Glukosurie R81

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 17.11.2021

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Synonym(e)

Urinzucker; Zucker im Urin

Erstbeschreiber

Der englische Arzt Matthew Dobson beobachtete im 18. Jahrhundert als Erster einen Zusammenhang zwischen Blut- und Uringlukose. 

Die Blutzuckermessung war lange Zeit die einzige Methode zur Überwachung des Blutzuckers bei Diabetes mellitus. Diese Nachweise erfolgen zunächst durch Verdampfung des Urins, in welchem dann die Zuckerkristalle und durch Hefe die Fermentierung des Urinzuckers erkennbar waren. Erst 1941 wurde von der Ames Company eine Kupferreduktionsmethode, der Clinitest, auf den Markt gebracht (Walker 1990).

Der erste Test auf Glukose- Oxidasebasis (GOD- Test), der Clinistix, folgte 1956 von der Ames Comp. Elkhart (Voswinckel 1993).

 

 

Definition

Unter einer Glukosurie versteht man das Vorhandensein von Glukose im Urin über das physiologische Maß hinaus, welches beim Morgenurin bei < 15 mg / dl liegt (Herold 2020) und im frischen Zufallsurin bei < 25 mg / dl (Liman 2021).

Ätiopathogenese

Die Glukosurie tritt auf, wenn der Glomerulus mehr Glukose filtriert, als der proximale Tubulus in der Lage ist zu resorbieren. Dafür kommen 2 Ursachen in Frage, die einzeln oder in Kombination auftreten können:

  • 1. Unfähigkeit des proximalen Tubulus, Glukose zu resorbieren
  • 2. deutlicher Anstieg der Glukose im zirkulierenden Blut (Liman 2021)

 

Das Prinzip der Glukosurie wird therapeutisch bei den SGLT2- Hemmern zur Behandlung des Diabetes mellitus eingesetzt (Brandes 2019).

Pathophysiologie

Normalerweise liegt die Nierenschwelle für Glukose bei ca. 180 mg / dl Glukose im Blut. Die Ausscheidung von Glukose über den Urin ist beim Morgenurin bis zu 15 mg / dl (0,8 mmol / l) physiologisch und beim Zufallsurin bis 25 mg / dl (Liman 2021).

Die Höhe der Glukosurie verhält sich bis zu einem Wert von ca. 150 – 180 mg / dl (8,3 – 10,0 mmol /l) proportional zur Blutglukose, danach steigt sie exponentiell an (Herold 2020 / Mehnert 2011).

 

Die Glukose wird zunächst glomerulär filtriert und im proximalen Tubulus fast vollständig rückresorbiert. Die Rückresorption erfolgt zusammen mit Natrium über ein Carrier- System (Mehnert 2011):

- SGLT1 am Ende des proximalen Tubulus und im Dünndarm 

- SGLT2 in der ersten Hälfte des proximalen Tubulus (Brandes 2019)

Da Glukose schlecht resorbierbar ist und die Resorption von Wasser und NaCl im proximalen Tubulus vermindert ist,kommt es bei einer vermehrten Ausscheidung von Glukose zu:

  • Volumenmangel
  • Hypertonie
  • Hypernatriämie, da die Natriumkonzentration im Urin geringer ist als im Blut und somit mehr Wasser als Natrium verlorengeht (Kasper 2015)

 

Die Glukosurie führt zur Gewichtsabnahme (Kasper 2015).

Manifestation

Eine Glukosurie kommt vor bei:

  • Typ 1 Diabetes
  • Typ 2 Diabetes
  • renaler Glukosurie (hierbei ist die Nierenschwelle für Glukose pathologisch erniedrigt [Herold 2020])
  • alimentärer Glukosurie (tritt bei Patienten mit hohem Konsum an Kohlenhydraten auf [Liman 2021])

 

  • hereditär z. B. bei:
    • Tubulopathien (z. B. De- Toni- Debré- Fanconi- Syndrom)
    • Störungen des Glukose- Carriers (Mehnert 2011) wie z. B.:
  • erworbenen Schädigungen des Tubulus wie z. B. bei:
    • Pyelonephritis
    • Nephrotoxizität durch Pharmaka (Mehnert 2011)
    • akute tubuläre Nekrose (Liman 2021)
  • durch Senkung des Schwellenwertes für Glukose (die Plasmaglukosekonzentration oberhalb derer eine signifikante Glukosurie auftritt [Walker 1990]) wie z. B.:
    • während der Schwangerschaft
    • Hyperthyreose
    • Fieber
    • körperlicher Anstrengung
  • durch verschiedene Stoffe wie z. B.:
    • Chlorid
    • Bromid
    • Natriumnitrat
  • durch mangelnde Sauerstoffversorgung des proximalen Tubulus

(Liman 2021)

 

Es kann außerdem zu einer Erhöhung der Nierenschwelle für Glukose kommen. Diese findet sich:

  • im Alter
  • diabetischer Glomerulosklerose
  • chronischer Hyperglykämie
  • Herzinsuffizienz

(Liman 2021)

 

 

Diagnostik

Man verwendet zur Diagnostik Spontanurin oder Sammelurin aus genau definierten Sammelperioden (z. B. Nachturin). Urinanalysen vor und 2 – 3 h nach einer Hauptmahlzeit können Aufschluss über prä- bzw. postprandialen Glukosewerte geben.

Der Urin sollte innerhalb von 2 h nach Abgabe untersucht werden, da es ansonsten zu einem Verlust an Glukose kommen kann (bis zu 40 % innerhalb von 24 h).

(Mehnert 2011)

Die Diagnose einer Glukosurie ist möglich mit:

 

Urin- Teststreifen

Hierbei handelt es sich um eine Glukoseoxidase- Peroxidase- Reaktion, die zu einem Farbwechsel des Teststreifens führt (Mehnert 2011). 

Die untere Nachweisgrenze für Glukose liegt bei ca. 30 mg / dl (Herold 2020). Ab einer Glukosekonzentration von > 250 mg / dl (14 mmol / l) ist eine Differenzierung nur noch bedingt möglich.

Fehlermöglichkeiten beim Teststreifen sind:

  • Falsch negatives Testergebnis bei:
    • Urin- pH- Wert < 5
    • Einnahme von viel Vit. C
    • Einnahme von Salicylsäure > 2 g / d
  • Falsch positives Testergebnis bei:
    • durch falsche Reinigung des Testgerätes mit z. B. Peroxiden

(Mehnert 2011)

 

Hexokinase- bzw. Glukoseoxidase- Methode

Diese Methoden ermöglichen eine quantitative enzymatische Bestimmung. Die Messungen sind sehr genau. Ein falsch positives Ergebnis kommt nur bei einer Fruktosurie (sehr selten auftretend) vor (Mehnert 2011).

 

 

Labor

Neben der Glukosurie besteht eine

  • Hypernatriämie (s. a. „Pathophysiologie“)

(Kasper 2015)

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Brandes R et al. (2019) Physiologie des Menschen mit Pathophysiologie. Springer Verlag 409
  2. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 601, 730
  3. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 275, 295 a
  4. Liman M N P et al. (2021) Physiology, Glucosuria. NCBI. StatPearls Publishing LLC. Bookshelf ID: NBK557441. PMID: 32491373
  5. Mehnert H et al. (2011) Diabetologie in Klinik und Praxis. Georg Thieme Verlag Stuttgart 90 - 91
  6. Voswinckel P (1993) Der schwarze Urin Vom Schrecknis zum Laborparameter: Urina nigra, Alkaptonurie, Hämoglobinurie, Myoglobinurie, Porphyrinurie, Melanurie. Blackwell Wissenschaft 258
  7. Walker H K et al. (1990) Clinical Methods: The History, Physical, and Laboratory Examinations. 3rd edition. Butterworth Publishers Bookshelf ID: NBK245. PMID: 21250089

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