Tinea corporis B35.4

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 28.04.2023

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Synonym(e)

Dartre furfuracées arrondies (Alibert); Dartres furfuracees arrondies; Dermatophyte infection; dermatophytosis; Eccema marginatum (Hebra); fungal infection; Herpes circinatus; Herpes circinatus (Darier); Impetigo figurata; ringworm; ringworm of the body; Squarrus circumscriptum (Gruby); Trichophytia corporis superficialis; Trichophytie der unbehaarten Haut

Definition

Meist chronisch verlaufende, oberflächliche, entzündliche oder nichtentzündliche Tinea der unbehaarten Haut mit zentrifugaler Ausbreitung.

Erreger

Die Häufigkeit bestimmter Erreger ist in den verschiedenen Kontinenten unterschiedlich.

In Europa werden v.a. Trichophyton rubrum, Trichophyton mentagrophytes, auch Epidermophyton floccosum nachgewiesen. S.a.u. Dermatophyten. Die Tinea corporis gladiatores wird zumeist durch T. tonsurans verursacht.

In einer größeren persischen Studie war die Erregerhäufigkeit wie folgt nachgewiesen worden: Trichophyton verrucosum (40,6%), Trichophyton mentagrophytes (17,6%) , Trichophyton violaceum (12%).

In einer indischen Studie fand sich am häufigsten Trichophyton mentagrophytes (63%), gefolgt von Trichophyton rubrum (35%).

 

Ätiopathogenese

Häufig Infektion durch Haustiere (Katze, Rind, Meerschweinchen, Hamster - s.a. Zoonosen).
Zunächst umschriebene Follikulitis als Folge des Eindringens des Pilzes in das Follikelostium und in den Haarbalg.

Die Ausbreitung der Infektion erfolgt ausschließlich im Stratum corneum unter konsekutivem (optionalem) Befall weiterer Haarfollikel (Ausbildung follikulärer Papeln).

Klinisch zeigt sich eine entzündliche, gering schuppende, rote, rundliche Plaque mit zentrifugaler Ausdehnung und zentraler Abheilungstendenz.

Mit Fortschreiten der Infektion können mehrere solche Herde konfluieren und polyzyklische, großflächige, landkartenähnliche Figuren bilden.

Manifestation

Häufig bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen auftretend.

Lokalisation

Gesicht (Tinea faciei), Hals (Tinea colli), Stamm, Extremitäten (Tinea corporis), Füße/Hände (Tinea pedis, Tinea manuum), Genitalbereich. 

Klinisches Bild

Zunächst entwickelt sich eine umschriebene Follikulitis als Folge des Eindringens des Pilzes in das Follikelostium und in den Haarbalg (wird klinisch selten beobachtet). Die Ausbreitung der Infektion erfolgt ausschließlich im Stratum corneum unter Befall weiterer Haarfollikel.

Im Allgemeinen zeigen sich bei der Erstbefundung eine oder mehrere entzündlich gerötete, gering schuppende, randbetonte Plaque mit zentrifugaler Ausdehnungstendenz. Häufig eingeschlossen sind entzündliche follikuläre Papeln.

Mit Fortschreiten der Infektion können mehrere Herde konfluieren und polyzyklische, großflächige, landkartenähnliche Figuren mit zentraler Abheilung bilden.

Fast immer besteht ein markanter Juckreiz, der häufig zu einer Vorbehandlung mit Kortikoidexterna führt und damit das klinische Entzündungsmuster der Tinea verschleiert.

Seltener ist die Ausbildung einer Tinea profunda, die durch eine exzessive inflammatorische Reaktion des Organismus auf die Dermatophyeninfektion der Haut zustande kommt (analog zu dem Kerion Celsi des Capillitiums). Klinisch imponieren entzündliche, mäßig schmerzende, häufig verruköse Plaques und Knoten, die von follikulären Pusteln (s.a. Granuloma trichophyticum) durchsetzt sein können. Das Majocchi Granulom wird als granulomatöse und pustulöse Tinea durch Trichophyton rubrum beschrieben. Knotige Abszessbildungen werden v.a. bei Immunsupprimierten gefunden. 

Unter längerer und schwerer Immunsuppression wird eine erosive und nekrotisierende Tinea corporis beobachtet, nicht selten kompliziert durch eine überlagernde Superinfektion durch Staphylococcus aureus.   

Histologie

Leichte bis mäßige Akanthose des Oberflächenepithels (s. Abbn. A-B) mit fokaler Spongiose und Parakeratose. In frühen Phasen der Infektion findet sich ein eher schütteres perivaskuläres Lymphozyteninfiltrat mit papillärem Ödem, fokaler Epitheliotropie und Spongiose bis hin zu spongiotischen Bläschen. Bei längerer Bestanddauer zunehmende Exozytose von neutrophilen Granulozyten, die sich sub- oder intrakorneal zu kleinen Neutrophilenabszessen verdichten können. In der oberen Dermis findet sich ein dichtes diffuses, manchmal perivasal akzentuiertes lymphozytäres Infiltrat mit wenigen Neutrophilen und eosinophilen Granulozyten.

Bei PAS-Färbung lassen sich (, wenn keine antimykotische Vorbehandlung erfolgte,) Myzelien in unterschiedlicher Dichte an der Grenze zwischen den geschichteten Ortho- und Parakeratosezonen nachweisen.

Bei einer ungewöhnlichen Dichte der Myzelien im Stratum corneum und im Follikelkeratin ist an eine Immunsuppression zu denken. 

Differentialdiagnose

  • Klinische Differentialdiagnosen:
    • Ekzem, nummuläres: Ekzematisierte Plaques ohne markante Randbetonung; meist disseminiert, keine Myzelien im PAS-Präparat.
    •  Seborrhoisches Ekzem: Kein Juckreiz; bei marginierten Plaques sind diese differenzialdiagnostisch nicht von einer Tinea corporis zu unterscheiden! Typisch ist der rezidivierende Verlauf der Erkrankung mit Verstärkung in den Wintermonaten und u.U. kompletter Abheilung unter sommerlichem, maritimem Klima. Dieser Verlauf schließt eine Tinea komplett aus. Weder kulturell noch histologisch gelingt mykologischer Erregernachweis.
    •  Psoriasis vulgaris: Typische Plaque-Psoriasis als wichtige DD. Das Auspitz-Phänomen ist bei Tinea corporis stets negativ!
    •  Parapsoriasis en plaques: Keine Randbetonung, meist keine Schuppung. Pseudoatrophie! Kein Juckreiz!
    •  Mycosis fungoides: Keine Randbetonung; anfänglich geringer oder fehlender Juckreiz; Histologie ist diagnostisch! 
    •  Erythema anulare centrifugum: Sehr markante anuläre Konfigurationen; meist schuppenfrei. Juckreiz fehlt oder ist nur sehr gering ausgeprägt. Die Randzone ist sehr deutlich induriert (nasser Wollfaden). Weder kulturell noch histologisch gelingt ein mykologischer Erregernachweis.
    •  Frühsyphilis: Syphilide sind meist von LK-Schwellungen begleitet. Verteilungsmuster: häufig Befall von Handflächen und Gesicht. Serologie ist beweisend! Histologie ist wegweisend (plasmazellige Dermatitis).
    • Erythema migrans: Oberflächenglatte, nicht juckende, randbetonte Plaque. Serologie ist diagnostisch.   
  • Histologische Differentialdiagnosen (häufig schwierig von einer Tinea abzugrenzen und nur im Zusammenhang mit dem klinischen Bild endgültig zu bewerten; wichtig sind daher gute klinische Angaben):
    •  Akutes und subakutes Ekzem: Spongiose, flächige Parakeratose, beim atopischen Ekzem mögliche markante Eosinophilie. Häufig nicht zu unterscheiden.
    •  Psoriasis vulgaris: Die Akanthose ist meist markanter ausgeprägt als bei Tinea. Flächige Hyper- und Parakeratose mit Neutrophilen-Einschlüssen. Das histologische Bild ist sehr ähnlich. Kein Nachweis von Myzelien.
    •  Parapsoriasis en plaques: Fibrose des Stratum papillare. Das Oberflächenepithel ist eher atrophisch. Epidermotropie ist vorhanden. Kaum Spongiose. Keine Parakeratose!
    •  Impetigo contagiosa: Subkorneale Spaltbildung mit Ansammlung neutrophiler Granulozyten. Kein Myzelnachweis!
    •  Pityriasis rosea: Unspezifische superfizielle Dermatitis mit mäßiger Akanthose. Manchmal zeigen sich Erythrozytenextravasate, die bei einer Tinea fehlen. Keine Myzelien.
    •  Allergisches Kontaktekzem: Klinisch deutlich zu unterscheiden! Markante, flächige Spongiose; akanthotisches Oberflächenepithel; lange Parakeratosehügel. Histologisch nur im Zusammenhang mit klinischen Angaben sicher zu differenzieren.
    •  Erythema anulare centrifugum: Histologisch nur im Zusammenhang mit klinischen Angaben sicher zu differenzieren! Meist dichte perivaskuläre Infiltrathülsen.
    •  Frühsyphilis: Interface-Dermatitis mit psoriasiformer Epidermisreaktion. Dichtes, bandförmiges Infiltrat in der oberen und mittleren Dermis (Lymphozyten, Histiozyten und Plasmazellen. Ausdehnung des Infiltrates auf den tiefen Gefäßplexus.

Therapie

Antimykotische Therapie mit topischen Antimykotika. Bei ausgedehntem Befall oder Therapieresistenz zusätzlich antimykotische Systemtherapie, s.u. Tinea.

Therapie allgemein

Bei ausgedehnten Mykosen:

Terbinafin systemisch: In der Schweiz und in Österreich ist Terbinafin für die orale Anwendung bei Kindern zugelassen, in Deutschland hingegen noch nicht (Off-Label-Use). Eine sorgfältige Dokumentation und Aufklärung der Eltern über den Off-Label-Use und die Wirkung von Terbinafin in Studien sollte erfolgen.

Als Dosierungsempfehlung gelten: Kinder mit 10-20 kg KG: 62,5 mg/Tag; 21-40 kg KG: 125 mg/Tag; > 40 kg KG: 250 mg/Tag. 2-3 Wochen Therapiedauer sind normalerweise ausreichend.

Alternativ: Itraconazol 100mg p.o./Tag (Sempera®) über einen Zeitraum von 2-4 Wochen.

Alternativ: Fluconazol 50mg p.o./Tag (Diflucan®) über eine Zeitraum von 2-7 Wochen.

 

 

Verlauf/Prognose

Stark entzündliche Formen haben eine Tendenz zur Spontanheilung. Unbehandelt im Allgemeinen hochchronischer Verlauf. Quoad vitam immer günstig.

Naturheilkunde

In manchen naturheilkundlichen Ansätzen wird die Anwendung von Teebaumöl-Rezepturen unterstützend empfohlen. S.a.u. Teebaumöl.

Nachsorge

Um Rezidive zu vermeiden, sollte die Lokalbehandlung, vor allem der Tinea pedis, etwa 3-4 Wochen über die klinische Heilung hinaus fortgesetzt werden, bis die ruhenden Arthrosporen durch den physiologischen Erneuerungsprozeß der Haut mit den oberen Schichten des Stratum corneums eliminiert sind.

Hinweis(e)

Berufskrankheit Dermatomykose: Vom Tier auf den Menschen übertragene Dermatophyten-Infektionen können, sofern ein Kausalzusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nachweisbar ist, als Berufskrankheiten nach der Ziffer 3102 der Liste der Berufskrankheiten anerkannt und entschädigt werden (s. Berufskrankheit der Haut). Infektionskrankheiten, die von Mensch zu Mensch übertragen werden und Versicherte betreffen, die im Gesundheitswesen arbeiten oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt sind, können nach BK-Ziffer 3101 entschädigt werden.

Pilznachweis. In Einzelfällen hat sich auch die Inspektion des gesamten Integumentes mittels UV-Licht (Wood-Licht) zur Aufdeckung klinisch nur diskret befallener Areale mit bestimmten Dermatophyten oder Malasseziaarten als nützlich erwiesen.

Tinea genitalis als Geschlechtskrankheit (Vorkommen bes. in tropischen Zonen): Trichophyton interdigitale kann beim Geschlechtsverkehr übertragen werden. Sie kann dort, v.a. bei Patienten die sich im Intimbereich regelmäßig rasieren (Schädigung der epidermalen Barriere), zu  massiven Infektionen führen.

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Angerstein JH (1977) So heilen Teebaumöle. Mit Rezepturen gegen die häufigsten Beschwerden. Midens Verlag, Augsburg
  2. Bhatia VK et al. (2014)  Epidemiological studies on Dermatophytosis in human patients in Himachal Pradesh, India. Springerplus. 3:134
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  4. Kassem MA et al. (2007) Efficacy of topical griseofulvin in treatment of tinea corporis. Mycoses 49: 232-235
  5. Leiva-Salinas M et al. (2014) Tinea capitis in schoolchildren in a rural area in southern Ethiopia. Int J Dermatol 54: 800-805
  6. Luchsinger I et al. (2015) Tinea genitalis: a new entity of sexually transmitted infection? Case series and review of the literature. Sex Transm Infect 91:493-496.
  7. Seebacher C et al. (2007) Tinea der freien Haut. J Dtsch Dermatol Ges 11: 921-926
  8. Thakur R (2015) Spectrum of dermatophyte infections in Botswana. Clin Cosmet Investig Dermatol 8:127-133
  9. Wilmer A et al. (1998) Systemic terbinafine treatment of dermatophytoses in children. Mycoses 41: 54-57
  10. Young Woon Park et al. (2014) Clues' for the Histological Diagnosis of Tinea: How Reliable Are They?
    Ann Dermatol 26:286–288
     

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