Koronarangiografie

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 30.07.2022

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Synonym(e)

Herzkatheteruntersuchung; Konventionelle Koronarangiographie; Koronarographie; Linksherzkatheteruntersuchung; Selektive Koronarangiographie

Erstbeschreiber

Im Oktober des Jahres 1958 erfolgte in der Cleveland Clinic erstmals unbeabsichtigt die Darstellung eines selektiven koronaren Arteriogramms durch F Mason jr. Sones. Während einer Injektion in die Aortenwurzel rutschte der Katheter irrtümlich in das Ostium der rechten Koronararterie und füllte diese mit Kontrastmittel an (Cheng 2003).

Die erst selektive Koronarangiographie wurde 1962 durch Sones und Shirley EK über einen brachialen Zugangsweg durchgeführt.

Judkins führte diese Untersuchung 5 Jahre später über einen femoralen Zugang durch und verwendete dabei speziell vorgeformte Katheter.

Den ersten transradialen Zugang beschrieb Campeau im Jahre 1989 (Gotthardt 2017). 

Definition

Unter einer Koronarangiographie versteht man einen invasiven Eingriff zur radiologischen Darstellung des Lumens der Herzkranzgefäße mittels wasserlöslichem, jodhaltigem (Schünke 2009) Kontrastmittel. Bei einer Koronarangiographie können der zentrale Aortendruck, die Drücke im linken Ventrikel und die Pumpfunktion des linken Ventrikels beurteilt werden (Gotthardt 2017). Aus therapeutischen Gründen kann eine perkutane transluminale koronare Angioplastie zur Revaskularisierung verschlossener Koronarien in unmittelbarem Anschluss an die Koronarangiographie erfolgen (Hombach 2001). In den letzten Jahren haben sich zunehmend nicht- invasive Methoden zur Darstellung der Koronarmorphologie entwickelt, wie z. B. die Kernspintomographie (Kardio- MRT) und die Computertomographie (Kardio- CT) (Lapp 2014).

Das koronare Gefäßsystem besteht aus insgesamt zwei Arterien: der Arteria coronaria sinistra (LCA) und der Arteria coronaria dextra (RCA), die sich beide in diverse Äste unterteilen (Schünke 2009).

Arteria coronaria sinistra: Oberhalb der Ebene des rechten Koronarostiums, im oberen Teil des linken Sinus valsalva entspringt die linke Koronararterie (LCA) aus dem links- koronaren Sinus der Aorta ascendens. Sie besteht aus einem kurzen (1 – 3 cm) Hauptstamm, der sich im weiteren Verlauf i. d. R. in einen

  • Ramus interventricularis anterior (RIVA oder LAD) aufteilt, der durch mehrere diagonale und septale Äste die Vorderwand des linken Ventrikels, die anterioren Anteile des interventrikulären Septums und den Apex versorgt und in einen
  • Ramus circumflexus (RCX), der bis zur Herzspitze oder um die Herzspitze läuft und durch mehrere Rr. marginalis die laterale Wand und einen Teil der inferioren Wand des linken Ventrikels versorgt. Er kann auch als kurzes Gefäß angelegt sein, welches die Herzspitze nicht erreicht und sich in mehrere kleine Äste verteilt. In einem solchen Fall ist der Ramus interventricularis posterior der rechten Koronararterie kräftig ausgebildet.

Bei ca. 20 % aller Patienten teilt sich der linke Hauptstamm in drei statt in zwei Koronarien auf. Die zusätzliche Koronararterie wird als

  • Ramus intermedius bezeichnet. Dieser entspricht vom Versorgungsgebiet einem Diagonalast des RIVA oder auch einem Marginalast des RXC. Bei 40 % der Patienten entspringt die Sinusknotenarterie aus dem R. circumflexus. Bei ca. 4 % aller Patienten fehlt der linke Hauptstamm, so dass der RIVA und der RCX direkt aus der Aortenwurzel entspringen (Alkadhi 2009 / Lapp 2014).

Arteria coronaria dextra: Aus dem rechts- koronaren Sinus der Aortenwurzel entspringt die rechte Koronararterie (RCA).

Im proximalen Drittel gehen die meistens kleinkalibrigen Äste der

  • Konus- und Sinusknotenarterie ab. Die Konusarterie (KA) zieht zum Konus pulmonalis.

Die Sinusknotenarterie (SKA) entspringt bei 60 % der Patienten aus der rechten Koronararterie. Sie verläuft über das atriale Septum, wo sie sich in mehrere Äste aufzweigt, die zum Sinusknoten und zum rechten und linken Vorhof ziehen. Im mittleren Drittel der rechten Koronararterie entspringen mehrere zur Vorderwand ziehende Äste. Im Bereich der Crux cordis oder kurz davor teilt sie sich dann in ihre beiden Endäste:

  • Ramus interventricularis posterior (RIVP). Dieser Ast zieht in Richtung Herzspitze und versorgt mit mehreren septalen Ästen den diaphragmalen Teil des interventrikulären Septums.
  • und den Ramus posterolateralis dexter (RPLD). Der RPLD versorgt die diaphragmale Wand des linken Ventrikels. Häufig entspringt aus diesem Gefäß, welches sich fächerförmig in mehrere Endäste aufteilt, rechtwinklig die AV- Knotenarterie. Dieses Gefäß zieht zum rechtskoronaren Sinus (Alkadhi 2009 / Lapp 2014).

Vorkommen

Im Ländervergleich führt Deutschland mit 7,237 Koronarangiographien pro Mio. Einwohner die meisten Eingriffe durch, gefolgt von Belgien mit 5,279 Koronarangiographien pro Mio. Einwohner.

Schweden belegt mit 2,863 Koronarangiographien pro Mio. Einwohner den vorletzten Platz, gefolgt von Polen mit 1,386 pro Mio. Einwohner. Entnommen aus dem Register des K.-L.-Neuhaus-Datenzentrums der Jahre 2001 bis 2002 (Gottwik 2003)

 

Hinweis(e)

Die Koronarangiographie stellt weiterhin den Goldstandard bei der Beurteilung der Morphologie der Koronarien für Patienten mit vermuteter bzw. bekannter koronarer Herzerkrankung dar. Allerdings sollte die Indikation sorgfältig gestellt werden, um die für den Patienten optimale therapeutische Maßnahme beurteilen zu können (Pinger 2019).

Indikationen für eine Koronarangiographie

  • Koronare Herzerkrankung
  • präoperative Diagnostik der Koronarien bei geplanter Operation bzw. Intervention angeborener bzw. erworbener Vitien: Die präoperative Koronarangiographie empfiehlt sich bei allen Patienten ab 40 Jahren, da bei ihnen oftmals eine fortgeschrittene Sklerose der Koronararterien besteht und diese mit kardiologischen Funktionsprüfungen nicht sicher diagnostiziert werden kann. Bei jüngeren Patienten sollte die präoperative Koronarangiographie ausschließlich nach Rücksprache mit dem behandelnden Kardiochirurgen durchgeführt werden. Sollten Risikofaktoren für eine koronare Herzerkrankung vorliegen, ist die Indikation jedoch großzügig zu stellen (Lapp 2014).
  • präoperative Diagnostik der Koronarien vor geplanter Operation der thorakalen Aorta wegen Dissektion oder Aneurysma: Bei artherosklerotischer Ursache der Aortenerkrankung besteht zwar eine hohe Koinzidenz zur koronaren Herzerkrankung. Es empfiehlt sich jedoch die Absprache mit dem Kardiochirurgen, da bei einer akuten Typ- A- Dissektion z. B. eine regelhafte Koronarangiographie wegen des Risikos und der Zeitverzögerung bis zur Operation nicht angezeigt wäre (Lapp 2014).
  • Herzinsuffizienz unklarer Genese mit einer eingeschränkten linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) < 50 % (Stierle 2017). Die Ursache der Herzinsuffizienz ist vielfach eine koronare Herzerkrankung und nicht Folge einer dilatativen Kardiomyopathie. Da die therapeutischen Maßnahmen und damit auch die Prognose sehr differieren, empfiehlt sich die invasive Diagnostik einer Koronarangiographie (Lapp 2014).
  • Kontrolle bei Z. n. perkutaner transluminaler koronarer Angioplastie (PCI) von Risikopatienten
  • ventrikuläre Tachykardien

Nicht selten ist eine koronare Herzerkrankung Ursache für Tachykardien. Deshalb sollte hierbei eine Koronarangiographie zur Diagnostik gehören, sobald durch nicht- invasive Untersuchungen die Ursache der ventrikulären Tachykardie nicht gefunden werden konnte (Lapp 2014).

  • nach einem überlebten plötzlichen Herztod, dessen Ursache ungeklärt blieb
  • zur Ausschlussdiagnostik bei Patienten mit rezidivierenden unklaren thorakalen Schmerzen und gleichzeitig unauffälligen nicht- invasiven Befunden

Dieses Beschwerdebild stellt jedoch lediglich eine relative Indikation für eine Koronarangiographie dar. Diese sollte unter besonderer Berücksichtigung der Komplikationen und der Risiken des Eingriffes die Indikation nur zurückhaltend gestellt werden. Alternativ können hierbei die oben erwähnten nicht- invasiven Maßnahmen wie Kardio- CT oder Kardio- MRT in Erwägung gezogen werden (Lapp 2014).

Indikation nach ESC 2013:

  • Empfehlungsgrad / Evidenzgrad I / C: Dieser Empfehlungsgrad umfasst Patienten mit Angina pectoris CCS III bzw. bei wahrscheinlich hohem Ereignisrisiko, besonders bei nicht ausreichendem Ansprechen auf eine medikamentöse Behandlung. Patienten, die ein hohes Risiko laut der nicht- invasiven Risikoevaluation haben, sofern eine Revaskularisierung eine Prognoseverbesserung wahrscheinlich macht. Bei dieser Patientengruppe ist die Koronarangiographie auch dann angezeigt, wenn nur eine geringe oder keine Beschwerdesymptomatik besteht.
  • Empfehlungsgrad / Evidenzgrad IIa / C: Zu dieser Gruppe zählen Patienten mit inkongruenten oder widersprüchlichen Befunden, bei denen eine Risikoevaluation erfolgen soll. Bemerkenswert ist der stets schwache Evidenzgrad (Pinger 2019).

 

Keine Indikationen sind:

  • fehlende Bereitschaft des Patienten zur revaskularisierenden Therapie
  • bei Vorliegen fehlender therapeutischer Konsequenzen
  • bei Patienten mit hoher Komorbidität, sofern das Risiko der Koronarangiographie größer ist als der Nutzen durch die Diagnosesicherung

(Herold 2020)

 

Kontraindikationen:

Absolute Kontraindikation besteht bei:

  • genereller Ablehnung einer eventuell erforderlichen Revaskularisierung
  • fehlender Aussicht auf Verbesserung der Lebensqualität bzw. Lebenserwartung (Pinger 2019)

Relative Kontraindikation besteht bei:

  • Vorhandensein einer aktiven Blutung
  • schwere Koagulopathie
  • akute und bislang unbehandelte Infektion
  • Bestehen eines ungeklärten Fiebers
  • dekompensierte Herzinsuffizienz
  • Lungenödem
  • akutes Nierenversagen
  • akuter Apoplex
  • schwere Anämie
  • manifeste Hyperthyreose
  • unkontrollierter Hypertonus
  • Digitalisintoxikation
  • schwere symptomatische Elektrolytentgleisung
  • eine durch Dokumentation nachgewiesene anaphylaktische Reaktion auf Kontrastmittel
  • Vorhandensein einer schweren, lebensbegrenzenden Erkrankung
  • durch psychische oder systemische Erkrankung bedingte fehlende Kooperation des Patienten (Pinger 2019)

Komplikationen und Risiken:

  • INR sollte < 2,0 sein: Es hat sich allerdings gezeigt, dass keine erhöhten Blutungskomplikationen auftraten, wenn auf die Unterbrechung der oralen Antikoagulation verzichtet wurde.
  • Metformin: Spätestens am Tag der Untersuchung sollte die Gabe von Metformin unterbrochen werden. Fortführung der Therapie erst, nachdem der Kreatininwert stabil ist (das ist i. d. R. nach 48 h der Fall).
  • Anaphylaxie: Das Rezidivrisiko einer Anaphylaxie lässt sich durch H1 und H2 Blocker sowie durch Kortison reduzieren.
  • periproceduraler Apoplex: Bislang gibt es keine etablierte Therapie für den periproceduralen Apoplex. In den überwiegenden Fällen dürfte es sich hierbei um eine Embolie durch arteriosklerotische Plaques handeln. Es sollte in jedem Fall eine CCT zum Blutungsausschluss erfolgen (Pinger 2019).
  • die Mortalität des Eingriffes liegt durchschnittlich bei 0,15 %

Die Mortalität bei einer notfallmäßigen Indikation ist höher als die bei einem elektiven Eingriff (Herold 2019). Die Ursachen für die Mortalität sind in den überwiegenden Fällen Folge eines akuten Myokardinfarktes oder sie entstehen durch ein Pumpversagen des linken Ventrikels (Lapp 2014).

  • das Auftreten eines Myokardinfarktes beträgt 0,8 %

Ursache können eine Dissektion des Ostiums oder Koronarembolien (durch Luft, Atherom, Thromben) sein (Lapp 2014).

  • Auslösen von Kammerflimmern 0,4 %: Kammerflimmern kann durch eine kräftige Kontrastmittelinjektion in eine kleine rechte Arteria coronaria oder in einen proximalen Seitenast ausgelöst werden (Lapp 2014; Stierle 2017)
  • kurzfristige Asystolie bzw. Bradykardie 0,06 %: Diese können ausgelöst werden bei der Kontrastmittelinjektion in die rechte Arteria coronaria. Da sie in den meisten Fällen nur wenige Sekunden anhalten, bedarf es hierbei keiner weiteren therapeutischen Maßnahmen (Lapp 2014)
  • zerebrovaskuläre Ischämie / Embolien 0,4 %: Sie entstehen durch wandständige arterielle Thromben, Thromben am Katheter bzw. Führungsdraht oder durch Luftembolien (Lapp 2014)
  • Gefäßkomplikationen in 0,3 % (Stierle 2017)
  • Auftreten eines Aneurysma spuriums bzw. AV- Fisteln an der Punktionsstelle
  • Gefäßspasmus: Ein Spasmus kann beim Sondieren beider Gefäße auftreten, vorzugsweise aber im Bereich der rechten Koronararterie. Da der Spasmus durch den Katheter induziert sein kann, sollte nach sublingualer oder intrakoronarer Applikation von 0,4 – 1,0 mg Nitroglycerin eine Korrektur des Katheters erfolgen.
  • akutes Nierenversagen
  • Hämatome (Herold 2019)

Vaskuläre Zugangswege: Bei der Koronarangiographie stehen unterschiedliche Zugangswege zur Verfügung:

Zugang über die A. femoralis (sog. Judkins- Technik [Herold 2019 / 2020]):

Hierbei wird überwiegend die rechte A. femoralis punktiert.

Die Vorteile bestehen in einer

  • technisch einfachen und schnell zugänglichen Punktion.

Die Nachteile der femoralen Punktion sind

  • anschließende längere Immobilisierung des Patienten

  • oftmals – trotz Verwendung aktueller Verschlusssysteme - erforderliche zusätzliche manuellen Kompression

  • Auftreten großflächiger Hämatome

  • Gefahr einer Infektion der Punktionsstelle mit anschließender Abszedierung

    • Bildung einer AV- Fistelung
    • Druckschädigung des N. femoralis (wegen der anatomischen Nachbarschaft)
    • Ausbildung von Pseudo- Aneurysmen

Zugang über die A. radialis (sog. modifizierte Sones- Technik [Herold 2019 / 2020])

Die Vorteile des Radialiszugangs sind:

  • deutlich seltener auftretende lokale Komplikationen wie Entzündung, Kompression der Nerven, AV- Fistelungen und Blutungen
  • die Kompressionszeit ist wegen des geringen Gefäßdurchmessers und der anatomischen Lage kürzer
  • es kommt seltener zu vagalen Reaktionen
  • der Patient kann umgehend mobilisiert werden

Auch bei der selektiven Darstellung von Bypässen der A. mammaria interna bestehen Vorteile. Falls jedoch beidseitig Mammaria- Bypässe dargestellt werden sollen, greift man üblicherweise auf den Femoralzugang zurück. Die Nachteile bestehen darin, dass

  • sich bei älteren und / oder adipösen Patienten nicht selten stark gewundene Gefäßläufe finden
  • Verkalkugen der oberen Extremität häufiger auftreten
  • Spasmen der Arterie auftreten können
  • Zudem ist die A. radialis oftmals für den noch nicht so erfahrenen Untersucher schwierig zu punktieren,

Relative Kontraindikationen für den radialen Zugang stellen dar:

  • einarmige Patienten
  • Dialysepatienten mit liegendem Shunt
  • Vaskulitiden
  • M. Raynaud
  • pathologischer Allen- Test zur Feststellung von Durchblutungsstörungen (dieser Test hat inzwischen jedoch an Bedeutung verloren)
  • Mehrfach- Bypässe mit gleichzeitiger Notwendigkeit der Sondierung eines kontralateralen Mammaria- Interna- Bypasses
  • bestehende Notwendigkeit des Einsatzes großer Bohrköpfe zur Rotablation (Gotthardt 2017)

A. brachialis Zugang /A. subclavia Zugang

Die beiden Letzteren spielen eine untergeordnete Rolle (Hombach 2001).

Bei allen Patienten ist – laut aktueller ESC- Leitlinie - der radiale Zugangsweg als primärer Weg indiziert, da sowohl in der RIVAL- Studie (Jolly 2011) als auch in der RIFLE STEACS- Studie (Romagnoli 2011) ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Mortalität und der Blutungskomplikationen zugunsten des radialen Zugangs nachgewiesen werden konnte.

Bei allen Patienten ist – laut aktueller ESC- Leitlinie - der radiale Zugangsweg als primärer Weg indiziert, da sowohl in der RIVAL- Studie (RadIal Vs femorAL Zugang für Koronarinterventionen [Jolly 2011]) als auch in der RIFLE STEACS- Studie (Radial Versus Femoral Randomized Investigation in ST-Elevation Acute Coronary Syndrome [Romagnoli 2011]) ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Mortalität (5,2% vs. 9,2%, p = 0,020) und der Blutungskomplikationen (7,8% vs. 12,2%, p = 0,026) zugunsten des radialen Zugangs nachgewiesen werden konnte.

Folgende diagnostische Maßnahmen können zusätzlich im Rahmen einer Koronarangiographie durchgeführt werden:

  • Koronarangioskopie (zur Beurteilung der Gefäßmorphologie und etwaig vorhandener Plaques)
  • intravaskulärer Ultraschall (ebenfalls zur Beurteilung der Gefäßmorphologie und etwaig vorhandener Plaques)
  • optische Kohärenztomographie (durch die OCT gelingt die hohe Auflösung luminaler und intramuraler Gefäßstrukturen)
  • intrakoronare Dopplerflussmessung zur Bestimmung der fraktionellen Flussreserve = FFR (eine hämodynamisch wirksame Koronarstenose besteht ab einer FFR < 0,80 mit einer Spezifität von 100 %)

(Herold 2020)

 

Technische Durchführung der Untersuchung (Hier erfolgt lediglich eine grobe Übersicht der Durchführung. Weitergehende Ausführungen s. entsprechende Fachliteratur)

Nach der Lokalanästhesie mit 1 % igem Lidocain (Lapp 2014) erfolgt die kutane Stichinzision mit einem Skalpell. Anschließend wird die Punktionskanüle in die Arterie vorgeschoben, bis pulsierendes Blut austritt (Hombach 2001). Über die Punktionskanüle wird ein Führungsdraht vorgeschoben, anschließend die Punktionskanüle entfernt und über den Führungsdraht die flexible Schleuse in die Zugangsarterie eingeführt (Kasper 2015). Nach Entfernung des Mandrins wird der Führungsdraht gegen den Blutstrom in Richtung Aortenwurzel geschoben. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass das Vorschieben ohne Widerstand und ohne Schmerzen für den Patienten erfolgt. Über diesen Führungsdraht können dann speziell vorgeformte Katheter bis zum jeweiligen Ostium der Zielkoronararterie geschoben werden (Gotthardt 2017). Es gibt – je nach Art des Eingriffes und der anatomischen Gegebenheiten - unterschiedlich geformte Katheder (z. B. Judkins- Katheter, Amplatz- Katheter, Koronar- Bypass- Katheter, Sones- Katheter, Multipurpose- Katheter etc. [Lapp 2014]). Das Vorschieben des Katheters erfolgt zur Lagekontrolle unter Durchleuchtung .

Oftmals erfolgt die Punktion der linken und rechten Koronararterie in Judkins- Technik (Lapp 2014). Sie wird vorzugsweise beim femoralen Zugang angewandt, ist aber auch beim radialen Zugang möglich. Die linke Koronararterie wird üblicherweise in der 40 Grad linksanterioren Schrägprojektion (LAO) sondiert, die rechte Koronararterie in der 60 Grad oder 40 Grad linksanterioren Schrägprojektion (LAO) (Lapp 2014). Es gibt zur Sondierung des Ostiums aber auch weitere Techniken wie z. B. die Sones- Technik.

Diese Technik findet vorzugsweise beim brachialen Zugang Anwendung. Hierbei wird die linke Koronararterie in linksschräger Position (40 Grad LOA) sondiert, die rechte Koronararterie analog mit Drehen des Katheters im Uhrzeigersinn (Lapp 2014).

Amplatz- Katheter: Dieser Katheter ist die erste Wahl beim radialen Zugang. Er kann außerdem beim femoralen Zugang benutzt werden, bevorzugt dann, wenn der Judkins- Katheter nicht geeignet ist, das Ostium der Koronararterie zu intubieren (Hombach 2001). Die linke Koronararterie wird in 40 Grad LAO oder in 30 Grad RAO sondiert, die rechte in 60 Grad LAO (Lapp 2014) (Erdmann 2009).

Die Injektionsmenge des Kontrastmittels und die Geschwindigkeit der Injektion sollten dem Koronarfluss angepasst werden. In die rechte A. coronaria werden ca. 2 ml – 8 ml injiziert, in die linke A. coronaria ca. 7 ml – 10 ml. Die Injektionsdauer beträgt ca. 1s – 2s. Eine etwaige Luftembolisation muss unbedingt vermieden werden. Vor jeder Injektion sollte die Spritze deshalb vollständig mit Kontrastmittel gefüllt werden, nicht komplett geleert werden und der Spritzenkopf stets nach unten gehalten werden (Lapp 2014).

Die anschließende Darstellung der Koronarien erfolgt unter kontinuierlicher Aortendruckmessung (Gotthardt 2017).

Für die linke Koronararterie gibt es 6 Standard- Projektionsebenen:

1. RAO 5 – 15 Grad

2. RAO 30 Grad kaudal 20 Grad

3. RAO 10 – 30 Grad kranial 20 Grad

4. LAO 50 – 60 Grad kranial 20 Grad

5. LAO 40 – 50 Grad kaudal 20 Grad

6 Linkslaterale Projektion (90 Grad) (Lapp 2014)

Für die rechte Koronararterie stehen 3 Projektionsebenen zur Verfügung:

1. LAO 60 Grad (40 Grad)

2. LAO 40 - 45 Grad kranial 15 Grad

3. RAO 30 – 40 Grad

(Lapp 2014)

Ergänzende Diagnostik: Im Rahmen einer Koronarangiographie kann außerdem folgende ergänzende Diagnostik erfolgen:

  • Koronarangioskopie

Sie dient der Darstellung intrakoronarer Thromben etc. [Hess 2000])

  • intravasaler Ultraschall (IVUS)

Hiermit lassen sich detaillierte Informationen über Lumen und Wandaufbau gewinnen (Bolz 2002).

  • optische Kohärenz- Tomographie (OCT) zur Darstellung von intramuraler und luminarer Gefäßstrukturen
  • intrakoronare Dopplerflussmessung zur Bestimmung der fraktionellen Flussreserve (FFR) mit der die Messung der hämodynamischen Wirksamkeit einer Stenose erfolgt (Herold 2019).

Verschlusssysteme: Nach erfolgter Darstellung der Koronarien muss die punktierte Arterie wieder verschlossen werden. Dieses kann durch unterschiedliche Verschlusssysteme erfolgen:

Kollagen- Verschlusssysteme: Hierzu zählen z. B. die Angio- Seal-, VasoSeal-, Duettsystem. Eine erfolgreiche Hämostase gelingt damit bei ca. 90 % der Patienten. Zu den Vorteilen dieser Methode zählen

  • die einfache Handhabung
  • die rasche Mobilisierung nach 4 – 6 Stunden

Kontraindikationen sind:

  • Infektionen im Punktionsbereich
  • bekannte Allergien gegen die Bestandteile des Verschlusssystems
  • vor Ablauf von 3 Monaten darf keine erneute Punktion erfolgen
  • Anwendung bei Schleusenlage in der A. femoralis profunda nicht amöglich, da dann das Kollagen in der A. femoralis superficialis deponiert würde
  • keine Anwendung nach Punktion der dorsalen Gefäßwand oder nach Fehlpunktion (Lapp 2014)

Nahtverschlusssysteme: Dazu zählt z. B. das Perclose- System. Die Erfolgsrate liegt ebenfalls bei ca. 90 %.

Der Vorteil dieser Methode ist

  • es können auch große Punktionsstellen (bis 10 F) verschlossen werden

Die Nachteile sind

  • umständlichere Handhabung
  • Notwendigkeit einer gewissen Übung

Das Nahtverschlusssystem sollte nicht angewandt werden bei:

  • erheblichen Verkalkungen der A. femoralis
  • bereits bestehender Gefäßprothese

Clip- Systeme: Zu den Clip- Systemen zählen z. B. Starclose und Angiolink.

Die Vorteile bestehen darin, dass dieses System

  • auch bei stark verkalkten Gefäßen angewandt werden kann
  • das Gefäß danach sofort wieder punktiert werden kann.

Den einzigen Nachteil stellt die – im Vergleich zu den Kollagensystemen – etwas schwierigere Handhabung dar (Lapp 2014).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Alkadhi H et al. (2009) Praxisbuch Herz- CT: Grundlagen, Durchführung, Befundung. Springer Verlag 32 – 35
  2. Bolz A et al. (2002) Technik in der Kardiologie: Eine interdisziplinäre Darstellung für Ingineure und Mediziner. Springer Verlag 277
  3. Cheng T O (2003) First Selective Coronary Arteriogram. American Heart Association Circulation 107: e42
  4. Erdmann E (2009) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Springer Verlag 12 – 13, 27
  5. Gotthardt T (2017) Untersuchung und Vergleich verschiedener Zugangswege und verschiedener Kathetersysteme bei der selektiven Koronarangiographie sowie Diskussion individueller Lernkurven. Inauguraldissertation der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München
  6. Gottwik M et al. (2003) Zu viele Herzkatheteruntersuchungen in Deutschland? Dtsch med Wochenschr 128 (41) 2121 - 2124
  7. Graz F M E (2010) Evaluation der Bildgebungsqualität der Myokardvaskularisation mit dem 64-Zeilen-CT unter Berücksichtigung der Koronararterien, aortokoronarer Venenbypässe, Mammaria-interna-Bypässe und koronarer Stents. Inauguraldissertation der Medizinischen Fakultät Charité zu Berlin
  8. Hess O M et al. (2000) Herzkatheter: Einsatz in Diagnostik und Therapie. 295 - 297
  9. Herold G et al. (2019 / 2020) Innere Medizin. Herold Verlag 243 – 244
  10. Hombach V (2001) Interventionelle Kardiologie, Angiologie und Kardiovaskularchirurgie: Technik, Klinik, Therapie. Schattauer Verlag 91 - 99
  11. Jolly S S et al. (2011) Radial versus femoral access for coronary angiography and intervention in patients with acute coronary syndromes (RIVAL): a randomised, parallel group, multicentre trial. The Lancet 377 (9775) 1409 - 1420
  12. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1464 - 1465
  13. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1783 – 1784
  14. Lapp H et al. (2014) Das Herzkatheterbuch: Diagnostische und interventionelle Kathetertechniken. Georg Thieme Verlag 61 - 84
  15. Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag. 41 – 44, 96
  16. Romagnoli E et al. (2011) Radial versus femoral randomized investigation in ST-segment elevation acute coronary syndrome: the RIFLE-STEACS (Radial Versus Femoral Randomized Investigation in ST-Elevation Acute Coronary Syndrome) study. J Am Coll Cardiol. 60 (24) 2481- 2489
  17. Schünke M et al. (2009) Prometheus Innere Organe LernAtlas der Anatomie. Georg Thieme Verlag 112- 115
  18. Stierle U et al. (2017) Klinikleitfaden Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer 46 – 47, 163, 608
  19. Uhrlau C (2019) Intensivmedizinische Basics: Eine Einführung für Studierende und Ärzte in der Weiterbildung. Lehmanns Media Verlag Berlin 83 - 84
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