Einkammerschrittmacher

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 17.12.2022

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Synonym(e)

AAI; HSM; Pacemaker; PM; Ventrikel- Demandschrittmacher; Vorhof- Demandschrittmacher; VVI

Erstbeschreiber

Die permanente Stimulation des Herzens ist seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts möglich (Kasper 2015). Earl Bakken, Mitbegründer der Firma Medtronic, entwickelte 1957 den ersten tragbaren Schrittmacher. Das Gerät wurde mit einer Kette um den Hals getragen, die Elektroden über eine Thorakotomie direkt zum Myokard geführt (Detho 2009).

Im Jahre 1958 implantierte Senning den ersten Schrittmacher. Es handelte sich hierbei um einen einfachen Kammerschrittmacher mit fixer Stimulationsfrequenz (Gertsch 2008).

Der Patient, Arne Larsson, wies einen kompletten Schenkelblock mit Adam- Stokes- Anfällen auf, weshalb er bis zu 30 x / d das Bewusstsein verlor. Zwar musste das Gerät nach wenigen Stunden und in den Folgewochen mehrmals ausgetauscht werden, aber Larsson war hoch zufrieden. Er verstarb im hohen Alter von 86 Jahren an einem Karzinom (Detho 2009).

Die programmierbaren Schrittmacher werden seit 1988 durch die Internationale Nomenklatur von Schrittmachersystemen, dem sog. NBG- Code klassifiziert (Bauch 2002).

 

 

Definition

Unter einem Einkammerschrittmacher versteht man eine implantierbare elektronische Vorrichtung mit der auf Vorhof- oder Kammerebene eine Stimulation der Herzaktionen stattfindet (Ebert 2005).

Das Schrittmachersystem ist dabei lediglich an eine Elektrode angeschlossen, die sich entweder im rechten Ventrikel (VVI) oder im rechten Atrium (AAI) befindet (Bob 2001).

Einkammerschrittmacher können als einziges System auch ohne Elektroden implantiert werden (Herold 2022).

Einteilung

Der Einkammerschrittmacher besteht aus einem Titangehäuse, dem sog. Schrittmacheraggregat, das neben einer Lithium- Batterie auch die elektrischen Schaltkreise enthält (Detho 2009). Das Aggregat ist mit einer Elektrode verbunden, die an unterschiedlichen Stellen im Herz plaziert ist (Bob 2001). Die Batterie muss – je nach Häufigkeit ihres Einsatzes – alle 5 – 10 Jahre ausgetauscht werden (Detho 2009).

Man differenziert bei den Einkammerschrittmachern zwischen:

  • Vorhof- Demandschrittmacher (AAI)

Hierbei erfolgen Wahrnehmung und Stimulation ausschließlich auf Vorhofebene (Ebert 2005). Die Stimulation des rechten Vorhofs zeigt sich im EKG durch einen Spike intrinsischer Erregungen (Bob 2001). Die Erregung der Kammern erfolgt über die eigene AV- Überleitung, so dass im EKG der QRS- Komplex nicht deformiert ist (Fischer 2013).

 

  • Ventrikel- Demandschrittmacher (VVI)

Die Wahrnehmung und Stimulation erfolgen hierbei ausschließlich auf Ventrikelebene (Ebert 2005) und nur – wie der Name bereits vermuten lässt - bei Bedarf (Gazarek 2019).

Stimuliert wird dabei der rechte Ventrikel, die übrigen Herzkammern werden durch die Myokardzellen erregt. Im EKG erscheint deshalb nach dem Schrittmacherspike ein linksschenkelblockartig verbreiterter QRS- Komplex und der Lagetyp wird zum überdrehten Linkstyp (Bob 2001).

Der VVI ist der am häufigsten implantierte Schrittmacher (Greten 2010).

 

Die Modi eines Herzschrittmachers werden mit einem fünfstelligen Code, der Internationale Nomenklatur von Schrittmachersystemen, auch als NBG- Code bezeichnet, klassifiziert (Bauch 2002). Seit 2002 ist folgende Fassung gültig (Gazarek 2019):

  • Erster Buchstabe:

Er steht für die Kammer, in der der Schrittmacher die Stimulation wahrnimmt (O: keine Wahrnehmung; A: Atrium; V: Ventrikel; D: dual; S: Single A oder V)

  • Zweiter Buchstabe:

Dieser steht für die Kammer, in der die Wahrnehmung stattfindet (O: keine Wahrnehmung; A: Atrium; V: Ventrikel; D: dual; S: Single A oder V)

  • Dritter Buchstabe:

Er kennzeichnet die Reaktion auf die Wahrnehmung (O: keine Reaktion; I: inhibierend; T: getriggert; D: dual [Inhibition + getriggert])

  • Vierter Buchstabe:

Dieser bezieht sich auf die Frequenzadaption (R, rate responsive)

  • Fünfter Buchstabe:

Der 5. Buchstabe bezieht sich auf die Multiside- Stimulation (A: Atrium; V: Ventrikel; D: dual)

(Gazarek 2019)

Heutzutage verfügen fast alle modernen Herzschrittmacher über die Möglichkeit, auf die Herzfrequenz mit einem von mehreren Frequenzsensoren zu reagieren: Aktivität oder Bewegung, Minutenventilation oder QT-Intervall. Schrittmacher sind i. d. R. multiprogrammierbar. Die am häufigsten programmierten Modi von implantierten Einkammer-Schrittmachern sind VVIR bzw. DDDR, wenngleich bei modernen Herzschrittmachern unterschiedliche Modi programmiert werden können. (Kasper 2015).

 

 

Allgemeine Information

  • Implantation:

Nach entsprechender Aufklärung des Patienten erfolgen:

- Röntgen Thorax in 2 Ebenen

- 12- Kanal- EKG

- Laboruntersuchungen einschließlich der Gerinnungswerte

Üblicherweise erfolgt die Implantation in Lokalanästhesie. Das Aggregat wird i. d. R. rechts subkutan, subfaszial auf dem M. pectoralis major plaziert. Dazu wird eine 5 – 7 cm große Hautinzision in der Mohrenheimschen Grube (Bereich des Sulcus deltoideopectoralis) durchgeführt.

Für die Elektrode erfolgt der venöse Zugang vorzugsweise über die V. cephalica, die meistens unter dem lateralen Rand des M. pectoralis major liegt (Bauch 2002), da die alternative Punktion der V. subclavia mit einer erhöhten Komplikationsrate zwischen 0,7 – 2,8 % verbunden ist (Fröhlig 2006).

Beim AAI wird die Elektrode in das rechte Vorhofsohr plaziert (Schiergens 2018), beim VVI am Boden oder an der Spitze des Ventrikels verankert (Bob 2001).

 

 

  •  1. Vorhof- Demand- Schrittmacher (AAI)

Indikationen:

- Erkrankungen des Sinusknotens mit intakter AV- Überleitung

- SA- Blockierungen 

Eine Bradyarrhythmie bei intermittierendem Vorhofflimmern sollte jedoch nicht bestehen (Herold 2022).

 

Kontraindikationen:

- AV- Blockierungen

- Vorhofflimmern (Fischer 2013)

 

Vorteile:

- HZV bleibt erhalten (Herold 2022) und kann in manchen Fällen bis zu bis zu 20 % gesteigert werden (Greten 2010).

 

 

  • 2. Ventrikel- Demand- Schrittmacher (VVI)

Der VVI stimuliert unabhängig vom Vorhofrhythmus (Gazarek 2019).

Er kann in bestimmten Fällen - wie z. B. bei Verschluss des venösen Zuganges, Problemen mit der Tasche durch z. B. Kachexie oder Demenz, erhöhtem Infektionsrisiko etc. (Glikson 2021) - auch ohne Elektrode implantiert werden als sog. „leadless pacer“ (Herold 2022). Ein Beispiel dafür ist das Micra- Transkatheter- Schrittmachersystem von Medtronic (El- Chami 2020).

 

Indikationen:

- Bradyarrhythmie bei Vorhofflimmern (Herold 2022)

- bei selten auftretenden Asystolien (AV- oder SA- Block [Ebert 2005])

 

Nachteile:

- unangenehme Palpitationen mit ggf. reflektorischem Blutdruckabfall

Diese treten bei ca. 20 % der VVI- Träger auf und werden als sog. „Schrittmachersyndrom“ bezeichnet. Es entsteht durch die unphysiologische Stimulation (Herold 2022).

- Verstärkung einer vorbestehenden Herzinsuffizienz

- Verschlechterung des HZV (Herold 2022)

 

 

Vorkommen

Seit der Einführung eines implantierbaren Herzstimulationsgerätes breitete sich diese Methode der Behandlung bradykarder Rhythmusstörungen weltweit aus. So wurden z. B. im Jahre 2004 ca. 800.000 Schrittmacher weltweit implantiert (Gertsch 2008).

In Deutschland werden pro Jahr ca. 65.000 Schrittmacher implantiert (Detho 2009).

Pathophysiologie

  • 1. Vorhof- Demand- Schrittmacher (AAI)

Hierbei besteht eine physiologische Folge von Vorhof- und Kammerkontraktion. Bei Unterschreiten der Interventionsfrequenz wird der Vorhof stimuliert, während Eigenaktionen des Vorhofes den Schrittmacher inhibieren (Herold 2022).

  • 2. Ventrikel- Demand- Schrittmacher (VVI)

Bei erhaltenem Sinusrhythmus führt die Kammerstimulation bei geschlossener AV- Klappe zu einer intermittierenden Vorhofpfropfung, da die Synchronisation zwischen Vorhof und Kammer fehlt (AV- Sequenz) oder durch den Kammerstimulus durch eine retrograde Vorhoferregung (Herold 2022).

 

 

Komplikation(en)

Die überwiegende Anzahl an Komplikationen tritt unmittelbar nach der Implantation auf oder ca. 5 – 8 Jahre später (Gertsch 2008). Herzschrittmacher generell arbeiten sehr zuverlässig, es kann aber dennoch zu verschiedenen Komplikationen kommen wie z. B.:

  • Asystolie
  • Kammerflimmern
  • Vorhofflimmern (Böcker 2021)
  • Luftembolie 
  • Infektionen
  • Hämatome
  • Herzperforation
  • Pneumothorax (Kasper 2015)
  • Hämatothorax 
  • Stimulation der Pectoralismuskulatur (Böcker 2021)
  • Stimulation des Zwerchfellnervs
  • Ablösung der Elektroden
  • Drehung (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) des Schrittmacher- Impulsgenerators in der subkutanen Tasche, das sog. „Twiddler- Syndrom“ kann führen zu:
    • Dislokation 
    • Verwicklung der Elektroden um den Generator 
  • Schrittmachersyndrom mit:
    • Nackenpulsationen
    • Herzklopfen
    • Müdigkeit
    • Erhöhung des Jugularvenendrucks
    • Schwindel
    • Synkopen
  • Stigmata einer Herzinsuffizienz wie z. B.
    • Ödeme
    • drittes Herzgeräusch
    • Rasselgeräusche (Kasper 2015)

 

  • Akute Notfälle bei Schrittmacherträgern:
  • Schrittmachertachykardie (kann durch eine Magnet- Auflage beendet werden)
  • akutes Koronarsyndrom (erschwert die primäre Infarktdiagnostik)

(Kleemann 2015)

 

  • Komplikationen bei rechtsventrikulärer apikaler Stimulation:
  • dysynchrone Aktivierung des linken Ventrikels, die führen kann zu:
  • Mitralklappeninsuffizienz
  • Beeinträchtigung der systolischen Funktion des linken Ventrikels
  • Stigmata einer Herzinsuffizienz (s. o.)

(Kasper 2015)

 

 

Prognose

Die Sterblichkeitsrate älterer Patienten mit einem AV- Block zeigte in mehreren Studien keinen Unterschied bei Implantation eines VVI- Schrittmachers im Vergleich zur Zweikammerstimulation (DDD).

(Kasper 2015)

 

 

Hinweis(e)

Nachsorge

Herzschrittmacher sollten – unabhängig von der Art des Aggregats - innerhalb von 72 h und 2 – 12 Wochen nach der Implantation überprüft werden. 

Die weitere Nachsorge in einer Praxis ist bei Einkammerschrittmachern alle 12 Monate erforderlich, bei Anzeichen für eine Entladung der Batterie bereits nach 3 – 6 Monaten. Eine telemedizinische Kontrolle wird alle 6 Monate empfohlen (Glikson 2021).

 

 

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bauch J, Betzler M, Lobenhoffer P (2002) Chirurgie upgrade 2002: Weiter- und Fortbildung. Springer Verlag Heidelberg 132 - 133
  2. Bob A, Bob K et al. (2001) MLP Duale Reihe: Innere Medizin. Sonderasugabe Georg Thieme Verlag Stuttgart 23 7 - 239
  3. Böcker D, Sommer P, Hansen C, Israel C, Lemke B, Vogler J, Eckardt L (2021) Sachkunde Schrittmachertherapie. Der Kardiologe (15) 201 - 206
  4. Detho F (2009) OP- Techniken: Implantation eines Herzschrittmachers – Taktell in der Brust. Via medici 14 (1) 30 - 33
  5. Ebert H H (2005) Der Schrittmacher- EKG- Lotse. Thieme Verlag Stuttgart / New York / Dehle / Rio 1 – 3
  6. El- Chami M F, Bhatia N K, Merchant F M (2020) Atrio-ventricular synchronous pacing with a single chamber leadless pacemaker: Programming and trouble shooting for common clinical scenarios. J Cardiovasc Electrophysiol. 32 (2) 533 - 539
  7. Fischer W, Locher M (2013) Praxis der Herzschrittmachertherapie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 36 – 39
  8. Fröhlig G, Carlsson J, Jung J, Koglek W, Lemke B, Markewitz A, Neuzner J (2006) Herzschrittmacher- und Defibrillator- Therapie: Indikation – Programmierung – Nachsorge. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 109 - 111
  9. Gazarek S, Restle C (2019) Herzschrittmachernachsorge für Einsteiger. Springer Verlag Deutschland 5 - 8
  10. Gertsch G, Fässler B (2008) Das EKG: Auf einen Blick und im Detail. Springer Verlag Heidelberg 531 - 551
  11. Glikson M, Nielsen J C (2021) ESC Pocket Guidelines: Schrittmacher- und kardiale Resynchronisationstherapie. Börm Bruckmeier Verlag GmbH
  12. Greten H, Rinninger F, Greten T (2010) Innere Medizin. Georg Thieme Verlag Stuttgart 72
  13. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 268
  14. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1469 – 1470, 1476
  15. Kleemann T, Strauß M, Kouraki K (2015) Akute Notfälle bei Schrittmacherträgern. Notfall und Rettungsmedizin (18) 325 – 339
  16. Schiergens T (2018) Chirurgie Basics. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 72
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