Pruritus nephrogener L29.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.01.2020

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Synonym(e)

Juckreiz bei Niereninsuffizienz; Nephrogener Juckreiz; Nephrogener Pruritus; Pruritus bei chronischer Niereninsuffizienz; Pruritus bei Nierenerkrankungen; Pruritus urämischer; Renaler Juckreiz; Renaler Pruritus; Urämischer Juckreiz; Urämischer Pruritus; Uremic pruritus (engl.)

Definition

Schwerer, nicht unterdrückbarer Dauerjuckreiz bei chronischer Niereninsuffizienz (Stadien 3a-5  - CDK-Stadien nach KDIGO) durch Retention harnpflichtiger Substanzen. Dieser Pruritus tritt bei etwa 25% der chronischen Nierenerkrankten ein. Er kann lokalisiert oder generalisiert in Erscheinung treten. Dialysepatienten leiden ebenfalls sehr häufig an ausgeprägtem Juckreiz.

Der Juckreiz bei Dialyse-pflichtigen Patienten tritt als Dauerjuckreiz (wahrscheinlich als Zeichen der urämischen Neuropathie) oder als intermittierender Dialysejuckreiz (möglicherweise Überempfindlichkeit gegen Stoffe des extrakorporalen Kreislaufes: Weichmacher, Latex, Formaaldehyd) auf. Ein Zusammenhang miti dem sekundären Hyperparathyreoidismus bei Urämie wird diskutiert (S.a. Niereninsuffizienz, Hautveränderungen). Bemerkenswerterweise ist Pruritus bei dialysierten Kindern ein seltenes Problem.  

Ätiopathogenese

Derzeit ist die Pathogenese noch weitgehend ungeklärt. Beachtung finden neben neuropathischen Störungen mit möglichen Rezeptorproliferationen der Fasern zentralnervöse Störungen. Es wird vermutet, dass der sekundäre Hyperparthyreoidismus eine ätiopathogenetische Rolle spielt.  

Therapie allgemein

Folgendes praktische Vorgehen wird bei Patienten mit chronische Nierenerkrankungen (gem den Richtlinien der Dt.Ges. für Nephrologie) empfohlen:

  • Ausschluss einer ausgeprägten Anämie, eines schweren sekundären Hyperparathyreoidismus oder
  • einer Aluminiumintoxikation nach langjähriger Einnahme von aluminiumhaltigen Phosphatbindern.
  • Sollte keine Ursache für den Juckreiz identifizierbar sein, ist zunächst eine topische Behandlung zu beginnen (s.u.)
  • Sollte eine topische Therapie nicht ausreichen, kann bei bereits dialysepflichtigen Patienten gelegentlich eine Linderung des Juckreizes durch eine Steigerung der Dialysedauer und -frequenz erreicht werden.
  • Falls diese Therapieansätze zu keiner Linderung der Beschwerden geführt haben, sollte eine systemische Therapie erfolgen.
  • Eine definitive Beseitigung des urämischen Pruritus ist nur durch eine Nierentransplantation möglich

Externe Therapie

Therapie der ersten Wahl sind UV-Bestrahlungen (UVB oder hoch dosiert UVA1).

Alternativ: Capsaicin (0,01-0,5% in einer Creme-Grundlage oder als Schüttelmixtur s.u. Capsaicin als Rezeptur) ist in einigen Fällen zumindestens zeitweise hilfreich. Cave! Therapiekosten! S.a. Niereninsuffizienz, Hautveränderungen.

Intensivierte Hautpflege: Das Integument des niereninsuffizienten Patienten ist trocken und stark schuppend. Indiziert sind konsequente pflegende externe Maßnahmen wie fettende Lotionen 2mal/Tag (z.B. Excipial Lipolotio, Lipoderm Lotion). Externa mit Harnstoff-Zusatz werden i.d.R. gut vertragen (z.B. 2-5% Harnstoff-Creme, Nubral Creme oder Excipial Hydro- oder Lipolotio, R102 , R104 ). Äußerst sparsames Verwenden von Reinigungsmitteln wie Syndets oder Seifen. Stattdessen Anwendung von hydrophilen Körperölen als Waschersatz (z.B. hydrophiles Körperöl oder Fertigpräparate, die i.A. als Ölbäder Verwendung finden wie z.B. Ölbad Cordes, Linola Fett N Ölbad, Balneum Hermal Ölbad).

 

Interne Therapie

Die Evidenzlage für die Wirksamkeit verschiedener Medikamente (wie z. B. Gabapentin, Gamma-Linolensäure) zur Behandlung des urämischen Pruritus ist eingeschränkt. Aus diesem Grund können keine allgemeine Empfehlungen ausgesprochen werden.

Merke! Orale Antihistaminika sind wirkungslos.

Alternative Optionen, die sich in Studien als erfolgreich erwiesen haben: Aktivkohle 6 g/Tag, Gabapentin 3mal/Woche 300 mg nach der Dialyse.

Alternativ: Neuerdings werden Erfolge mit Ondansetron (z.B. Zofran 4-8 mg/Tag) beschrieben. Erfolge mit niedrig dosiertem Erythropoetin sind beschrieben (18 U/kg KG/Tag, 3mal/Woche i.v.).

Alternativ: Versuch mit nichtsteroidalen Antiphlogistika wie Metamizol 1000-2000 mg/Tag (z.B. Novalgin 2-4 Tbl.)

Alternativ: Opioid-Antagonisten z.B Naltrexon (50 mg/Tag). Die Studienergebnisse zu Naltrexon sind widersprüchlich. Zu beachten sind erhebliche Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Schlafstörungen, Schwindel.

Experimentell: Thalidomid 100 mg/Tag zeigten in kontrollierten Studien einen lindernden Effekt ( Off-label-Use).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Legroux-Crespel E et al. (2004) A Comparative Study on the Effects of Naltrexone and Loratadine on Uremic Pruritus. Dermatology 208: 326-330

  2. Mettang T (2016) Uremic Itch Management. Curr Probl Dermatol 50:133-141.

  3. Scherer JS et al. (2017)  Sleep Disorders, Restless Legs Syndrome, and Uremic Pruritus: Diagnosis and Treatment of Common Symptoms in Dialysis Patients. Am J Kidney Dis 69:117-128.

  4. Ständer S et al. (2006) Diagnostic and therapeutic procedures in chronic pruritis. J Dtsch Dermatol Ges 4: 350-370

Verweisende Artikel (2)

Ondansetron; Pruritus renaler;

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