Gallenkoliken K80.20

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 29.05.2023

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Definition

Unter einer Gallenkolik versteht man einen plötzlich ausgelösten, konstanten, anhaltenden Schmerz, der durch eine Cholelithiasis ausgelöste Obstruktion oder Entzündung der Gallenwege entsteht und zwischen 30 min bis 5 h anhalten kann. Der Schmerz klingt dann allmählich oder rasch ab (Kasper 2015), sobald der Stein entweder durch den Ductus choledochus in das Duodenum fällt oder durch den Ductus cysticus in die Gallenblase zurück fällt (Sigman 2023).

 

Einteilung

Sowohl cholesterinhaltige als auch bilirubinhaltige Gallensteine können Koliken auslösen (Sigman 2023). Man differenziert bei einer Gallenkolik zwischen einer leichten und einer schweren Kolik (Herold 2022).

Vorkommen/Epidemiologie

Man schätzt, dass bei ca. 10 – 20 % aller Erwachsenen eine Cholelithiasis besteht, von den 1 – 3 % symptomatisch sind. Gallenkoliken treten bevorzugt bei Frauen auf, da Östrogen die Bildung von Gallensteinen fördert (Sigman 2023).

Gallenkoliken zählen zu den 10 häufigsten Diagnosen des ärztlichen Notdienstes (Standl 2010).

Ätiopathogenese

Sowohl primär in der Gallenblase gebildete Steine als auch primär im Ductus choledochus gebildete (sog. CBDs) können eine Gallenkolik auslösen (Sigman 2023).

Ausgelöst wird diese am häufigsten durch eine fetthaltige Mahlzeit oder den Verzehr einer größeren Mahlzeit nach einer Phase des Fastens (Kasper 2015), da beides Kontraktionen der Gallenblase auslöst, um Galle in das Duodenum zu befördern (Sigman 2023). Es kann dadurch bei Patienten mit bereits vorhandenen Gallensteinen zu einer Steinpassage oder Steineinklemmung im Bereich des Ductus cysticus, der Papilla Vateri (Herold 2022) oder des Ductus choledochus kommen (Sigman 2023).

Gallenkoliken treten bevorzugt nachts auf (Kasper 2015).

 

Man differenziert bei einer Gallenkolik zwischen einer kalkulösen und akalkulösen Ursache.

Zu den kalkulösen Ursachen zählen:

- Gallensteinileus

- akute Cholezystitis

- präpapilläres Konkrement im Ductus choledochus

- Bouveret- Syndrom (durch einen Gallensteinileus mit Verlegung des Bulbus duodeni kommt es zu einer nachfolgenden Magenausgangsstenose

- Gallenblasensludge

- Mirizzi- Syndrom (durch ein Konkrement im Ductus cysticus oder eine cholezystocholedochale Fistel kommt es zu einer Kompression des Ductus hepaticus (Standl 2010)

 

Akalkulöse Koliken können ausgelöst werden durch:

- Gallenwegsanomalien

- Dyskinesie der Gallenblase

- biliäre Infektion

- Gallenwegsanomalien (Standl 2010)

Pathophysiologie

Bei der Verdauung von Nahrungsmitteln führt die Freisetzung von Cholecystokinin (CCK) aus dem Duodenum zu einer Kontraktion der Gallenblase. Bei einer bereits bestehenden Cholelithiasis können die Steine (Sigman 2023) während der Kontraktion zu einer Obstruktion des Ductus cysticus oder des Ductus choledochus führen (Kasper 2015). Besonders kleine Konkremente zwischen 4 – 6 mm sind potenziell abgangsfähig (Krombach 2015).

Dieses bewirkt durch die Erhöhung des intraluminalen Drucks mit Dehnung des Kolons viszerale, starke und anhaltende Schmerzen mit Ausstrahlung in die rechte Scapula (Kasper 2015). Die Ausstrahlung in die rechte Schulter bzw. den Rücken (sog. Headsche Zonen) entsteht dadurch, dass afferente Nervenfasern aus dem Bereich der rechten Scapula mit afferenten Schmerzfasern aus dem biliären System im Bereich des spinalen Hinterhorns kreuzen (Standl 2010).

Klinisches Bild

Bei einer plötzlichen Dehnung des Gallenbaums kommt es zu einem gleichmäßigen Schmerz. Von daher ist der Begriff „Kolik“ irreführend (Kasper 2015).

Durch eine akute Gallenblasendistension treten i. d. R. Schmerzen im rechten oberen Quadranten mit Ausstrahlung in die Spitze des rechten Schulterblattes auf (Kasper 2015). Eine eindeutig typische Lokalisation bei einer Gallenkolik gibt es jedoch nicht (Gutt 2018).

Weitere Symptome können sein:

- Übelkeit

- Erbrechen (Kasper 2015)

Auf Komplikationen deuten folgende Symptome hin:

- Fieber

- Schüttelfrost (Kasper 2015)

 

Diagnostik

- Körperliche Untersuchung:

Bei den Patienten besteht palpatorisch i. d. R. ein Druckschmerz im rechten Oberbauch

 

Bildgebung

Abdomen- Sonographie

In der Sonographie können typischerweise nachweisbar sein:

- Nachweis von Steinen durch:

- Lageverschieblichkeit bei Umlagerung des Patienten

- Darstellbarkeit der Steine in 2 Ebenen

- bogiger echoreicher Reflux mit posteriorer Schallauslösung (Krombach 2015) sog. Stein- oder Schallschatten (Sigman 2023)

Lediglich bei kleinen Konkrementen kann der Schallschatten fehlen (Krombach 2015).

Auf Komplikationen wie z. B. eine akute Cholezystitis deuten hin:

- pericholezystische Flüssigkeit

- Verdickungen der Wand (> 0,4 cm)

- Größenveränderung der Gallenblase (Sigman 2023)

 

Abdomen- Übersichtsaufnahme

Lediglich ca. 20 % der Cholesterinsteine sind verkalkt und damit röntgendicht. Von den schwarzen Pigmentsteinen sind ca. 75 % verkalkt. Braune Pigmentsteine sind nicht verkalkt (Krombach 2015).

 

Abdomen- CT

Zur Beurteilung einer Lithiasis der Gallenwege ist die CT nicht so geeignet wie die Sonographie. Eine CT erfolgt aber normalerweise zur Abklärung eines akuten Abdomens (Sigman 2023).

 

HIDA- Scan

Ein HIDA- Scan gibt insbesondere Hinweise bei der Differenzierung akuter oder chronischer Cholezystitis und bei der Gallendyskinesie (Sigman 2023).

 

MRCP

Diese Untersuchung dient insbesondere der Visualisierung der Gallenbaum und spielt eine Rolle bei der Diagnostik einer Cholelithiasis (Sigman 2023).

 

ERCP

Wenn andere bildgebende Verfahren kein eindeutiges Bild zeigen, können durch eine ERCP weitere Hinweise gefunden werden. Zusätzlich dient die ERCP der Therapie einer Choledocholithiasis (Sigman 2023).

 

Labor

Folgende Laborwerte sollten bestimmt werden:

- komplettes Blutbild (dadurch lassen sich schwerwiegende Komplikationen frühzeitig erkennen)

- direktes Bilirubin

- AST

- ALT

- ALP

- GGT (Sigman 2023)

- alkalische Phosphatase (Kasper 2015)

Differentialdiagnose

- gastroduodenale Ulzera

- Pankreatitis

- Lungenembolie

- Myokardinfarkt (Herold 2022)

- akute Cholezystitis bei länger als 5 h anhaltendem Schmerzereignis (Kasper 2015)

- Hepatitis

- mesenteriale Ischämie

- Gallendyskinesie

- Cholangitis

- Nephrolithiasis

- virale oder bakterielle Gastroenteritis (Sigman 2023)

Komplikation(en)

Als Risikofaktoren für eventuelle Komplikationen gelten:

- ältere Patienten

- Adipositas

- kürzlicher Gewichtsverlust

- Gravidität

- nordeuropäische Abstammung

- Z. n. Lebertransplantation (Sigman 2023).

Die wichtigsten Komplikationen sind:

- Cholezystitis

- Pankreatitis

- Cholangitis (Kasper 2015)

- Perforation der Gallenblase (Sigman 2023)

Therapie allgemein

Die Behandlung einer Gallenkolik erfolgt zum Teil symptomatisch und zum anderen Teil kausal. Sie kann primär bestehen aus:

 

  • Nahrungskarenz

Diese sollte für mindestens 24 h eingehalten werden (zur Hemmung der Motilität der Gallenwege [Gutt 2018]). Die sich anschließende Kost sollte keine fettigen oder gebratenen Speisen enthalten (Herold 2022).

 

  • Spasmolytika

Zur symptomatischen Therapie zählt die Gabe eines Spasmolytikums - wie z. B. Butylscopolamin i. v. (Kontraindikationen: z. B. Blasenentleerungsstörungen, Glaukom) oder Nitroglyzerin sublingual 0,8 mg oder 2 Hübe (Kontraindikation: PDE- 5- Hemmer wie z. B. Sildenafil, Vardenafil, Tadalafil [Michel 2016])

(Herold 2022 / Gutt 2018 / Standl 2010)

 

Die analgetische Therapie hängt vom Stadium der Kolik ab:

Leichte Kolik:

- NSAR z. B. Diclofenac 75 mg i. m. oder Indometacin 75 mg i. v. oder 2 x / d 75 mg als Suppositorium

- Metamizol 1 g i. v. (Standl 2010)

Metamizol wird allerdings wegen der Gefahr einer Agranulozytose in einigen Ländern nicht mehr verwendet (Herold 2022).

 

Schwere Kolik:

- Opioide wie z. B. Pethidin

plus

- Butylscopolamin

Dosierungsempfehlung: Pethidin 50 mg i. v. plus Butylscopolamin 20 mg i. v. (Herold 2022)

 

Bei einer Gallenkolik stellen Antibiotika keine Form der Behandlung dar, allerdings bei den durch Gallensteine ausgelösten Komplikationen (Sigman 2023).

Falls der V. a. eine bakterielle Infektion der Gallenwege besteht wie es z. B. bei einer Cholangitis oder Cholezystitis der Fall ist, finden sich am häufigsten E. coli und Enterokokken als Erreger.

Hier empfiehlt sich bei einer leichten Cholangitis Ceftriaxon plus Metronidazol oder alternativ Ampicillin plus Sulbactam. Bei einer schweren Verlaufsform der Cholangitis sind Piperacillin plus Tazobactam oder Carbapeneme angezeigt (Herold 2022).

 

  • Operative Maßnahmen

Die Therapie von Gallenkoliken erfolgt in erster Linie durch operative Maßnahmen. Sie stellen die eigentliche kausale Therapie dar. Die operativen Maßnahmen können durchaus bei Rückgang der Symptome unter o. g. Maßnahmen elektiv erfolgen (Sigman 2023).

S. a. w. u. „Operative Therapie“

 

  • Stoßwellen- Lithotripsie

Bei für operative Maßnahmen schlecht geeigneten Patienten kann eine extrakorporale Stoßwellen- Lithotripsie erfolgen, allerdings ist die Gefahr von Rezidiven sehr hoch (Sigman 2023).

Operative Therapie

Der Goldstandard bei der Behandlung einer Gallenkolik besteht in einer laparoskopischen Cholezystektomie. Die offene Cholezystektomie erfolgt heutzutage nur noch in Ausnahmefällen (Sigman 2023).

Sollte mit der o. g. (medikamentösen) Therapie eine Verbesserung der Schmerzsymptomatik erreicht werden,kann eine elektive Cholezystektomie angestrebt werden (Standl 2010).

Sollte die Kolik durch eine Cholezystitis verursacht werden, so besteht die Indikation zur frühelektiven laparoskopischen Cholezystektomie innerhalb von 24 h (Herold 2022).

 

Verlauf/Prognose

Bei einer Gallenkolik erfolgt die Cholezystektomie überwiegend elektiv. Der postoperative Verlauf ist normalerweise unkompliziert. Die Rezidivrate bei Gallensteinen ist hoch (Sigman 2023).

 

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Gutt C, Jenssen C, Barreiros A P, Götze T O, Stokes C S, Jansen P L, Neubrand nM, Lammert F (2018) Aktualisierte S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen. AWMF-Register- Nr. 021 / 008
  2. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 365, 367
  3. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 98, 103, 2079 – 2080, 2083
  4. Krombach G A, Mahnken A H (2015) Radiologische Diagnostik Abdomen und Thorax: III Abdomen ). Gallenblase und Gallenwege. Georg Thieme Verlag Stuttgart 441 - 442
  5. Michel M S, Thüroff J, Janetschek G, Wirth M (2016) Die Urologie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 1517
  6. Sigman D F, Dayal N, Meseeha M (2023) Biliary Colic. Treasure Island (FL) StatPearls Publishing DOI: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK430772/
  7. Standl T, Schulte am Esch J, Treede R D, Schäfer M, Bardenbeuer H J (2010) Schmerztherapie: Akutschmerz – chronischer Schmerz – Palliativmedizin. Georg Thieme Verlag Stuttgart 246 - 247

Verweisende Artikel (2)

Cholelithiasis; Gastritis, erosive;

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