Herpes-simplex-Enzephalitis B00.4+G05.1*

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 26.12.2019

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Synonym(e)

Herpesenzephalitis; Herpetische Enzephalitis; HSVE; HSV-Enzephalitis

Definition

Die  primäre Herpesenzephalitis (HSVE) ist eine durch HSV-1 ausgelöste gefürchtete Komplikation der primären, meist schwer verlaufenden herpetischen Gingivostomatitis herpetica. Diese neurologische Komplikation kann jedoch auch bei Patienten auftreten mit geringem kutanen oder mukokutanen Befall. Im Gegensatz zu anderen Enzephalitiden (z.B. FSME) gtritt die HSVE in keiner bestimmten Jahreszeit bevorzugt auf. 

Vorkommen/Epidemiologie

Die jährliche Inzidenz liegt bei 0,2–0,4/100.000.

Ätiopathogenese

Bei Erwachsenen und älteren Kindern ist die akute Enzephalitis fast stets durch HSV-Typ 1 bedingt. Der Typ 2 verursacht eher eine gutartige Meningitis. Bei Neugeborenen induziert der Typ 2 eine diffuse hämorrhagisch-nekrotisierende Enzephalitis.

Manifestation

30% der HSVE-Patienten ist < 20 Jahren.

Klinisches Bild

Typisch ist ein zweiphasiger Verlauf: grippales Vorstadium (Kopfschmerz, hohes Fieber), gefolgt von einer oft kurzzeitigen Besserung. Später treten psychotische, aphasische Symptome auf. Weiterhin Auftreten von Hemiparese, Krampfanfällen; später quantiative Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma.

Labor

Liquor: Nachweis des Herpes-simplex-Virus  mittels-PCR (Sensitivität 95–100%; Spezifität ). Nachweis steigender Liquorantikörper (Ende der 2 Infektionswoche); Sensitivität 97%, Spezifität 73–100%.

Der Nachweis des Herpes-simplex-Virus  mittels-PCR kann im weiteren Krankheitsverlauf wieder negativ werden.

Bei bis zu 25% der Patienten wird ein rezidivierender Verlauf beobachtet (mögliche Virusreaktivierung).

Diagnose

Folgende klinische Konstellation begründet den Verdacht:

  • Grippales Prodromalstadium, häufig akuter Beginn
  • Rasche Progredienz
  • Hohes Fieber, Kopfschmerzen, organisches Psychosyndrom, Vigilanzstörungen oder epileptischer Anfall
  • Entzündlich veränderter Liquor (lymphozytäre Pleozytose); serologische Liquordiagnostik: intrathekale HSV-Antikörper-Produktion (ab der 2. Woche nachweisbar)
  • EEG-Veränderungen (temporaler Herdbefund, Allgemeinveränderungen mit periodischen Komplexen
  • MRT: bereits im Frühstadium positiv mit Nachweis eines mediobasalen Herds
  • CCT: hypodense Läsionen temperomediobasal bis frontal reichend, oft erst am 3. Tag nach Auftreten der neurologischen Symptome nachweisbar

Therapie

Wichtig: Schon beim ausreichenden klinischen Verdacht auf eine Herpes-simplex-Enzephalitis ist eine sofortige Therapie einzuleiten.

Aciclovir i.v.: Aciclovir i.v. 3x10 mg/kg/KG für mindestens 14 Tage (auf ausreichende Hydrierung achten, Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz).

Wenn die HSV-PCR im Liquor negativ ist, der klinische Verdacht jedoch fortbesteht, sollte die Aciclovir-Therapie mindestens 10 Tage lang durchgeführt werden (Kennedy 2004, Steiner et al. 2010).

Bei Patienten mit AIDS und nach Organtransplantation können Aciclovir-resistente HSV-Stämme auftreten. In diesen Fällen ist alternativ Foscarnet einzusetzen: 3x60 mg/kg i.v. über 3 Wochen.

Die Effizienz von Aciclovir wurde in mehreren Studien gesichert (Sköldenberg et al. 1984; Whitley et al. 1986). Wichtig: Durch einen frühzeitigen Therapiebeginn lässt sich die Letalität der Herpesenzephaltitis auf 20% senken. Bei verzögertem Therapiebeginn kann eine Zunahme der Letalität erwartet werden (Poissy et al. 2009).

Dexamethason adjuvant: Vorläufige (nicht signifikante) Daten zeigen, dass bei der Kombinationstherapie (Dexamethason – Aciclovir) so behandelte Patienten eine eher bessere Prognose aufweisen als monotherapierte Patienten. Die Therapie ist Off-Label.

Adjuvant Immunsuppressiva: Der adjuvante Einsatz von hochpotenten Immunsuppressiva wie Rituximab oder Cyclophosphamid wird empfohlen  (Armangue et al. 2014).

Eine orale Anschlusstherapie mit Valaciclovir über 90 Tage weist kein verbessertes klinisches Ergebnis auf (Gnann et al. 2015).

Verlauf/Prognose

Die Herpes-simplex-Enzephalitis verläuft unbehandelt bei etwa 70% der Fälle letal. Die Prognose hängt entscheidend von dem unverzüglich einsetzenden Beginn einer spezifischen Therapie ab.

Wichtig: Personen mit rezidivierendem Lippenherpes erkranken nicht gehäuft an einer Herpesenzephaltitis. 

Hinweis(e)

HSV-2 verursacht im Gegensatz zu der HSV-1-Infektion meist eine leichte aseptische Meningitis oder eine primäre Neuropathie. HSV-1 ist die häufigste Ursache der Mollaret-Meningitis (rezidivierende aseptische Meningitis).

Literatur
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  1. Armangue T et al. (2014) Herpes simplex virus encephalitis is a trigger of brain autoimmunity. Ann Neurol 75: 317-23
  2. Gnann JW et al. (2015) Herpes Simplex Encephalitis: Lack of Clinical Benefit of Long-term Valacyclovir Therapy: Clinical Infectious Diseases 61: 683-691
  3. Kennedy PGE (2004) Viral encephalitis-causes, differential diagnosis and management. J Neurol Neurosurg Psychiatry 75: i10-i15 (suppl.)
  4. Meyding-Lamadé U (2015)  Virale Meningoenzephalitis. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie.  
  5. Poissy J et al. (2009) Factors associated with delay to acyclovir administration in 184 patients with herpes simplex virus encephalitis. Clin Microbiol Infect 15: 560-564
  6. Sköldenberg B et al. (1984) Acyclovir versus vidarabin in herpes simplex encephalitis; randomised multicenter study in consecutive Swedish patients. Lancet 1984; 2: 707-11
  7. Steiner I et al. (2010) Viral meningoencephalitis: a review of diagnostic methods and guidelines for management. Eur J Neurol 2010; 17: 999-1009
  8. Whitley RJ et al. (1986) Herpes simplex encephalitis: vidarabin versus acyclovir therapy. N Engl J Med 1986; 314: 144-149

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Herpes-simplex-Virus;

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