Aortenklappenstenose I35.0

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 30.03.2022

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Synonym(e)

Aortenstenose

Definition

Bei einer Aortenklappenstenose kommt es zu einer Verwachsung der Herzklappe. Die dadurch bedingte Einschränkung der Beweglichkeit führt zu einer Reduktion der Klappenöffnungsfläche und damit verbunden zu einer Behinderung des nach vorwärts gerichteten Blutflusses (Herold 2018 / Anschütz 1974).

 

Einteilung

Je nach Sitz der Stenose wird die AS unterteilt in:

  • bei einer Einengung in Klappenhöhe sprechen wir von einer valvulären AS
  • bei einer Einengung unterhalb der Aortenklappe von einer subvalvulären AS
  • bei einer Einengung oberhalb der Aortenklappe von einer supravalvulären AS

Angeborene Stenosen der Aorta können in allen 3 Formen vorkommen, erworbene fast ausschließlich als valvuläre Form (Gieretz 2010)

 

Vorkommen/Epidemiologie

Die Aortenklappenstenose (AS) ist mit 43 % aller Herzklappenfehler das häufigste Vitium in Europa und auch in Nordamerika (Herold 2018). Die Erkrankung betrifft zu 80 % das männliche Geschlecht (Bob 2001).

Bei Patienten, die im Alter von 16 bis 65 Jahren erkranken, liegt meistens eine kongenital bikuspide Aortenklappe vor, bei älteren Patienten eine größtenteils trikuspid angelegte Aortenklappe, die Stenosierungen und Verkalkungen aufweist (Krakau 2005) . Von den über 75- Jährigen sind ca. 4 % von einer AS betroffen (Pinger 2019).

Ätiopathogenese

Pathophysiologisch finden sich bei einer AS folgende Veränderungen: die Druckbelastung des linken Ventrikels führt zu einer konzentrischen Hypertrophie. Diese muss aber nicht immer vorhanden sein. Initial ist der linke Ventrikel noch in der Lage, den Druckgradienten an der Klappe zu überwinden und kann dadurch das Herzzeitvolumen (HZV) aufrecht erhalten. Bei progressiver Symptomatik kommt es meistens primär zu einer diastolischen Dysfunktion mit Lungenstauung. Durch die Hypertrophie des linken Ventrikels steigt Sauerstoffbedarf der kardialen Muskulatur an. Die Wandspannung des Ventrikels erhöht sich und beeinträchtigt den subendokardialen Blutfluss. Außerdem kann es zu einer Fehlantwort linksventrikulärer Barorezeptoren kommen, die eine periphere Vasodilatation bewirken (Herold 2018).

Ursächlich für eine Aortenklappenstenose sind: 

  • Degenerative Veränderungen in Folge einer Kalzifizierung: In den Industrieländern ist inzwischen die Kalzifikation bei älteren Menschen > 70 Jahre mit ca. 50 % die häufigste Ursache einer AS. Bei der bikuspid angelegten Aortenklappe entwickelt sich die Stenose bereits in früheren Jahren (meistens liegt hierbei die Operationsbedürftigkeit zwischen dem 50. bis 70. Lebensjahr), bei der trikuspid angelegten Klappe erst später zwischen dem 70. und 90. Lebensjahr.
  • Angeborene Aortenklappenstenose: bei jüngeren Erwachsenen liegt oftmals eine bereits angeborene Aortenklappenstenose vor. Hierbei handelt es sich meistens um eine bikuspid angelegte Klappe.
  • Subvalvuläre oder supravalvuläre kongenitale Aortenklappenstenose (sehr selten, z.B. Williams-Beuren-Syndrom)
  • Entzündliche Prozesse: Inflammationen unterschiedlicher Ätiologie führen zu einer Verdickung der Taschenklappen und zu einer Verklebung der Kommissuren, die im weiteren Verlauf eine Kalzifizierung bewirken. Die Stenose ist meistens mit einer Aortenklappeninsuffizienz kombiniert. Hinzu kommen häufig Veränderungen der Mitralklappe.Diese Ursache ist jedoch heutzutage in den Industrieländern dank konsequenter Antibiose inzwischen nur noch sehr selten zu finden.
  • Z. n. Radiatio (Kasper 2015)

 

Klinisches Bild

Der Krankheitsverlauf einer AS unterteilt sich nach Schuler (2017) in 4 Stadien:

  1. Stadium A: Sklerose einer trikuspid angelegten Klappe oder Vorhandensein einer bikuspiden Klappe
  2. Stadium B (auch progressive Aortenklappenstenose genannt): im Echokardiogramm nachgewiesene leichte bis mäßige Stenose
  3. Stadium C: Es findet sich ein hämodynamisch schwere AS, jedoch ohne Symptome
  4. Stadium D: Es findet sich ein hämodynamisch schwere AS mit Symptomen

Bei gesunden Erwachsenen liegt die Größe die Öffnungsfläche zwischen 2,6 – 3,5 cm². Bevor es zu einer hämodynamischen Auswirkung kommt, muss die Öffnungsfläche auf < 1,5 cm² abnehmen. Bei einer   hochgradigen definiert sich durch eine Öffnungsfläche von < 1,0 cm² (kann durchaus asymptomatisch verlaufen). Der Druckgradient ist bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion somit kein zwingendes Kriterium zur Definition der Funktionalität der Aortenklappenstenose (Herold 2018).

I. d. R. werden die Patienten ab einer Öffnungsfläche von < 1,0 cm², einem mittleren Gradienten von > 40 mmHg symptomatisch. Diese Konstellation tritt meistens erst im 6. - 8. Lebensjahrzehnt ein. Bei Patienten mit bikuspider Aortenklappe entwickeln sich die Symptome etwa 10 – 20 Jahre früher (Pinger 2019).

Zu den sog. Kardinalsymptomen zählen (Kasper 2015):

  • Dyspnoe bei Belastung
  • pektanginöse Beschwerden
  • Synkopen

Durch die zunehmende Lungenstauung kommt es im weiteren Verlauf zu einer:

  • Leistungsminderung
  • Dyspnoe.

Durch die Einschränkung des subendokardialen Blutfluss auf Grund der Ventrikelhypertrophie zu:

  • Angina pectoris.

Durch Fehlantwort linksventrikulärer Barorezeptoren zu:

  • Schwindel
  • Synkopen.

Weiterhin:

  • Herzrhythmusstörungen
  • plötzlicher Herztod bei körperlicher Belastung (tritt fast nur bei symptomatischen Patienten auf).

Bildgebung

Röntgen:

Solange sich die AS in einem kompensierten Stadium befindet, ist das Herz radiologisch unauffällig. Erst nach Entwicklung einer Dekompensation kommt es  nach Pinger (2019) zu:

  • Linksherzverbreiterung durch Vergrößerung des linken Ventrikels
  • Zeichen einer Lungenstauung bei Dekompensation
  • Nachweis von Klappenkalk
  • bei valvulärer AS poststenotische Dilatation der Aorta ascendens
  • abgerundete Herzspitze (aortale Konfiguration)
  • im weiteren Verlauf Dilatation des linken Atriums
  • evtl. Mitralkonfiguration bei Mitbeteiligung der Mitralklappe (sekundäre Mitralinsuffizienz)

In der MRT lassen sich Anatomie und Funktion des Herzens gut beurteilen. Folgende Werte können zusätzliche bestimmt werden:

  • der Druckgradient über der Stenose
  • die Klappenöffnungsfläche mittels Planimetrie (Die KÖF wird dabei aber - verglichen mit der Bestimmung nach Gorlin - z. T. deutlich überschätzt: KÖF im MRT 0,91 cm² vs. 0,64 cm² . Die Sensitivität und Spezifität bei einer KÖF < 0,8 cm² liegt bei 78 % bzw. 89 %. [Pinger 2019])

 

Diagnose

Inspektion und Palpation:

  • Zyanose, seltener findet sich ein Blässe (Pinger 2019)
  • Pulsus tardus et parvus (typisches Symptom, aber – besonders bei älteren Patienten – nur selten auftretend)
  • Herzspitzenstoß verbreitert und hebend (laut Pinger [2019] auch nach links verlagert)
  • systolisches Schwirren über der Aorta und in den Karotide

Auskultation: Leitsymptom einer Aortenklappenstenose ist ein

  • spindelförmiges rauhes Systolikum
    • Punctum maximum im 2. ICR rechts parasternal
    • mit Fortleitung in die Karotiden
    • vom 1. Herzton abgesetzt
    • je stärker die Stenose ausgebildet ist, um so mehr verlagert sich das Geräuschmaximum in die Spätsystole
  • frühsystolischer Ejektion- Klick (dieser fehlt jedoch bei unbeweglicher Klappe)
  • Abschwächung des Aortenanteils des 2. Herztons bei hochgradiger Stenose
  • der 2. Herzton ist atemvariabel gespalten
  • der 2. Herzton kann bei einer hochgradigen Stenose eine paradoxe Spaltung zeigen
  • Diastolikum bei begleitender Aortenklappeninsuffizienz

EKG:

Im EKG finden sich erst ab einer höhergradigen Stenose Veränderungen. Zeichen einer Hypertrophie können aber selbst bei einer schwerwiegenden AS fehlen.

  • Linkstyp
  • Zeichen der Linkshypertrophie (Sokolow- Lyon- Index: SV1 + RV5 oder RV6 > 3,5 mV)
  • T- Negativierung linkspräkordial V4- 6 als Zeichen der Druckhypertrophie

Belastungs- EKG (Pinger 2019):

Bei einer Aortenklappenstenose kann das Belastungs- EKG nicht zur Diagnostik einer KHK verwendet werden. Es dient hier lediglich zur Bestätigung der vermuteten belastungsunabhängigen Symptomatik.

Bei Patienten mit eindeutigen Symptomen einer AS besteht keine Indikation zur Durchführung eines Belastungs- EKGs..

BNP:

Der BNP- Wert spielt eine große Rolle hinsichtlich der Lebenserwartung (s. u. unter Prognose) und sollte deshalb laborchemisch bestimmt werden (Pinger 2019).
Magnetresonanztomographie

Echokardiographie / Doppler

Bei Stenosen wird echokardiographisch der sog. Druckgradient bestimmt. Für die Aortenklappe gilt:

  • der Druckgradient ist abhängig sowohl von der Pumpfunktion des Ventrikels, als auch von der Klappenöffnungsfläche (Herold 2018).

Die einzelnen Untersuchungsschritte (Pinger 2019):

  • Quantifizierung der Stenose mit Hilfe des maximal instantanem und mittleren Druckgradienten über der Klappe (der maximal instantane und mittlere Druckgradient wird aus der gemessenen maximalen bzw. mittleren Flussgeschwindigkeit mit Hilfe der modifizierten Bernoulli- Gleichung errechnet [Pinger 2019])
  • Berechnung der Klappenöffnungsfläche (hier gibt es 3 verschiedene Möglichkeiten:
    • 1. mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung (A1 x V1 = A2 x V2)
    • 2. durch die transthorakale Planimetrie
    • 3. durch die transösophageale Planimetrie
  • Größenmessung sämtlicher Vorhöfe und Kammern (hochgradige Stenose ist auch bei fehlender Hypertrophie möglich (Pinger 2019)
  • Beurteilung einer eventuellen Mitbeteiligung der übrigen Klappen
  • die Druckverhältnisse im kleinen Kreislauf sollten abgeschätzt werden
  • die maximale Flussgeschwindigkeit, der mittlere Gradient und die Klappenöffnungsfläche (KÖF) sollten immer angegeben werden (Pinger 2019)

Auf folgende Befunde ist besonders zu achten:

  • Anomalie der Taschen (bi- oder trikuspide Anlage)
  • verkalkte oder fibrotisch verdickte Aortenklappentaschen
  • bei kalzifizierender AS findet sich eine verminderte Klappenseparation
  • bei nur wenig verkalkter Klappe kann eine kuppelförmige Domstellung der Taschen während der Systole bestehen
  • konzentrische Hypertrophie des linken Ventrikels
  • Nachweis einer gleichzeitig bestehenden Aortenklappeninsuffizienz durch Reflux im Farbdoppler
  • eine etwaige Dilatation der Aorta ascendens (tritt meistens im Zusammenhang mit einer bikuspide angelegten Klappe auf)

Die Einteilung des Schweregrades der Stenose in gering, mittel oder hochgradig erfolgt abhängig von der Klappenöffnungsfläche und den Gradienten über der Klappe (Herold 2018).

Leichte AS:

  • KÖF > 1,5 cm²
  • mittlerer Druckgradient < 25 mmHg
  • Flussgeschwindigkeit < 3 m/s

Mäßige AS:

  • KÖF 1,0 cm² - 1,5 cm²
  • mittlerer Druckgradient 25 – 40 mmHg
  • Flussgeschwindigkeit 3 – 4 m/s

Schwere AS:

Echokardiographisch finden sich nach Pinger (2019) folgende Kriterien bei einer hochgradigen Artenklappenstenose:

  • Klappenöffnungsfläche < 1,0 cm² bzw. < 0,6 cm²/ m² (in Bezug auf die Körperoberfläche)
  • der mittlere Druckgradient beträgt > 40 mmHg
  • die maximale Flussgeschwindigkeit liegt bei > 4,0 m/ s (bei Patienten mit normalem transvalvulärem Fluss bzw. normalem HZV)
  • Geschwindigkeitsverhältnis < 0,25

Koronarangiographie:  Die Durchführung einer Koronarangiographie ist dann angezeigt, wenn zusätzlich der Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung besteht. Dieses trifft auf ca. 35 % der Patienten mit Aortenklappenstenose zu (Bonzel 2009). Im Jahre 2019 liegt diese Anzahl bereits bei bis zu 50 % der Fälle (Pinger). Nach ESC besteht eine präoperative Indikation zur Koronarangiographie bei (Pinger 2019):

  • anamnestisch bekannte KHK
  • Dysfunktion des linken Ventrikels
  • V. a. myokardiale Ischämie
  • postmenopausalen Frauen und Männern > 40 Jahre
  • Vorliegen von mindestens einem kardiovaskulären Risikofaktor
  • sekundärer Mitralinsuffizienz zur Evaluation

Die Indikation zur retrograden Sondierung der Aortenklappe sollte sorgfältig gestellt werden, da das Embolierisiko bis zu 22 % betragen kann (Omran 2003).

Manometrie: Bei der Druckmessung sollten der systolische (peak-to-peak) und der mittlere Gradient über der Klappe (zwischen linkem Ventrikel und Aorta gemessen) und die Klappenöffnungsfläche berechnet werden.

  • peak- to- peak- Gradient: Dieser stellt die Druckdifferenz zwischen maximalem systolischen Druck im linken Ventrikel und maximalem systolischen Aortendruck dar. Er kann dopplersonographisch nicht exakt gemessen werden, da die Gipfel nicht zur selben Zeit bestehen und damit eine Messung der Druckdifferenz nicht tatsächlich messbar ist.
  • maximaler instantaner Gradient: Darunter versteht man die momentane maximale Druckdifferenz zwischen dem systolischen Druck im linken Ventrikel und dem systolischen Aortendruck. Dieser wird bei simultaner Registrierung gemessen.
  • mittlerer Gradient: Unter dem mittleren Gradienten versteht man ein Flächenintegral zwischen der Druckkurve des linken Ventrikels und Aortendruckkurve, ebenfalls bei simultaner Registrierung.

Der Gradient ist abhängig vom Grad der Stenose, aber auch vom Blutfluss über die Klappe und somit dem HZV. Bei eingeschränkter Ventrikelfunktion findet sich zwar ein niedriger Gradient, aber dennoch kann eine relevante Stenose vorhanden sein. Hier spielt die Klappenöffnungsfläche (KÖF) eine wichtige Rolle. Sie kann mit Hilfe der Gorlin- Formel berechnet werden.

Die Klassifizierung einer AS ist in der Literatur nicht einheitlich (Herold 2018).

Graduierung des Schweregrades einer AS nach dem Druckgradienten (Krakau 2005):

  • Grad I < 40 mmHg
  • Grad II 40 – 80 mmHg
  • Grad III 80 – 120 mmHg
  • Grad IV > 120 mmHg

Einteilung des Schweregrades nach der Klappenöffnungsfläche (Krakau 2005):

  • leichtgradig: > 1,5 cm²
  • mittelgradig 0,8 – 1,5 cm²
  • schwerwiegend 0,4 – 0,7 cm²
  • kritisch < 0,4 cm²

Graduierung des Schweregrades nach der maximalen transvalvulären Flussgeschwindigkeit:

  • leichte AS < 3,0 m/s
  • mittelgradige AS 3,0 – 4, 0 m/s
  • schwere AS > 4,0 m/s

(Herold 2018)

„Low- Gradient“- Aortenklappenstenose

Der „Low- Gradient“- Aortenklappenstenose stellt eine besondere Herausforderung hinsichtlich der Einteilung des Schweregrades einer AS für den Untersucher dar und damit auch für die Zuführung zur optimalen Therapie.

Ein niedriger Fluss in Kombination mit einem niedrigen Gradienten können sowohl Folge einer systolischen und diastolischen Dysfunktion bei hochgradiger Aortenklappenstenose sein als auch Folge einer mittelgradigen Stenose in Zusammenhang mit einer nichtvalvulären Ursache (einer sog. Pseudoaortenklappenstenose). Da ausschließlich die Patienten der ersten Gruppe von einem Aortenklappenersatz profitieren würden, ist die Differenzierung zwischen beiden Ursachen wichtig (Herrmann 2013).

Patienten mit Pseudoaortenklappenstenose, deren Ursache eine dilatative Kardiomyopathie ist, würden von einer chirurgischen Klappenersatz nicht profitieren, der Klappenersatz geht in dieser Patientengruppe vielmehr mit einer hohen Mortalität einher. Von daher ist die Differenzierung zwischen einer Pseudostenose und einer schweren Aortenklappenstenose für die weiteren therapeutischen Konsequenzen entscheidend. Dies geschieht durch interventionelle Steigerung des niedrigen Flusses, welche durch eine Stressechokardiographie mit Dobutamin durchgeführt wird. Bei einer Pseudostenose kommt es nur zu einer minimalen Zunahme des transvalvulären Gradienten bei einer Größenzunahme der effektiven Öffnungsfläche (EOA: effective orifice area).

Bei der fixierten Aortenklappenstenose hingegen kommt es durch die katecholamin- bedingte Zunahme des Schlagvolumens zu einer Zunahme des transvalvulären Gradienten bei konstanter Klappenöffnungsfläche.

(Schuler 2017)

Differentialdiagnose

  • Mitralklappeninsuffizienz
  • Pulmonalstenose
  • Ventrikelseptumdefekt

(Bob 2001)

 

Komplikation(en)

  • Herzrhythmusstörungen
  • Linksherzversagen
  • plötzlicher Herztod (20 %)

(Herold 2018)

 

Therapie

Bis zum Jahre 2002 erfolgte die Behandlung der symptomatischen Aortenstenose ausschließlich chirurgisch. Nachdem durch A. Cribier die kathetergestützte Implantation eingeführt wurde, erfolgte der Klappenersatz durch die TAVI zunächst ausschließlich bei inoperablen Patienten oder bei Patienten mit hohem Op- Risiko.

Inzwischen liegen jedoch auch randomisierte, kontrollierte Studien von Patienten mit intermediärem Risiko vor. Dabei hat sich gezeigt, dass die TAVI gleichwertig zum chirurgischen Klappenersatz zu bewerten ist. Allerdings treten bei der TAVI mehr vaskuläre Komplikationen, paravalvuläre Lecks und Schrittmacherimplantationen auf. Dagegen traten in der chirurgischen Gruppe mehr allgemeine Blutungskomplikationen, ein akutes Nierenversagen und nicht bekanntes Vorhofflimmern auf.

Diese Studien wurden beim Update der ESC- Leitlinien von 2017 erstmalig berücksichtigt und daraufhin die transfemorale TAVI als Leitlinienempfehlung Klasse I b für Patienten mit intermediärem Risiko ausgesprochen und damit der chirurgischen Therapie gleichgesetzt.

(Ince 2018)

 

Entsprechend der ESC- Leitlinien von 2017 liegen bei der Aortenklappenstenose folgende

 

1. Evidenzgrad IB:

- bei symptomatischen Patienten mit schwerer AS sollte unverzüglich die operative Beseitigung der Stenose erfolgen

 

2. Evidenzgrad IC:

- symptomatische Patienten mit relevanter low- flow, low- gradient- Stenose und eingeschränkter Funktion des linken Ventrikels

- asymptomatische Patienten mit schwerer Aortenstenose und reduzierter systolischer Funktion des linken Ventrikels (EF < 50 %) ohne andere Ursachen

- asymptomatische Patienten mit schwerer Aortenstenose und dem Auftreten einer Symptomatik beim Belastungstest

 

3. Evidenzgrad IIaC:

- symptomatische Patienten mit relevanter low- flow, low- gradient- Stenose bei erhaltener Funktion des linken Ventrikels

- asymptomatische Patienten mit schwerer Aortenstenose und mittel- bis hochgradig verkalkter Aortenklappe sowie rascher hämodynamischer Progression (d. h. Zunahme der Aortenklappen- V max> 03, m/s/ Jahr)

- asymptomatische Patienten mit schwerer Aortenstenose und Blutdruckabfall unter den Ausgangswert beim Belastungstest

- asymptomatische Patienten mit schwerer Aortenstenose und hohem BNP- Wert (B- natriuretisches Peptid)

(Herold 2019)

 

Bei symptomatischen Patienten besteht die Wahl zwischen einer operativen Maßnahme und einer TAVI. Die Entscheidung darüber sollte immer nach individueller Risikoabschätzung erfolgen.

Die Operation sollte eher bei Patienten mit niedrigem Op- Risiko in Betracht gezogen werden (STS- oder EURO- Score II < 4 %, Empfehlungsklasse IB)

Die TAVI wird empfohlen bei Patienten mit mittlerem oder hohem Risiko (STS- oder EURO- Score II ≥ 4 %, Empfehlungsklasse IB)

Die Entscheidung einer TAVI sollte - bei für die Operation nicht geeigneten Patienten - im Heart Team (Kardiologie, Kardiochirurgie, Kardioanästhesie) gemeinsam getroffen werden.

(Herold 2019)

 

Bei asymptomatischen Patienten wird die TAVI nicht empfohlen. Hier ist grundsätzlich chirurgisch vorzugehen. Sofern bei den asymptomatischen Patienten die o. g. Zusatzkriterien jedoch nicht erfüllt sind, kann man zunächst vorsichtig abwarten und bei Auftreten von Zusatzkriterien entsprechend der o. g. ESC Guidelines verfahren (Herold 2019).

Patienten mit schwerer AS sollten größere Anstrengungen und Leistungssport vermeiden. Auch eine Dehydratation bzw. Hypovolämie muss unbedingt vermieden werden, da es ansonsten zu einer signifikanten Reduktion des Schlagvolumens kommen kann (Kasper 2015).

Bei einer nachgewiesenen schweren Aortenklappenstenose mit Ausschluss einer Pseudoaortenklappenstenose der sog. „Low- Gradient“- Aortenklappenstenose ist eine medikamentöse Therapie der begleitenden Herzinsuffizienz nicht effektiv möglich. Die einzige therapeutische Maßnahme stellt hierbei die chirurgische Intervention dar (Herold 2018).

Anders sieht es mit den Medikamenten zur Behandlung der Hypertonie oder der koronaren Herzerkrankung aus. Betarezeptorenblocker und ACE- Hemmer können asymptomatischen Patienten ohne Probleme gegeben werden, ebenso Nitrate (Kasper 2015). Patienten mit degenerativer kalzifizierender Aortenklappenstenose zeigten in einer retrospektiven Studie unter einer Therapie mit HMG- CoA- Reduktase- Hemmern (Statinen) eine langsameres Fortschreiten sowohl der Kalzifizierung als auch der Abnahme der Öffnungsfläche. In randomisierten prospektiven Studien konnte dieses Ergebnis jedoch nicht reproduziert werden. Dennoch wird der Einsatz von Statinen empfohlen (Kasper 2015).

Näheres zur operativen Maßnahme s. u. Klappenersatz

Verlauf/Prognose

Kontrolluntersuchungen werden bei Patienten mit leichter und bis dahin asymptomatischer AS alle 3 Jahre empfohlen. Bei höhergradigen, aber bis dahin asymptomatischen Verläufen sollten Kontrolluntersuchungen bereits in 6 bis 12- monatigen Intervallen stattfinden (Herold 2018). Die durch eine Stenose der Klappen auftretende Druckbelastung ist für das Herz weitaus belastender als die Volumenbelastung, die durch eine Klappeninsuffizienz auftritt. Von daher hat eine Stenose der Herzklappen grundsätzlich die ungünstigere Prognose. Dennoch bleiben ca. 50 % der Patienten - trotz hochgradiger Stenose - über Jahre hinweg asymptomatisch. Bei der näheren anamnestischen Befragung zeigt sich allerdings oftmals, dass sich die Patienten unbewusst körperlich schonen und damit eine etwaige Symptomatik verhindern (Herold 2018).

Eine große Rolle bei der Lebenserwartung spielt der BNP- Wert (Pinger 2019). Bei Patienten mit einer hochgradigen Aortenklappenstenose bei niedrigem Druckgradienten beträgt die 1- Jahresüberlebensrate:

  • 47 % bei einem BNP von > 550 pg / ml
  • 97 % bei einem BNP von < 550 pg / ml

Insofern sollte der BNP- Wert bei Patienten mit AS immer bestimmt werden.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Patienten mit AS ohne Symptomatik eine gute Prognose haben. Sobald die Patienten aber symptomatisch werden, liegt die 2- Jahres- Überlebensrate ohne operative Maßnahmen < 50 %. Vom Beginn der Symptome an bis zum Tode dauert es bei natürlichem Verlauf (Kasper 2015):

  • bei Angina pectoris 3 Jahre
  • Synkopen 3 Jahre
  • Dyspnoe 2 Jahre
  • Herzinsuffizienz 1,5 – 2 Jahre

Die Letalität bei einem operativen Klappenersatz beträgt ca. 3 % und steigt auf ca. 6 % bei gleichzeitiger koronar- arterieller Bypass- Operation (CABG) an (Herold 2018).

Bei Patienten mit einer bis dahin nicht operativ behandelten Aortenklappenstenose besteht nach neuesten Richtlinien keine Indikation mehr für eine Endokarditisprophylaxe (Herold 2018). Einzige Ausnahme: Anamnestisch bereits stattgehabte Endokarditis (Kasper 2015).

Nach einer Klappenrekonstruktion oder einer prothetischen Herzklappe besteht jedoch ein deutlich erhöhtes Risiko einer Endokarditis (cave: medikamentöse Prophylaxe notwendig: Die postprozedurale Bakteriämiefrequenz nach Zahnextraktionen bei Gingivitis liegt bei bis zu 90 %. Von daher ist postoperativ bei bestimmten Eingriffen eine Endokarditisprophylaxe erforderlich. Die Standardtherapie wird als Einzeldosis ca. 30- 60 min. vor dem Eingriff verabreicht, z. B. Amoxicillin oder Ampicillin 2 g oral oder i. v. bzw. bei Penicillinallergie Clindamycin 600 mg ebenfalls oral oder i. v. (Pinger 2019).

Näheres s. Endokarditisprophylaxe

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Anschütz F et al (1974) Taschenbücher Allgemeinmedizin: Kardiologie Hypertonie Springer Verlag S. 134
  2. Bob A et al. (2001) Innere Medizin Duale Reihe Sonderausgabe MLP Thieme Verlag S 84 - 87
  3. Bonzel T et al (2009) Leitfaden Herzkatheter Steinkopff Verlag 54 – 57
  4. Gieretz H G, Ludolph E (2010) Begutachtung in der Kardiologie. ecomed Medizin S 104 - 109
  5. Herrmann S et al. (2013) „Low-Flow/Low-Gradient“-Aortenklappenstenose: Klinisches und diagnostisches Spektrum. Herz: Cardiovascular Diseases. (3) Springer Verlag
  6. Herold G et al. (2018) Innere Medizin. Herold Verlag S 174- 176
  7. Herold G et al. (2019) Innere Medizin Herold Verlag S 177

  8. Ince H et al. (2018) Herzklappenerkrankungen – Update ESC- Leitlinie 2017. Dtsch med Wochensch (24) Georg Thieme Verlag S 1765 - 1769

  9. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education S 1528- 1534
  10. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag S 1863 – 1883
  11. Krakau I et al. (2005) Das Herzkatheterbuch: Diagnostische und interventionelle Kathetertechniken. Georg Thieme Verlag 130 - 138
  12. Omran H et al. (2003) Silent and apparent cerebral embolism after retrograde catheterisation of the aortic valve in valvular stenosis: a prospective, randomised study. Lancet Elsevier (361) 1241 - 1246
  13. Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag. 275 – 298
  14. Schuler G (2017) Körperliche Aktivität und Krankheit. De Gruyter Verlag S 289, S 292

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Zuletzt aktualisiert am: 30.03.2022