Scharlach A38

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Co-Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 20.05.2022

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Synonym(e)

Canker rash; Scarlatina; Scarlet fever; Streptococcal sore throat with rash

Erstbeschreiber

Sydenham, 1676

Definition

Akute Streptokokken-Infektion (Angina tonsillaris) durch erythrogenes Toxin bildende, beta-hämolysierende Streptokokken der Lancefield-Gruppe A.  Meldepflicht!

Erreger

β-hämolysierende Streptokokken der Lancefield Gruppe A (über 80 verschiedene Serotypen, typenspezifische Immunität).

Ätiopathogenese

Tröpfcheninfektion. Übertragungen, auch über eine Kontaktperson oder Nahrungsmittel, sind möglich. Eintrittspforten: Tonsillen, Nasen-Rachen-Raum, auch Wunden.

Streptokokkeninfektionen sind primär lokalisierte Infektionen. Sie hinterlassen prinzipiell keine antibakterielle Immunität. Immunität wird beim Scharlach nur gegen eines der pyrogenen erythrogenen Toxine (es gibt 4 verschieden Toxine die zu einer jeweiligen typenspezifischen Immunität führen) erzeugt. Dieses erythrogene Toxin kann nur gebildet werden, wenn Streptokokken Bakteriophagen (auch Prophagen genannt) im Genom tragen, die hierfür kodieren. Eine spezifische Immunität richtet sich ausschließlich gegen das gebildete Toxin. Kommt es zu einer Infektion durch beta-hämolysierende Streptokokken (ganz überwiegend Angina tonsillaris, nur in seltenen Fällen durch eine Weichteilinfektion = Wundscharlach), so entsteht bei fehlender Immunität gegen Scharlachtoxine das klassische Bild des Scharlachs. Bei bereits vorliegender Immunität wird sich lediglich eine Streptokokkenangina ausbilden. Da es mehrere unterschiedliche Toxine gibt, sind mehrfache Scharlach-Reinfektionen (bis zu 4) möglich. Erythrogene Toxine gehören zu den sog. Superantigenen, die in der Lage sind, ohne spezifische Antigen-Prozessierung zu einer fulminanten T-Zell-Proliferation mit einer breit gefächerten Zytokinproduktion zu führen.

In sehr seltenen Fällen kommt es vorwiegend bei Kindern zu einem durch Staphylokokken-Enterotoxine induzierten Scharlach.     

Manifestation

Vor allem zwischen dem 3. und 10. Lebensjahr auftretend.

Klinisches Bild

  • Allgemein: Inkubationszeit 2-5 Tage.
  • Plötzlicher, hochakuter Beginn mit hohem Fieber, Kopf- und Halsschmerzen, Tachykardie, Erbrechen.
  • Pharyngitis, Angina tonsillaris, druckdolente Halslymphknotenschwellung. Seltener Splenomegalie.
  • Hautveränderungen (Tag 2-3): Exanthem, evtl. um Tage verzögert auftretend. Beginn meist in der Leistenbeuge, dem Schenkeldreieck oder den Beugeseiten der Arme. Weiterhin Kopf, Hals, Rumpf, Extremitäten. Das Gesicht zeigt häufig eine schmetterlingsartig verteilte  flächige Rötung. Charakteristisch ist eine perioral freibleibende Zone (Facies scarlatinosa).
  • Ansonsten finden sich stecknadelkopfgroße, blasse, später rote, leicht erhabene, dicht stehende Papeln (s. a. Miliaria scarlatinosa).
  • Häufig herabgesetzte Kapillarresistenz. Der Rumpel-Leede-Test ist positiv. Bei schwerer Verlaufsform können flächige Hämorrhagien auftreten.
  • Schleimhautveränderungen (Tag 3): fleckiges Enanthem am weichen Gaumen. Abschilferung des Zungenbelages (damit erscheint die gesamte Zungenoberfläche homogen rot, belagfrei bei geschwollenen Zungenpapillen = Himbeerzunge).
  • Subikterus kann vorhanden sein.
  • Abklingphase (Tag 5-7): Abklingen des inzwischen abschuppenden und juckenden Exanthems und der Angina tonsillaris unter lytischer Temperatursenkung. Schuppungen: fetziges (korneolytisch - wie nach Sonnenbrand - Schuppen lassen sich als feines durchscheinendes Häutchen von der Haut abziehen) Abschilfern der Haut an Ohrmuscheln, Gesicht, Stamm und Extremitäten. Groblamelläre Abschuppung der Palmae und Plantae.
  • Nach 2-3 Monaten telogenes Effluvium, evtl. Bildung von Querfurchen der Nägel (Beau-Reilsche-Querfurchen) der Nägel.

Labor

Leukozytose: 15.000–40.000 Leukozyten/μl, später Eosinophilie 5–10%.

Diagnose

Klinik, Erregernachweis, Antistreptolysintiter (AST)-Anstieg (frühestens 8–14 Tage nach einer frischen Infektion, Basis- und Kontrollwerte), Dick-Test, Auslöschphänomen.

Differentialdiagnose

Komplikation(en)

Fulminante Verläufe, s.u. toxischer Scharlach, septischer Scharlach. Otitis, Sinusitis, Myokarditis, Glomerulonephritis, Polyarthritis.

Therapie

  • Penicillin: Möglichst frühzeitig Penicillin V (z.B. Isocillin) 3mal/Tag 0,4-1,2 Mio. IE p.o. (Kleinkinder: 0,2-0,6 Mio. IE/Tag) über mindestens 10 Tage. Ist keine zuverlässige Einnahme gewährleistet, Benzathin-Penicillin (z.B. Tardocillin) einmalig 0,6 Mio. IE bzw. 1,2 Mio. IE i.m. Bei schwerem Verlauf oder bei Komplikationen Penicillin G (z.B. Penicillin Grünenthal) 10-20 Mio. IE/Tag i.v.
  • Bei Penicillin-Allergie: Erythromycin (z.B. Erythrocin) 3mal/Tag 500 mg p.o. (Kinder 40 mg/kg KG/Tag) oder Clindamycin (z.B. Sobelin) 4mal/Tag 150-450 mg p.o. Alternativ Cephalosporine wie Cefadroxil (z.B. Cedrox) 1mal/Tag 2 g oder Cefuroxim (z.B. Elobact) 2mal/Tag 250 mg p.o. über mind. 10 Tage.

Merke! Eine Mitbehandlung anderer im Haushalt lebender Kinder ist aufgrund möglicher schwer wiegender Komplikationen (Endokarditis, Glomerulonephritis, Chorea minor, rheumatisches Fieber) sinnvoll!

Verlauf/Prognose

Bei frühzeitiger Therapie gut. Letalität < 0,5%. Bildung antitoxischer Antikörper gegen das spezifische Erythrotoxin im Laufe der Scharlacherkrankung. Außerdem Bildung spezifischer antibakterieller Antikörper.
  • Bei Vorliegen einer typenspezifischen antibakteriellen Immunität: Keine klinische Erkrankung nach Streptokokkenkontakt, unabhängig vom Vorliegen antitoxischer Antikörper.
  • Bei Fehlen der typenspezifischen antibakteriellen Immunität und vorhandenen antitoxischen Antikörpern: Streptokokkenpharyngotonsillitis nach Streptokokkenkontakt.
  • Bei Fehlen der typisch spezifischen antibakteriellen Immunität und der antitoxischen Antikörper: Angina, Streptokokken-Angina und Scharlach nach Streptokokkenkontakt.

Literatur
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  1. Hedrick J (2003) Acute bacterial skin infections in pediatric medicine: current issues in presentation and treatment. Paediatr Drugs 5(Suppl 1): 35-46
    Mun SJ et al. (2019) Staphylococcal scarlet fever associated with staphylococcal enterotoxin M in an
    elderly patient. Int J Infect Dis 85:7-9.
  2. Sydenham T (1676) Observationes medicae circa morborum acutorum historiam et curationem. Londini, G. Kettilby, S. 387

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