Endokarditis Libman-Sacks M32.1+I39.8

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 26.08.2022

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Synonym(e)

Abakterielle Endokarditis; Libman-Sacks-Endokarditis; LS- Endokarditis; marantische Endokarditis; NBTE; nicht- bakterielle thrombotische Endokarditis

Erstbeschreiber

Die Libman- Sacks- Endokarditis wurde 1924 erstmals von Emanuel Libman und Benjamin Sacks in New York bei vier Patienten beschrieben (Ibrahim 2022).

Definition

Unter einer Endokarditis Libman- Sacks (LS- Endokarditis) versteht man eine atypische Form der Endokarditis, bei der es zum Auftreten steriler knotiger Veränderungen der - meist linksseitig gelegenen - Herzklappen kommt (Erdmann 2006).

Einteilung

Die E. Libman- Sacks gehört - neben der E. rheumatica und der- Endomyocarditis eosinophilica - zur Gruppe der abakteriellen Endokarditiden (Herold 2022).

Es handelt sich hierbei um die kardiale Manifestation einer systemischen oder malignen Erkrankung. Typischerweise findet sich eine sterile Vegetation der Herzklappen, die ein erhebliches Risiko für eine zusätzliche infektiöse Endokarditis beinhalten (Ramiandrisoa 2019).

Vorkommen/Epidemiologie

Die LS- Endokarditis zählt zu den selten vorkommenden Erkrankungen (Sadeghpour 2021) und tritt bei 6 – 11 % der Patienten mit systemischem Lupus erythematodes auf, laut autoptischer Studien sogar bei bis zu 50 % (Ibrahim 2022). Das Risiko einer zerebralen Embolie (eine Komplikation der E. Libman- Sacks) ist für Patienten mit SLE 33 % höher als bei der gesunden Population (Litmathe 2019).

Zusammen mit dem Antiphospholipidsyndrom zeigt sich eine Prävalenz von 33 % (Ibrahim 2022).

Im Rahmen von Malignomen liegt die Prävalenz bei 1,25 % (Prävalenz der Allgemeinbevölkerung liegt bei 0,25 %) (Ibrahim 2022).

Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten, findet sich aber gehäuft zwischen 40 – 80 Jahren. Eine Geschlechterpräferenz besteht nicht (Ibrahim 2022).

Bei Kindern und Jugendlichen manifestiert sich die E. Libman- Sacks mitunter als Erstmanifestation eines systemischen Lupus erythematodes (Sharma 2012).

Ätiopathogenese

Die LS- Endokarditis wird am häufigsten durch einen systemischen Lupus erythematodes (SLE) verursacht (Herold 2022). Hierbei besteht eine signifikante Korrelation zwischen dem Auftreten einer LS- Endokarditis und der Schwere bzw. Dauer eines SLE (Ibrahim 2022). Falls im Rahmen eines SLE zusätzlich auch noch Antiphospholipid- Antikörper nachweisbar sind, besteht eine 3 x höhere Prävalenz von Mitralklappen- Vegetationen und einer signifikanten Mitralinsuffizienz verglichen mit Gesunden (Sharma 2012). Laut Yoo (2020) besteht bei Patienten mit SLE eine signifikante Prävalenz von Antiphospholipid- Antikörpern.

Man findet die SL- Endokarditis aber auch im Zusammenhang mit malignen Erkrankungen, insbesondere bei soliden Tumoren wie z. B. dem Adenokarzinom des Pankreas, Kolons, der Ovarien, Lunge, Gallenwege und Prostata (Ibrahim 2022).

Außerdem kann die E. Libman- Sacks im Rahmen eines Antiphospholipid- Syndrom (APS) auftreten (Ibrahim 2022).

 

Pathophysiologie

Die Entwicklung einer E. Libman- Sacks ist bislang unklar. Sie scheint anfänglich aus einer Endothelverletzung im Rahmen eines hyperkoagulierbaren Zustands durch zirkulierende Zytokine oder Interleukine zu entstehen. Dadurch kommt es zu Ablagerungen von Thrombozyten, Thromben und entzündlichen Molekülen (Ibrahim 2022).

 

Manifestation

Es finden sich verruköse, meistens linksseitige Klappenanomalien. Die ventrikuläre Oberfläche des Mitralklappensegels ist besonders häufig betroffen (Kasper 2015).

Es können auch mehrere Klappen betroffen sein, selbst die gesamte Oberfläche des Endokards (Ramiandrisoa 2019).

 

Lokalisation

Hierbei finden sich größere Fibrintropfen, sog. verruköse Klappenanomalien (Kasper 2015) am häufigsten auf der Mitralis-, Aorten- und Pulmonalklappe (Herold 2022).

Diese Läsionen können embolisieren oder sich infizieren, verursachen aber nur selten hämodynamisch bedeutsame Klappenregulationen (Kasper 2015).

Begleitet wird die E. Libman- Sacks häufig von einer Pleuritis und Perikarditis (Herold 2022).

Klinisches Bild

Die Erkrankung verläuft i. d. R. asymptomatisch. Die häufigste Erstpräsentation ist eine systemische Thromboembolie (Sadeghpour 2021).

Bei Patienten mit einem SLE finden sich gehäuft Symptome der Grunderkrankung wie z. B.:

Diagnostik

Bei V. a. eine Libman- Sacks- Endokarditis sollten neben den üblichen Laboruntersuchungen die Abklärung einer Hyperkoagulation erfolgen, ebenso Lupus- Antikoagulans, die Bestimmung der Antiphospholipid- Antikörper und ggf. eine Tumorsuche (Ibrahim 2022).

Es sind außerdem mindestens 3 Sätze von Blutkulturen zu entnehmen.

Eine sichere Diagnose kann ausschließlich durch den Nachweis von Thrombozyten- Thromben erfolgen (Ibrahim 2022).

Da das Risiko für eine infektiöse Endokarditis relativ hoch ist, deshalb sollte diese obligatorisch zeitgleich abgeklärt werden. Dazu sind 3 Labordaten wichtig:

- Leukozytenzahl (nimmt während einer Aktivität des systemischen Lupus ab)

- CRP- Spiegel (Erhöhung deutet auf infektiöse Endokarditis hin)

- Blutkulturen (Ramiandrisoa 2019)

Bildgebung

Transthorakale Echokardiographie (TTE)

Primär sollte eine TTE erfolgen. Falls dieses nicht aufschlussreich ist, empfiehlt sich die TEE (Ibrahim 2022), da hiermit insbesondere Mitral- und Aortenklappen- Vegetationen besser darstellbar sind (Roldan 2015).

Transösophageale Echokardiographie (TEE)

Sowohl Sensitivität als auch Spezifität dieser Methode sind hoch.

Hierbei zeigen sich:

- unregelmäßige Grenzen

- heterogene Echodichte

- verruköse Vegetationen auf Klappe(n) und Endokard

- Regurgitation der Klappen sind möglich (Ibrahim 2022)

- Perikarderguss (häufiges Begleitsymptom eines aktiven SLE [Flachskampf 2006]) 117

 

Labor

Es fehlen hierbei typischerweise laborchemische Zeichen einer Entzündung, die Blutkulturen sind negativ (Sadeghpour 2021).

Neben den üblichen Laboruntersuchungen sollten untersucht werden:

- spezifische Aktivitätserscheinungen eines systemischen Lupus erythematodes wie z. B.

     - ANA

     - Anti- dsDNS- Ak

     - Anti- Sm - Ak

     - Anti- Ro- Ak (SSA)

     - Anti- C1q- Ak

     - U1- RNP- Antikörper

     - Phospholipid- Antikörper (Näheres s. „Systemischer Lupus erythematodes

- Antiphospholipid- Antikörper

- Blutkulturen sind mehrmals zu entnehmen

 

Histologie

- Aktive Verrucae bestehen aus:

     - Fibrinklumpen mit fokaler Nekrose

     - Lymphozyten

     - Plasmazellen

- abgeheilte Läsionen aus:

     - vaskularisiertem dichten Faser- und Narbengewebe (Ibrahim 2022).

Differentialdiagnose

- Infektiöse Endokarditis (hierfür besteht ein erhebliches Risiko [Ramiandrisoa 2019])

- Tumoren (Sadeghpour 2021)

- rheumatische Klappenerkrankung

- atriales Myxom

- degenerative Herzklappenerkrankung

- Vaskulitis

- Fibroelastom (Ibrahim 2022)

- Lambl- Exkreszenz:

Man versteht darunter fadenförmige Wedel, die an den Stellen des Klappenverschlusses als kleine Thromben auftreten und in entfernte Organe embolisieren können (Aziz 2007).

- Cholesterin- Embolie- Syndrom (Ibrahim 2022)

Komplikation(en)

Die fibrinösen Läsionen der betroffenen Klappe können führen zu einer:

- Embolie

- Infektion

- sehr selten zu Regurgitationen der Klappe (Kasper 2015)

- Pleuritis

- Perikarditis (Herold 2022)

- Stenose der betroffenen Klappe (Ishizu 2019)

Therapie allgemein

Eine spezifische Therapie der LS- Endokarditis gibt es bislang nicht (Steffel 2014).

In einer Studie aus dem Jahre 2021 zeigten Roldan et al., dass durch eine kombinierte entzündungshemmende und antithrombotische Therapie die Notwendigkeit einer mit hohem Risiko verbundenen Herzklappenoperation mitunter vermieden werden kann (Sadeghpour 2021).

 

Die gängige Praxis er Behandlung einer LS- Endokarditis besteht aus Gaben von Glukokortikoiden bzw. immunsuppressiver Therapie. Es ist bislang aber nicht erwiesen, ob diese Behandlung zu einer Verbesserung der E. Libman- Sacks führt (Kasper 2015).

- Immunsuppressiva wie z. B.:

     - Azathioprin (Imurek) 2,5 mg / kg KG / d

- oder

     - Cyclophosphamid (Endoxan) 2 mg / kg KG / d (Unger 2013)

Ishizu (2019) berichtete über einen positiven Verlauf mit Rückgang einer Mitralinsuffizienz von schwer auf leicht (Regurgitationsvolumen 32 ml, effektive Rückflussöffnungsfläche 0,17 cm 2) unter einer frühzeitigen Therapie mit Kortikosteroiden.

 

Eine Antikoagulation sollte als Sekundärprävention bei Patienten mit bereits statt gefundenem thromboembolischem Ereignis in Betracht gezogen werden, wie z. B. mit Warfarin und einem Ziel- INR zwischen 2 – 3 (Ibrahim 2022).

 

Die Grunderkrankung ist zusätzlich entsprechend zu therapieren (Steffel 2014).

 

Operative Therapie

Die Indikation für eine Operation in Form einer Vegetationsentfernung oder eines Klappenersatzes entsprechen denen der infektiösen Endokarditis (Ibrahim 2022):

- Vegetationen > 10 mm (hierbei steigt das Embolierisiko auf bis zu 60 % an)

- Embolien

- persistierendes Klappenvitium

- hämodynamisch relevantes Klappenvitium

- Herzinsuffizienz

- paravalvulärer Abszess

- AV- Blockierungen (Herold 2022)

Im Gegensatz zur infektiösen Endokarditis ist hier bei operativen Maßnahmen jedoch ein Erhalt der Klappe möglich (Ibrahim 2022).

Verlauf/Prognose

Zur Beurteilung der Prognose sind weitere Studien erforderlich. Auf Grund klinischer Beobachtungen ist die Prognose insgesamt eher als schlecht anzusehen, da oftmals wiederkehrende thromboembolische Ereignisse, kognitive Beeinträchtigungen und Tod auftreten. Es sind aber weitere Studien zur prognostischen Beurteilung erforderlich (Ibrahim 2022).

Die Patienten sollten über der Notwendigkeit einer Antibiotika- Prophylaxe bei zahnärztlichen Eingriffen, Schnittwunden oder anderen Eingriffen informiert werden (Ibrahim 2022).

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Aziz (2007) Lambl's Excrescences. Tex Heart Inst J 34 (3) 366 - 368
  2. Ball G V, Fessler B J, Bridges S L (2014) Oxford Textbook of Vasculitis. Oxford University Press 622
  3. Erdmann E (2006) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Springer Medizin- Verlag Heidelberg 573
  4. Flachskampf F A (2006) Kursbuch Echokardiographie: Unter Berücksichtigung der Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der KBV. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York117
  5. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 163
  6. Ibrahim A M, Siddique M S (2022) Libman Sacks Endocarditis. National Library of Medicine. StatPearls Publishing LLC. Bookshelf ID: NBK532864
  7. Ishizu K, Isotani A, Yamaji K, Ando K (2019) Immunosuppressive therapy to reduce mitral regurgitation in Libman-Sacks endocarditis: a case report. Eur Heart J Case Rep. 3 (3) ytz 133 doi: 10.1093/ehjcr/ytz133
  8. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 290e- 3, 2130 – 2131, 2135 – 2136
  9. Litmathe J (2019) Neuro- Kardiologie: Herz und Hirn in der klinischen Praxis. Springer Verlag Berlin 43
  10. Ramiandrisoa L R, Raveloson H F R, Rakotoniaina D M, Rabearivony N, Rakotoarimanana S (2019) Libman-Sacks endocarditis superinfected: a case report. Pan Afr Med J 33 - 97
  11. Roldan C A, Tolstrup K, Macias L, Maynard D, Charlton G, Sibbitt W L (2015) Libman-Sacks Endocarditis: Detection, Characterization, and Clinical Correlates by Three-Dimensional Transesophageal Echocardiography. J Am Soc Echocardiogr 28 (7) 770 - 779
  12. Sadeghpour E, Pourafkari L, Nader N D (2021) Mitral valve ‘kissing lesion’ in Libman–Sacks endocarditis. An International Journal of Medicine 114 (5) 338
  13. Sharma J, Lasic Z, Bornstein A, Cooper R, Chen J (2012) Libman–Sacks endocarditis as the first manifestation of systemic lupus erythematosus in an adolescent, with a review of the literature. Cardiology in the Young 23 (1) 1 – 6
  14. Steffel J, Lüscher T (2014) Herz- Kreislauf: Module Innerer Medizin. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 128
  15. Unger F (2013) Herzerkrankungen und Interventionsmöglichkeiten. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 815

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