H2-Atemtest

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 18.08.2023

This article in english

Erstbeschreiber

In den 1970er Jahren wurden erstmals von z. B. M D Levitt et al. und D A Schoeller et al. verschiedene Atemtests in die klinische Praxis eingeführt und werden seitdem für diagnostische Zwecke sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern empfohlen (Hammer 2021).

Definition

In der Medizin werden im Bereich der Gastroenterologie (Wasserstoff-) Atemtests zur Beurteilung

- der orozökalen Transitzeit (OCTT) verwendet (Häußler 2016)

- bei bakterieller Überwucherung des Dünndarms (SIBO [Rezaie 2017]) eingesetzt (Kasper 2015)

- und finden Verwendung zur Diagnostik

- einer Fruktosemalabsorption

- eines Laktasemangels (Herold 2022),

- einer Kohlenhydrat- Maldigestion

- einer methanbedingten Obstipation (Rezaie 2017)

 

Einteilung

Man differenziert u. a. zwischen folgenden Atemtests:

- H2- Atemtest nach Laktulosegabe (Laktulose ist ein Disaccharid, besteht aus Galaktose und Fruktose und in der Natur nicht vorkommt)

- H2- Atemtest nach Glukosegabe

- H2- Atemtest nach Fruktosegabe

- H2- Atemtest nach Laktose BT (Rezaie 2017)

- Methan- Atemtestmessung (Hammer 2021).

- H2- Atemtest mit Inulin (Stein 2006)

 

Allgemeine Information

- 1. H2- Atemtest

Der H2- Atemtest stellt als nicht- invasive und kostengünstige Untersuchungsmethode den Goldstandard zur Diagnostik einer Laktoseintoleranz dar. Die Sensitivität des Tests liegt bei 70 – 100 %, die Spezifität zwischen 69 – 100 % (de Geyter 2021). Der Test ist somit deutlich empfindlicher als z. B. die Bestimmung der Blutglukose oder Galaktose im Serum (Stein 2006).

 

Testdurchführung:

Der Patient erscheint nüchtern (Fastenzeit von mindestens 8 h [Hammer 2021]) und erhält 50 g Laktose in 400 ml Wasser. Dann wird der H2- Gehalt der end- exspirometrischen Atemluft in folgenden Zeitabständen gemessen: 30, 60, 90 und 120min (Stein 2006). Laut Europäischer Leitlinien wird inzwischen eine Testdauer von 3 – maximal 5 h empfohlen (Hammer 2021).

Bei Vorliegen eines Laktasemangels kommt es durch die bakterielle Zersetzung nicht- resorbierbarer Laktose im Kolon zu einem Anstieg von H2 in der Ausatemluft (Herold 2022).

 

Testauswertung:

Falls es zu einem Anstieg der H2- Konzentration in der Alveolarluft von > 20 ppm (parts per million) kommt, weist das auf eine Malassimilation des Testzuckers bzw. eine bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms hin (Stein 2006).

 

Mögliche Störungsquellen:

Es sind ca. 2,5 – 15 % der Atemtestergebnisse falsch negativ, weil z. B. kein H 2 produziert wird oder die Produktion von CH 4 erhöht ist (de Geyter 2021).

Außerdem spielen eine Rolle:

- bereits hoher Nüchtern- H 2- Spiegel

- durch Rauchen vor der Testdurchführung (Mindestabstand sollte 2 h betragen [Hammer 2021])

- ballaststoffreiche Mahlzeit am Vorabend

- abnorme gastrointestinale Anatomie wie z. : Divertikel, Obstipation

- orale Bakterien (können durch eine Mundspülung mit 1 %iger Chlorhexidin eliminiert werden)

- Hyperventilation (diese kann zu einer Verminderung der H 2- Konzentration in der Atemluft führen; es sollten deshalb körperliche Aktivitäten vor und während der Testdurchführung vermieden werden)

- verschiedene Medikamente wie z. B. Abführmittel, Spasmolytika, Antidiarrhoika (Hammer 2021)

- Ileostoma

- Antibiotikagabe (es wird empfohlen, die Testdurchführung frühestens 4 Wochen nach Beendigung der Antibiose durchzuführen [Hammer 2021])

- purgierende Maßnahmen wie z. B. Lavage, Laxantien, Einläufe (auch hierbei wird empfohlen, die Testdurchführung erst 2 Wochen nach Beendigung der jeweiligen Maßnahme durchzuführen [Hammer 2021])

- bei ca. 10 % der Bevölkerung liegt ein Non- H2- Producer- Störung vor, das heißt, bei diesem Personenkreis ist die Kolonflora metabolisch nicht in der Lage, Wasserstoff aus Laktose (oder aus anderen Kohlenhydraten) zu bilden (Stein 2006).

 

- 2. Methanmessung (CH 4)

Bisweilen zeigt sich bei der H 2- Messung ein falsch negatives Ergebnis. Houben et al. (2015) weisen darauf hin, dass durch die zusätzliche Messung von Methan (CH 4) diese falsch negativen Ergebnisse vermieden werden können.

 

Testauswertung

Hierbei wird ein Anstieg von > 5 ppm bereits als positiv bewertet (de Geyter 2021).

 

Der Test zur Methanmessung dient in erster Linie der Diagnostik einer methanbedingten Obstipation. Zu Beginn des Tests sollte hierbei allerdings, um falsch positive Ergebnisse zu vermeiden, eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms (SIBO) auf Grund einer Kohlenhydrat- Malabsorption ausgeschlossen werden (Rezaie 2017).

Testauswertung:

Eine Konzentration von ≥ 10 ppm gilt als Methan- positiv (Rezaie 2017).

 

- 3. H2- Atemtest nach Laktulosegabe

Der Test beruht auf der Fähigkeit zahlreicher Bakterienstämme im Bereich der Dickdarmflora Kohlenhydrate unter Freisetzung von Wasserstoff abzubauen. Bei der Metabolisierung von Kohlenhydraten im menschlichen Organismus hingegen wird der Wasserstoff in Wasser überführt. Laktulose, ein nicht- resorbierbares Kohlenhydrat, kann deshalb zur Bestimmung der orozökalen Zeit eingesetzt werden (Stein 2006).

 

Testdurchführung:

Nach einer 12 h Nüchternphase erhält der Patient 10 g Laktulose aufgelöst in 150 ml Wasser. Dann wird der H2- Gehalt der end- exspirometrischen Atemluft in folgenden Zeitabständen gemessen: 30, 60, 90 und 120min (Stein 2006).

 

Testauswertung:

Durch einen Anstieg von Wasserstoff wird die Ankunft der Testlösung im Zökum wiedergespiegelt (Stein 2006).

 

- 4. H2- Atemtest mit Inulin

Diese wird zur Messung der orozökalen Transitzeit verwendet. Inulin, ein hochpolymerisiertes Oligosaccharid (Schumpelick 2011), hat – verglichen mit Laktulose - deutlich geringere osmotische Effekte (Stein 2006).

 

- Testdurchführung

Diese erfolgt analog dem Laktulose- H2- Atemtest. Verwendet werden 5 mg (oder 10 mg) Inulin. Die applizierte Menge hat keinen Einfluss auf die Testergebnisse. Die Testdauer beträgt hierbei bis zu 10 h (Stein 2006).

 

- Testauswertung

Pathologisch gilt der Test ab einem Anstieg der H 2- Exhalation um > 10 ppm (Schumpelick 2011).

 

 

Pathophysiologie

Für die Verdauung von Laktose ist die in den Zotten des Dünndarmbürstensaums gebildete Laktase erforderlich. Sollte nicht eine ausreichende Menge an Laktase vorhanden sein, wird Laktose verstoffwechselt in:

- Kohlendioxid (führt zu Blähungen)

- Methan (CH4)

- Proprionsäure

- Buttersäure (führen zu osmotischen Diarrhoen)

- Wasserstoff (H2)

H 2 und CH 4 reichern sich im Darm an. Über die Darmwand gelangen die Gase in den Blutkreislauf und werden von der Lunge über die Ausatemluft ausgeschieden (de Geyter 2021). Sowohl H 2 als auch CH 4 werden im menschlichen Körper ausschließlich durch die anaerobe Fermentation sowohl endogener als auch exogen zugeführten Kohlenhydraten gewonnen (Hammer 2021).

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. de Geyter C, van de Maele K, Hauser B, Vandenplas Y (2021) Hydrogen and Methane Breath Test in the Diagnosis of Lactose Intolerance. Nutrients. 13 (9) 3261
  2. Häußler U, Götz M (2016) Hydrogen Breath Tests. Dtsch Med Wochenschr. 141 (4) 268 – 270
  3. Hammer H F, Fox M R, Keller J, Salvatore S, Basilisco G, Hammer J, Lopetuso L, Benningna M, Borrelli O, Dumitrascu D, Hauser B, Herszenyi L, Nakov R, Pohl D, Thapar N, Sonyi M, European H 2- CH 4- breath test group (2021) European guideline on indications, performance, and clinical impact of hydrogen and methane breath tests in adult and pediatric patients: European Association for Gastroenterology, Endoscopy and Nutrition, European Society of Neurogastroenterology and Motility, and European Society for Paediatric Gastroenterology Hepatology and Nutrition consensus. United European Gastroenterol J. 10 (1) 15 - 40
  4. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 468, 472ff
  5. Houben E, de Preter V, Billen J, van Ranst M, Verbeke K (2015) Additional Value of CH4 Measurement in a Combined 13C/H2 Lactose Malabsorption Breath Test: A Retrospective Analysis. Nutrients 7 (9) 7469 - 7485
  6. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 271, 1879
  7. Rezaie A, Buresi M, Lembo A, Lin H, McCallum R, Rao S, Schmulson M, Valdovinos M, Zakko S, Pimentel M (2017) Hydrogen and Methane-Based Breath Testing in Gastrointestinal Disorders: The North American Consensus. 112 (5) 775 – 784
  8. Schumpelick V, Siewert J R, Rothmund M (2011) Praxis der Viszeralchirurgie: Gastroenterologische Chirurgie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg / New York 99
  9. Stein J, Wehrmann T (2006) Funktionsdiagnostik in der Gastroenterolgie: Medizinische Standards. Springer Verlag Heidelberg 53, 56. 94, 95, 106, 107, 120
  10. Wilberg S, Pieramico O, Malfertheiner P (1990) Der H2-Lactulose-Atemtest zur Diagnose der Darmpassage. Leber Magen Darm. 20 (3) 129 - 137
Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 18.08.2023