Gallenblasenpolypen

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 29.05.2023

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Erstbeschreiber

Die laparoskopische Cholezystektomie hat seit den 1990er Jahren die offene Technik weitestgehend abgelöst (Hassler 2022).

Definition

Unter einem Gallenblasenpolypen versteht man einen benignen Tumor der Gallenblase (Herold 2022), bei dem es sich um eine Erhebung der Gallenblasenwand handelt, die bis in das Lumen hineinragt (Wiles 2017).

Einteilung

Gallenblasenpolypen werden in Pseudopolypen und echte Polypen unterteilt.

- 1. Pseudopolypen:

Pseudopolypen sind mit 70 % deutlich als echte Polypen. Sie kommen überwiegend als Cholesterinpolypen bzw. vor. Cholesterinpseudopolypen auf. Es zählen außerdem die fokale Adenomyomatose und entzündliche Pseudopolypen dazu. Pseudopolypen besitzen kein malignes Potential (Wiles 2017).

- 2. Echte Gallenblasenpolypen:

Zu den echten Gallenblasenpolypen zählen Adenome, Karzinome und Metastasen (Cocco 2021).

Adenome machen ca. 10 % aller Gallenblasenpolypen aus (Cocco 2021). Metastasen stammen größtenteils aus malignen Melanomen , Magenkarzinomen, Nierenzellkarzinomen oder hepatozellulären Karzinomen (Cocco 2021).

 

Vorkommen

Die Prävalenz des Gallenblasenpolypen liegt zwischen 1 – 6 %, in Deutschland beträgt sie 5 % (Gutt 2018). Männer sind deutlich heiß als Frauen betroffen (Kasper 2015).

 

Laut einer einzigen Studie von Aldouri et al. Aus dem Jahr 2009 liegt die Prävalenz des Malignitätsrisikos bei Gallenblasenpolypen bei der indischen Ethnizität mit 5,5 % deutlich höher gegenüber der Gesamtbevölkerung mit 0,8 %. Hier sind weitere Studien angezeigt (Wiles 2017).

 

Pathophysiologie

Cholesterinpolypen, die häufigste Art der Gallenblasenpolypen, entstehen durch lokalisierte Cholesterinablagerungen in Form von lipidspeichernden Makrophagen (Cholesteatose) im Bereich der Gallenblasenwand (Lenzen 2015).

 

Für Adenome, die häufigsten benignen neoplastischen Gallenblasenpolypen mit Entartungstendenz, ist eine Adenom- Karzinom- Sequenz beschrieben (Lenzen 2015).

 

Bei der Adenomyomatose zeigt sich im Fundus oder diffus verteilt eine Proliferation des Gallenblasen- Epithels mit Invagination durch die Muscularis. Hierbei besteht oftmals eine zusätzliche Cholezystolithiasis. Es ist derzeit noch unklar, ob ein erhöhtes Risiko für ein Gallenblasenkarzinom besteht (Lenzen 2015).

Klinisches Bild

Gallenblasenpolypen verursachen i. d. R. keinerlei Symptome. Selten kann es durch sich ablösende Cholesterol- Partikel oder eine intermittierende Obstruktion prolabierter Polypen zu kolikartigen Oberbauchbeschwerden, Übelkeit, Erbrechen und Ikterus kommen (Lenzen 2015).

Diagnostik

Diagnostiziert werden Gallenblasenpolypen fast immer zufällig bei einer Abdomen- Sonographie (Herold 2022) oder bei der Analyse eines Gallenblasenpräparates (Wiles 2017).

Zur genauen Diagnostik wird anschließend eine Endosonographie eingesetzt, da Polypen hiermit präziser erfasst werden können als mit der Abdomen- Sonographie (80 – 97 % vs. 52 – 76 %). Zusätzlich können Polypen > 5 mm durch die Endosonographie besser von einem Gallenblasen- Karzinom abgegrenzt werden (Gutt 2018).

Bildgebung

Endosonographie

- Gallenblasenpolypen

Hierbei lässt sich ein Gallenblasenpolyp als eine Erhebung der Gallenblasenwand erkennen, der gestielt oder sitzend sein kann. Er ragt in das Lumen hinein, ist nicht mobil und weist keine hintere akustische Abschattung auf (Wiles 2017).

 

- Pseudopolypen:

Benigne Pseudopolypen sind echoreich, multipel, gestielt, < 1 mm groß und ohne Hinweis auf ein Wachstum (Cocco 2021).

Sonographisch findet sich bei Pseudopolypen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein deutlicher Nachhall, der sog. Kometenschweif- Artefakt im B- Modus (Cocco 2021). Außerdem sind diese tendenziell kleiner als echte Polypen (Wiles 2017).

Histologie

Histologisch finden sich bei sog. Cholesterinpolypen in der Mukosa Cholesterineinlagerungen (Herold 2022).

Differentialdiagnose

- Gallenblasenkarzinom :

Sonographisch findet sich hierbei eine deutlich infiltrierende Raumforderung (Wiles 2017).

- Gallenblasenkonkremente (Wiles 2017):

Schallschatten und heller Steinreflex sind sonographisch darstellbar (Birnbaum 2013).

- Cholesterinpolypen:

Das Vorliegen von mehreren Polypen spricht gegen ein Adenom und mehr für das Vorliegen von Cholesterinpolypen (Gutt 2018).

Komplikation(en)

Sehr selten können folgende auftreten:

- akute Pankreatitis

- akute Cholezystitis (Lenzen 2015).

Sofern der Gallenblasenpolyp Durchmesser einen < 10 mm aufweist, wurden bisher innerhalb eines 5-Jahreszeitraums nur wenige Anzeichene Veränderungen festgestellt (Kasper 2015).

Darüberhinaus besteht jedoch ein erhöhtes Karzinomrisiko von 50 % (Gutt 2018) und es wird deshalb zur Cholezystektomie geraten (Herold 2022).

Therapie

Das Ziel der Therapie bei Gallenblasenpolypen ist die Verhinderung der Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms (Lenzen 2015).

Bei Auftreten von Gallenblasenpolypen ist bei bestimmten Konstellationen eine Cholezystektomie erforderlich. Eine Experten-Konsensempfehlung aus dem Jahre 2017 mit drei Delphi-Rundungen dient als Orientierungshilfe bei der Therapie von Gallenblasenpolypen (Wiles 2017)

Sollten die Gallenblasenpolypen

- einen Durchmesser von mehr als ≥ 1 cm haben (Herold 2022) und symptomatisch sein

Oder

- asymptomatisch bei Patienten > 50 Jahren

Oder

- sich bei der sonographischen Kontrolle ein Wachstum einstellen

Oder

- eine Cholezystolithiasis nachweisbar ist (Kasper 2015)

empfiehlt sich (wegen des erhöhten Karzinomrisikos) eine Cholezystektomie (Herold 2022).

 

Die Cholezystektomie sollte bei Patienten mit einem Polypen > 18 – 20 mm als offene Cholezystektomie geplant werden, da hierbei ein signifikantes Malignitätsrisiko besteht (Gutt 2018).

 

Sofern eine Cholezystektomie laut der o. g. Kriterien nicht erforderlich ist, sollten die Risikofaktoren für ein Malignom bestimmt werden. Dazu zählen:

- Alter > 50 Jahre

- indische Ethnizität

- anamnestisch primär sklerosierende Cholangitis (PSC)

- fokale Wandverdickung der Gallenblase > 4 mm bei sitzendem Polypen (Wiles 2017)

Bei Patienten mit diesen Risikofaktoren verschiebt sich die Indikation für eine Cholezystektomie vom 10 mm - Durchmesser auf 6 mm (Wiles 2017).

 

Falls eine Cholezystektomie nicht durchgeführt werden kann wegen z. B. Komorbiditäten, Symptomen, die nicht eindeutig der Gallenblase zuordenbar sind etc., ist eine weitere Kontrolle des Patienten angezeigt. Darüber sollte dann jeweils im Einzelfall entschieden werden (Wiles 2017).

 

Prognose

Kontrolluntersuchungen

- 1. Bei folgenden Patientengruppen:

- keine Risikofaktoren für Malignität und Gallenblasenpolypen < 10 mm Durchmesser

- Risikofaktoren für Malignität und Gallenblasenpolypen < 5 mm Durchmesser

sollten sonografische Kontrolluntersuchungen bezüglich eines Größenwachstums zunächst nach 6 Monaten, anschließend jährlich für insgesamt 5 Jahre erfolgen (Gutt 2018)

 

- 2. Bei Patientengruppen:

- ohne Risikofaktoren für Malignität und einem Gallenblasenpolypen < 5 mm Durchmesser

werden sonografische Kontrolluntersuchungen hinsichtlich eines Größenwachstums nach 1 Jahr, 3 Jahren und 5 Jahren empfohlen (Wiles 2017)

 

Ab einem Größenwachstum des Polypens von 2 mm sollte der Patient cholezystektomiert werden. Falls der Polyp während der Kontrolluntersuchungen nicht mehr nachweisbar sein sollte, erübrigen sich weitere Kontrollen (Wiles 2017).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Birnbaum J, Albrecht R (2013) Ultraschallgestützte Regionalanästhesie. Springer Medizin Berlin/Heidelberg 8
  2. Cocco G, Basilico R, Pizzi AD, Cocco N, Boccatonda A, D'Ardes D, Fabiani S, Anzoletti N, D' Allessandro P, Vallone G, Cipollone F, Schiavone C (2021) Gallenblasenpolypen Ultraschall: was der Sonograph braucht wissen. J Ultraschall. 24 (2) 131 - 142
  3. Gutt C, Jennssen C, Barreiros AP, Götze TO, Stokes CS, Jansen PL, Neubrand M, Lammert F (2018) Aktualisierte S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen. AWMF-Register-Nr. 021/008
  4. Hassler KR, Collins JT, Philip K, Jones MW (2022) Laparoskopische Cholezystektomie. Schatzinsel (FL) StatPearls Publishing. DOI: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK448145/
  5. Herold G. et al. (2022) Innere Medizin. Herold-Verlag 569
  6. Kasper DL, Fauci AS, Hauser SL, Longo DL, Jameson JL, Loscalzo J et al. (2015) Harrisons Prinzipien der Inneren Medizin. Mc Graw Hill Bildung 2083
  7. Lenzen H, Lankisch T (2015) Gallenblasenpolypen. eMedpedia DGIM Innere Medizin doi: https://www.springermedizin.de/emedpedia/dgim-innere-medizin/gallenblasenpolypen?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-54676-1_165
  8. Wiles R, Thoeni RF, Barbu ST, Vashist YK, Rafaelsen SR, Dewhurst C, Arnanitakis M, Lahaye M, Soltes M, Perinel J, Roberts SA (2017) Management and follow-up of gallbladder polyps Gemeinsame Leitlinien der European Society of Gastrointestinal and Abdominal Radiology (ESGAR), European Association for Endoscopic Surgery and other Interventional Techniques (EAES), International Society of Digestive Surgery – European Federation (EFISDS) und European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE). Europäische Radiologie 27, 3858 - 3866

Verweisende Artikel (1)

Gallenblasenkarzinom;
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