Frühsommermeningoenzephalitis A84.0

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 13.03.2020

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Synonym(e)

Frühsommer-Meningoenzephalitis; FSME; Tick-borne encephalitis virus infection; Zeckenenzephalitis

Definition

Durch beim Zeckenstich übertragene Arboviren(FSME-Virus) ausgelöste Meningitis bzw. Meningoenzephalitis (s.a. Zecken).

Erreger

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) wird durch ein Virus der Gattung Flavivirus (Flaviviren) in der Familie der Flaviviridae verursacht, der weitere humanpathogene Viren wie das Dengue-, das Gelbfieber-, das West-Nil-Virus u.a. angehören. In Deutschland kommt der zentraleuropäische Subtyp vor, der vor allem durch die Zecke Ixodes ricinus übertragen wird. Daneben gibt es auch einen fern­öst­lichen und einen sibirischen Subtyp, die in Europa im baltischen Raum und an der finnischen Küste sowie im asiatischen Raum vorkommen und dort von der Zecke I. persulcatus übertragen werden. 

Wesentliche Endemiegebiete in Deutschland liegen in Baden-Württemberg, Bayern sowie im südlichen Hessen und Thüringen. Darüber hinaus sind auch einzelne Landkreise in Rheinland-Pfalz (LK Birkenfeld), im Saarland (Saar-Pfalz-Kreis) sowie in Sachsen (LK Vogtlandkreis) betroffen. In deutschen Endemiegebieten sind etwa 0,1% der Zecken Virusträger. 

Ätiopathogenese

Das Virus vermehrt sich nach seiner Inokulation in die Haut zunächst lokal, erreicht über die drainierenden lymphatischen Gefäße die regionalen Lymphknoten. Von hier tritt es über efferente Lymphbahnen in den Ductus thoracicus und damit in den Blutkreislauf.

In der sich anschließenden Virämie besiedelt das Virus extraneurale Organe wie Binde-, Muskel- und Drüsengewebe.

Nach einer weiteren Replikationsphase kommt es auf hämatogenem Weg zu einer Infektion des des zentralen Nervensystems. 

Manifestation

FSME tritt in Abhängigkeit von der Aktivität der virustragenden Zecken bevorzugt im Frühjahr und Sommer auf, häufig jedoch auch im Herbst. Bei warmer Wit­te­rung können Infektionen vereinzelt auch im Winter auftreten.

Klinisches Bild

Die Übertragung erfolgt durch Zeckenstich, sehr selten durch virusinfizierte Rohmilch von Ziegen und Schafen, in Ausnahmefällen auch von Kühen. Eine Infektion von Mensch zu Mensch gibt es nicht. Die Inkubationszeit beträgt 5-20 Tage.

Bei 60-70% der Infizierten verläuft die Erkrankung subklinisch. 15-30% haben nur unspezifische grippale Symptome. 10-20% entwickeln neurologische Symptome (Meningitis 55%, Meningo-Enzephalitis 5%), Residualsymptome bei 7%, Letalität 1%.

 

 

Diagnose

Vorausgegangene Exposition in einem Risikogebiet, beobachteter Zeckenstich innerhalb der letzten 3 Woche, entzündliches Liquor-Syndrom (anfänglich überwiegend granulozytär, später lymphozytäre Pleozytose, leichte Blut-Liquor-Schrankenstörung, fakultativ intrathekale IgM- und geringer IgG- und IgA-Synthese).

Positiver Nachweis von FSME-spezifischen IgM-und IgG-Antikörpern im Serum; intrathekale Synthese FSME-spezifischer Antikörper > 90% der Fälle.

Therapie

Symptomatisch.

Prophylaxe

Aktive Immunisierung mit FSME inaktiviertem Virus (z.B. FSME Immun).

Grundimmunisierung: 3mal im Abstand von 2 Wochen und einem Jahr 0,5 ml Suspension i.m. (Immunität für 3 Jahre).

Postexpositionell: Passive Immunisierung (FSME-Immunglobuline i.m.) in den ersten 48h 0,1ml/kg KG FSME-Bulin®, danach 0,2ml/kg KG nach Zeckenstich (nicht später als 96 h nach dem Stich) in den Endemiegebieten bei Ungeimpften möglich.

Hinweis: Der Nutzen ist weder bewiesen noch ausgeschlossen. 

Hinweis(e)

Bezogen auf Europa liegen wesentliche FSME-Endemiegebiete in Mitteleuropa in Österreich, in Polen, in der Tschechischen und in der Slowakischen Republik, in Nord­europa in den baltischen Ländern, Süd-, Mittelschweden, an der Südküste Nor­we­gens und Finnlands und in Teilen Dänemarks (sporadisch auf Seeland, en­de­misch auf der Insel Bornholm) und im europäischen Teil Russlands sowie in Süd­ost­europa in Ungarn, Kroatien, Slowenien und Albanien (Mitteilung des RKI - www.rki.de/jahrbuch). Von geringerer Be­deu­tung sind Frank­reich (Elsass), Italien (Trentino) und Griechenland (Einzelfälle). Kein FSME-Ri­si­ko besteht auf der Iberischen Halbinsel, im Vereinigten König­reich und in den Benelux-Ländern.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Ackermann-Gäumann R et al. (2018) Comparison of three commercial IgG and IgM ELISA kits for the detection of tick-borne encephalitis virus antibodies.Ticks Tick Borne Dis 9:956-962.
  2. Beauté J et al. (2018) Tick-borne encephalitis in Europe, 2012 to 2016. Euro Surveill 23:1800201.
  3. Borde JP et al. (2019) Tick-borne encephalitis virus infections in Germany. Seasonality and in-year patterns. A retrospective analysis from 2001-2018.PLoS One 14:e0224044.
  4. Pulkkinen LIA et al.  (2018) Tick-Borne Encephalitis Virus: A Structural View. Viruses. 10:350.
  5. Valarcher JF et al. (2015) Tick-borne encephalitis. Rev Sci Tech 34:453-466.

Weiterführende Artikel (5)

Dengue-Fieber; Flaviviridae; Gelbfieber; Zecken; Zeckenstich;

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