Diabetesdiät

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 04.04.2022

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Erstbeschreiber

Synonyme

Medizinische Ernährungstherapie (MNT) bei Diabetes mellitus;

 

 

Erstbeschreibung

Die Diabetesdiät hat in den letzten 200 Jahren eine sehr wechselvolle und auch kontroverse Einschätzung hinsichtlich der diätetischen Maßnahmen bei Diabetes mellitus geboten.

Der antike Arzt Aretaios von Kappadozien beschrieb erstmals 100 n. u. Z. (Schmeisl 2019) eindeutig diätetische Behandlungsmaßnahmen bei Diabetikern in Form von Milch, Suppen, Mehlspeisen und Fruchtsäften bei den Mahlzeiten.

Paracelsus (1493 – 1541) ließ Diabetes mellitus durch Hungerkuren therapieren. 

Sydenham (1624 – 1689), der von Paraspyros als „englischer Hippokrates“ bezeichnet wurde, empfahl eine Fleischdiät. Dies nahm der englische Militärarzt John Rollo Mitte des vorletzten Jahrhunderts auf. Dieser gilt oftmals fälschlicherweise als Erstbeschreiber der animalischen Diät.

(Oyen 1985). 

 

Definition

Die Definition der Diabetesdiät hat sich im Laufe der Geschichte häufig verändert. Heutzutage versteht man darunter eine Ernährungsempfehlung, die der der übergewichtigen Allgemeinbevölkerung ähnelt (Kasper 2015).

Der Begriff „Diabetesdiät“ ist zwar richtig, sollte aber möglichst vermieden werden, da er negative Assoziationen weckt (Liebl 2005).

 

 

Einteilung

Eine Diabetesdiät dient heute in erster Linie der Prävention und wird eingesetzt:

  • zur Gewichtsreduktion bei Hochrisikopatienten, um das Auftreten eines Diabetes mellitus hinauszuzögern bzw. zu verhindern 
  • um diabetesbedingte Komplikationen hinauszuzögern bzw. zu verhindern (Kasper 2015)

Allgemeine Information

Die früher strengen, restriktiven Regeln für Diabetiker werden heutzutage nicht mehr vermittelt. 

Bei der heutigen Diabetesdiät werden Obst, Gemüse, ballaststoffhaltige Lebensmittel und wenig Fett empfohlen (Kasper 2015).

Wichtige Größen bei der Diabetesdiät sind:

  • Glykämischer Index (GI)

Mit dem glykämischen Index lässt sich der postprandiale Anstieg des Blutzuckers abschätzen. Lebensmittel mit einem niedrigen glykämischen Index verhindern postprandiale Glukoseausschläge und verbessern dadurch die Blutzuckereinstellung (Kasper 2015).

  • Kohlenhydrateinheit (KE)

Das früher gängige Maß zur Bestimmung des Kohlenhydratanteils der Nahrung waren Broteinheiten (BE). Diese Bezeichnung ist inzwischen veraltet. Heutzutage misst man in KE. 1 KE = 10 g Kohlenhydrate (ca. ½ Brötchen). Für für 1 KE wird bei Gesunden in den Langerhans- Inseln ca. 1 IE Insulin sezerniert (Herold 2022).

Die Diabetesdiät sollte mehrere kleine Mahlzeiten umfassen, im Idealfall 5, große Mahlzeiten sollten gemieden werden (Herold 2022).

 

Diabetes Typ 1

Typ 1 Diabetiker sind meistens normalgewichtig. Um nicht eine zusätzliche Insulinresistenz auszulösen, sollte ein mögliches Übergewicht unbedingt vermieden werden. 

Bei einer konventionellen Insulintherapie ist der Patient an ein starres Insulinkonzept einschließlich vorgeschriebener Nahrungsaufnahme gebunden, bei der intensivierten Insulintherapie hingegen kann er neben der angepassten Insulinmenge auch die Ernährung frei bestimmen (Herold 2022).

 

Diabetes Typ 2

Beim Typ 2 Diabetes sollte die Behandlung u. a. in Form einer Diabetesdiät zur Gewichtsabnahme bereits im Stadium der Glukosetoleranzstörung beginnen (Herold 2022).

 

  • Ziele einer Diabetesdiät sind:
    • der BMI sollte bei < 25 liegen
    • falls ein BMI < 25 nicht erreicht werden kann, wird eine Gewichtsabnahme von 5 – 10 % empfohlen, die dann gehalten werden sollte (Herold 2022)

 

  • Zusammensetzung der Nahrung bei einer Diabetesdiät:
    • Fett: 
      • Der Fettanteil sollte bei ca. 35 % liegen, bei Adipösen bis max. 30 %
      • Maximal 10 % davon sollten mehrfach ungesättigte Fettsäuren sein, der Rest aus einfach ungesättigten Fettsäuren bestehen
      • Trans- FS < 1 %
      • Cholesterin bis max. 300 mg / d
      • 2 – 3 x / Woche Seefisch
      • Verwendung von Pflanzenölen wie z. B. Leinöl, Rapsöl, Perillaöl
    • Eiweiß:
      • Der Eiweißanteil sollte bei ca. 10 – 20 % der Gesamtkalorien liegen, wobei dieser mit zunehmendem Alter wegen der Alterskatabolie zu erhöhen ist
      • Bei Vorliegen einer diabetischen Nephropathie mit persistierender Proteinurie hingegen wird eine Eiweißrestriktion auf 0,8 g EW / kg KG / d empfohlen (bei einer terminalen Niereninsuffizienz hingegen ist die Reduktion wegen der gleichzeitig bestehenden Katabolie allerdings umstritten)
    • Kohlenhydrate:
      • Der restliche Kalorienbedarf von 45 – 60 % sollte aus Kohlenhydraten, gemessen in KE, bestehen. 
      • Schnell resorbierbare Monosaccharide wie z. B. Glukose und Disaccharide wie z. B. Laktose (Milchzucker) und Saccharose (Rohrzucker) sollten möglichst gemieden werden 
    • Süßstoffe:
      • Erlaubt sind Aspartam, Cyclamat, Saccharin, Stevia
      • Zuckeraustauschstoffe und Fruktose sollten gemieden werden, da sie vermutlich eher schädlich als nützlich sind 
    • Faserreiche Quellballaststoffe:
      • Empfohlen werden > 40 g / d
    • Alkohol:
      • Wirkt kontrainsulinär und erhöht damit die Gefahr einer Hypoglykämie durch
      • Hemmung der Glukoneogenese in der Leber
      • Hemmt die morgendliche Ausschüttung von Wachstumshormonen
      • Sollte nur gelegentlich konsumiert werden (maximal 10 g / d bei Frauen und 20 g / d bei Männern und dann immer zusammen mit Kohlenhydraten
      • Insbesondere bei gleichzeitig bestehender arterieller Hypertonie und Adipositas ist der Konsum weitestgehend einzuschränken
    • Diätprodukte für Diabetiker:
      • Diese gelten als nicht erforderlich für Diabetiker (Herold 2022)

 

 

Indikation

  • Diabetes Typ 1: Das Ziel der Diabetesdiät beim Typ 1 Diabetes ist es, 
    • die erforderliche Insulinmenge entsprechend der Kalorienzufuhr zu koordinieren und anzupassen
    • ausreichend flexibel zu sein, um sportliche Aktivitäten zu ermöglichen
    • Abweichungen der Kalorienzufuhr zuzulassen
    • eine mögliche Gewichtszunahme so gering wie möglich zu halten (Kasper 2015)
    • zur Verhinderung einer Insulinresistenz (Herold 2022)
  • Diabetes Typ 2 : Beim Typ 2 Diabetiker zielt die Diät darauf ab:
    • eine Gewichtsabnahme zu ermöglichen 
    • die stark erhöhte Prävalenz der kardiovaskulären Risikofaktoren wie z. B. Dyslipidämie, arterielle Hypertonie zu minimieren (Kasper 2015)

 

 

Vorkommen

Weltweit sind die Empfehlungen einer Diabetesdiät annähernd gleich. Lediglich in der tschechischen Diabetologie wird die kohlenhydratarme Ernährung nicht anerkannt, da Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit bestehen (Krejci 2018).

 

 

Prognose

Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Typ 2 Diabetikern selbst eine geringe Gewichtsabnahme von 5 – 7 % bei neu aufgetretenem Diabetes zu einer deutlichen Senkung des Blutzuckerspiegels führen. 

Eine langfristige Gewichtsabnahme ist allerdings eher selten (Kasper 2015). In diesen seltenen Fällen wird eine medikamentöse Therapie oftmals überflüssig bzw. die Manifestation des Typ 2 Diabetes kann hinausgezögert oder gar verhindert werden (Herold 2022).

Der höchste Gewichtsverlust trat laut Studie bei Typ 2 Diabetikern ein bei:

- mediterraner Ernährung mit - 1,84 kg

- kohlenhydratarmer Ernährung mit - 0,69 kg

Der HbA1c- Wert sank um 

- 0,12 % bei kohlenhydratarmer Ernährung

- 0,14 % bei niedrigem glykämischem Index

- 0,47 % bei mediterraner Ernährung

- 0,28 % bei einer eiweißreichen Ernährung

Die ideale Diät ist wahrscheinlich diejenige, die der Patient am besten einhalten kann (Sandouk 2017)

 

 

 

Hinweis(e)

Bei einer umfassenden Versorgung eines Diabetikers stellen regelmäßige Ernährungsschulungen einen wichtigen Bestandteil dar. Die restriktiven, strengen Regeln, die früher dem Diabetiker auferlegt wurden, gehören der Vergangenheit an.

Die heutige Diabetesdiät zielt nicht nur auf eine Gewichtsreduktion ab, sondern auch darauf, die Risikofaktoren für eine arterieller Hypertonie und Hyperlipidämie zu verändern (Kasper 2015).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bahrmann A et al. (2018) S2k- Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter. 2. Auflage AWMF-Registernummer: 057-017
  2. Bundesärztekammer (2021) Nationale Versorgungsleitlinien: Typ- 2- Diabetes. AWMF- Register- Nr. nvl-001 
  3. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 731 - 732
  4. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 55, 2408 – 2409, 2421
  5. Krejci H et al. (2018) Low-carbohydrate diet in diabetes mellitus treatment. Vnitr Lek. 64 (7 – 8) 742 – 752
  6. Liebl A et al. (2005) Diabetes mellitus Typ 2. Schriftenreihe der Bayerischen Landesapothekerkammer. (71) 23
  7. Oyen D et al. (1985) Zur Geschichte der Diabetesdiät. Springer Verlag Berlin / Heidelberg / New York / Tokyo 1 – 2, IX – X, 3 – 5
  8. Sandouk Z et al. (2017) Diabetes with obesity – Is there an ideal diet? Cleve Clin J Med. (84) 4 - 14
  9. Schmeisl G W (2019) Schulungsbuch Diabetes. Elsevier Urban und Fischer Verlag 1
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