Koronare Versorgungstypen

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 28.11.2019

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Definition

Der koronare Versorgungstyp ist nicht einheitlich definiert. Es finden sich in der Literatur zwei unterschiedliche Definitionen (da beide gebräuchlich sind, werden hier beide Definitionen dargestellt):

  • Definition 1: Hierbei erfolgt die Einteilung nach koronarographischen Gesichtspunkten. Diese entspricht auch den Vorschlägen Schlesingers. Man bezeichnet den am häufigsten vorkommenden Versorgungstyp als „normalen / ausgeglichenen Versorgungstyp“ . (Kaltenbach 1980)
  • Definition 2: Die zweite Definition besagt, dass der Versorgungstyp durch das dominante Koronargefäß bestimmt wird. Dieses ist definiert als das Gefäß, welches über den Ramus interventricularis posterior (RIVP) folgende kardiale Anteile versorgt:
    • die inferioren Anteile des Septums
    • die diaphragmale Wand des linken Ventrikels (Stierle 2017)

Die Angaben zur Häufigkeit der einzelnen Versorgungstypen differieren insofern stark (Kaltenbach 1980)

 

 

Einteilung

Man unterscheidet drei Versorgungstypen:

1. ausgeglichener / balancierter oder auch normaler Versorgungstyp

2. Linksversorgungstyp

3. Rechtsversorgungstyp (Herold 2019)

Allgemeine Information

Anatomie

Der Verständlichkeit halber werden im weiteren lediglich die Gefäße genannt, die für die Zuordnung der einzelnen Versorgungstypen wichtig sind. Das koronare Gefäßsystem besteht aus insgesamt zwei Arterien: einer rechten (RCA) und einer linken (LCA) Koronararterie.

Linke Koronararterie: Sie besteht aus einem kurzen Hauptstamm, der sich in einen Ramus interventricularis anterior (RIVA) und einen Ramus circumflexus (RCX) aufteilt. Im weiteren Verlauf entspringt aus dem RCX u. a. der R. interventricularis posterior (RIVP) (Alkadhi 2009).

Rechte Koronararterie: Die rechte Koronararterie (RCA) besteht aus einem längeren Hauptstamm, der sich an der Crux cordis in einen Ramus interventricularis posterior (RIVP) und einen Ramus posterolateralis dexter (RPLD) aufteilt (Klinge 2015).

Ring- Schleifen- System: Das Ring- Schleifen- System dient als Modell zur Beschreibung der arteriellen Versorgung des Herzens, da die arterielle Versorgung von der individuell unterschiedlichen Anatomie der Koronarien abhängig ist. Die rechte Koronararterie und der Ramus circumflexus bilden an der Herzbasis - im jeweiligen Sulcus - zwischen Atrium und Ventrikel einen Ring, auf dem im rechten Winkel eine Schleife steht. Diese Schleife wird aus dem Ramus interventricularis anterior und dem Ramus interventricularis posterior gebildet. Die Stelle, an der sich der Sulcus longitudinalis posterior, der Sulcus interatrialis und der Sulcus atrioventricularis dexter kreuzen, wird als Crux cordis bezeichnet. Die rechte Koronararterie und der Ramus circumflexus zeigen am Gefäßring die größte Variabilität, ebenso der Ramus interventricularis anterior und der Ramus interventricularis posterior der Gefäßschleife.

Die Einteilung der verschiedenen Versorgungstypen richtet sich danach, welche Bereiche des Myokards von der rechten Koronararterie bzw. dem linken Koronararterie versorgt werden (Krakau 2005).

  • Ausgeglichener Versorgungstyp: Beim ausgeglichenen Versorgungstyp haben die proximale linke Koronararterie und die proximale rechte Koronararterie ein ähnliches Kaliber. Beide versorgen die Herzhinterwand zu etwa gleichen Teilen (Schünke 2009). Die linke Kranzarterie versorgt u. a. durch den Ramus circumflexus und die Rr. posterolateralis (Roskamm 1984) die posteriore Hinterwand des linken Ventrikels (Kaltenbach 1980). Der Ramus interventricularis entspringt aus der rechten Koronararterie und versorgt u. a. über den Ramus interventricularis posterior und den Ramus posterolateralis die diaphragmale (inferiore) Hinterwand des linken Ventrikels(Kaltenbach 1980 / Roskamm 1984).
  • Linksversorgungstyp: Beim Linksversorgungstyp ist der proximale Ramus circumflexus kaliberstark ausgebildet (Stierle 2014). Die Versorgung des gesamten linken Ventrikels und des posterioren Septums (Stierle 2014) erfolgt über den LCA. Der Ramus circumflexus gibt den Ramus interventricularis posterior ab (Roskamm 1984). Die rechte Koronararterie ist nur schwach ausgebildet. Sie erreicht die Crux cordis nicht und nimmt an der Versorgung des linken Ventrikels nicht teil. Sie versorgt lediglich den rechten Vorhof und den rechten Ventrikel (Lapp 2014)
  • Rechtsversorgungstyp / extremer Rechtsversorgungstyp: Beim Rechtsversorgungstyp erfolgt die arterielle Versorgung des linken Ventrikels überwiegend durch die rechte Kranzarterie. Von der rechten Kranzarterie geht auch der Ramus interventricularis posterior ab und versorgt mit seinen inferioren Anteilen das Interventrikularseptum. Ein oder mehrere Äste des Ramus interventricularis posterior ziehen zur diaphragmalen Wand des linken Ventrikels und versorgen diese.(Lapp 2014). Der Ramus circumflexus der linken Kranzarterie ist nur schwach ausgebildet. Zwar gibt der RCX der linken Koronararterie einige Rami marginalis ab, diese erreichen aber nicht die Crux cordis. (Kaltenbach 1980).
  • Extremer Rechtsversorgungstyp: Falls die gesamte Hinterwand des linken Ventrikels durch die rechte Koronararterie versorgt wird, spricht man von einem „extremen Rechtsversorgungstyp“. In diesem Fall ist der Ramus circumflexus nur als kleiner Ast vorhanden (Lapp 2014).

Laut Definition II: Die Definition II orientiert sich ausschließlich am Abgangsort der RIVP und bestimmt damit den Versorgungstyp.

  • Rechtsversorgungstyp : Hierbei entspringt der RIVP aus der rechten Koronararterie.
  • Linksversorgungstyp: Hierbei entspringt er aus der linken Koronararterie (Alkadhi 2009)
  • Ausgeglichener Versorgungstyp: Hierbei entspringen der RVIP aus der rechten Koronararterie und aus dem Ramus circumflexus entspringen sämtliche Posterolateraläste (Lapp 2014).

 

 

Vorkommen

Da es die beiden unterschiedlichen o. g. Definitionen gibt, schwanken die Häufigkeitsangaben der einzelnen Versorgungstypen stark.

1. ausgeglichener / balancierter oder auch normaler Versorgungstyp

  • Definition I:

Der normale Versorgungstyp stellt mit 60 % bis 80 % die größte Patientengruppe dar (Herold 2019).

  • Definition II: Laut dieser Definition zählen ca. 12 % dazu (Stierle 2017).

2. Rechtsversorgungstyp / extremer Rechtsversorgungstyp

  • Definition I: Der Rechtsversorgungstyp kommt zu 10 % bis 20 % vor.
  • Definition II: Hier nimmt der Rechtsversorgungstyp mit ca. 75 % die größte Gruppe ein (Stierle 2017).

Extremer Rechtsversorgungstyp: Ein extremer Rechtsversorgungstyp kommt bei ca. 5 % vor (Krakau 2005)

3. Linksversorgungstyp

  • Definition I: Er kommt bei ca. 10 % bis 20 % vor.
  • Definition II: Hiernach macht er ca. 12 % aus (Stierle 2017).

 

Literatur
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  1. Alkadhi H et al. (2009) Praxisbuch Herz- CT: Grundlagen, Durchführung, Befundung. Springer Verlag 31 - 42
  2. Angstwurm M et al. (2013) mediscript StaR: 1 Das Staatsexamens- Repetitorium zur Kardiologie und Angiologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 4
  3. Herold G et al. (2019) Innere Medizin. Herold Verlag 238
  4. Kaltenbach M et al. (1980) Vom Belastungs- EKG zur Koronarangiographie. Springer Verlag 169 - 171
  5. Klinge R (2015) Das Elektrokardiogramm: Leitfaden für Ausbildung und Praxis. Thieme Verlag 27 – 29
  6. Krakau I et al. (2005) Das Herzkatheterbuch: Diagnostische und interventionelle Kathetertechniken. Georg Thieme Verlag 49 – 51
  7. Lapp H et al. (2014) Das Herzkatheterbuch: Diagnostische und interventionelle Kathetertechniken. Thieme Verlag 75 - 77
  8. Roskamm H et al. (1984) Handbuch der Inneren Medizin: Koronarerkrankungen Springer Verlag 515 – 519
  9. Schünke M et al. (2009) Prometheus Lernatlas der Anatomie: Innere Organe. Georg Thieme Verlag 113 - 115
  10. Stierle U et al. (2014) Klinikleitfaden Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer 93 -96
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