Reizdarmsyndrom K58.9; F45.32

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Guido Gerken

Co-Autor: Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 29.08.2022

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Synonym(e)

IBS; irritable bowel syndrome; irritables Kolon (IBS); RDS; Reizkolon; spastisches Kolon

Definition

Das Reizdarmsyndrom bezeichnet ein häufig auftretendes, jedoch nicht klar definiertes Krankheitsbild, das sich durch verschiedene abdominelle Beschwerden auszeichnet. Oft wird es psychosomatischen Erkrankungen zugeordnet.

Nach der S3-Leitlinie "Reizdarm" sind 3 Kriterien zu erfüllen:

  • >3 Monate anhaltende Beschwerden (z.B. Bauchschmerzen, Blähungen), die von Patient und Arzt auf den Bauch bezogen werden und meist mit Stuhlgangveränderungen einhergehen.
  • Relevante Einschränkungen der Lebensqualität
  • Es liegen keine für andere Krankheitsbilder typischen Veränderungen vor, die für diese Symptome verantwortlich sind.  

Einteilung

Unterteilt werden kann das Reizdarmsyndrom in 3 Subtypen:

  • Diarrhö (RDS-D)
  • Obstipation (RDS-O)
  • Mischtyp (RDS-M) 

Vorkommen/Epidemiologie

Das Reizdarmsyndrom betrifft 7-21% der allgemeinen Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben (Soares RL 2014).   

w:m=2:1

Ätiopathogenese

Dem Reizdarmsyndrom liegt eine gesteigerte intestinale Sensitivität und Dysfunktion des autonomen Nervensystems im Darmbereich (Bauchhirn) 

Die bedeutendsten Ursachen eines Reizdarmsyndroms sind: 

Stress und Ärger, Nahrungsmittelallergien oder - intoleranzen, Steigerung des enterischen Nervensystems, Darminfektionen, Motilitätssörungen des Darmes, Störung der Darmflora, Suppression des darmeigenen Immunsystems, Mikroentzündungen, hinzu kommt eine genetische Prädisposition, gesteigerte Serotonin-Freisetzung, ggf. auch hormonelle Einflüsse.

Klinisches Bild

Das klinische Bild des Reizdarmsyndroms zeichnet sich durch krampfartige, brennende oder stechende abdominale Schmerzen aus. Darüber hinaus treten ein Druckgefühl im Unterbauch oder des linken Kolons, Völlegefühl, hörbare Darmgeräusche, Obstipation, Blähungen sowie Diarrhö auf. Ein Gewichtsverlust ist zumeist nicht zu verzeichnen.

Je nach im Vordergrund stehenden Symptomen unterscheidet man ein diarrhoeominantes Reizdarmsyndrom von einem obstipationsdominanten Reizdarmsyndrom wobei diese auch phasenweise wechseln können.

Labor

Bei einem Reizdarmsyndrom sollten die folgenden Parameter im Normbereich liegen: BSG, CRP, Leber- und Pankreasenzyme, Blutbild, Haemoccult-Test und Calprotectin im Stuhlgang. Darüber hinaus sollte der Stuhlgang keine Wurmeier enthalten.

Diagnose

Zur Diagnose eines Reizdarmsyndroms erfolgt eine Anamnese samt klinischem Bild nach ROM III-Konsensus-Kriterien. Darüber hinaus erfolgt eine Sonografie des Abdomens, eine digitale Abtastung des Kolons und ggf. eine weitere Diagnostik des Abdomens.

Differentialdiagnose

Bei bestehenden Schmerzen im linken Unterbauch sollten:

  • Diverkulitis
  • Leistenhernie
  • Adnexerkrankungen
  • Endometriose
  • andere Kolonerkrankungen, Colitis unterschiedlicher Genese, auch Colitis ulcerosa-

ausgeschlossen werden. Bei Schmerzen im linken Oberbauch sollten Erkrankungen der Milz, Pankreas, Herz, Magen und Ösophagus ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus sollte ein  Ausschluss einer Fruktose- und Laktoseintoleranz, einer mikroskopischen Kolitis und einer Sprue ausgesclossen werden. Ebenso Lebensmittelallergien und - unverträglichkeiten, Pankreaserkrankungen, auslösende Medikamentem intraabdominelle Briden.

Therapie

Es ist keine nachhaltig gesichert wirksame Therapie zur Behandlung eines Reizdarmsyndroms bekannt. Therapiemaßnahmen konzentrieren sich auf diätische Maßnahmen und Behandlung der Stresszustände.

Diätetische Maßnahmen: Zahlreiche Studien belegen den positiven Effekt von Low-Fodmap-Diät. Auf jeden Fall Weglassen der beschwerdeverstärkenden Nahrungsmittel, kleinere und häufigere Mahlzeiten. Beim Reizdarmsyndrom faserreiche Kost mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr.  

In versch. größeren Studien erwiesen sich Probiotika als eine hilfreiche therapeutische Option (Didari T et al. 2015). 

Symptomatische Therapieansätze: Bei krampfartigen Schmerzen - Spasmolytika. Bei Sodbrennen, Übelkeit und Obstipation: Prokinetika. Bei Diarrhö: Antidiarrhoika.

 

Naturheilkunde

Symptomorientiert: Schmerz z.B. Präparate mit Pfefferminzöl, z. B. Medacalm®, bei Obstipation z.B. Flosamen, Laxatan® M, , Diarrhoe: z.B. Myrrhinil Intest®.

Ordnungstherapie: Meiden auslösender Speisen, z.B. Laktose, Histaminhaltige oder - liberierende Speisen, ggf. Lactrase Tbl oder auch Daosin® bei Histaminintoleranz. Pflanzliche Antidepressiva wie Lavendelöl, Baldrian und Hopfen, Kümmel- und Fenchelöl bei im Vordergrund stehenden Blähungen.

 

Curcurmin hemmt nachweislich die Entzündung, wirkt antioxidativ und spasmolytisch, antiseptisch, zeitgleich analgetisch und senkt den Cholesterinspiegel. Studien belegen die Reepithelisierung der Darmschleimhaut. Unter anderem kommt es zu einer Senkung von TNF-alpha. Zu beachten ist, dass die Kurkuma-Wurzel alleine kaum Wirkung zeigt,  erst durch Zusatz von Piperin (Bio-Perine).

Zusätzlich Probiotika, s.a. S3- Leitlinie Reizdarmsyndrom.

Psyllii semen (Flohsamen) und Plantaginis ovatae semen (Indische Flohsamen)

Anwendung: Die Tagesdosis Flohsamen bzw. Indische Flohsamen/Flohsamenschalen liegt bei 10 bis 30 g, bzw. 12 bis 20g. Flohsamen werden vor dem Essen eingenommen. Dabei wird 1 TL der Droge mit circa 150 ml kaltem Wasser vermischt und verzehrt. Flohsamenschalen (1-2 TL) werden mit Suppen oder anderen Flüssigkeiten eingenommen.

Präparate: Agiocur® Granulat, Flosine® balance Granulat, Mucofalk® Apfel-/Orangegranulat, Pascomucil® Pulver, Schoenenberger NatuPur, Medacalm®, Enteroplant@

Kombinationspräparate: Bei einem Reizdarmsyndrom mit chronischer Obstipation empfiehlt sich ein Kombinationspräparat mit Laktulose, überwiegt eine Diarrhö empfiehlt sich ein Kombinationspräparat mit Pfefferminz in magensaftresistenten Kapseln.


Lini semen (Leinsamen)                                                                                                        

Anwendung: Zwei bis drei Esslöffel des zerkleinerten Leinsamens in ¼ bis ½ Liter Wasser einweichen lassen, anschließend kurz abkochen, den Leinsamen vom Schleim trennen und den Schleim schluckweise trinken.

Präparate: Linusit® Gold Qualitäts-Leinsamen, 3 x täglich 1 Beutel vor den Mahlzeiten und 2 Beutel vor dem schlafen.

Kombinationspräparate: Es empfiehlt sich eine Anwendung in Kombination mit Kamillenblütenauszügen, eine Fertigkombination ist jedoch nicht erhältlich.

 

Menthae piperitae aetheroleum (Pfefferminzöl)

Pärparate: Chiana®-Kapseln magensaftresistent, 3 x täglich 1 Kapsel vor dem Essen; Medacalm® Hartkapseln magensaftresistente Kapseln, 3 x täglich 1 Kapsel unzerkaut vor dem Essen

Literatur
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  1. Chey WD et al. (2015) Irritable bowel syndrome: a clinical review. JAMA 313:949-958.
  2. Didari T et al. (2015) Effectiveness of probiotics in irritable bowel syndrome: Updated systematic review with meta-analysis. World J Gastroenterol 21:3072-3084.
  3. Schwille-Kiuntke J et al. (2015) Systematic review with meta-analysis: post-infectious irritable bowel syndrome after travellers' diarrhoea. Aliment Pharmacol Ther 41:1029-1037.
  4. Soares RL (2014) Irritable bowel syndrome: a clinical review. World J Gastroenterol. 20:12144-12160.
  5. Wall GC et al.(2014) Irritable bowel syndrome: a concise review of current treatment concepts. World J Gastroenterol 20:8796-8806.
  6. Syed K et al. (2022)  Low-FODMAP Diet. 2021 Sep 9. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; –. PMID: 32965895.
  7. Magge S et al. (2012) Low-FODMAP Diet for Treatment of Irritable Bowel Syndrome. Gastroenterol Hepatol (N Y). ;8:739-745.
  8. Barrett JS et al. (2010)  Dietary poorly absorbed, short-chain carbohydrates increase delivery of water and fermentable substrates to the proximal colon. Aliment Pharmacol Ther 31:874-882
  9. Chiu HF et al. (2021) Gastroprotective Effects of Polyphenols against Various Gastro-Intestinal Disorders: A Mini-Review with Special Focus on Clinical Evidence. Molecules  26:2090
  10. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-016l_S3_Definition-Pathophysiologie-Diagnostik-Therapie-Reizdarmsyndroms_2022-02.pdf
  11. Ploss O. (2012) Reizdarmsyndrom Naturheilkunde bei funktionellen Erkrankungen, 4. Reizdarmsyndrom: S. 21-43

Verweisende Artikel (1)

Low-Fodmap-Diät;

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