Mastozytose kutane makulopapulöse Q82.2

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Pia Nagel

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 23.03.2023

This article in english

Synonym(e)

Braunmensch; CM; Cutaneous mastocytosis; Generalisierte kutane Mastozytose; Kutane Mastozytose; Makulopapulöse kutane Mastozytose; Mastozytose-Syndrom; Mastzellenretikulose; MCM; Morbus Rywlin; Nettleshipsche Krankheit; Nettleship-Syndrom; Urtikaria pigmentosa

Erstbeschreiber

Nettleship, 1869; Sangster, 1878

Definition

Die makulopapulöse kutane Mastozytose (Urticaria pigmentosa der alten Nomenklatur) ist der weitaus häufigste Typ der kutanen Mastozytosen. Die frühkindlichen Formen der kutanen Mastozytose entsprechen häufig dem klinischen Bild des solitären oder mehrzähligen Mastozytoms

Dem rein deskriptiven Krankheitsbild der makulopapulösen Mastozytose liegt eine klonale Erkrankung der CD34+ hämatopoetischen Stammzelle im Knochenmark zugrunde mit Ausbildung klinisch distinkter Krankheitsbilder, die durch Mastzellproliferaten in der Haut (und ggf. auch in inneren Organen - v.a. Knochenmark, lymphatische Organe) gekennzeichnet sind. 

Bei der (monoorganischen) kutanen Mastozytose vom Typ der makulopapulösen kutanen Mastozytose beschränkt sich die Proliferation der Mastzellen ausschließlich auf die Haut.   

Bei der systemischen Mastozytose kann die Haut mitbeteiligt sei; sie kann jedoch auch ohne jegliche Hautbeteiligung auftrten (die Hautveränderungen entsprechen dem klinischen Bild der makulopapulösen kutanen Mastozytose oder der diffusen kutanen Mastozytose). Eine systemische Mastozytose beginnt häufig im Erwachsenenalter, seltener bereits im Kindesalter. Im Kindesalter kann diese Manifestationsform als "monoorganische, kutane, makulopapulöse Mastozytose" beginnen, um dann im Erwachsenenalter als "Indolente systemische Mastozytose" systemisch relevant zu werden. 

Die klinische Symptomatik der systemischen Mastozytose ist je nach Manifestationstyp (Indolente systemische Mastozytose/advanced systemische Mastozytose) heterogen und abhängig von der Mastzelllast. Anaphylaktische Reaktionen und weitere durch Mastzellmediatoren ausgelöste Reaktionen wie Flush-Symptome, Pruritus, Urtikaria, Asthmaanfälle, abdominale Beschwerden wie Diarrhoe oder gastrointestinale Ulcera sowie Gelenk-und Knochenschmerzen kennzeichnen das klinische Bild.

Einteilung

Makulopapulöse kutane Mastozytose = disseminierte Mastozytose; 5 Mastozytome = Makulopapulöse kutane Mastozytose 

Vorkommen/Epidemiologie

Keine Geschlechtspräferenz. Im Kindesalter liegt die Inzidenz der kutanen Mastozytose bei 1:150.000/Jahr

Ätiopathogenese

Die meisten erwachsenen Patienten mit dieser Hautmanifestation weisen eine aktivierende Punktmutation des KIT-Gens auf (KIT D816V). Sowohl die Expression von KIT (CD117) auf der Zelloberfläche als auch die Mutation sind nicht spezifisch für die Mastozytose - s. hierzu u. Mastozytose (Übersicht).  

Bei der makulopapulösen kutanen Mastozytose des Kindesalters ist die aktivierende c-Kit-Mutation nicht nachweisbar.

Manifestation

Bei der makulopapulösen kutanen Mastozytose des Kindesalters erfolgt die Erstmanifestation häufig bereits in den ersten 24 Lebensmonaten, seltener danach. 

Bei der adulten Form (Makulopapulöse kutane Mastozytose des Erwachsenenalters) wird der Manifestationsgipfel im mittleren Erwachsenenalter (40-60 Jahre) gefunden.

Lokalisation

Ubiquitär; v.a. am Rumpf sowie obere und untere Extremiät; seltener Gesicht, Handflächen und Fußsohlen. Sehr selten Schleimhautbeteiligung.  

Klinisches Bild

Flache, ovale oder runde, graubräunliche oder rot-bräunliche, 0,1-0,5 cm große Flecken. Die klinische Symptomatik der Patienten ist auf Freisetzung der verschiedenen Mastzellmediatoren zurückzuführen (Mediatorsymptomatik). Neben Histamin, Tryptase, Heparin, Leukotriene, Prostaglandine sowie diverse Zytokine wie TNF-alpha, Interleukine. Nach festem Bestreichen der Läsionen kommt es zu einer urtikariellen Reaktion in den Herden (Dariersches Zeichen); seltener auch zu subepidermaler Blasenbildung. Häufig lässt sich auch ein elevierter Dermographismus auslösen. Zunächst schwache, später stärkere läsionale Pigmentierung. Das häufigste Begleitsymptom ist Juckreiz, wobei dem Interleukin-31 eine besondere pathogenetische Bedeutung zugemessen wird (Wagner N et al. 2018). 

Hinsichtlich des klinischen Verlaufes verhalten sich juvenile und adulte Formern unterschiedlich.

Sonderformen (alte Nomenklatur):

Labor

Z.A. einer systemischen Mastozytose wird leitliniengemäß die Tryptase bestimmt (Normwert: <20µg/l). Bei Überschreitung des Wertes wird eine systemische Mastozytose für möglich erachtet und eine Knochenmarksbiopsie sowie ein Screening auf weitere Systembeteiligung angestrebt. Bei niedrigen Werten wird ohne zwingende klinische Hinweise in der Regel auf eine umfangreiche Diagnostik verzichtet. In einer größeren Studie konnte bei 32% der Patienten mit kutaner Mastozytose in der Knochenmarkshistologie eine systemische Mastozytose gesichert werden. Der Tryptasemittelwert des Kollektives mit Systembeteiligung betrug 43,9±39,93µg/l (3,74-173µg/l), ohne Systembeteiligung 19,63±13,31 µg/l (2,44-54 µg/l).Tryptaseerhöhungen > 20µg/l waren bei 43% der Patienten mit rein kutaner Mastozytose nachweisbar. 28% der Patienten mit systemischer Mastozytose zeigten Normalwerte. Somit scheint der Laborwert "Tryptase" kein gesicherter Parameter für die Frage einer Systembeteiligung zu sein.

Ergänzend kann die Bestimmung von N-Methylhistamin bzw. 1,4-Methylimidazolessigsäure im Sammelurin erfolgen.

Histologie

Häufig wenig spektakuläres histologisches Bild im HE-gefärbten Präparat. Diskrete Hyperpigmentierung der ansonsten unveränderten Epidermis. Schüttere, perivaskulär akzentuierte Rundzellinfiltrate in der retikulären Dermis. Erst bei histochemischer oder immunhistochemischer Darstellung ist die Mastzellen-reiche Qualität des Infiltrates (Giemsa-Färbung; CD117; CD25) erkennbar.

Differentialdiagnose

maligne kutane Lymphome;

Urtikaria

Arzneiexantheme

Therapie

Symptomatisch, s.a. Mastozytose diffuse der Haut.

Therapie allgemein

Patientenaufklärung über den Charakter der Erkrankung und provozierende Faktoren. Meiden auslösender Medikamente wie nichtsteroidaler Antiphlogistika, Acetylsalicylsäure, Codein, Procain, Polymyxin B, Muskelrelaxantien, Röntgenkontrastmittel. Keine mechanische Reizung wie Reibung (Trockenrubbeln) oder plötzliche Temperaturänderungen (Sprung ins kalte Wasser). Insektenstiche vermeiden. Cave! Auslösung durch i.v. applizierte, kurzzeitig wirksame Narkotika ist möglich!

Diät: Empfohlen wird eine histaminarme, ggf. auch salicylatarme Diät, s.u. Urtikaria, chronische. Histaminliberatoren sollten vermieden werden.

Externe Therapie

Kühlende Lotionen ggf. mit Zusatz von Polidocanol 5% R200 . Alternativ Antihistaminika-haltige Gele (z.B. Fenistil Gel, Tavegil Gel, Soventol Gel). Glukokortikoid-haltige Cremes wie 0,5% Hydrocortison-Creme R120 helfen kurzfristig, sind aber keine Dauerlösung. Sie sollten deshalb in der Therapie nicht eingesetzt werden.

Bestrahlungstherapie

Eine Therapie mit UVA1-Bestrahlung in mittleren bis hohen Dosen oder PUVA-Therapie führen bei einem Teil der Patienten zur Besserung der klinischen Symptomatik.

Interne Therapie

Antihistaminika: Kombinationen eines nicht sedierenden H 1 -Antagonisten wie Levocetirizin (Xusal) 1mal/Tag 5 mg p.o. oder eines sedierenden H 1 -Antagonisten wie Dimetinden (Fenistil) 3mal/Tag 1-2 mg p.o. mit einem H 2 -Antagonisten wie Cimetidin (z.B. Tagamet) 400-800 mg/Tag p.o. kommen zur Anwendung. S.a.u. Mastozytose, systemische.

Mastzellstabilisatoren (z.B. Ketotifen (z.B. Zaditen Kps./Sirup): Erwachsene: 2mal/Tag 1-2 mg p.o., Kinder über 3 Jahre: 2mal/Tag 1 Kps., Kinder von 6 Monaten bis 3 Jahren: 2mal/Tag 2,5 ml Sirup.

In Einzelfällen wird Besserung unter Dinatriumcromoglicinsäure (z.B. Colimune) 4mal/Tag 100-200 mg erzielt.

Glukokortikoide: Bei schweren, u.a. auch bullösen Formen, kommen Glukokortikoide in mittleren Dosierungen wie Prednison (z.B. Decortin) 40-60 mg/Tag infrage, schrittweise Dosisreduktion bis zur Erhaltungsdosis nach Klinik.

Experimentelle Ansätze mit positiven Resultaten existieren für Omalizumab (Xolair), einem IgE-Antikörper.

Verlauf/Prognose

Günstig. > 95% der Patienten haben eine normale Lebenserwartung.

Bei >50% der juvenilen kutanen Mastozytosen kommt es zu einer spontanen Remission bis zur Adoleszenz. Bei 10% der Kinder kann eine systemische Beteiligung nachgewiesen werden. V.a. auch bei Kindern mit einer späteren Erstmanifestation (>Jahre). Klinisch kann sich  eine Systembeteiligung durch Durchfall, Flush, Kopf-und Knochenschmerzen äußern.

Bei der adulten kutanen Mastozytose verläuft die Erkrankung i.A. chronisch, schleichend progredient. Nur ein kleiner Teil zeigt Remissionen. Eine systemische Beteiligung wird in etwa der Hälfte der Pat. beobachtet. Systembeteiligungen: Mastzellinfiltrationen werden in Knochenmark, Leber, Milz und/oder Lymphknoten) beobachtet und äußern sich in einer Vielzahl von Organerkrankungen wie: Gastritis, Ulcus ventriculi oder duodeni, Flush, Malabsorptionssyndrome.     

Tabellen

Antihistaminika bei Urticaria pigmentosa

Wirkstoff

Beispielpräparat

Alter

Dosierung/Tag

Applikation

Nicht sedierend

Cetirizin

Zyrtec

2-12 J.

½-1 Mßl.

Sirup

> 12 J.

10 mg

Fimtbl.

Levocetirizin

Xusal

> 6 J.

5 mg

Filmtbl.

Loratadin

Lisino

2-12 J.

½-1 Mßl.

Sirup

> 12 J.

10 mg

Tbl.

Desloratadin

Aerius

2-5 J.

2.5 ml (1.25 mg)

Sirup

6-12 J.

5 ml (2.5 mg)

Sirup

> 12 J.

10 mg

Filmtbl.

Doxylaminsuccinat

Mereprine

½-5 J.

1-2mal 1 Teel.

Sirup

6-12 J.

2-3mal 1 Teel.

Sirup

> 12 J.

2-4mal 2 Teel.

Sirup

Sedierend

Clemastin

Tavegil

1-6 J.

2mal 1-2 Teel.

Sirup

6-12 J.

2mal 1 Eßl.

Sirup

> 12 J.

2mal 1 mg

Tbl.

Dimetinden

Fenistil

1-8 J.

3mal 1 Teel.

Sirup

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Arber DA et al. (2016) The 2016 revision to the World Health Organization classification of myeloid
    neoplasms and acute leukemia. Blood 127:2391-405. 
  2. Czarnetzki BM et al. (1985) Phototherapy of urticaria pigmentosa; clinical response and changes of cutaneous reactivity, histamies and chemotactic leukotrienes. Arch Dermatol Res 277: 105–113
  3. Comte C et al. (2003) Urticaria pigmentosa localized on radiation field. Eur J Dermatol 13: 408-409
  4. Gobello T et al. (2003) Medium- versus high-dose ultraviolet A1 therapy for urticaria pigmentosa: a pilot study. J Am Acad Dermatol 49: 679-684
  5. Guler E et al. (2001) Urticaria pigmentosa associated with Wilms tumor. Pediatr Dermatol 18: 313-315
  6. Ludolph-Hauser D et al. (2001) Occult cutaneous mastocytosis. Hautarzt 52: 390-393
  7. Nettleship E (1869) Rare forms of urticaria. Br Med J 2: 323
  8. Nettleship E (1869) Chronic urticaria leaving brown stains: nearly two years’ duration. BMJ 2: 435
  9. Requena L (1992) Erythrodermic mastocytosis. Cutis 49: 189–192
  10. Sangster A (1878) Urticaria Pigmentosa. Lancet I: 683

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 23.03.2023