Piebaldismus E70.35

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 28.11.2022

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Synonym(e)

Angeborene Weißfleckung; Leuzismus; OMIM 172800; Partieller Albinismus; Poliose (= weiße Stirnlocke); Weiße Stirnlocke; Weißfleckung angeborene

Erstbeschreiber

Morgan, 1786

Definition

Angeborene, autosomal-dominant vererbte, umschriebene Weißfleckung der Haut, hervorgerufen durch (meist) komplettes Fehlen der Melanozyten in läsionaler Haut. Nachgewiesen sind Mutationen im KIT (s.u. Kit)- und SLUG (SNAI2 - Snail-Homolog-2-Transkriptionsfaktor)-Gen (Saleem MD et al. 2019).

Der "klassische" Piebaldismus ist eine reine Hautanomalie.

Eine Poliose als angeborene oder erworbene, herdförmige Weißverfärbung der Haare (weiße Haarlocke im Stirnbereich) kann als Teilsymptom verschiedener anderer Syndrome (s.u.) auftreten.

Vorkommen/Epidemiologie

Prävalenz: 3-5/100.000 Einwohner/Jahr.

Ätiopathogenese

In den meisten Fällen liegen inaktivierende Mutationen im c-Kit-Rezeptorgen vor, das auf dem Chromosom 4q12 lokalisiert ist.

Der C-Kit-Rezeptor ist für die Wanderung von Melanoblasten aus der Neuralleiste, für ihr Überleben sowie für ihre Proliferation zuständig.

Weiterhin wurden Deletionen im SNAI2-Gen beschrieben der für einen Transkriptionsfaktor kodiert.  

Manifestation

Weiße Stirnlocke (seltener an anderen Stellen des Kapillitiums; s. Abb.) bei Geburt, übrige Herde nach einigen Monaten.

Lokalisation

Brust, Abdomen (ventral) und obere Extremitäten, Stirn.

Klinisches Bild

Meist münzgroße, scharf begrenzte, amelanotische, isolierte, symmetrisch oder systematisiert auftretende Flecken, weiße Stirnlocke. Seltener auch Café-au-lait-Flecken.

Sechsfelderkomplex (six field complex): Poliosis circumscripta und Pigmentmangel an Kinn, Nacken, Rumpfmitte und distalen Extremitätenanteilen.

Teilsymptomatik folgender Syndrome:

Histologie

In den läsionalen Arealen fehlt das Melanin. Melanozyten fehlen komplett.

Differentialdiagnose

Klinisch:

Vitiligo: Selten isolierter Herd. Nicht angeboren sondern erworben.

Albinismus: Kongenitale Störung der Melaninsynthese bei normaler intraepidermaler Melanozytenzahl (!). Nie lokalisierte sondern generalisierte Hypomelanose von Haut, Haaren und Augen (okulokutaner Albinismus) oder nur der Augen (okulärer Albinismus)

Naevus depigmentosus. Bisher nicht geklärt ist ein tatsächlich existierender Unterschied beider Anomalien. Für beide Krankheitsbilder sind "systematisierte" (kutane Mosaike) Depigmentierungen beschrieben worden.

Beim Naevus depigmentosus sind typischerweise Melanozyten in der Epidermis nachweisbar. Es liegt eine Störung des Melanosomentransfers vor.

Naevus anaemicus: Beweisend ist der Reibetest, der beim Naevus anaemicus negativ ausfällt.

Therapie

Konsequenter textiler und physikalisch/chemischer Lichtschutz. Ggf. kosmetische Abdeckung, z.B. Dermacolor.

Hinweis(e)

Der c-Kit-Rezeptor ist ein Protein der Tyrosinkinase-Familie von transmembranösen Rezeptoren. c-Kit wird u.a. auf der Oberfläche von Melanozyten exprimiert und wirkt als Rezeptor für Wachstumsfaktoren. Eine Verminderung oder gar das Ausbleiben der c-Kit-abhängigen Signaltransduktion führt dann zu einer reduzierten Proliferation und Migration von embryonalen Melanoblasten aus der Neuralleiste. Dies resultiert meist im gänzlichen Fehlen oder aber in einer deutlichen Reduktion der Melanozyten in den korrespondierenden Hautpartien. Ein dem Piebaldismus des Menschen analoges Krankheitsbild wird bei Pferden (Schecken) und Kühen (schwarz-weiße Kühe) häufig beobachtet und als Leuzismus bezeichnet. Auch bei diesen Säugern läßt sich die oben beschriebene Genmutation nachweisen.

Fallbericht(e)

3 Jahre alter Junge, der seit Geburt einen streifenartigen weißen Fleck aufwies und später in diesem Areal eine weiße Locke (Poliose) entwickelte. Seit der frühen Säuglingszeit beobachtete die Mutter weitere weißliche Flecken am Bauch sowie später am linken Arm und am rechten Knie. In den letzten Wochen kam es nach mehrfacher Sonnenbestrahlung zum Auftreten von einzelnen pigmentierten Flecken innerhalb des depigmentierten Areals am Bauch. Der Junge war geistig vollstädnig normal entwickelt und zeigte auch anonsten keine körperlichen Retardierungen. Eine mittlere Sonnenexposition führt in den läsionalen Arealen einer vorzeitigen Dermatitis solaris.

Literatur
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  1. Böhm M (2015) Differenzialdiagnostik der Hypomelanosen. Hautarzt 66: 945-958
  2. Fistarol SK et al. (2010) Pigmentstörungen. JDDG 8:187-203
  3. Garg T et al. (2003) Autologous punch grafting for repigmentation in piebaldism. J Dermatol 30: 849-7850
  4. Olsson MJ et al. (2002) Long-term follow-up of leucoderma patients treated with transplants of autologous cultured melanocytes, ultrathin epidermal sheets and basal cell layer suspension. Br J Dermatol 147: 893-904
  5. Saleem MD et al. (2019) Biology of human melanocyte development, Piebaldism, and Waardenburg syndrome. Pediatr Dermatol 36:72-84.
  6. Sleiman R et al. (2013) Poliosis circumscripta: overview and
    underlying causes. J Am Acad Dermatol 69:625-633
     

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