Fibroxanthom atypisches C49; D48.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Co-Autor: Dr. med. Nessr Abu Rached

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Zuletzt aktualisiert am: 01.12.2022

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Synonym(e)

AFX; Atypical fibroxanthoma; Atypisches Fibroxanthom; Cutaneous malignant histiocytoma; Fibrosarkom paradoxes; paradoxes Fibrosarkom; Pleomorphic malignant fibrous histiocytoma; pseudocarcinoma; Pseudokarzinom; Pseudosarkomatöses Retikulohistiozytom; Pseudosarkomatöses Xanthofibrom; Xanthofibrom pseudosarkomatöses

Erstbeschreiber

Hellwig, 1961 (publiziert 1963)

Definition

Seltene, solitäre, innerhalb weniger Monate rasch wachsende, intermediär-maligne, fibrohistiozytäre Geschwulst der Haut mit relativ gutartigem klinischem Verlauf, die fast ausschließlich in lichtgeschädigter Haut älterer Menschen auftritt. Wahrscheinlich handelt es sich nicht um ein eigenständiges Krankheitsbild, sondern um ein Reaktionsmuster unterschiedlicher, weitgehend entdifferezierter Neoplasien, aber auch degenerativer Prozesse. So verbergen sich hinter diesem feingeweblichen Reaktionsmuster Plattenenpithelkarzinome, Melanome, Basalzellkarzinome pseudosarkomatöse Xanthogranulomvarianten u.a. Einige Autoren fassen das atypische Fibroxanthom als kutane Variante des malignen fibrösen Histiozytoms auf (Cooper JZ et al. 2005).

Vorkommen/Epidemiologie

Die Inzidenz liegt bei 2,5/100.000;  m>w; 

Ätiopathogenese

UV wie auch eine vorherige Bestrahlungstherapie mit Röntgenstrahlen scheinen eine entscheidende pathogenetische Rolle zu spielen; weiterhin eine andauernde Immundefizienz (Zunahme von AFX bei Organtransplantierten) sowie genetische Defekte wie die z.B. beim Xeroderma pigmentosum.

Vermehrt gefunden wurden Mutationen im Tumorsuppressor-Gen p53, denen man eine pathogenetische  Relevanz zuschreibt. Weiterhin wurden Telomerase-revers-Transkriptase (TERT)-Promotor-Mutationen nachgewiesen. Diese Mutaionen führen durch eine Aktivierung von Telomerasen und zu einer Immortalisierung der Zellen (Grievank KG et al. 2014). 

Die Histogenese ist nach wie vor ungeklärt: Als wahrscheinlich ist der Ausgang von wenig differenzierten mesenchymalen Ursprungszellen, evtl. Histiozyten oder Fibroblasten anzunehmen. Vermutet werden auch Proliferationen von entdifferenzierten Keratinozyten (in einzelnen Fällen wurde eine fokale Keratinexpression nachgewiesen), eine myoblastoide Proliferation, eine Proliferation von Langerhanszellen u.a.

Manifestation

Die Erstmanifestation ist während zweier Altersgipfel besonders häufig, in der 4. bzw. 7. Dekade, wobei letzterer deutlich größer ist (in einer größeren Studie - Mahalingam S. et al. - lag der Altersdurchschnitt bei 75,9 Jahren). Der erste Gipfel bezieht sich v.a. auf nicht-lichtgeschädigte Areale (Extremitäten, Stamm).

Lokalisation

V.a. Ohren, Nase, Wangen, Nacken, Kapillitium. Bei jüngeren Menschen auch Extremitäten oder Stamm.

Klinisches Bild

In aktinisch vorgeschädigter Haut findet sich ein solitärer, bis zu 3,0 cm großer, derber, indolenter, hautfarbener, roter oder braun-roter, fester Knoten mit glatt atrophischer Oberfläche, der häufig auf seiner Unterlage nicht verschieblich ist (Infiltration des subkutanen Fettgewebes). Nicht selten ulzerierte und damit verkrustete oder diffus blutende Oberfläche. 

Histologie

Meist gut abgegrenzter, auf die Dermis beschränkter, nicht ins subkutane Fettgewebe reichender (Unterschied zum pleomorphen dermaleinst Sarkom) Knoten aus atypischen, spindelförmigen oder pleomorphen Zellen mit vesikulären oder bizarren, hyperchromatischen Kernen. Häufig anzutreffen sind bizarr konfigurierte mehrkernige Riesenzellen und atypische Mitosen.

Ein eindeutiger immunhistologischer Marker zur eindeutigen Diagnose eines atypischen Fibroxanthoms fehlt bisher. Die Zellen sind CD34, S100, Desmin, HMB-45 (human melanoma black 45) negativ
(Koch M et al. 2015) (DD: Dermatofibrosarcoma protuberans) sowie konstant Vimentin positiv. Weiterhin findet sich eine inkonstante Reaktivität für alpha glattmuskuläres Aktin und für CD68. Gelegentlich wird eine fokale Keratinexpression beobachtet (sog. Keratin-positives AFX). Weiterhin finden sich zahlreiche Gefäßanschnitte. Häufig fokale Einblutungen. Zelluläre Varianten mit Pigmentierung sowie granulärer oder klarzelliger Degeneration sind möglich.

Nicht selten sind myxoide Abschnitte, die das histologische Bild auch dominieren können. Molekularpathologie: der Nachweis von  p53 Mutationen und TERT Promotor-Mutationen geben Hinweise auf die UV-Induktion des Tumors.  

Diagnose

Der klinische Befund ist wenig spezifisch. Das histologische Muster und insbesondere die Immunhistochemie ist für das AFX diagnostisch wichtig.

Differentialdiagnose

  • Klinisch:
    • Basalzellkarzinom: Wie AFX ebenfalls in lichtexponierten Arealen; typische perlschnurartige Randbetonung des BCC fehlt.
    • spinozelluläres Karzinom: Klinisch nicht zu unterscheiden! Histologie ist diagnostisch.
    • Hyperplastische aktinische Keratose: nur minimal erhaben, deutlich durch Hornauflagerungen konsistenzvermehrt. Meist mehrzählig. 
    • Keratoakanthom: Keratoakanthom-artige AFX sind beschrieben. Wachstum jedoch langsam; kein zentraler Hornkrater!
    • Granuloma teleangiectaticum: Deutlich schnelleres Wachstum; typischerweise nicht bevorzugt in lichtexponierten Arealen.
    • Malignes Melanom: AFX ist unpigmentiert. 
    • Merkelzell-Karzinom: Schnell wachsende, klinisch schwer zu taxierende Geschwulst. Histologie ist diagnostisch.
    • Dermatofibrosarcoma protuberans: Altersgipfel des DFSP zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Keine Bevorzugung der lichtexponierten Hautareale. Derbe, fast holzartige Konsistenz.
    • Hautmetastasen: Hier wird i.A. ein schnelles Wachstum erwartet; keine Bevorzugung der lichtexponierten Hautareale.
  • Histologisch:
    • Karzinom, spinozelluläres, desmoplastisches: Feine Stränge oder kleinere Tumorzellnester mit atypischen, sehr polymorphen Keratinozyten, die von einem breiten desmoplastischen Stroma umgeben sind. Der Tumor neigt zu infiltrierendem Wachstum entlang autochthoner Strukturen wie Nerven oder Gefäße. Tumorzellen sind Zytokeratin - gelegentlich auch Vimentin - positiv.
    • Melanom, malignes, desmoplastisches: Faszikuläre oder knotige Zellzüge aus atypischen, hyperchromatischen, spindeligen Zellen, die zwischen den fibrotisch verdichteten kollagenen Fasern liegen. Gelegentlich Mitosen. Desmoplastische Melanome zeigen Neurotropie und folgen dem Verlauf der dermalen Nerven (desmoplastisch-neutropes Melanom). Immunhistologie: S-100-, (HMB-45-, Melan A- sind nicht immer positiv) und Vimentin-positiv (!); S-100 ist der verlässlichste Marker.
    • Undifferenziertes, pleomorphes Sarkom (UPS): Wahrscheinlich handelt es sich beim AFX um die superfizielle Variante des UPS.
    • Malignes fibröses Histiozytom (MFH): Diese "umstrittene" Tumorspezies dürfte keine echte Differenzialdiagnose darstellen, da UPS und MFH wahrscheinlich identische Geschwülste sind (s. Hinweis).
    • Leiomyosarkom: Reaktivität für Glattmuskelaktin und (inkonstant) Desmin. h- Caldesmon +; Zytokeratin +/-.

Komplikation(en)

Neigung zu lokalen Rezidiven (7-9%). Diese treten meist innerhalb einer Frist von 1-2 Jahren auf. Sehr selten Metastasierung (0,5-4%) meist in die regionalen Lymphknoten gefolgt von Leber, Lunge und Subkutis.

Therapie

Exzision mit einem Sicherheitsabstand von mind. 0,5 cm. Mikroskopisch kontrollierte Chirurgie wird inzwischen als "state of the art" angesehen.

Bestrahlungstherapie

Eine Bestrahlungstherapie kann als Alternative bei operativ ungünstigem Situs erfolgen. Ansprechen nur bei höheren Dosen (ca. 60–65 Gy).

Verlauf/Prognose

Bei allseitiger Komplettexzsion günstige Prognose. Eine Metastasierung ist selten (Bemerkung: in älteren Statistiken wird eine Metastasierungsquote zwischen 0,5%-10% angegeben). 

Nachsorge

Die Nachsorge sollte in den ersten beiden Jahren halbjährlich erfolgen. Im dritten bis zum fünften Jahr jährlich. Die Nachsorge umfasst klinische Untersuchungen des/der Patienten/Patientin.

Hinweis(e)

Viele Autoren postulieren eine Identität des malignen fibrösen Histiozytoms (MFH) und des undifferenzierten pleomorphen Sarkoms (UPS). Histologisch kann zwischen MFH und UPS nicht unterschieden werden. Das atypische Fibroxanthom wird wiederum als (superfizielle) dermale Variante dieser Tumorspezies angesehen.

Literatur
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  1. Cooper JZ et al. (2005) Metastasizing atypical fibroxanthoma (cutaneous malignant histiocytoma): report of five cases. Dermatol Surg 31: 221-255
  2. Eckert F et al. (1990) Das atypische Fibroxanthom. Hautarzt 41: 39-42
  3. Fretzin DF, Hellwig EB (1973) Atypical fibroxanthoma of the skin. Cancer 31: 1541
  4. Griewank KG et al. (2014) TERT promoter mutations are frequent in atypical fibroxanthomas and pleomorphic dermal sarcomas. Mod Pathol 27:502-508.
  5. Helwig EB (1963) Atypical fibroxanthoma. Tex J Med 59: 664-667
  6. Hilgers M et al. (2014) Atypisches Fibroxanthom am Capillitium. Hautarzt 65: 1008-1010
  7. Hügel H (2006) Fibrohistiocytic skin tumors. J Dtsch Dermatol Ges 4: 544-555
  8. Koch M et al. (2015) Atypical Fibroxanthoma - Histological Diagnosis, Immunohistochemical Markers and Concepts of Therapy. Anticancer Res 35:5717-5735. 

  9. Iorizzo LJ et al. (2011) Atypical fibroxanthoma: A review of literature. Dermatol Surg 37: 146-157

  10. Mahalingam S et al. (2015) Atypical Fibroxanthoma: A case series and review of literature. Auris Nasus Larynx. 42:469-471
  11. Rizzardi C et al. (2003) Atypical fibroxanthoma and malignant fibrous histiocytoma of the skin. Anticancer Res 23: 1847-1851
  12. Stepanova A et al. (2005) A rare low-grade malignant scalp tumor Atypical fibroxanthoma. Hautarzt 56: 679-683

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