Eisensubstitution

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 06.07.2022

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Definition

Unter einer Eisensubstitution versteht man die Gabe von Eisen in Form von Medikamenten, Transfusionen oder EPO (Metzgeroth 2015) bei einem laborchemisch nachgewiesenen Eisenmangel oder zur Prophylaxe eines Eisenmangels (Herold 2022).

Einteilung

Die Substitution von Eisen kann erfolgen:

  • durch Medikamente
    • oral
    • parenteral
  • durch eine Erythrozytentransfusion (Kasper 2015)
  • durch Erythropoese- stimulierende Agenzien (Metzgeroth 2015)

 

Auch interessant

Allgemeine Information

  • 1. Orale Eisentherapie

Zur oralen Behandlung sollte ausschließlich zweiwertiges Eisen verwendet werden, da der Darm nur dieses resorbieren kann und dies auch nur zu 10 – 20 % (Herold 2022).

Zweiwertiges Eisen wird hauptsächlich im Duodenum und oberen Jejunum resorbiert. Tierisches Eisen liegt bereits als zweiwertiges Fe ++ vor, dreiwertige Eisenionen aus pflanzlichen Lebensmitteln müssen zuvor in der apikalen Zellmembran zu zweiwertigen Ionen reduziert werden (Behnisch 2021).

Durch die orale Eisengabe kommt es bei Patienten mit normal funktionierendem Knochenmark zu einer zwei- bis dreifachen Produktion roter Blutkörperchen durch den entsprechenden Erythropoetin- Stimulus (Kasper 2015).

 

Indikationen:

- Patienten mit nachgewiesener Eisenmangelanämie, auch bei bislang asymptomatischem Verlauf (Kasper 2015)

- Patienten mit symptomatischer Eisenmangelanämie (Herold 2022)

- Schwangerschaft:

- Frühgeborene

- Neugeborene mit einem Geburtsgewicht < 2.500 g (Herold 2022)

- Restless- Leg- Syndrom (RLS)

(Elstrott 2020)

 

Dosierungsempfehlung:

Eisendragees z. B. auf nüchternen Magen 1 x 100 mg Fe (II) / d oder jeden 2. Tag. Bei der 2- tägigen Gabe besteht eine bessere Verträglichkeit, zusätzlich bewirkt der Abfall von Hepcidin eine bessere Resorption (Herold 2022).

- bei Schwangeren: 80 – 100 mg / d oral (Means 2020). Schwangere sind im 1. Trimester ab einem Hb von 11 g / dl (10,5 g / dl) zu substituieren und ab einem Hb von 10,5 g / dl im 2. und 3. Trimester bis zu einem Hb- Wert von 12,0 g / dl (laut WHO).

(Means 2020)

- bei Neugeborenen < 2.500 g ab der 8. Lebenswoche 2 – 2,5 mg / kg KG / d bis zum 12. - 15. Lebensmonat (Behnisch 2021).

- Frühgeborene sollten 2 – 3 mg / kg / KG / d, aber nicht mehr als 5 mg / kg / KG / d ab der 3. - 4 Lebenswoche für 6 – 12 Monate erhalten (Ehlen 2014)

- Restless- Leg- Syndrom:

Patienten mit RLS profitieren bei einem Serumferritin ≤ 75 µg / l von einer 6 wöchigen Behandlung mit Eisen (Elstrott 2020).

 

Unerwünschte Wirkungen:

- Gastrointestinale Beschwerden in Form von Übelkeit, Erbrechen, Obstipation (Kasper 2015)

 

Dauer der Anwendung:

Der Zielwert für Ferritin liegt bei ca. 100 µg / l. Sobald dieser erreicht ist, sollte die Substitution noch über einen weiteren Zeitraum von 3 – 6 Monaten erfolgen (Herold 2022).

 

Laborkontrollen:

Bereits nach einer Woche steigen Retikulozyten und Hb an (Herold 2022), sofern es sich um einen schweren Eisenmangel handelt. Das Serumferritin sollte nach ca. 3 Monaten kontrolliert werden (Behnisch 2021).

 

Präparate:

- Eisen II- Sulfat Tabletten

- Eisen II- Furamat Tabletten (Wick 2013)

- Ferrosanol Tropfen (Ehlen 2014)

 

 

  • 2. Parenterale Eisentherapie

Verwendet werden sollte bei der parenteralen Gabe dreiwertiges Eisen aus Dextran- freien hochmolekular- stabilen Komplexen. Mischinjektionen sind unbedingt zu vermeiden (Herold 2022).

 

Indikation:

S. a. Eisen, intravenös

Die Indikation für eine parenterale Eisensubstitution ist bei Patienten gegeben, die

- orales Eisen nicht vertragen

- deren Bedarf ziemlich akut ist

- die ständig Eisen benötigen (Kasper 2015)

- an gastrointestinale Erkrankungen leiden

- bei schwerer Niereninsuffizienz mit großen Eisendepots, die jedoch nicht mobilisiert werden können (Wick 2013)

- in bestimmten palliativen Situationen, z. B. bei schwerer Herzinsuffizienz (Lundgren 2018)

Hierbei kann eine parenterale Eisengabe bei Eisenmangel auch ohne Eisenmangel- Anämie die Symptome lindern (Lundgren 2018).

- Z. n. bariatrischer Operation (Elstrott 2020)

- Akute Bergkrankheit (AMS):

Diese tritt bei ca. 50 % der Menschen auf, die in große Höhen reisen. Die Inzidenz lässt sich durch eine prophylaktische Eisentherapie verringern, da durch die Zufuhr von Eisen der an der Entstehung einer AMS beteiligte Hypoxie- induzierende Faktor (HIF) verringert wird (Elstrott 2020).

 

In den letzten Jahren hat die parenterale Verabreichung stark zugenommen (Kasper 2015).

 

Dosierungsempfehlung:

Eisen- (III)- Carboxymaltose wie z. B. Ferinject sollte als Infusion bis zu 1.000 mg 1 x / Woche injiziert werden.

Bei Eisen- (III)- Derisomaltose wie z. B. MonoFer beträgt die maximale Einzeldosis 20 mg / kg .

Beim Eisen- (III)- Natrium- Gluconat- Komplex wie z. B. Ferrlecit liegt die maximale Einzeldosis bei 62,5 mg.

Bei Eisen- (III)- hydroxid- Saccharose- Komplex wie z. B. Venofer liegt als Einzeldosis bei maximal 200 – 500 mg, die injiziert werden können (Herold 2022).

Die jeweiligen Herstellerangaben sollten stets beachtet werden.

Die Injektion ist langsam durchzuführen (genaue Zeitangaben des Herstellers beachten). Am besten hat sich eine Kurzinfusion in 100 ml NaCl erwiesen (Herold 2022).

 

Dauer der Anwendung:

Der Gesamtbedarf orientiert sich an den Produktinformationen. Die Normalisierung von Hämoglobin ist dabei der sicherste Indikator für eine ausreichende Substitution.

Das Serumferritin sollte ca. 100 µg / l erreichen und die Transferrinsättigung (TSAT) zwischen 20 – 45 % liegen (Herold 2022). Auf jeden Fall ist ein Anstieg der Transferrinsättigung auf > 50 % zu verhindern. Falls dieser längere Zeit besteht, ist das ein Hinweis auf eine Eisenüberladung des Gewebes. Da Eisen für die Zellen toxisch ist, sollte dieser Zustand unbedingt vermieden werden (Kasper 2015).

 

Nebenwirkungen:

Bei der parenteralen Substitution besteht das Risiko schwerer allergischer Reaktionen. Zwar ist die Gefahr einer Anaphylaxie bei den modernen Eisenpräparaten geringer, zusätzlich sind hochmolekulare Dextranpräparate in Deutschland inzwischen nicht mehr im Handel (Kuhlmann 2015).

Zu den Nebenwirkungen zählen:

- Schwere allergische Reaktionen

        - treten bei Eisen- Dextran in 33 Fällen pro 10 Mio. Applikationen auf

        - treten bei Eisen- Gluconat in 9 Fällen pro 10 Mio. Applikationen auf

        - treten bei Eisen- Sucrose in 6 Fällen pro 10 Mio. Applikationen auf (Kuhlmann 2015)

- paravasale Injektion mit

         - starken Schmerzen an der Injektionsstelle (Hitchings 2022)

         - Phlebitis

         - anhaltender Braunverfärbung der Haut (Hitchings 2022)

- Kopfschmerzen

- Übelkeit

- Erbrechen

- Metallgeschmack

- kardiale Schmerzen

- Gefahr einer Überdosierung

- Thrombophlebitis (Herold 2022)

Patienten mit einer atopischen Disposition sollten kein parenterales Eisen erhalten, da bei ihnen das Risiko schwerwiegender Komplikationen deutlich erhöht ist (Hitchings 2022)

 

Im Oktober 2013 gaben wegen schwerer anaphylaktischer Reaktionen die Bundesärztekammer und die Europäische Aufsichtsbehörde eine Warnung für die intravenöse Eisengabe aus, die besagt:

- Die Indikation für die intravenöse Therapie ist erst nach einer erfolglosen oralen Behandlung gegeben

- Eventuelle Risikogruppen sind vor Therapiebeginn zu identifizieren

- Eine ausführliche Aufklärung ist vor der ersten Behandlung erforderlich und sollte in regelmäßigen Abständen wiederholt werden

- Die erste Injektion muss unbedingt unter direkter Aufsicht eines Arztes erfolgen

- Ein in Reanimation erfahrenes Personal muss sich in unmittelbarer Nähe befinden

- Die empfohlene Infusionsdauer von 15 – 30 min ist unbedingt zu beachten

- Nach der Infusion ist eine Nachüberwachung erforderlich. Diese beträgt bei der ersten Gabe 60 min und bei den folgenden Infusionen ≥ 30 min (Kuhlmann 2015)

Bei Hämodialysepatienten finden sich allerdings relativ selten Nebenwirkungen (Kuhlmann 2015).

 

Laborkontrollen:

Die früheste Laborkontrolle empfiehlt sich 8 – 12 Wochen nach der letzten Eisengabe, da vorher falsch positive Werte angezeigt werden (Herold 2022).

 

Näheres s. Eisen, intravenös

 

 

  • 3. Erythrozytentransfusion

Bei der Behandlung eines Eisenmangels mit einer Erythrozytentransfusion kommt es weniger auf die Behebung des Eisenmangels an als auf die Behebung der Folgen einer schweren Anämie (Kasper 2015).

 

Indikation:

- Gefahr einer anämischen Hypoxie (Hönemann 2020)

- anhaltender oder übermäßiger Blutverlust

- kardiovaskuläre Instabilität (Kasper 2015)

 

 

  • 4. Erythropoese- stimulierende Agenzien (ESA)

ESA erhöht die Nutzung der Eisenspeicher. Insbesondere bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz hat sich die Gabe von ESA bewährt. Es sollte allerdings erst eingesetzt werden, wenn der funktionelle und absolute Eisenmangel korrigiert wurden und die Gabe von ESA gegen ein erhöhtes Schlaganfallrisiko abgewogen worden ist (Elstrott 2020).

 

Indikation:

- Chronische Nierenerkrankung:

         - symptomatische Anämie trotz Ausgleich von Eisenmangel

         - Hb < 9 g / dl (< 5,6 mmol / l)

         - zur Vermeidung einer Transfusionspflicht (Schwenger 2021)

- Onkologie:

         - somatische chemotherapieinduzierte Anämien mit einem Hb ≤ 10 g / dl (6,2 mmol / l) (Serve 2021)

 

Dosierungsempfehlung

Substituiert werden i. d. R. rekombinantes Erythropoetin oder EPO- Derivate wie z. B. Darbepoetin oder Cera.

- EPO 1 – 3 x wöchentlich

- Darbepoetin 1 x wöchentlich

- Cera 1 x alle 4 Wochen (Schwenger 2021)

 

Dauer

Es sollte bis zu einem Hb- Wert von 11,5 g / dl (7,1 mmol / l) substituiert werden (Weihrauch 2020).

 

Nebenwirkungen

- Erythem an der Injektionsstelle

- thromboembolische Ereignisse (Rieger 2022)

 

Präparate

EPO- Derivate wie z. B. Darbepoetin, Cera (Schwenger 2021)

 

Näheres dazu s. Eisenmangelanämie

 

Hinweis(e)

Wechselwirkungen von Eisenpräparaten:

Eisen sollte nicht gleichzeitig eingenommen werden mit z. B. Antazida, Colestyramin, Tetrazyklinen, bestimmten Nahrungsmitteln und Tee, da es zu wechselseitigen Resorptionsstörungen kommen kann (Herold 2022). Von daher empfiehlt sich die Nüchterneinnahme ohne Milch, Tee oder Kaffee (Behnisch 2021).

 

Eisentabletten:

- sind im Röntgenbild schattengebend und können leicht mit einer Lithiasis verwechselt werden

- können den Stuhl schwarz färben

- können bei Auflösung auch zur Schwarzfärbung der Zunge führen

- können in therapeutischer Dosis nach längerer Einnahme bei Alkoholikern, chronisch Lebererkrankten und Patienten mit Hämochromatose zur Eisenüberladung führen

- können für Kinder toxisch sein und lebensbedrohliche Zustände hervorrufen. Die letale Dosis liegt bei ca. 3 g Eisen- II- Sulfat. Deshalb sollten Eisenpräparate immer von Kindern fern gehalten werden (Herold 2022).

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Behnisch W, Muckenthaler M, Kulozik A (2021) AWMF Leitlinie: Eisenmangelanämie. Registriernummer 025 – 021
  2. Ehlen M (2014) Klinikstandards für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Allgemeine und spezielle diagnostische und therapeutische Prinzipien. Teil II Neonatologie. Thieme Verlag 116, 118
  3. Elstrott B, Khan L, Olson S, Raghunathan V, DeLoughery T, Shatzel J J (2020) The role of iron repletion in adult iron deficiency anemia and other diseases. Eur J Haematol. 104 (3) 153 - 161
  4. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 37 – 38
  5. Hitchings A, Lonsdale D, Burrage D, Baker E, Waldner M, Jefremow A, Bott A (2022) Die Top 100 Medikamente: Praktische Pharmakologie für den klinischen Alltag. Elsevier Urban und Fischer Verlag München 92 – 93
  6. Hönemann C, Hagemann O, Doll D, Ruebsam M L (2020) Patient Blood Management (PBM): Wo kommen wir her? Die heutige Situation. Intensiv- und Notfallbehandlung (45) 1 - 5
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education, 625 – 629
  8. Kuhlmann U, Böhler J, Luft F C, Alscher M D, Kunzendorf U (2015) Nephrologie: Pathophysiologie – Klinik - Nierenersatzverfahren. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 412 - 413
  9. Lundgren C et al. (2018) Arzneimitteltherapie im Alter. Elsevier Urban und Fischer Verlag 104 – 105
  10. Means R T (2020) Iron Deficiency and Iron Deficiency Anemia: Implications and Impact in Pregnancy, Fetal Development, and Early Childhood Parameters. Nutrients 12 (2) 447
  11. Metzgeroth G, Hastka J (2015) Eisenmangelanämie und Anämie der chronischen Erkrankungen. Der Internist (56) 978 – 988
  12. Rieger C et al. (2022) Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge: Manual Supportive Maßnahmen in der Hämatologie und Onkologie. Comprehensive Cancer Center (CCC) München. Zuckschwerdt Verlag GmbH München 173
  13. Schwenger W (2021) Klinikleitfaden Nephrologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 194
  14. Serve H, Zurmeyer D (2022) Therapie- Handbuch Onkologie und Hämatologie: Das Wichtigste für Klinik und Praxis. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 73
  15. Weihrauch T R et al. (2020) Internistische Therapie 2020 / 2021. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 713
  16. Wick M, Pinggera W, Lehmann P (2013) Klinik und Labor – Eisenstoffwechsel und Anämie: Neue Konzepte bei Renalen- und Tumoranämien. Springer Verlag Wien 79, 80
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Zuletzt aktualisiert am: 06.07.2022