Psoriasis capitis L40.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 13.03.2024

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Synonym(e)

Kopfhautpsoriasis; Kopfpsoriasis; Psoriasis capillitii; Psoriasis der Kopfhaut; scalp psoriasis

Definition

Sehr häufig vorkommende (möglicherweise die häufigste Manifestation der Psoriasis- gute epidemiologische Daten fehlen!), lokalisierte oder in Kombination mit anderen Körperherden auftretende Form der Psoriasis am Kopf, die sich bis zu 80% an der behaarten Kopfhaut manifestiert (Psoriasis capillitii). 

Ätiopathogenese

Pathogenetisch bestehen keine klaren Vorstellungen zur Psoriasis capitis. Histologisch lassen sich die klassischen Phänomene der Psoriasis nachweisen, wobei der Haarapparat offensichtlich nicht beteiligt ist. Möglicherweise wirken sich eine hohe Haardichte sowie Pruritus und Kratzeffekte als mechanisch irritierende Faktoren aus. Hinzu könnte eine besondere Keimbesiedlung (z.B. Malazessia furfur) als aktivierender Faktor hinzukommen (Sticherling M 2017).    

Auch interessant

Indikation zu Naturheilverfahren

Rezeptur für eine 5%-ige Steinkohlenteer-Lösung, die als Ersatz für ein handelsübliches Teershampoo genutzt werden kann.    

  • Rp.
  • Steinkohlenteerspiritus                         5,0 g
  • Natriumlaurylethersulfat-27%              60,0 g
  • Natriumchlorid                                       6,0 g
  • Gereinigtes Wasser ad                      100,0 g

Rezeptur für eine 5%-ige Steinkohlenteer-Lösung zur Behandlung der Psoriasis capillitii.  

Alternativ können Präparate mit sulfoniertem Öl aus schwefelreichem Schiefer verwendet werden. Als Fertigpräparate steht das Medizinal Shampoo® von Dermasence oder Bionatar® von Faroderm zur Verfügung.

Lokalisation

Behaarter Kopf, insbes. im Bereich der Schläfenbeine. Charakteristisch und diagnostisch wichtig (Abgrenzung zum seborrhoischen Kopfhautekezem) ist das Überschreiten Stirnhaargrenze durch die psoriatischen Läsionen. Dies betrifft auch die seitlichen Haargrenzen.  

Klinisches Bild

Ganz überwiegend die behaarten Anteile der Kopfhaut betreffende, (meist) scharf begrenzte, stark schuppende, häufig auch juckende, deutlich verfestigte Plaques. Als Maximalvariante stellt sich die Pityriasis amiantacea dar, die sich durch keratotische Einscheidungen der Haarschäfte (fast immer mit begleitendem Haarausfall) auszeichnet.   

Farbe: Je nach Vorbehandlung kräftig rot oder mit einem mehr oder weniger deutlichen, weißen, festhaftenden, trockenen oder fettigen Schuppenbelag versehen.

Nicht selten sind wenig spektakuläre, wenig indurierte nur kleinlamellös (seborrhoid) schuppende Plaques, die außer störenden Abschuppungen und gfls. leichtem Juckreiz keine sonstigen Beschwerden verursachen.

An der Stirnhaargrenze und den seitlichen Haargrenzen greifen die psoriatischen Veränderungen häufig auf die unbehaarte Haut über (pathognomisches Zeichen der Psoriasis der behaarten Kopfhaut - Abgrenzung zum seborrhoischen Ekzem der Kopfhaut).

Haarausfall ist kein typisches Begleitphänomen der Psoriasis capitis. Jedoch kann es bei schwerem und großflächigem psoriatischen Kopfhautbefall es zu einem relevanten Haarausfall, i.d.R. reversibel aber auch bis hin zu alopezischen Arealen (s.u. Alopezie, vernarbende) kommen. Die Ursache hierfür ist nicht geklärt. 

Wenig beachtet sind pustulöse Psoriasisformen des Capillitii. Sie werden z.T. unter dem Krankheitsbild der Folliculitis decalvans subsummiert. 

Differentialdiagnose

Komplikation(en)

Bei starker (asbestartiger), ausgeprägter Schuppenbildung kann es zum Abbrechen der Haare oder auch zum irreversiblen Haarausfall kommen.

Externe Therapie

Initial: Zunächst abschuppende Therapie, z.B. Behandlung mit 2-5% Salicylsäure-haltigen Gelen (z.B. Squamasol-Gel, Stieproxal Shampoo) oder einem gut auswaschbaren Salicylsäure-haltigen Öl (s.u. Salicylsäure).

Alternativ: mehrstündiges Anlegen einer Kopfkappe (z.B. Lygal Kopfsalbe N)

Alternativ: Auftragen einer Lösung aus Dicaprylylcarbonat  und Dimethicon. Dieses Gemisch aus einem Fettsäure-Ester und einem Silikonöl fließt unter die Schuppen und unterwandert den zellulären Zusammenhalt (Loyon®, Cetiol®).

Milder Befall:

  • Behandlung mit 2-5% Salicylsäure-haltigem Gel (z.B. Squamasol-Gel) oder Shampoo (Stieproxal), das 2-3mal/Woche auf dem Kapillitium verteilt wird. 20-30 Min. belassen und anschließend mit klarem Wasser ausspülen.
  • Nachpflege der befallenen Kopfhaut mit Liquor carbonis detergens-(LCD) haltiger O/W-Emulsion ( R154 ). Im Wechsel 2mal/Woche mit Teer-haltiger Kopfhautpackung und -waschung (z.B. Tarmed-Shampoo- zur Zeit außer Handel). Stets ist darauf zu achten, dass durch diese Therapie die Kopfhaut nicht zu stark irritiert wird (Juckreiz!).
  • Alternativ: Topische Anwendung von Vitamin A-Derivaten oder D-Derivaten: Tazarotene (Zorac® 0,05-0,1%) 1mal/Tag oder lokale Vitamin D3- Analoga. Hier sind Lösungen, z.B. Psorcutan® Lösung 2mal/Tag oder Emulsionen, z.B. Curatoderm® Emulsion, 1mal/Tag, zu bevorzugen. Indikation bei Erwachsenen und Kindern > 12 Jahre mit Befall der behaarten Kopfhaut.

Mittlerer Befall:

  • Kopfhaut mit Salicylsäure-haltigen  Salben (z.B. Lygal Kopfsalbe) 2-3mal/Woche über Nacht behandeln. Kopf mit TG-Schlauchverband abdecken (Cave: Verunreinigung des Kopfkissens möglich). Am Morgen mit Flüssigsyndet (z.B. Seba-med® flüssig) auswaschen.
  • Alternativ: Bei "Dithranol-erfahrenen" Patienten kann 1-2mal/Woche ein Dithranol-haltiges Präparat über 7-8 Std. oder als Kurzzeittherapie über 2-3 Std. (z.B.  R074 ) angewendet werden. Cave!  Verfärbungen bei heller Haarfarbe können auftreten!
  • Alternativ.: Eine gute Alternative stellt die Kombination von Calcipotriol und Betamethasondipropionat in einer Gelgrundlage dar (Xamiol Gel®; Daivobet Gel®). Zu Beginn der Behandlung werden 1xtägliche Anwendungen empfohlen. 

Starker Befall:

  • Das Kapillitium zunächst mit mittelstarkem Glukokortikoid in Gel- oder Ölgrundlage wie 0,1% Dexamethason Gel ( R063 ) oder 0,05% Clobetasol-17-propionat Kopföl ( R054A ; Rp 219 aus NFA)  oder 0,1% Triamcinolonacetonid-Öl mehrstündig (z.B. auch über Nacht) unter Folie okklusiv behandeln. Gel und Öl können mit klarem Wasser ausgespült werden.
  • Alternativ: Anwendung eines steroidhaltigen Shampoos (Clobex Shampoo) oder von Salicylsäure-Öl 2/5% oder 10% in Kombination mit Triamcinolonacetonid 0,1%. Im Anschluss Therapie mit Tazarotene oder Calcipotriol-Lösung. Bei verständigen Patienten kann auch ambulant ein Versuch mit einer 0,25-2,0% auswaschbaren Dithranol-Salbe  durchgeführt werden.(Wichtig ist die Signatur mit den Hinweisen auf die Dithranol-Nebenwirkungen). Beginn mit einer 0,25% Salbe (initial ggf. auch geringere Dosierung), alle 2 Wochen auf die doppelte Konzentration steigern!

Bei sehr starkem Befall mit nässender Psoriasis:

  • Initial Betamethason-haltiges Gel (z.B. Diprosis® Gel) über mehrere Tage unter Folienokklusion.
  • Zwischenzeitlich Haare mit Teershampoo (z.B. Tarmed®  zur Zeit außer Handel) auswaschen. Alternativ zu einem Teershampoo kann das „Medizinal Shampoo®“ mit Ichthyol von Dermasence angewendet werden.  
  • Alternativ: Anwendung eines steroidhaltigen Shampoos (Clobex Shampoo) im täglichen Wechsel mit einem Teershampoo. (Anschließend unter den standardisierten stationären Bedingungen Übergang auf eine auswaschbare Dithranol-Salbe s.o.)

Grundsätzlich empfiehlt es sich immer wieder, die Kopfhaut zeitweise mit einer O/W-Emulsion "aufzufetten" (z.B. nach dem Auswaschen des Dexamethason-Gels wenige ml einer Lotion - z.B. Abitima Lotion, Excipial U Hydrolotio, Sebamed Lotion- auf der zuvor angefeuchteten Kopfhaut verteilen; Haar trocken föhnen).

Bestrahlungstherapie

Zusätzlich zu der externen Behandlung hat sich der Einsatz lokaler UVB-Strahlen bewährt. Im Bereich des behaarten Kopfes bieten sich die sog. UV-Kämme an (z.B. Firma Hönle, Saalmann).

Interne Therapie

Bei Therapieresistenz ist eine Systemtherapie mit Fumarsäureester (Fumaderm, Dimethylfumarat) oder Acitretin (Neotigason) durchaus in Erwägung zu ziehen. Bei dieser Entscheidung wird man möglichweise zwischen dem lokaltherapeutischen " Sysiphos-Effekt" und dem nicht gewollten systemischen  "Overtreatment" zu wählen haben. Ein befriedigender klinischer Befund läßt sich bei einer chronisch aktiven Psoriasis capitis (capillitii), v.a. bei dichtem und langem Haar, lokaltherapeutisch nur durch einen erheblichen und stetigen, manchmal nicht zu leistenden, Therapieaufwand" erreichen.

In diesem therapeutischen Dilemma ist nach Berücksichtigung aller Aspekte eine geeignete Systemtherapie (s.bei Psoriasis vulgaris) als Alternative in Erwägung zu ziehen. Ähnliche Überlegungen wird man bei der intertriginösen Psoriasis, der Nagelporiasis oder der Pityriasis amiantacea anstellen.   

Fumarsäureester sind eine therapeutische Option. Gute Effekte wurden in einer Doppelbliind-randomisierten Studie mit Secukinumab erzielt (Bagel J et al. 2017).

Verlauf/Prognose

Häufig jahrelanger, meist rezidivierender Verlauf.

Hinweis(e)

Die Psoriasis capitis wird zusammen mit der ingtertriginösen Psoriasis und der Nagelpsoriasis in die Gruppe "difficult to treat" eingeordnet. Es tritt häufig das Dilemma zwischen der "psychosozialen Einschränkung" (57% der Fälle) durch die Sichtbarkeit der Hautveränderungen, dem begleitenden Juckreiz (26% der Fälle) und den therapeutischen Möglichkeiten auf (Sticherling M . 2016).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bagel J et al. (2017) The effect of secukinumab on moderate-to-severe scalp psoriasis: Results of a
    24-week, randomized, double-blind, placebo-controlled phase 3b study. J Am Acad Dermatol 77:667-674. 

  2. Eichenfield LF et al. (2014) Safety and efficacy of calcipotriene plus betamethasone dipropionate topical suspension in the treatment of extensive scalp psoriasis in adolescents ages 12 to 17 years. Pediatr Dermatol 32:28-35

  3. Elewski BE (2005) Clinical diagnosis of common scalp disorders. J Investig Dermatol Symp Proc 10: 190-193
  4. Hengge UR (2014) Topical, Non-Medicated LOYON(®) in Facilitating the Removal of Scaling in Infants and Children with Cradle Cap: a Proof-of-Concept Pilot Study. Dermatol Ther (Heidelb) 4:221-232

  5. Radtke MA et al. (2010) Calcipotriol plus Betamethasondipropionat-Gel in der Behandlung der Kopfhautpsoriasis. Hautarzt 61: 770-775
  6. Wilsmann-Theis D et al. (2014) Psoriasis and eczema on the scalp. Hautarzt 65:1043-11049

  7. Kim TW et al. (2014) Clinical characteristics of pruritus in patients with scalp psoriasis and their relation with intraepidermal nerve fiber density. Ann Dermatol 26:727-732

  8. Sticherling M (2017) Psoriasis capitis und seborrhoisches Ekzem der Kopfhaut. Hautarzt 68: 457-468

Disclaimer

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