Asterixis

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 25.01.2023

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Synonym(e)

Asterixis; Leberklappe; metabolischer Tremor; Schlagtremor

Erstbeschreiber

Im Thorndike Laboratory Hospital fielen die abnormen Bewegungen bei chronischen Lebererkrankungen erstmals auf. Man bezeichnete sie seinerzeit als „Leberklappe“.

James Foley und Praymond Adams beschrieben im Jahre 1949 erstmals einen Flapping Tremor (bei Patienten mit hepatischer Enzephalopathie [Ellul 2017]) und bezeichneten diesen als „Asterixis“ (Agarwal 2016).

 

Definition

Unter einem Flapping Tremor versteht man eine Störung der motorischen Kontrolle, eine Art negativen Myoklonus, der gekennzeichnet ist durch die Unfähigkeit, eine Position tonisch aktiver Muskeln beizubehalten (Agarwal 2016). Dieser Tonusverlust geschieht unwillkürlich (Manns 2016).

Einteilung

Der Flapping Tremor zählt zu den negativen Myoklonien = kurzer Verlust des Muskeltonus (Lazar 2020 / Ibrahim 2022). Er kann ein- oder beidseitig auftreten (Agarwal 2016), ist typischerweise asynchron und in Amplitude und Frequenz variabel (Zackria 2022).

 

Quantitativ differenziert man zwischen:

- Grad 1: few, wenig grobschlägige Zitterbewegungen

- Grad 2: occasional, gelegentliche grobschlägige Zitterbewegungen (Gerbes 2019).

 

Neben dem Flapping Tremor kann es bereits zu Beginn der auslösenden Erkrankung zu einem feinschlägigen Tremor mit einer Frequenz von 6 – 12 Hz kommen. Dieses wird als Mini- Asterixis bezeichnet (Butz 2015).

 

 

Allgemeine Information

Der Flapping Tremor stellt ein schwerwiegendes neurologisches Zeichen dar, das bei einer Reihe von Erkrankungen auftreten kann (Agarwal 2016).

Es kommt bei bestimmten Haltungen tonisch aktiver Muskeln zu einem kurzen Verlust der agonistischen Muskeln des Muskeltonus. Daraufhin folgt ein kompensatorischer Ruck der antagonistischen Muskeln (Agarwal 2016). Diese Aussetzer werden hervorgerufen durch unwillkürliche 50 – 200 ms anhaltende Phasen der Inaktivität (Young 1986).

 

- Ausführung der Untersuchung:

1. Der Patient wird aufgefordert, beide Arme auszustrecken und die Handgelenke nach hinten zu beugen. Bei Vorhandensein eines Flapping Tremors kommt es zu spontanen Vorwärtsbewegungen des Handgelenkes (Kasper 2015).

2. Der Patient liegt in Rückenlage, die Knie sind gebeugt und die Füße stehen flach auf der Unterlage. Nun werden die Beine zur Seite fallen gelassen. Es kommt zu einem negativen Myoklonus der unteren Extremitäten im Bereich der Hüftgelenke, optisch sichtbar durch Bewegungen der Knie (Agarwal 2016).

 

Vorkommen

Der bilaterale Flapping Tremor tritt am häufigsten im Rahmen einer metabolischen Enzephalopathie auf. Einseitiger Flapping Tremor, der stets auf strukturelle Hirnläsionen hindeutet, tritt mit 95,5 % am häufigsten durch ischämische oder hämorrhagische Störungen des ZNS auf (Agarwal 2016).

Ätiologie

Verursacht wird ein Flapping Tremor durch eine abnorme Funktion dienzephaler Zentren (Ploier 2013). Er ist aber für keine Erkrankung pathognomonisch (Zackria 2022).

 

Der Flapping Tremor kann bilateral auftreten im Rahmen folgender Erkrankungen:

- metabolische Enzephalopathie:

Bei Patienten mit hepatischer Enzephalopathie kann es bereits im Stadium II der West- Haven- Klassifikation zum Auftreten eines Flapping Tremors kommen (Herold 2022).

- chronischem Leberversagen

- akutem fulminanten Leberversagen

- fortgeschrittenem Nierenversagen (Kasper 2015)

- Atemstillstand

- Azotämie

- durch Medikamente wie z. B. bestimmte Sedativa (z. B. Benzodiazepine, Barbiturate), Antipsychotika (z. B. Lithium), Antikonvulsiva (z. B. Carbamazepin, Phenytoin), Antibiotika (z. B. Ceftazidim)

- Hypomagnesiämie

- Hypokaliämie

- bilaterale Hirnschädigung (Agarwal 2016)

 

Einen unilateralen Flapping Tremor findet man bei:

- fokaler Hirnschädigung im Bereich des

     - Thalamus

     - primären Motorkortex

     - Capsula interna

     - Pons

     - Cerebellum

     - Parietallappen

     - A. cerebri anterior

     - Corona radiata (Agarwal 2016)

Phenytoin kann einen unilateralen Flapping Tremor demaskieren (Agarwal 2016).

 

Pathophysiologie

Der Flapping Tremor tritt durch eine Unterbrechung der elektrischen Aktivität auf und führt zu einer anhaltenden Kontraktion der Extensoren. Diese anhaltende Kontraktion ist wahrscheinlich auf eine intermittierende Hemmung des neuronalen Systems zurückzuführen (Tater 2021).

Young und Shahani (1986) vermuten, dass der Flapping Tremor durch grundlegende neuronale oder neurale Systemprozesse ausgelöst wird.

 

Sowohl beim Flapping Tremor als auch bei der Mini- Asterixis ist der kontralaterale primäre motorische Kortex beteiligt, weshalb man auf eine gemeinsame Pathophysiologie schließen kann (Butz 2015). Die genaue Pathophysiologie konnte bislang noch nicht geklärt werden, es existieren aber mehrere Theorien (Zackria 2022).

Therapie allgemein

Die Therapie besteht in Behandlung des Grundleidens.

Der Flapping Tremor selbst ist kaum zu therapieren und erweist sich am therapieresistenten (Chandarana 2021).

Prognose

Ein Flapping Tremor weist im Rahmen einer chronischen Lebererkrankung einen prognostischen Wert auf:

Er wird selten beobachtet bei früher oder fortgeschrittener hepatischer Enzephalopathie. Mit Einsetzen des Leberkomas verschwindet er (Agarwal 2016).

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Agarwal R, Baid R (2016) Asterixis. J Postgrad Med. 62 (2) 115 – 117
  2. Butz M (2015) Verlangsamung kortikaler oszillatorischer Aktivität bei Hepatischer Enzephalopathie. Habilitationsschrift zur Erlangung der Venia Legendi für das Fach Klinische Neurowissenschaften und Medizinische Psychologie an der Hohen Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  3. Chandarana m, Saraf U, Divya K P, Krishan S, Kishore A (2021) Myoclonus – A Review. Ann Indian Acad Neurol. 24 (3) 327 - 338
  4. Ellul M A, Cross T J, Larner A J (2017) Asterixis. Pract Neurol. 17 (1) 60 – 62
  5. Gerbes A L, Labenz J, Appenrodt B, Dollinger S (2019) Aktualisierte S2k- Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) „Komplikationen der Leberzirrhose“ AWMF- Nr.: 021- 017
  6. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 557
  7. Ibrahim W, Zafar N, Sharma S (2022) Myoclonus. StatPearls. Treasure Island (FL) Bookshelf ID: NBK537015
  8. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 164, 1782, 1819, 2066
  9. Lazar M A (2020) Beeinträchtigte taktile zeitliche Diskrimination bei Patienten mit hepatischer Enzephalopathie. Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  10. Manns M P, Schneidewind S (2016) Praxis der Hepatologie. Springer Verlag Heidelberg / Berlin 247
  11. Ploier R (2013) Differentialdiagnosen in der Kinder- und Jugendmedizin. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 394
  12. Tater P, Pandey S (2021) Post-stroke Movement Disorders: Clinical Spectrum, Pathogenesis, and Management. Neurol India. 69 (2) 272 – 283
  13. Young R R, Shahani B T (1986) Asterixis: one type of negative myoclonus. Adv Neurol. 43 137 – 156
  14. Zackria R, John S (2022) Asterixis. StatPearls Publishing. Bookshelf ID: NBK535445
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