Tularämie A21.90

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Co-Autor: Dr. med. Ouadie El Makhtoum

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Zuletzt aktualisiert am: 30.03.2021

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Synonym(e)

Allergisierte Tularämie; Deer fly fever; Francisella tularensis-Infektion; Hasenpest; Hirschfliegenfieber; Kaninchenfieber; Kutan-glanduläre Tularäme; Lemmingfieber; Lemmingseuche; Muko-glanduläre Tularämie; Nagetierseuche; Ohara's disease; Okulo-glanduläre Tularämie; Rabbit fever; Typhoide Tularämie; Ulzero-glanduläre Tularämie

Erstbeschreiber

Chapin u. Mc Coy 1912; Wherry u. Lamb 1914

Definition

In Europa seltene, pestähnliche Nagetiererkrankung mit möglicher Übertragung auf den Menschen (Zoonose) und typischem Primärkomplex. Meldepflicht! S.a. Tularämide.

Erreger

Francisella tularensis; gramnegative, kokkoide, schwer anzüchtbare Stäbchen. F. tularensis gilt als hoch kontagiöser Erreger, der bei Haut- oder Schleimhautkontakt mit infizierten Tieren oder deren Resten (z.B. Jäger), Verzehr von kontaminiertem, nicht ausreichend erhitztem Fleisch (Hasen) übertragen werden kann. Ebenfalls beschrieben ist die Übertragung durch Stechmücken (Aedes spp., Chrysops spp.) oder Zecken (Dermacentor spp.). Übertragungen sind auch durch Kontakt über kontaminierte Stäube (Fäkalien infizierter Tiere) oder kontaminiertes Wasser möglich. Erregerreservoire sind vor allem Hasen, Biber, Schildzecken (Dermacentor spp.).

Vorkommen/Epidemiologie

Selten, in Deutschland werden 20- bis 50 Fälle/Jahr registriert. Auftreten ist insbes. bei der Landbevölkerung in Skandinavien, Russland, Japan, China, USA, Kanada beschrieben worden.

Ätiopathogenese

Eindringen des Erregers durch kleine Hautverletzungen in die menschliche Haut, ebenso durch Zecken- und Fliegenstiche. Infektionen durch den Genuss rohen infizierten Fleisches oder Trinkwassers sowie auch durch Laborinfektionen sind möglich.

Manifestation

Überwiegend 5.-10. LJ oder bei älteren Erwachsenen nach dem 60. LJ auftretend.

Lokalisation

Vor allem die Hände sind befallen.

Klinisches Bild

Inkubationszeit: 2-14 Tage. Allgemeinsymptomatik mit Kopf- und Muskelschmerzen kann auftreten. Man unterscheidet:

  • Kutan-glanduläre Tularäme (Ulzero-glanduläre Form): Primäraffekt an der Eintrittsstelle, kleinknotiges, livides Infiltrat, ulzerierende Pustel. Schmerzhafte, eitrig einschmelzende, regionale Lymphknotenschwellung, Fistelbildung. Entwicklung eines typhusartigen Bildes sowie einer atypischen Pneumonie sind möglich (5. Krankheitstag). Roseolen und Splenomegalie können auftreten.
  • Muko-glanduläre Tularämie: Primäraffekt an der Mundschleimhaut in Form von Aphthen. Beteiligung regionaler Lymphknoten entsprechend der kutan-glandulären Form.
  • Okulo-glanduläre Tularämie: Konjunktivitis, Lidödeme, Beteiligung regionaler Lymphknoten. Meist Spontanheilung. Auch pulmonale (Lungeninfiltrate) und abdominale Formen werden bei entsprechenden Eintrittspforten beobachtet. Immunität nach überstandener Erkrankung besteht gegen systemische Tularämie. Erneute Hautulzerationen und Reinfektionen sind jedoch möglich.
  • Typhoide Tularämie: Krankheitsgefühl und gastrointestinale Symptome. Komplizierend kann eine Pneumonie mit Atemnot hinzutreten.
  • Allergisierte Tularämie: Die Tularämien können mit polymorphen Exanthemen einhergehen, teils skarlatinoform, auch papulo-pustulös oder papulo-ulzerös. Möglich auch nodöse Ausschläge.      

Diagnose

Mikroskopischer oder kultureller Erregernachweis. Der Serumagglutinationstest ist etwa ab der 2. Erkrankungswoche positiv. Ein Hauttest mit Francisella tularensis-Antigen ist bereits in der 1. Erkrankungswoche positiv.

Komplikation(en)

Lungenabszess, Meningitis, Mediastinitis.

Externe Therapie

Symptomatische Therapie mit feuchten Umschlägen z.B. mit Polihexanid (Serasept, Prontoderm), Kaliumpermanganat-Lsg. (hellrosa), Chinolinol (z.B. Chinosol 1:1000 oder R042 ) oder Lotio alba, u.U. mit Zusatz von 2% Clioquinol R050 .

Merke! Frühzeitige Therapie ist wichtig, da 1-5% der Erkrankten bei nicht adäquater Behandlung versterben!

Interne Therapie

Medikament der 1. Wahl ist Streptomycin (z.B. Streptomycin Grünenthal) 2mal/Tag 0,5-1,0 g/Tag i.m. über 10 Tage, bei Bedarf auch länger, im Vollbild bis zu 25-30 mg/kg KG, darunter Normalisierung des Fiebers innerhalb der ersten 3-7 Tage, Rückgang der Hautveränderungen und der Lymphadenopathie über Wochen.

Als Alternativantibiotika (insbes. bei Streptomycin-Resistenz) kommen Spiramycin (z.B. Selectomycin) 2-3 g/Tag p.o. über 7-14 Tage, Gentamicin (z.B. Refobacin) 3 mg/kg KG/Tag als i.m. Injektion, Tetracyclin (z.B. Tetracyclin Wolff) 3mal/Tag 500 mg p.o., Erythromycin (Erythro-Hefa) 1,5-2 g aufgeteilt in 2-3(-4) ED oder Ciprofloxacin 2mal/Tag 500 mg p.o. infrage.

Hinweis(e)

Der Name Tularämie stammt von dem Ort des ersten Auffinden des Erregers, Tulare in Kalifornien.   

Literatur
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  1. Faber M et al. (2018) Tularemia in Germany-A Re-emerging Zoonosis.Front Cell Infect Microbiol 8:40.
  2. Jensen WA, Kirsch CM (2003) Tularemia. Semin Respir Infect 18: 146-158
  3. McCoy GW, Chapin CW (1912) Further observations on a plague-like disease of rodents with a preliminary note on the causative agent, Bacterium tularense. J Infect Dis 10: 61-72
  4. McGinley-Smith DE, Tsao SS (2003) Dermatoses from ticks. J Am Acad Dermatol 49: 363-392
  5. Singh-Behl D et al. (2003) Tick-borne infections. Dermatol Clin 21: 237-244
  6. Wherry WB, Lamb BH (1914) Infection of man with Bacterium tularense. J Infect Dis 15: 331-340

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