Venenthrombose tiefe der oberen Extremität I80.28

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 16.05.2018

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Synonym(e)

Akute venöse Thromboembolie der oberen Extremität; Phlebothrombose der oberen Extremität; Tiefe Venenthrombose der oberen Extremität; TVT-OE; Upper-extremity deep vein thrombosis; Upper-limb deep vein thrombosis

Definition

Plötzlicher oder schleichender, partieller oder vollständiger Verschluss mindestens eines Segments der tiefen Leit- und Muskelvenen von Venen der oberen Extremität und Thoraxapertur, hervorgerufen durch einen Thrombus mit Neigung zum Wachstum sowie der Gefahr der Embolisierung in die Lungen. Dazu gehören Vv. jugularis, brachiocephalica, subclavia und axillaris sowie die weiter distal liegenden Vv.brachialis, ulnaris und radialis.

 

Einteilung

Die tiefe Venenthrombose der oberen Extremität (TV-OE) wird eingeteilt:

  • Primäre tiefe Venenthrombose der oberen Extremität (idiopathisch, anatomische Variationen)
  • Sekundäre tiefe Venenthrombose der oberen Extremität (assoziiert mit Tumorerkrnankungen, intravenösen Kathetern, Schrittmacher)

Vorkommen/Epidemiologie

Risiko an einer TVT liegt bei 1:1.000/Jahr; TV-OEs betreffen etwa 4-10% des Gesamtkollektivs (Encke A et al. 2016) mit steigender Inzidenz. Mit  80%  sind sekundäre TVT-OEs weitaus häufiger als primäre TVT-OEs (Sajid MS et al. 2007)

Ätiopathogenese

Strömungsverlangsamung des Blutes, Endothelverletzungen (s.u. Endothel) bei zentralen Venenkathetern und Herzschrittmachern. Als weitere Risikofaktoren gelten Tumorerkrankungen, Alter >40 Jahre, Immobilisation, Überanstrengung (Thrombose par èffort), thromboembolische Ereignisse in der Vorgeschichte.

Insbesondere die Kombination aus Reizung der Gefäßwand durch einen ZVK bzw. durch Chemotherapeutika und eine tumorbedingte Hyperkoagulopathie des Blutes scheint die Bildung einer TVT-OE zu begünstigen. Bei >50% der Patienten mit einer TVT-OE befindet sich ein ZVK oder ein Herzschrittmacher im betroffenen Stromgebiet (Spencer FA et al. 2007). Bei bis zu 49% der Pat. Leigt eine Tumorerkrankung vor (Heil J et al.2018). Eine maligne Grunderkrankung erhöht das Risiko um den Faktor 18 gegenüber Nicht-Tumorpatienten. Ein weiteres Risiko stellen operative Eingriffe dar.    

 

Manifestation

Auftreten insbes. im mittleren und höheren Alter (median 60 Jahre).

Lokalisation

Am häufigsten betroffen sind die Vv. Subclavia (62%), Axillaris (45%), Jugularis (45%) wobei durchaus auch >1 Thrombose nachgewiesen werden kann.

Klinisches Bild

Zeichen der venösen Stauung wie Schwellung, Schmerzen, Ödem, Zyanose, Dilatation der oberflächlichen Venen. 33-60% der TVT-OE verlaufen asymptomatisch (Sajid MS 2007). Die Gefahr der Lungenembolie ist während der ersten 3 Tage der Thromboseentwicklung am höchsten.

Hinweis auf eine Thrombose  im Bereich der Vv. subclavia/axillaris kann ein lokalisierter Nacken-oder Schulterschmerz sein. Auch eine Schwäche oder Parästhesien in dem betroffenen Arm sowie erhöhte Körpertemperaturen können Hinweise auf eine TVT-OE sein.   

 

Diagnose

Diagnostischer Algorithmus auf der Basis der Constans-Kriterien:

  • ZVK oder Schrittmacher (1 Punkt)
  • Lokalisierter Schmerz (1 Punkt)
  • Einseitige Schwellung (1 Punkt)
  • Alternative Diagnose wahrscheinlich für Beschwerden (1 Punkt abzüglich)

Beurteilung: =/>2 Punkte: TVT-OE wahrscheinlich); Bestimmung der D-Dimere (>500 ug/L)

Weiterhin: 

  • Duplex-Kompressionssonographie (Methode der ersten Wahl) unter Berücksichtigung der klinischen Wahrscheinlichkeit.
  • Bei unsicherem oder negativem Befund in der Kompressionssonographie: Phlebographie oder D-Dimer-Testung.
  • Thrombophiliediagnostik: Exakte Familienanamnese. Im Einzelfall Laborparameterbestimmung: Resistenz gegenüber aktiviertem Protein C (Faktor V Leiden Mutation), Mangel an Protein C, Protein S, Antithrombin III, Vorhandenseins eines Lupusantikoagulans, respektive Anti-Cardiolipinantikörpers, Störungen in der Fibrinolyse oder Hyperhomozysteinämie, evtl. Abklärung von Familienangehörigen, bei welchen eventuell auch eine Thromboseneigung bestehen könnte.
  •  

Therapie

Die Therapie orientiert sich an der Behandlung der tiefen Venenthrombose der unteren Extremität.

Initiale Antikoagulation:

Vollheparinisierung in therapeutischer Dosierung (guter Evidenzgrad): Gewichtsadaptiert mit niedermolekularem Heparin (NMH) z.B. Nadroparin (Fraxiparin) 2mal/Tag 0.1 ml/10 kg KG s.c.; nur in Ausnahmefällen mit unfraktioniertem Heparin. S.u. Heparine, systemische.

Für die initiale Therapie der TVT-UE (Tiefe Venenthrombose der unteren Extremität) sind die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAC)  wie Rivaroxaban (initial 2x15mg p.o./Tag, nach 3 Wochen 1x20mg p.o/Tag) und Apixaban (initial 2x10mg p.o./Tag, nach 7 Tagen Erhaltungsdosis 2x5mg p.o./Tag). Sie können auch bei der TVT-OE in dieser Dosierung eingesetzt werden.    

Zur Erhaltungstherapie wurden bislang weitgehend Vitamin-K-Antagonisten eingesetzt. Zielbereich der International Normalized Ratio (INR) ist 2,0-3,0. Zunehmend finden jedoch in der Erhaltungstherapie die DOACs  Verwendung, deren Vorteil in der Reduktion von Majorblutungen liegt. Weiterhin im Verzicht der INR-Kontrollen.

Die Dauer der Erhaltungstherapie liegt abhängig von der Ursache bei 3-6 Monate.     

Alternativ: Regionale hypertherme Fibrinolytika-Perfusion: Neues Verfahren, abgeleitet von der hyperthermen Extremitätenperfusion beim malignen Melanom. Vorteile: Keine KI, keine Altersbegrenzungen, keine systemischen NW.

Operative Therapie

Thrombolyse: Nur in Ausnahmefällen evtl. indiziert bei jungen Menschen mit ausgedehnter Erst-Thrombose, kurzer Anamnese, umspülten Thromben, akuter Bedrohung der Extremität und Ausschluss einer Thrombophilie. Kontraindikationen äußerst streng beachten! Eine Behandlung durch Thrombolyse oder Thromboektomie sollte spezialisierten Zentren mit ausreichender Erfahrung vorbehalten sein. Präparate: Streptokinase, Urokinase, Alteplase (rtPA, recombinant tissue-type plasminogen activator), Tenecteplase (TNK-t-PA).

Thrombolyse-Verfahren: Systemische Lysetherapie (sehr hohe Nebenwirkungsrate), lokoregionale Lysetherapie.

Literatur
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  1. Avila ML et al. (2016) Pediatric post-thrombotic syndrome in children: Toward the development of a new diagnostic and evaluative measurement tool. Thromb Res 144:184-191.
  2. Encke A et al. (2016) The prophylaxis of venous thromboembolism. Dtsch Ärztebl. Int 113: 532-538
  3. EINSTEIN Investigators (2011) Oral Rivaroxaban for symptomatic venous thromboembolism. N Engl J Med 363: 2499-2510
  4. Heil J et al. (2017) Tiefe Venenthrombose der oberen Extremität.  Dtsch Ärztebl 114: 244-249
  5. Lewis BE et al. (2007) Direct thrombin inhibition during percutaneous coronary intervention in patients with heparin-induced thrombocytopenia. Expert Rev Cardiovasc Ther 5: 57-68
  6. Qi X et al. (2016) Splenectomy Causes 10-Fold Increased Risk of Portal Venous System Thrombosis in Liver Cirrhosis Patients. Med Sci Monit 22:2528-2550.
  7. Ridker PM et al. (2003) Long-term, low-intensity warfarin therapy for the prevention of recurrent venous thromboembolism. N Engl J Med 348: 1425-1434
  8. Sajid MS et al. (2007) Upper limb deep vein thrombosis: a literature review to streamline the protocol for management. Acta Haematol.118:10-18.
  9. Scurr JH et al. (2001) Frequency and prevention of symptomless deep-vein thrombosis in long-haul flights: a randomised trial. Lancet. 357: 1485-1489
  10. Spencer FA et al. (2007) Upper extremity deep vein thrombosis: a community-based perspective.Am J Med 120:678-684.
  11. Turpie AG et al. (2002) Venous thromboembolism: pathophysiology, clinical features, and prevention. BMJ 325: 887-890

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