Halsrippe Q76.5

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 25.08.2023

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Synonym(e)

akzessorische Rippe; Costa cervicalis; Nackenrippe; überzählige Rippe im Halsbereich

Erstbeschreiber

Die Erstbeschreibung eines Kompressionssyndroms des Plexus brachialis stammt von Sir Astley Cooper aus dem Jahre 1817, die des Halsrippensyndroms 1861 von Coote et al., das der Kompression der 1. Rippe von Murphy et al. 1910, das Scalenus- anticus- Syndrom beschrieben 1935 von Ochsner et al., das costoclaviculäre Kompressionssyndrom Falconer et al. 1943.

Erst im Jahre 1956 erkannte Peet die Ähnlichkeit der Symptome und fasste diese als Oberbegriff „Thoracic- outlet- Syndrom“ zusammen (König 2008).

 

Die erste operative Resektion einer Halsrippe bei neurovaskulären Beschwerden erfolgte bereits im Jahre 1861 durch Coote. Die Resektion auf transaxillärem Weg publizierte Roos im Jahre 1966. Dieses Verfahren erlangte bis Mitte der 70 er Jahre besondere Bedeutung wegen der guten Ergebnisse. Ein supraklavikuläres Resektionsverfahren wurde 1980 von Murphy et al. beschrieben. Inzwischen sind auch endoskopische Verfahren beschrieben (Bürger 2014).

Definition

Bei einer Halsrippe handelt es sich um eine Rippenvariante bzw. - anomalie (Wirth 2004). Sie ist angeboren und stellt eine Überentwicklung des Querfortsatzes im Bereich der HWS dar (Fliegel 2023).

Die akzessorische Rippe geht meistens dem 7. Halswirbel aus und kann ein- oder in bis zu 50 % der Fälle (Checa 2019) auch beidseitig auftreten (Brossmann 2001).

Einteilung

Man differenziert zwischen 4 verschiedenen Arten einer Halsrippe:

- Typ 1: Hierbei findet sich eine vollständige Rippe, die mit der 1. Rippe oder dem Manubrium artikuliert.

- Typ 2: Es findet sich eine unvollständige Rippe mit freier distaler Spitze.

- Typ 3: Auch hierbei ist die Rippe nur unvollständig ausgebildet, sie zeigt aber einen distalen Faserbandansatz.

- Typ 4: Bei Typ 4 findet sich ein lediglich kurzes Knochenstück. Dieses ragt über den Querfortsatz C 7 hinaus (Fliegel 2023).

Vorkommen/Epidemiologie

Wanke (1937) gab die Häufigkeit der Halsrippe mit 6 % an (Brossmann 2001). Laut Fliegel (2023) liegt die Inzidenz bei ca. 0,5 – 1 % in der Bevölkerung. Frauen sind häufiger betroffen als Männer (Checa 2019).

Laut Panther (2022) tritt das Thoracic- outlet- Syndrom als seltene Erkrankung bei ca. 1 – 3 pro 100.000 auf.

 

Manifestation

Eine Halsrippe manifestiert sich überwiegend bei Erwachsenen mittleren Alters (Fliegel 2023).

Lokalisation

Halsrippen befinden sich bevorzugt am 7. HWS. Sie sind teils synoptisch, teils gelenkig mit dem Querfortsatz verbunden und können unterschiedliche Formen aufweisen (s. o. unter „Einteilung“). (Brossmann 2001)

Man findet Halsrippen auffällig häufig in Kombination mit dem Ullrich- Turner- Syndrom (Brossmann 2001)

Klinisches Bild

Die überwiegende Zahl der Halsrippen bleibt ein Leben lang unbemerkt und verursacht keinerlei Symptome. Sie stellt oftmals einen radiologischen Zufallsbefund dar (Fliegel 2023).

Bei einer Minderheit treten jedoch Schmerzen und / oder Symptome durch Kompression der umgebenden Strukturen auf (Fliegel 2023). S. a. „Komplikationen“.

 

Diagnostik

- Klinische Untersuchung

Hierbei kann typischerweise eine indolente, feste Masse im Nacken palpabel sein. Auch auf Umfangsvermehrungen, Verfärbungen der Arme und unterschiedliche Pulsqualitäten sollte geachtet werden (Checa 2019).

 

- Adson- Manöver:

Dieses dient zur Provokation der Symptomatik bei einer Halsrippe. Dabei wird der Kopf nach ipsilateral gedreht und in tiefer Inspiration rekliniert. Gleichzeitig erfolgt ein Zug des Armes nach unten. Als positiv gilt der Test, wenn sich dabei der Radialispuls abschwächt. Allerdings ist der Test oftmals falsch positiv (Bischoff 2007).

 

Die endgültige Diagnose einer Halsrippe wird i. d. R. durch ein Röntgenbild der oberen Thoraxapertur gestellt (Bischoff 2005).

Aber auch ein CT- Scan, eine MRT und eine Untersuchung der Nervenleitgeschwindigkeit können zur genauen Diagnostik erforderlich werden (Fliegel 2023).

 

Komplikation(en)

Eine Halsrippe kann zu folgenden Komplikationen führen:

- Thoracic- outlet- Syndrom (TOS)

Hierbei treten zum einen motorische Störungen folgender Muskeln auf: Thenarmuskulatur, M. abductor digiti V. und der Mm. interossei, zum anderen sensible Störungen des IV. und V. Fingers (Bischoff 2005).

Zu dem Begriff „TOS“ werden außerdem folgende Syndrome subsumiert:

        - Scalenus- Halsrippensyndrom: Hierbei kommt es zu einer Verengung der hinteren Skalenuslücke mit Auslösen verschiedener Symptome wie z. B. Schmerzen im Schulter- Nackenbereich, Parästhesien des ulnaren Unterarms, der Handkante und des 4. bzw. 5. Fingers, Atrophie der kleinen Handmuskeln bzw. Parese der kleinen Handmuskeln bei bestimmten Körperhaltungen (Hettenkofer 2003).

        - M. scalenus- anterior- Syndrom

        - Hyperabduktionssyndrom

        - M. pectoralis- minor- Syndrom

        - kostoklavikuläres Syndrom (Bürger 2014)

        - Kompression der A. subclavia: Dies führt zu einer Veränderung der Farbe und Temperatur des betroffenen Armes. Der Puls ist an dieser Seite abgeschwächt (Fliegel 2023).

        - Kompression der V. subclavia: Hierbei ist die betroffene Extremität bläulich verfärbt und geschwollen, da das Blut nicht zurückfließen kann (Fliegel 2023).

- sekundäres Raynaud- Syndrom (Hettenkofer 2003)

- durch Kompression kann es zu einer tiefen Venenthrombose der oberen Extremität kommen (Herold 2022)

Therapie

Sofern Beschwerden bestehen, sollte der Patient physiotherapeutisch behandelt werden (Fliegel 2023). Diese Therapie bringt einen positiven Effekt bei 27 – 59 % der Fälle (Dengler 2022).

 

Erst wenn diese Form der Behandlung nicht den gewünschten Erfolg bringt, ist eine operative Maßnahme angezeigt. Diese besteht aus einer Resektion der Halsrippe (Hettenkofer 2003). S. „Operative Therapie“.

Operative Therapie

Nach ventralem Freilegen der Halsrippe und epiperiostalem Abtrennen aller Weichteile erfolgt die Resektion in Höhe des Querfortsatzes (Wirth 2004).

Die operative Maßnahme sollte allerdings nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden, da bei dem Eingriff die Gefahr einer Plexus- und Gefäßläsion besteht (Wirth 2004).

Durch die Resektion findet sich bei 56 – 90 % der Patienten eine Verbesserung der Symptomatik (Dengler 2022).

Hinweis(e)

Bei Kindern mit angeborener Halsrippe wurden vermehrt beobachtet:

- Keimzelltumoren

- Astrozytome

- akute lymphatische Leukämie (ALL)

(Fliegel 2023).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bischoff C, Conrad B, Schulte- Mattler W J (2005) Das EMG- Buch: EMG und periphere Neurologie in Frage und Antwort. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 56, 114
  2. Bischoff H P, Heisel J, Locher H (2007) Praxis der konservativen Orthopädie. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 737
  3. Brossmann J, Czerny C, Freyschmidt J (2001) Freyschmidt’s „Köhler / Zimmer“: Grenzen des Normalen und Anfänge des Pathologischen in der Radiologie des kindlichen und erwachsenen Skeletts. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 582
  4. Bürger T (2014) Thoracic- outlet- Syndrom. 1 – 2 Aus: Gefäßmedizin Scan 1 DOI: http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1377914
  5. Checa A (2019) A cervical rib presenting as a hard, immobile lump in the neck. Eur J Rheumatol. 7 (1) 48 - 49
  6. Dengler N F, Pedro M T, Kretschmer T, Heinen C, Rosahl S K, Antoniadis G (2022) Neurogenic Thoracic Outlet Syndrome. Dtsch Arztebl Int. 119 (43) 735 - 742
  7. Fliegel B E, Menezes R G (2023) Anatomy, Thorax, Cervical Rib. In: StatPearls, Treasure Island (FL) Bookshelf ID: NBK541001
  8. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 832
  9. Hettenkofer H J, Droste U, Frenssen E, Hammer M, Kellner H, Miehle W, Miehlke R K, Neudorf U, Perniok A, Sattler H, Schmidt K, Schneider M, Späth M (2003) Rheumatologie: Diagnostik – Klinik – Therapie. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 216
  10. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education
  11. König W, Antoniadis G (2008) Kompressionssyndrome des Schultergürtels. In: Assmus H, Antoniadis G (2008) Nervenkompressionssyndrome. Steinkopff Verlag Deutschland 123
  12. Panther E J, Reintgen C D, Cueto R J, Hao K A, Chim H, King J T (2022) Thoracic outlet syndrome: a review. J Shoulder Elbow Surg. 31 (119 E545 - E561
  13. Wirth C J, Zichner L (2004) Orthopädie und orthopädische Chirurgie. Georg Thieme Verlag Suttgart / New York 473

Weiterführende Artikel (2)

Akute Lymphatische Leukämie; Raynaud-Syndrom;

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