Akute generalisierte exanthematische Pustulose L27.0

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 12.01.2024

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Synonym(e)

Acute generalized exanthematous pustulosis; AGEP; Akute generalisierte exanthematische Pustulose; Akute generalisierte exanthematische pustulöse Dermatitis; Akute generalisierte Pustulose; Akutes generalisiertes pustulöses Bakterid; Dermatitis akute generalisierte exanthematische pustulöse; PEAG; Pustular drug rush; Pustulose akute generalisierte exanthematische; Pustuloses exanthématique aiguës généralisés; Pustulosis acute generalized exanthematous; Toxic pustuloderm; Toxisches Pustuloderm

Erstbeschreiber

MacMillian, 1973; Tan, 1974; Beylot, 1980

Definition

Akutes, im Zusammenhang mit Infekten und/oder Medikamenteneinnahme, aber auch spontan auftretendes, generalisiertes, meist febriles, nicht-follikuläres, steriles, pustulöses (subkorneale Pustel) Exanthem, das stets mit markanter systemischer Leukozytose und Neutrophilie einhergeht, sowie eine große Tendenz zur spontanen Abheilung aufweist.

Vorkommen/Epidemiologie

Die Inzidenzen werden mit 0,1-0,5/100.000 Einwohner/Jahr angegeben.

Frauen scheinen etwas häufiger betroffen zu sein als Männer.

Ätiopathogenese

In > 90% der Fälle nach Medikamenteneinnahme auftretend. Als Auslöser sind u.a. beschrieben:

  • Häufig:
    • Antibiotika:
      • β-Lactame und β-Lactamase-Inhibitoren: Oxacillin, Dicloxacillin, Amoxicillin ± Clavulansäure, Piperacillin-Tazobactam und Faropenem.
      • Cephalosporine: Cefixim, Ceftriaxon, Cefepim und Cefotaxim.

      • Makrolide: Azithromycin

      • Fluorchinolone: Ciprofloxacin und Tosufloxacin

        Antibiotika verschiedener Klassen: Clindamycin, Tigecyclin, Telavancin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Vancomycin, Daptomycin, Metronidazol und Pristinamycin.

      • Antimalariamittel: Hydroxychloroquin ist das am zweithäufigsten gemeldete Medikament nach den Antibiotika insgesamt(Catho G et al. 2013). Insbesondere in der Ära der Coronavirus-Pandemie 2019 (COVID-19) von 2020 gab es vermehrt Berichte über Hydroxychloroquin-induzierte AGEP, was möglicherweise auf den vermehrten Einsatz des Medikaments zurückzuführen ist (s.a. Generalisiertes pustulöses figuriertes Erythem). Bemerkenswert ist, dass die durch Hydroxychloroquin ausgelöste AGEP aufgrund der langen Halbwertszeit von 40-50 Tagen im Vergleich zu anderen Arzneimitteln in der Regel verzögert einsetzt. Weitere Antimalaria die AGEP inudzieren können sind: Atovaquon/Proguanil.
      • Antimykotika wie Terbinafin, Fluconazol, Miconazol-Gel und Nystatin
      • Antivirale Mittel:  Aciclovir, Favipiravir, Remdesivir und Ritonavir
      • Calciumkanalblocker (Diltiazem)
  • Seltener:
    • Allopurinol
    • Carbamazepin
    • Glukokortikoide
    • Ibuprofen
    • Metamizol
    • Oxicame
    • Pseudeoephedrin (in Grippemitteln)
    • Paracetamol
    • Chemotherapeutika: Bendamustin, Docetaxel, Doxorubicin, Gemcitabin, Mycophenolatmofetil und Paclitaxel
    • Biologische Tumortherapeutika: Cetuximab, Erlotinib, Rituximab, Sorafenib und Vismodegib
    • Immuntherapeutika: Pembrolizumab, Ipilimumab, Nivolumab, Atezolizumab und IL-2.

Eine generalisierte subkorneale Pustulose kann auch Teilsymptom genetischer inflammmatorischer Systemerkrankungen (s.u. DIRA - Mutation im IL1RN-Gen). Eine Assoziation zu HLA-B5, -DR11 und -DQ3 wird beobachtet.

Infektionen: Es wurde über mehrere Infektionen im Zusammenhang mit dem Auftreten von AGEP berichtet. Berichte über AGEP nach Chlamydia pneumoniae, Mycoplasma pneumoniae, Kokzidiomykose, COVID-19, Zytomegalovirus (CMV), Epstein-Barr-Virus (EBV) und Parvovirus B19 liegen vor. Es ist denkbar, dass Patienten mit einer infektiösen Grunderkrankung anfälliger für die Entwicklung einer AGEP sind. Weiterhin ist auch denkbar, dass Patienten mit einer zugrundeliegenden Infektionskrankheit eine AGEP als Folge der pharmakologischen Behandlung zur Behandlung der Infektion entwickeln.

Impfungen: Es liegen Berichte vor über AGEP nach Influenza-Impfung und Spikevax-COVID-19-Impfungen /Moderna (Hayashi E et al. 2021; Agaronov A et al. 2021; Mitri F et al. 2021). Die Pathogenese könnte auch auf die „Zytokinsturm-ähnliche“ globale Immunaktivierung zurückzuführen sein, die z.B. nach einer COVID-19-Infektion oder -Impfung auftreten kann. Angesichts der hohen Häufigkeit der Influenza-Impfungen und der mRNA-COVID-19-Impfungen auf internationaler Ebene kann festgestellt werden, dass das epidemiologische Risiko, an AGEP zu erkranken, sehr gering ist. 

Pathophysiologie

An der Pathogenese der AGEP sind mehrere immunologische Wege beteiligt. Sie alle führen zu einer erhöhten Sekretion von Interleukin (IL)-8 und der anschließenden Migration sowie zum Überleben von neutrophilen Granulozyten.

Grundsätzlich ist anzunehmen, dass der AGEP eine T-Zell-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktion vom verzögerten Typ auf ein bestimmtes Medikament oder auf einen anderen Auslöser zugrunde liegt. Nach Exposition durch den auslösenden Stoff präsentieren Antigen-präsentierende Zellen (APCs) das Antigen mithilfe von Molekülen des Haupthistokompatibilitätskomplexes auf ihrer Oberfläche. Dies führt zur Aktivierung von CD4+ und CD8+ T-Zellen, die Arzneimittel-spezifisch reagieren.

Weiterhin proliferieren aktivierte T-Zellen. Sie wandern in die Dermis und Epidermis ein. Über Perforin/Granzym B und Fas-Liganden induzieren die arzneimittelspezifischen CD8+ T-Zellen die Apoptose von Keratinozyten. Histologisch zeigt sich dies in der Ausbildung epidermaler Vesikel (Baker H et al. 1968). Darüber hinaus sezernieren aktivierte T-Zellen IL-8, das ein Chemoattraktans für neutrophile Granulozyten ist. Die Folge sind die Pustulationen im Epithelbereich, sowie die assoziierte systemische Neutrophilie (Sidoroff A et al. 2007).

  • Hinweis: Es gibt keine AGEP ohne neutrophile Leukozytose!  

Bei der AGEP dominieren überwiegend T-Helfer (Th) 1-Zellen. Dies führt dazu, dass die Sekretion von Interferon (IFN)-γ und Granulozyten/Makrophagen-Kolonie-stimulierendem Faktor erhöht wird, was wiederum das Überleben der Neutrophilen fördert. Th2-Zellen, die IL-5 produzieren, könnten ebenfalls eine Rolle spielen. Dies trifft v.a. bei Patienten zu bei denen eine Eosinophilie assoziiert ist. IL-5 ist ein starker Eosinophilenstimulator. Auch Th17-Lymphozyten scheinen in der Pathogenese der AGEP eine Rolle zu spielen, da die von diesen Zellen produzierten Zytokine IL-17 und IL-22 synergistisch die nachgeschaltete IL-8-Sekretion fördern (Sidoroff A et al. (2007).

Genetische Basis von AGEP: Mutationen im IL36RN-Gen, das für den IL-36-Rezeptorantagonisten kodiert, sind bei Patienten, bei denen sowohl eine AGEP als auch eine pustulöse Psoriasis diagnostiziert wurde, häufiger anzutreffen als bei nicht betroffenen Personen (Sidoroff A et al. 2007; Meier-Schiesser B et al. 2019; Navarini AA et al. 2013; Song HS et al. 2016; Sugiura K 2014). Interleukin-36 ist ein proinflammatorisches Zytokin, das von Makrophagen und Keratinozyten sezerniert wird. IL-36-Rezeptoren werden bei der AGEP in hohen Konzentrationen auf der Oberfläche von APCs in der Haut identifiziert. S.a. Interleukin-36-Rezeptor-Antagonist-Defizienz-Syndrom (DITRA). Typischerweise blockiert der IL-36-Rezeptorantagonist die Signalisierung von inflammatorischen Zytokinen wie IL-36α, IL-36β und IL-36γ (Song HS et al. 2016).  Das diesen Rezeptorantagonisten kodierende Gen (IL36RN-Gen) ist ein kleines Gen mit sechs Exons, das sich auf Chromosom 2 an Position q14 befindet. Eine Dysregulation dieses Signalwegs (z.B. durch die nachgewiesenen Mutationen in diesem Gen) führt zu einer verstärkten IL-36-Signalisierung und damit zu einer erhöhten Produktion der nachgeordneten Zytokine IL-6, IL-8, IL-1α und IL-1β. Es ist anzunehmen, dass der Anstieg dieser Signalübertragungen für pustulöse Eruptionen prädisponiert (Baker H et al. 1968). So konnte gezeigt werden, dass Amoxicillin und Letrozol spezifisch die Produktion von IL-36γ-Zytokine durch sensibilisierte CD14+-Makrophagen aus dem peripheren Blut über den Toll-like-Rezeptor 4 bzw. durch Keratinozyten bei Patienten auslösen können.

Bemerkenswert sind Berichte über Überschneidungen zwischen AGEP und generalisierter pustulöser Psoriasis (GPP). So wurde beispielsweise über eine derartige Konstellation als Reaktion auf Ceftriaxon berichtet, bei dem ein Patient mit Psoriasis vulgaris nach Einnahme des Antibiotikums ein pustulöses Exanthem entwickelte. Es war jedoch nicht klar, ob es sich um einen Fall von AGEP bei einem Patienten mit Psoriasis in der Vorgeschichte oder um eine akute Exazerbation der pustulösen Psoriasis handelte (Isom J et al. 2020; Vyas NS et al. 2019).

AGEP eine polygenische Erkrnankung: In einer größeren Studie (n=67 Patienten) wurden die kodierenden Exons von IL36RN, CARD14 und AP1S3 sequenziert - 61 mit GPP, zwei mit akuter generalisierter exanthematischer Pustulose (AGEP) und vier mit Acrodermatitis continua suppurativa (Hallopeau). Die Mehrheit der Patienten (GPP/ 64 %) trug keine seltenen Varianten in einem der drei Gene. Biallelische und monoallelische IL36RN-Mutationen wurden bei 15 (24%) bzw. 5 (8%) Patienten mit GPP festgestellt. Die einzige signifikante Genotyp-Phänotyp-Korrelation, die bei IL36RN-Mutationsträgern beobachtet wurde, war das frühe Alter bei Ausbruch der Krankheit. Zusätzliche seltene CARD14- oder AP1S3-Varianten wurden bei 15 % der IL36RN-Mutationsträger identifiziert (Mössner R et al. 2018).

Manifestation

Eine besondere Altersdispostion existiert nicht. Kinder sind seltener betroffen als Erwachsene.

Lokalisation

Typisch ist der Befall der großen Beugen (axillär, submammär, Leistenregion); aber auch generalisierter Befall ist möglich. Die AGEP kann von einem Ödem der Gesichtshaut begleitet werden.

Klinisches Bild

Beginn der Erkrankung mit deutlicher Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens;  häufig fieberhafter Verlauf mit Temperaturen > 38°C.

Typisch ist der Beginn im Gesicht und den großen Gelenkbeugen mit disseminierten, sich synchron-schubhaft entwickelnden flächenhaften Erythemen oder roten Schwellungen, auf denen sich multiple, engstehende, etwa 0,1 cm große nicht follikuläre Pusteln bilden. Diese fließen zu großflächigen Eiterseen zusammen, wobei sich die zarte Pusteldecke von ihrer Unterfläche abschieben läßt (Nikolski-Phänomen) und wie ein zerknittertes feuchtes Tuch aufliegt. Das pustulöse Exanthem geht mit Juckreiz oder auch stechenden oder brennenden Schmerzen (nadelstichartig) einher.

Z.T. können sich Erythema exsudativum multiforme-artige Kokardenmuster ausbilden, bei denen die Pusteln meist randwärts, entweder disseminert aber auch gruppiert angeordnet sind. Die Pusteln bestehen wenige Tage; ihre Abheilung erfolgt mit einer fetzigen, aufgeworfenen, keratolytischen Schuppung (dünne -skarlatiniforme-Hornlamellen - s. Abbn.).

Eine Beteiligung hautnaher Schleimhäute (Mundschleimhaut, Genitalien) können auftreten sind aber eher selten. Wenn vorhanden, zeigen sich eher klinisch mild verlaufende abschilfernde Enantheme.

Systemische Beteiligungen:  Als systemische Beteiligung gilt jede Organfunktionsstörung, die mit den kutanen Symptomen zusammen auftritt und nicht auf eine andere Ursache oder Erkrankung zurückgeführt werden kann. Studien haben gezeigt, dass 17-20 % der AGEP-Fälle eine Beteiligung innerer Organe aufweisen, am häufigsten Leber-, Nieren- oder Lungenerkrankungen.

Leber: Bei den Leberbefunden handelt es sich um erhöhte Enzymwerte, die entweder hepatozellulär (erhöhte Aspartat-Aminotransferase und Alanin-Aminotransferase bis zum Doppelten des Normalwerts) oder cholestatisch (erhöhte alkalische Phosphatase und γ-Glutamyltransferase) sind. Die Ultraschalluntersuchung des Abdomens kann eine Steatose oder Hepatomegalie zeigen, die beide unspezifisch sind.

Nieren: Der Nierenbefund kann ein Kreatinin >1,5-faches des Ausgangswertes enthalten, was auf eine schwere akute Nierenschädigung hinweist.

Lungen: Zu den Lungenbefunden können Pleuraergüsse, Hypoxämie und erhöhter Sauerstoffbedarf gehören.

Systemische Symptome klingen in der Regel mit dem Absetzen des verursachenden Medikaments, der Behandlung der Grunderkrankung und einer unterstützenden Behandlung ab. AGEP-Fälle, die mit systemischen Symptomen einhergehen, sind in der Regel mit einer höheren Morbidität und Mortalität verbunden als AGEP-Fälle mit ausschließlich kutanen Merkmalen.

Merke! Die groblamelläre korneolytische Abschuppung ist diagnostisch wegweisend für eine subkorneal gelagerte Pustulation!

Bei atypischem Verlauf kann eine klinisch evidente Pustelbildung bei diesem Krankheitbild fehlen. Sie zeigt sich dann nur im histologischen Präparat; aber auch in diesen Fällen findet sich bei  Abheilung eine läsionale korneolytische Schuppenkrause.

Diagnostik

Die Literatur berichtet über positive Patch-Testergebnisse bei AGEP. In einer größeren Studie wurden dreiundneunzig Arzneimittel identifiziert, die zusammen 259 positive Patch-Tests bei 248 Patienten mit AGEP verursacht haben. Folgende Arzneimittelklassen zeigten am häufigsten Reaktionen (de Groot AC 2022):

Beta-Laktam-Antibiotika (25,9 %)

andere Antibiotika (20,8 %)

jodhaltige Kontrastmittel (7,3 %)

Kortikosteroide (5,4 %)

Diese Arzneimittel machen zusammen fast 60 % aller Reaktionen aus

Labor

BSG-Erhöhung, CRP-Erhöhung, stets deutliche Leukozytose (Leukozyten  > 10.000-12.000 /mm³; conditio sine qua non), markante Neutrophilie, meist geringe bis deutliche relative Lymphopenie, ggf. Eosinophilie. Nicht obligat sind Erhöhungen der Transaminasen und der alk. Phosphatase.

Histologie

Exozytose mit intraepidermalen, unmittelbar subkorneal gelegenen Ansammlungen von neutrophilen Granulozyten.

Bildung von spongiformen bis einkammerigen (nicht-follikulären)Pusteln.

Fokaler Verlust des Str. granulosum. Meist orthokeratotisches Epithel. Gelegentlich sind auch Beimengungen eosinophiler Granulozyten und Erythrozytenextravasate vorhanden.

Muster: Superfizielle perivaskuläre und diffuse neutrophile Dermatitis mit subkornealer Pustelbildung

Im Gegensatz zur TEN (subepidermale Spaltbildung mit nekrotischer Epidermis) zeigt die Biopsie bei der Pustulosis acuta generalisata subkorneale Pusteln.

Direkte Immunfluoreszenz

Immunhistologie: Immunglobuline (IgG) und Komplementfaktoren (C3) in den Gefäßwänden der Kapillaren des Stratum papillare und in der Basalmembranzone.

Diagnose

Hilfreich für die Validierung der Diagnose ist  der "AGEP validation Score" de EuroSCAR study group (Sidoroff et al. 2001). Ein Score von 8-12 Pukten spricht füR die Diagnose:

 AGEP validation score of EuroSCAR study group (Sidoroff A et al. 2001)

         Symptom                           Punktezahl           

  • Pustel
    • Typisch                        +2
    • Kompatibel                  +1
    • Nicht-kompatibel           0
  • Erythem
    • Typisch                         +2
    • Kompatibel                   +1
    • Nicht-kompatibel           0
  • Verteilungsmuster
    • Typisch                          +2
    • Kompatibel                    +1
    • Nicht-kompatibel            0
  • Postpustulöse Abschuppung
    • Typisch                         +1
    • Nicht-kompatibel            0
  • Schleimhautbefall
    • Ja                                  +1
    • Nein                               0
  • Akuter Verlauf (<10 Tage)
    • Ja                                  +1
    • Nein                               0
  • Abheilung (<15 Tage)
    • Ja                                 +1 
    • Nein                               0 
  • Fieber                                       
    • Ja                                  +1 
    • Nein                                0
  • Neutrophile Leukozytose (>7.000)
    • Ja                                    +1 
    • Nein                                 0

Differentialdiagnose

  • Klinische Differenzialdiagnosen:
    • Pyodermie (mikrobiologischer Nachweis der eitererregenden Kokken)
    • Psoriasis pustulosa generalisata (Anamnese; chronisch rezidivierender Verlauf, Rezidive ohne Fiebersymptomatik und ohne die schwere allgemeine Krankheitssymptomatik der AGEP)
    • Dermatose, akute febrile neutrophile (Sweet-Syndrom) (durchaus analoge Akuität und Allgemeinsymptomatik, primär imponieren jedoch eher rötlich-livide, sukkulente Papeln, Knoten und Plaques. Intraläsionale, aufpfropfende Pustelbildung möglich. Pusteln jedoch nicht in der Dichte wie bei AGEP. 
    • Hand-Fuß-Mund-Krankheit (wenige akral lokalisierte schmerzhafte Bläschen; nur mäßige oder fehlende Störung des AZ)
    • Erythema exsudativum multiforme (nicht pustulös)
    • Lyell-Syndrom (großflächig exfoliativ, nicht pustulös)
    • Subkorneale Pustulose (chronisch rezidivierender Verlauf; ähnliche klinische Morphologie! Auf das Auftreten größerer und schlafferer Pusteln - Hypopyon-Bildung wird hingewiesen). Entität wird zunehmend bestritten!
    • Impetigo herpetiformis (Auftreten im letzten Trimenon der Schwangerschaft)
    • Pityrosporumfollikulitis (stets follikuläre Papeln und Pusteln; kein schwerer Krankheitsverlauf).
  • Histologische Differenzialdiagnosen:
    • Psoriasis pustulosa generalisata (keine sichere histologische Unterscheidung; Anamnese)
    • Pustulöse Tinea (subkorneale Pustelbildung möglich; Nachweis von Hyphen im PAS-Präparat; in der oberen Dermis dichtes diffuses, machmal perivasal akzentuiertes lymphozytäres Infiltrat mit wenigen Neutrophilen und eosinophilen Granulozyten)
    • Impetigo contagiosa (subkorneale Pustel; Nachweis von Bakterien)
    • Impetiginisiertes Ekzem (Ekzembild mit breitbasiger Akanthose und flächiger Parakeratose, breite Spongiose; fokale Durchsetzung des Epithels mit neutrophilen Granulozyten).

Therapie allgemein

Absetzen des auslösenden Medikamentes.

Externe Therapie

Austrocknende Maßnahmen mit Lotio alba, bei Superinfektion ggf. Zusatz von 3-5% Clioquinol R050 , Bäder mit Zusatz von Kaliumpermanganat (hellrosa), Betaisodona Wundgaze oder antibiotische Behandlung mit z.B. Clioquinol-Creme (Linola-Sept). Ggf. Lagerung auf Metalline-Folie. Bei ausgeprägter entzündlicher Note ggf. topische Glukokortikoide wie Betamethasonvalerat (z.B. Betnesol V, R030 , R029 ) oder Triamcinolonacetonid (Triamgalen, R259 ).

Interne Therapie

Eine Abheilung wird i.d.R. 10-14 Tage nach Absetzen des auslösenden Medikaments beschrieben. Bis dahin symptomatische Therapie, z.B. mit Dimetinden oder anderen H1-Blockern.

Wichtig: Kontrolle der Eiweiß- und Elektrolytbilanzierung.

Eine interne Steroidmedikation kann in der Eruptionsphase der Erkrankung initiiert werden: Initial 250-150 mg Prednisolon/Tag i.v.; je nach Akuität täglich um 50 mg reduzieren, ab 50 mg oralisieren und in 5 mg-Schritten reduzieren.

Verlauf/Prognose

Spontane Abheilung nach 10-28 Tagen

Hinweis(e)

Die Erkrankung heilt nach Absetzen der auslösenden Medikamente auch spontan ab. Inwieweit eine Glukokortikoidtherapie nützlich ist, bleibt derzeit offen.

In Einzelfällen kann nach Abklingen der klinischen Erscheinungen ein positiver Epikutantest gegen verursachende Medikamente erzielt  werden (die nicht-irritative Konzentration des Medikaments bei Epikutantestung von Arzneimittel ist unterschiedlich). 

 

Fallbericht(e)

Der 63-jährige stets hautgesunde Patient litt seit 4 Tagen an einem Stamm und Extremitäten erfassendem Exanthem, das von Unwohlsein, Appetitlosigkeit und mäßigem Fieber (38,5 °C) begleitet wurde. Vorausgegangen war eine 2-wöchentliche orale Einnahme von Terbinafin wegen Tinea unguium.
  • Befund: Pat. in deutlich reduziertem, fieberhaftem (38,7 °C) AZ. An Stamm und Extremitäten in diffuser Verteilung dichtes Exanthem aus 0,2-0,5 cm großen, roten, teils isolierten, teils zu größeren Flächen konfluierten Papeln und Plaques. Insbesondere auf den konfluierten Plaques lassen sich kaum 0,1 cm große isolierte, stellenweise zu größeren Eiterseen konfluierte Pusteln erkennen. Mundschleimhaut o.B. Keine Hepatosplenomegalie, keine Lymphknotenschwellungen.
  • Histologie: Intraepidermale, oberflächliche, spongiforme bis einkammerige Pusteln. Labor: CRP 65 mg/l; Leukozytose (16.400/µl), Neutrophilie (87%), Lymphopenie (1.200/ul), GGT(54 U/l).
  • Therapie: systemische Glukokortikoide (Prednisolon 250 mg/Tag i.v. mit Dosisreduktion um 50 mg in absteigender Dosierung. Zusätzlich sedierendes Antihistaminikum ( Dimetinden 2mal/Tag 4 mg i.v.). Lokaltherapie mit dünner Applikation von Lotio alba oder Lotio alba aquosa hautfarben (NRF 11.22.).
  • Verlauf: Nach 2 Tagen Entfieberung, nach 4 Tagen Abblassung der Läsionen, groblamelläre Abschuppung zunächst am Stamm und deutlich später an der unteren Extremität. Nach 7 Tagen CRP 35 mg/l, Leukozytose bei 11.400 µ/l. Nach 14 Tagen weitgehende Restitutio. Es war dem Patienten erlaubt, in jeder Krankheitsphase lauwarm zu duschen.

Literatur
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  1. Beylot C et al. (1980) Acute generalized exanthematous pustulosis. Semin Cutan Med Surg 15: 244-249
  2. de Groot AC (2022). Results of patch testing in acute generalized exanthematous pustulosis (AGEP): A literature review. Contact Dermatitis 87:119-141.
  3. Langner D et al. (2011) Systemische Therapie mit Infliximab bei schwerer Psoriasis pustulosa generalisata und Psoriasis-Arthritis.  Akt Dermatol 35: 185-186
  4. Lin JH et al. (2002) Acute generalized exanthematous pustulosis with erythema multiforme-like lesions. Eur J Dermatol 12: 475-478
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  6. Mössner R et al. (2018) The genetic basis for most patients with pustular skin disease remains elusive. Br J Dermatol 178:740-748.
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  13. Sidoroff A et al. (2014) Akute generalisierte exanthematische Pustulose.Hautarzt 65:430-435
  14. Tan RS (1974) Acute generalized pustular bacterid. An unusual manifestation of leukocytoclastic vasculitis. Br J Dermatol 91: 209-215

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