phosphorylierung einer Reihe von Proteinen durch eine Zellzyklus-abhängige p34-CDC2-Kinase herbeigeführt. Dazu gehören neben Kernporenkomplexproteinen und Lamin-bindenden Proteinen (LAP1; LBR) auch die Lamine selbst (Favreau et al. 1996). Durch die Phosphorylierung der Lamine kommt es zur Depolymerisation des Lamin-Netzwerkes, was in einer Auflösung der Lamina und schließlich der Kernhülle resultiert (Spann et al. 1997). Während die Tochterchromosomen voneinander getrennt werden, sind die Lamine noch mobil. Lamine sind nach der Kernhüllenneubildung, wenn sie sich in der Lamina wieder zu einen dichten Netzwerk zusammengelagert haben, nahezu immobil (Moir et al., 2000; Lopez-Soler et al. 2001).

Ein weiterer wichtiger Prozess, an dem die Lamine beteiligt sind, ist die postmitotische Reorganisation des Kerns sowie der Kernporenkomplexe. Ist der Lamingehalt in humanen Zellen reduziert, so konnte eine erhöhte Instabilität der Kernhülle sowie eine auffällige Umverteilung der NPCs mit unnormalen Aggregaten beobachtet werden. Dies führt zu einem vorzeitigen Zelltod (Schirmer et al. 2004). Lamine sind auch an DNA-Reparaturprozessen beteiligt. Die Lamina hat auch eine wichtige Aufgabe bei der Organisation des Chromatins während der Interphase. Nachweisbar ist eine direkte Interaktion der Lamine mit Chromatin und mit bestimmten DNA-Sequenzen (MARs = „matrix attachment regions“) und SARs (= „scaffold attachment regions“) (Zhao et al. 1996). Weiterhin bindet Chromatin über spezifische DNA-Regionen, den so genannten LADs (Lamina-assoziierte Domänen), an das Lamina-Protein Lamin B1 (Guelen et al. 2008). Außerdem interagieren die Lamine indirekt über ihre zahlreichen Wechselwirkungen mit anderen Kernhüllen-Proteinen und sind auch an anderen Chromatin-assoziierten Prozessen beteiligt ist. So beeinflussen Lamine durch die Interaktion mit der RNA-Polymerase II und spezifischen Transkriptionsfaktoren die Transkription entsprechender Gene (Spann et al., 2002). Ein weiterer Transkriptionsfaktor ist das „Sterol Regulatory Element-Binding Protein-1“ (SREBP-1) das bei der Cholesterol-Biosynthese in Fettzellen benötigt wird. Durch eine fehlerhafte der Bindung von Typ A- Laminen an SREBP-1 wird eine Degeneration der Adipozyten verursacht (Favreau C et al. 1996).  Auch weisen Zellen von Progeriepatienten, die Träger von Typ A-Lamin-Mutationen sind, ebenfalls morphologische Veränderungen auf, die charakteristisch für die Apoptose sind (Scaffidi et al. 2006).

Hinweis(e)

Mutationen im LMNA-Gen führen zu pathologischen Laminen, die den Zellkern instabil machen und zur Entstehung so genannter Laminopathien führen. Diese Gruppe von Erkrankungen, zu denen auch Muskeldystrophien gehören, manifestiert sich bereits kurz nach der Geburt und führt oft frühzeitig zum Tod. Hierzu gehören:

  • Emery–Dreifuss muscular dystrophy
  • Familial partial lipodystrophy 
  • Limb girdle muscular dystrophy
  • Dilated cardiomyopathy
  • Charcot–Marie–Tooth disease
  • Letale restriktive Dermopathie.
  • Beim Hutchinson-Gilford-Progeria-Syndrom (Progeria infantilis) kommt es zu einer Deletion von 50 Aminosäuren in Prelamin A (Aminosäuren 607–656). entfernt die Stelle für die zweite endoproteolytische Spaltung. Folglich wird kein reifes Lamin A gebildet und ein farnesyliertes mutiertes Prelamin A (Progerin) reichert sich in Zellen an.

Literatur
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  1. Favreau C et al. (1996) Cell cycle-dependent phosphorylation of nucleoporins and nuclear pore membrane protein Gp210. Biochemistry 35: 8035-8044.
  2. Fisher DZ et al. (1986) cDNA sequencing of nuclear lamins A and C reveals primary and secondary structural homology to intermediate filament proteins. Proc Natl Acad Sci U S A 83: 6450-6454. Gruenbaum Y et al. (2003) The nuclear lamina and its functions in the nucleus. Int Rev Cytol 226: 1-62.
  3. Gruenbaum Y et al. (2005) The nuclear lamina comes of age. Nat Rev Mol Cell Biol 6: 21-31.
  4. Guelen L et al. (2008) Domain organization of human chromosomes revealed by mapping of nuclear lamina interactions. Nature 453: 948-951.
  5. Liu Y et al. (2006) DNA damage responses in progeroid syndromes arise from defective maturation of prelamin A. J Cell Sci 119: 4644-4649.
  6. Lopez-Soler RI et al. (2001) A role for nuclear lamins in nuclear envelope assembly. J Cell Biol 154: 61-70.
  7. Machiels BM et al. (1996) An alternative splicing product of the lamin A/C gene lacks exon 10. J Biol Chem, 271: 9249-9253
  8. Moir RD et al. (2000) Nuclear lamins A and B1: different pathways of assembly during nuclear envelope formation in living cells. J Cell Biol 151: 1155-1168.
  9. Scaffidi P et al. (2006) Lamin A-dependent nuclear defects in human aging. Science 312: 1059-1063.
  10. Schirmer EC et al. (2004) The stability of the nuclear lamina polymer changes with the composition of lamin subtypes according to their individual binding strengths. J Biol Chem 279: 42811-42817.
  11. Spann TP et al. (2002) Alteration of nuclear lamin organization inhibits RNA polymerase II-dependent transcription. J Cell Biol 156: 603-608.
  12. Spann TP et al. (1997) Disruption of nuclear lamin organization alters the distribution of replication factors and inhibits DNA synthesis. J Cell Biol 136: 1201-1212.
  13. Stewart M (1993) Intermediate filament structure and assembly. Curr Opin Cell Biol 5: 3-11.
  14. Stuurman N et al. (1998) Nuclear lamins: their structure, assembly, and interactions. J Struct Biol 122: 42-66.
  15. Zhao K et al. (1996) Binding of matrix attachment regions to nuclear lamin is mediated by the rod domain and depends on the lamin polymerization state. FEBS Lett 380: 161-164.

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