Mikroskopische Kolitis K52.9 (Sonstige näher bezeichnete nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis)

Autor: Prof. Dr. med. Guido Gerken

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Zuletzt aktualisiert am: 17.06.2020

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Synonym(e)

Colitis mikroskopische; Drug induced microscopic colitis; Kolitis mikroskopische; Kollagene Kolitis; Kollagenkolitis; Lymphozytäre Kolitis; Microscopic colitis; Mikroskopische Colitis

Erstbeschreiber

Lindström 1976; Beschreibung der lymphozytären Kolitis durch Lazenby 1989

Definition

Die mikroskopische Kolitis ist eine chronische Entzündung der Schleimhaut des Dickdarms, deren Ursache nach wie vor nicht geklärt ist und die klinisch mit heftiger wässriger Diarrhoe (Durchfall) einhergeht. Im Hinblick auf das klinische Leitsymptom werden diese Erkrankungsformen auch unter dem Oberbegriff des „Syndrom der wässrigen Diarrhoen“ zusammengefaßt. Die mikroskopische Kolitis führt zu keinen makroskopisch auffälligen (d. h. endoskopisch sichtbaren) Schleimhautveränderungen. Sie ist jedoch durch einen charakteristischen histologischen Befund definiert. Somit ist das Krankheitsbild ausschließlich feingeweblich nachweisbar.

Einteilung

Entsprechend dem histologischen Bild wird unterschieden (Olesen M et al. 2004):

  • die lymphozytäre Kolitis
  • die kollagene Kolitis (Kollagenkolitis)

Vorkommen/Epidemiologie

In Europa wird die geringste Inzidenz (0,6/100.000) für Frankreich, die höchste (5,2/100.000) für Island (2/100.000) angegeben. Die höchsten Inzidenzraten finden sich nach schwedischen Untersuchungen mit 26,9/ 100.000 in der Gruppe von Frauen, > 60 Jahre. Olesen et al. gaben für Skandinavien die Inzidenz mit 4,4 pro 100.000 an. Für die lymphozytäre Kolitis wurden nach den Untersuchungen von Pardi et al. steigende Inzidenzraten in den vergangenen Jahren gefunden. Epidemiologische Untersuchungen aus Schweden (Olesen M et al. 2016) und USA (Pardi DS et al. 2007) zeigen übereinstimmend einen Anstieg der Inzidenzraten in den vergangenen Jahren. Es besteht eine zunehmende Tendenz.

w:m=5:1.

Ätiopathogenese

Angenommen wird eine multifaktorielle Genese; auslösend sind versch. Medikamente wie NSAR, Paroxetin, Omeprazol, Simvastatin. Bakterielle Genese (Nachweis von Yersinien Antikörper)? Autoimmunologische Genese (in 25% positive ANA-Titer)?

Weiterhin werden genetische Faktoren (HLA-Determination) diskutiert. Verschiedene Mediatoren (TGF-beta, VEGF) wurden im Rahmen der entzündlichen Reaktion beschrieben.  Die Bedeutung luminaler Agenzien wird dadurch verständlich, dass die Anlage eines Ileostomas histologisch zu einer deutlichen Reduktion des Kollagenbandes führt.

Manifestation

Das mediane Alter bei Diagnosestellung liegt bei 59 (48-70) Jahren.

Klinisches Bild

Wesentliches Leitsymptom der mikroskopischen Kolitis ist der wässrige Durchfall (in 100% der Fälle). Weiterhin:

  • nächtliche Diarrhöen (27 %)
  • Gewichtsverlust (42 %)
  • abdominelle Schmerzen (41 %)
  • Übelkeit (21 %)
  • Meteorismus (12 %)

Assoziierte Erkrankungen: Beschrieben wurden das Sjögren-Syndrom, das Raynaud-Syndrom, die rheumatoide Arthritis (seropositiv/seronegativ), die Psoriasis, die Sprue, Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hyper- bzw. Hypothyreose) und Diabetes mellitus. Bei etwa 10% der Personen handelte es sich um Verwandte ersten oder zweiten Grades von Patienten mit Colitis ulcerosa, Morbus Crohn oder Zöliakie. Insofern ist eine genetische Komponente zu diskutieren.

Histologie

Bei der kollagenen Kolitis ist ein breites subepitheliales Kollagenband (> 10 µm) charakteristisch. Weiterhin besteht ein entzündliches Infiltrat der Tunica propria aus Lymphozyten und Plasmazellen. Bei der lymphozytären Kolitis besteht eine deutliche Vermehrung der intraepithelialen T-Lymphozyten (CD8+Suppressorzellen: > 20 intraepitheliale Lymphozyten pro 100 Epithelzellen) im Deckepithel der Kolonschleimhaut. Das Deckepithel selbst ist abgeflacht und verschmälert. Pathophysiologie: Die Besonderheit der kollagenen Kolitis liegt in der übermäßigen Ausbildung einer (physiologisch bei jedem Menschen vorhandenen, aber nur wenige Mikrometer dicken) Membran, die normalerweise die Schleimhautepithelzellen von den darunterliegenden Schichten der Darmwand trennt. Diese Membran verdickt sich; sie besteht dann im Wesentlichen aus Reparaturkollagenen, wie sie etwa bei der Narbenbildung auftreten.

Differentialdiagnose

Kolitis bakterieller Genese; Laktoseintoleranz, Reizdarmsyndrom vom Diarrhötyp; Sprue.

Therapie allgemein

Probiotika:  Bei 29 Patienten mit kollagener Kolitis wurde im Rahmen einer Placebo­kontrollierten Studie der Effekt von Lactobacillus acidophilus LA­5 und Bifidobacterium animalis subspp. lactis BB12 geprüft. Ein Unterschied zwischen den beiden Behandlungsregimen fand sich jedoch nicht.

E. coli-Extrakte: Weiterhin wurde der Einfluss von E. coli-Extrakte (Bakterium Escherichia coli, Stamm Nissle 1917) bei 14 Patienten mit kollagener Kolitis untersucht. Bei 64 Prozent der behandelten Patienten konnte eine Reduktion der Stuhlhäufigkeit um mehr als 50 Prozent verzeichnet werden. Die Ergebnisse bedürfen weiterer Bestätigung.  

Symptomatisch: Als symptomatische antidiarrhöische Maßnahmen: Loperamid, Aktivkohle.

Therapie allgemein

Evtl. auslösende Medikamente absetzen.

Interne Therapie

Therapie der 1. Wahl ist eine Kombinationstherapie aus Glukokortikoiden und 5-Aminosalicylsäure (Budesonid oder Prednisolon und Mesalazin) empfohlen. Bei > 80 % der Patienten kommt es unter Budesonid zu einer Besserung der Symptomatik (Olesen M et al. 2004).

Alternativ: TNF-alpha-Antikörpern (Infliximab, Adalimumab)

Alternativ: Methotrexat: In Analogie zum Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa wurden bei therapierefraktären Patienten auch Methotrexat eingesetzt. In einem kleinen Kollektiv ergab sich bei 14 von 19 behandelten Patienten in einer retrospektiven Fallsammlung ein gutes klinisches Ansprechen. Weitere Untersuchungen zu Methotrexat sind notwendig.

Verlauf/Prognose

25% der Fälle, Besserung. 75% d.F. rezidivieren, z.T. mit langjährigen symptomfreien Intervallen.

Naturheilkunde

Boswellia serrata (Weihrauch). Die Rationale zum Einsatz von Boswellia serrata ist die Hemmung der Leukotrien-Synthese. Madisch et al. (2007) konnten in einer placebokontrollierten Studie den Effekt der Weihrauch-Therapie nachweisen. Bei Gabe von 3 x 400 mg Boswellia serrata Extrakt waren nach 6 Wochen 63,3 % der Patienten in klinischer Remission. Der Unterschied zu Plazebo (26,7 %) ist statistisch hochsignifikant (p=0,04 (Madisch A et al. 2007).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Agnarsdottir MO et al. (2002) Collagenous and lymphocytic colitis in Iceland. Dig. Dis. Sci. 47: 1122-1128
  2. Bohr J et al. (1995) Collagenous colitis in Örebro, Sweden, an epidemiological study 1984 – 1993. Gut 37: 394-397
  3. Fernández-Banares F et al. (1999) Incidence of collagenous and lymphocytic colitis – A 5-year population-based study. Am J Gastroenterol 94: 418-423
  4. Gentile N et al. (2018) Prevalence, Pathogenesis, Diagnosis, and Management of
  5.  Microscopic Colitis. Gut Liver 12:227-235.
  6. Madisch A et al. (2006) Clinical Course of collagenous colitis over a period of 10 years. Z. Gastroenterol 44: 971 – 974
  7. Marshall JB et al. (1995) Chronic, unexplained diarrhea: are biopsies necessary if colonoscopy is normal. Am. J. Gastroenterol 90: 372 – 376
  8. Miehlke S et al. (2003) High prevalence of Yersinia IgG and IgA in patients with collagenous colitis. Gastroenterology 124: A144
  9. Olesen M et al. (2004) Lymphocytic colitis: a retrospective clinical study of 199 Swedish patients. Gut 53: 536–541.
  10. Olesen M et al. (2004) Lymphocytic colitis: a retrospective study of 199 Swedish patients. Gut 53: 536-541
  11. Pardi DS et al. (2007) The epidemiology of microscopic colitis: a population based study in Olmsted County, MN. Gut 56: 504 - 508
  12. Thijs WJ et al. (2005) Microscopic colitis: prevalence and distribution throughout the colon in patients with chronic diarrhea. Neth J Med 63: 137-140

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