Anurie R34

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 26.10.2020

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Synonym(e)

eingeschränkte Harnausscheidung; fehlende Harnausscheidung; Harnverhalt; Ischurie; Oligoanurie

Erstbeschreiber

Als Erster beschrieb bereits im antiken Griechenland der 460 v. u. Z. (Choulant 1828) geborene Hippokrates den Harnverhalt und bezeichnete diesen als „Ischurie“ (Baehrens 1829).

Definition

Die Anurie ist ein Symptom einer gestörten Diurese (Herold 2020). Man spricht dann von einer Anurie, wenn die Harnausscheidung bei < 100 ml / d liegt. Sollte überhaupt kein Urin mehr produziert werden, handelt es sich um eine sog. „komplette Anurie“ (Staubach 2008).

Es ist aber nicht nur die Harnmenge bei der Anurie eingeschränkt, sondern auch die Harnqualität (Hautmann 2006).

 

 

Vorkommen/Epidemiologie

Eine Anurie kann in jedem Lebensalter auftreten.

 

 

Ätiopathogenese

Die Ursache einer Anurie kann prärenal, intrarenal oder postrenal sein. Am häufigsten ist diese prärenal bedingt (Staubach 2008).

  • Prärenales Nierenversagen:
    • Schock 
      • traumatisch
      • kardial
      • anaphylaktisch
    • Störung der Herzkreislauffunktion
      • z. B. durch Herzinsuffizienz
    • Volumenmangel
    • Flüssigkeitsmangel (besonders bei Älteren)
    • bei parenteraler Ernährung iatrogen verminderte Flüssigkeitszufuhr
    • Niereninsuffizienz (akute oder chronische)
    • vermindertes intravasales Volumen im Rahmen einer:
      • Pankreatitis
    • vermindertes intraarterielles Volumen durch z. B.:
      • Leberzirrhose
      • nephrotisches Syndrom
    • Störungen der intrarenalen Hämodynamik durch z. B.:
      • NSAR (können zu einer präglomerulären Vasokonstriktion führen)
      • ACE- Hemmer (können zu einer postglomerulären Vasokonstriktion führen)
  • Intrarenales Nierenversagen:
    • vaskuläre Ursachen wie z. B.:
      • Thrombose, Embolie oder Stenose der V. oder A. renalis
    • akute Glomerulonephritis (besonders bei der rasch fortschreitenden Form [Kasper 2015])
    • akute Nekrose der Nierenrinde bzw.
    • akute Tubulusnekrose z. B.
      • ischämisch oder toxisch bedingt
  • Postrenales Nierenversagen:
    • Obstruktion des oberen Harntraktes bei z. B.
      • Nephrolithiasis
      • Urothelkarzinom
      • M. Ormond (retroperitoneale Fibrose unklarer Ursache [Staubach 2008])
    • Obstruktion des unteren Harntraktes bei z. B.
      • benigner Prostatahyperplasie
      • Harnblasenkarzinom
      • Phimose
      • neurogene Blase (Kasper 2015 / Brunkhorst 2010 / Hautmann 2006)

 

Klinisches Bild

Eine Anurie kann – abhängig von der Ursache des Harnverhalts - plötzlich auftreten oder sich chronisch entwickeln (Kuhlmann 2015).

 

 

Diagnostik

Es sollten umgehend - der jeweiligen Symptomatik angepasst - anamnestische, körperliche, apparative und laborchemische Untersuchungen zur Ursachenfindung erfolgen.

Das Leitsymptom der postrenalen Anurie stellt eine sonographisch darstellbare leere Blase dar (Hautmann 2006).

 

 

 

Differentialdiagnose

Differentialdiagnostisch ist die Oligurie abzugrenzen, bei der die tägliche Harnausscheidung zwischen >100 ml bis < 500 ml / d liegt (Herold 2020).

Therapie

Die Therapie richtet sich nach der die Anurie verursachenden Grunderkrankung.

Verlauf/Prognose

Prognostisch ist entscheidend, ob es sich bei der Ursache der Anurie um ein ein chronisches oder akutes Nierenversagen handelt, da nur bei der akuten Form eine „restitutio ad integrum“ möglich ist (Schmelz 2014).

Eine unbehandelte Anurie verläuft immer letal.

Literatur
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  1. Baehrens J F (1829) Die Harnlehre des Hippokrates, in ihrem wahren Werthe: behauptet von Dr. Fr. Baehrens. Büschler‘sche Verlags- Buchhandlung 371
  2. Brunkhorst R et al. (2010) Differentialdiagnose und Differentialtherapie: Entscheidungen in der Inneren Medizin. Urban und Fischer Verlag München 12
  3. Choulant L (1828) Handbuch der Bücherkunde für die aeltere Medicin zur Kenntnis der griechischen, lateinischen und arabischen Schriften im ärztlichen Fache und zur bibliographischen Unterscheidung ihrer verschiedenen Ausgaben, Uebersetzungen und Erläuterungen. Verlag von Leopold Voss 9
  4. Hautmann R et al. (2006) Urologie Springer Verlag 28
  5. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 599
  6. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1790
  7. Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme 473 
  8. Schmelz H U et al. (2014) Facharztwissen Urologie: Differenzierte Diagnostik und Therapie. Springer Verlag 663
  9. Staubach K H et al. (2008) Viererverband kleine operative Fächer: Kurzlehrbuch Urologie, Augenheilkunde, HNO, Orthopädie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 5, 13

Verweisende Artikel (1)

Hämolytische Transfusionsreaktionen;

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