Herztumoren

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 13.04.2020

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Synonym(e)

Kardiale Tumoren; Primäre Herztumoren; Sekundäre Herztumoren

Erstbeschreiber

Realdo Columbo (auch Columbus genannt) beschrieb in seinem 1559 in Venedig und 1562 in Paris erschienenen Werk „De re anatomica“ als Erster einen intrakardialen Tumor.

Im 19. Jahrhundert wurden dann erstmals klinische Bezüge dargestellt, wie in dem 1809 in London erschienen Werk „Observations of some of the most frequent and important diseases of the heart“ von Allen Burns und den 1845 erschienenen Beschreibungen linksatrialer Tumoren von T. W. King.

Im Jahre 1934 wurde durch Barnes erstmals prämortal ein primäres Sarkom elektrokardiographisch und auch bioptisch gesichert.

Von Ivan Maheim stammt die erste Monographie über Herztumoren aus dem Jahre 1945. Diese war für viele Jahre auch hinsichtlich der Klassifikation der Neoplasmen richtungsweisend.

Die erste histopathologisch orientierte Übersicht benigner und maligner Neoplasmen veröffentlichte Prichard im Jahre 1951.

Goldberg gelang im Jahre 1952 die erste cineangiographische Darstellung eines Myxoms. Chirurgische Konsequenzen konnten zur damaligen Zeit allerdings nicht gezogen werden.

Hinweise:

  • Die Diagnose eines Herztumors wurde noch bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts überwiegend bei der Autopsie gestellt.
  • Die ersten operativen Behandlungen von Herztumoren mit befriedigenden Langzeitergebnissen gelangen erst nach Einführung der extrakorporalen Zirkulation Mitte der 50er Jahre. Als erster resezierte Craford 1954 ein Myxom unter Zuhilfenahme der Herzlungenmaschine (Hoffmeister 2014; Unger 1995)

Definition

Unter einem Herztumor versteht man eine gut- oder bösartige Neubildung im Bereich aller Anteile des Herzens. Sie können sowohl an den Herzbinnenstrukturen als auch im Myokard, Perikard und Epikard auftreten (Lindinger 2019).

Einteilung

Die Herztumoren werden unterteilt in primäre, sekundäre, maligne und benigne Tumoren.

Zu den primär benignen Tumoren gehören:

  • Myxom 30 %
  • papilläres Fibroelastom 10 %
  • Lipom 10 %
  • Rhabdomyom 7 % (treten bevorzugt bei Kindern auf [Herold 2020])
  • Fibrom 4 %
  • Hämangiom 3 %
  • Mesothelioms des AV- Knotens 3%

und insgesamt in ca. 2 %:

  • Granulosazelltumor
  • Neurofibrom
  • Lymphangiom (Bob 2001)

Zu den primär malignen Tumoren zählen:

  • Angiosarkom 9 %
  • Rhabdomyosarkom 8 %
  • Mesotheliom 4 %
  • Fibrosarkom 3 %

insgesamt ca. 4 %:

  • malignes Lymphom
  • Teratom
  • Thymom
  • Osteosarkom (Bob 2001)

Die sekundären Herztumoren sind Metastasen solider Tumoren (wie z. B. Bronchial- Ca, Mamma- Ca, Nieren- Ca, Melanom, Pleuramesotheliom u. a.) oder Lymphome (Pinger 2019).

Vorkommen

Insgesamt kommen Herztumoren nur selten vor. Bei Autopsien findet man sie in ca. 0,02 %. Das Geschlechterverhältnis weiblich / männlich beträgt 3 : 1. Es findet sich ein Altersgipfel zwischen 40 – 60 Jahren (Herold 2020).

Primäre Herztumoren sind in ca. 80 % der Fälle benigne und ca. 20 % maligne (Herold 2020).

  • Die primären benignen Tumoren finden sich häufiger im Vorhof als im Ventrikel (Stierle 2017). Von diesen sind bei Erwachsenen ca. 70 % Myxome, bei Kindern überwiegen Rhabdomyome (Herold 2020).
  • Bei den primären malignen Tumoren überwiegen die Sarkome (Herold 2020).

Sekundäre Herztumoren sind bis zu 40 x häufiger als primäre Tumoren. Sie stellen damit die größte Gruppe der Herztumoren dar (Stierle 2017).

 

Ätiologie

Eine familiäre Häufung der Herztumoren tritt bei ca. 5 % - 10 % auf und wird zusammen mit pigmentierten Naevi, endokrinen Störungen und subkutanen Myxomen als sog. „Myxom- Syndrom“ oder auch „Carney- Syndrom“ bezeichnet.

In allen übrigen Fällen ist die Ätiopathogenese unklar.

Lokalisationen der Herztumoren:

  • Primäre Herztumoren: Primäre Herztumoren sitzen bevorzugt im linken Herzen. Myxome nehmen ihren Ursprung meistens mit einem kurzen Stiel vom Vorhofseptum aus. Sie können bis in den linken Ventrikel bzw. in das Mitralostium wachsen. Rhabdomyome sind eher im Bereich der Spitze des linken Ventrikels zu finden (Eichstädt 1996).
  • Sekundäre Herztumoren: Die sekundären Herztumoren metastasieren entweder per continuitatem oder werden durch das venöse Blut ins Herz geschwemmt. Dadurch finden sich sekundäre Tumoren häufiger im rechten Herz. Das Perikard ist am häufigsten betroffen, gefolgt von Myokard und Endokard (Bob 2001).
  • Folgende Primärtumoren metastasieren ins Herz:
    • per continuitatem: Bronchial- Ca, Mamma- Ca
    • per venöser Einschwemmung: Nieren- Ca, Hoden- Ca (Bob 2001)
    • und seltener: Melanom, Pleuramesotheliom (Pinger 2019)

Klinisches Bild

Die klinische Symptomatik ist nicht einheitlich, da die Symptome von der Lage des Tumors abhängig sind (Stierle 2017).

Es können folgende Symptome vorhanden sein:

  • Palpitationen
  • Dyspnoe, die sich rasch progredient entwickelt
  • lageabhängige Thoraxschmerzen
  • Schwindel
  • Synkopen
  • Übelkeit
  • Gewichtsverlust
  • Fieber
  • arterielle Embolien (oftmals bei Myxomen, dann häufig als Erstsymptom auftretend)
  • Rechtsherzinsuffizienz (bei Tumoren im rechten Atrium)
  • plötzlicher Herztod

und vorwiegend bei malignen, ventrikulär bzw. intramural gelegenen Tumoren)

  • Perikarditis
  • Herzbeuteltamponade (Stierle 2017)
  • Perikarderguss (Kasper 2015)

Bildgebung

Da bei allen Tumoren – unabhängig vom histologischen Typ – lebensbedrohliche Komplikationen auftreten können, ist eine frühzeitige Diagnostik unabdingbar (Kasper 2015). Parallel zur Diagnostik der Tumoren sollte auch die Suche nach einem Primärtumor erfolgen, da Herzmetastasen weitaus häufiger sind als primäre Herztumoren (Stierle 2017).

Röntgen Thorax: Meistens findet sich ein unauffälliges Röntgenbild. Es können aber auch eine Vergrößerung einzelner Herzkammern bestehen bzw. Verkalkungen nachweisbar sein. Letzteres tritt besonders bei Fibromen und Myxomen auf (Stierle 2017).

Echokardiographie: Die Echokardiografie sollte immer als transösophageale Echokardiographie (TEE) erfolgen. Hierbei lassen sich besonders atriale Tumoren gut nachweisen. Als Malignitätskriterien gelten:

  • intramurales Wachstum
  • multiple Tumoren
  • Perikarderguss (Stierle 2017)

Kardio- MRT / CT: Eine Kardio- MRT bzw. CT sollten zur Op- Planung durchgeführt werden.

Hierbei lassen sich die intramurale Ausdehnung und eine etwaige Infiltration des Perikards besser erkennen als im Ultraschall. Auch eine Gewebecharakterisierung und die Beurteilung der Vaskularisation sind hierbei möglich (Stierle 2017).

Herzkatheter: Eine Herzkatheteruntersuchung ist immer dann angezeigt, wenn präoperativ der V. a. eine koronare Herzkrankheit besteht. Sollten sich angiographisch Tumorgefäße darstellen lassen, gilt das ein indirektes Malignitätszeichen (Stierle 2017). Die Darstellung selbst ist allerdings mit einem hohen Risiko der Tumorembolisation verbunden (Bob 2001)

Labor

Es findet sich fast immer eine:

  • BSG- Erhöhung

seltener bestehen:

  • Leukozytose
  • Hb- Abfall
  • Veränderung der Thrombozytenzahlen

Diagnose

Auskultation

Auskultatorisch kann ein uncharakteristisches Herzgeräusch bestehen (Herold 2020).

Bei einem gestielten Tumor im linken Vorhof können typische Zeichen einer Mitralinsuffizienz oder Mitralstenose auskultierbar sein. Ein paukender 1. Herzton und ein 4. Herzton können vorhanden sein.

Bei einem Tumor im rechten Atrium kann ein systolisches Geräusch rechts parasternal bestehen.

Bei einem Tumor im linken Ventrikel findet sich u. U. ein Geräusch wie bei einer HOCM (Stierle 2017).

Differentialdiagnose

  • kardiale Thromben
  • Vegetationen im Bereich des Endokards oder den Klappen
  • Perikardzysten (Lindinger 2019)
  • Li- Fraumeni Syndrom: Hierbei handelt es sich um eine autosomal- dominante Tumor- Erkrankung des Herzens, die vorwiegend bei Patienten < 45 Jahre auftritt, bei denen eine bereits durchgemachte Tumorerkrankung besteht (Hoffmeier 2014).

 

Komplikation(en)

Die Komplikationen treten nicht selten als Erstsymptome auf. Zu ihnen zählen:

  • Herzrhythmusstörungen (finden sich bei > 50 % der Patienten; häufig in Form von AV- Blockierungen)
  • thromboembolische Ereignisse (treten bei ca. 25 % auf) wie:
    • Hirnembolie
    • Lungenembolie
    • arterielle Embolien
  • akutes Lungenödem (als Folge eines Linksherzversagens)
  • plötzlicher Herztod
  • Metastasierung bei primär malignen Herztumoren

Therapie

Patienten mit einem Herztumor sollten umgehend einem interdisziplinär arbeitenden Zentrum zugeführt werden (Hoffmeister 2014).

Alle primären benignen Tumoren sollten so bald wie möglich operativ entfernt werden, um potentiellen Komplikationen vorzubeugen (Bob 2001).

Die primären malignen Tumoren haben generell eine sehr schlechte Prognose. Im Einzelfall können eine palliative Op oder eine Chemotherapie erwogen werden (Stierle 2017).

Die Behandlung der sekundären Tumoren ist generell abhängig von der Prognose des Primärtumors. Als therapeutische Maßnahmen kommen in Frage:

  • bei Zeichen einer Perikardtamponade Anlage einer Perikarddrainage
  • bei raschem Nachlaufen des Ergusses lokale Chemotherapie mit z. B. Mitoxantron 10 mg über die liegende Drainage
  • Strahlentherapie sofern der Primärtumor strahlensensibel ist und eine Symptomatik auf Grund der Herzmetastase besteht (Stierle 2017)

Prognose

Bei Patienten mit benignen Herztumoren ist die Prognose gut.

Die Rezidivrate liegt bei ca. 0 % - 3 % (Herold 2020).

Bei Myxomen treten etwaige Rezidive überwiegend entfernt der Stelle des bereits operierten Primärtumors auf. Sollten jüngere Patienten von Rezidiven betroffen sein, empfiehlt sich der Ausschluss eines familiär bedingten Myxom- Syndroms, da hierbei häufiger als üblich Rezidive auftreten (Flachskampf 2011).

Bei allen malignen Tumoren des Herzens ist die Prognose schlecht. Die mittlere Überlebenszeit beträgt ca. 9 Monate (Herold 2020). 

Literatur
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  1. Bob A et Bob K (2001) Innere Medizin Sonderausgabe. MLP Duale Reihe Thieme Verlag 48 – 54
  2. Eichstädt H et al. (1996) Herz: Grosse Gefässe. Springer Verlag 359 – 383
  3. Flachskampf F A (2011) Praxis der Echokardiografie: Das Referenzwerk zur echokardiographischen Diagnostik. 479 - 481
  4. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 259 - 260
  5. Hoffmeister A et al. (2014) Herztumoren – Diagnostik und chirurgische Therapie. Dtsch Arztebl Int 111 (12) 205 – 211
  6. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 289e-1 - 289e-3
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1919
  8. Lindinger A et al. (2019) Herztumoren im Kindes- und Jugendalter. AWMF online der DGPK. AWMF-Registriernummer 023-028
  9. Stierle U et al. (2014) Klinikleitfaden Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer 367 – 368
  10. Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag. 663 - 665
  11. Unger F et al. (1995) Interventionen am Herzen. Springer Verlag 268 - 285
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