Pemphigus vulgaris L10.0

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. Maximilian Deußing

Co-Autoren: Dr. med. Jeton Luzha, Sietske Poortinga, Hadrian Tran

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Zuletzt aktualisiert am: 13.03.2024

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Erstbeschreiber

Wichmann, 1793; Hebra, 1860

Definition

Chronische, mit akantholytischer Blasenbildung an Haut und/oder Schleimhäuten einhergehende, ohne Therapie schwer u.U. tödlich verlaufende Autoimmunerkrankung. Der Pemphigus vulgaris ist die häufigste Variante der Pemphigus-Gruppe.

Der Pemphigus vulgaris verläuft häufig zweistufig in einer zunächst lokalisierten, später generalisierten Form.

Zu unterscheiden ist:

  • der mukosal-dominante Pemphigus vulgaris
  • der mukokutane Pemphigus vulgaris

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 0.1-0.5/100.000 Einwohner/Jahr weltweit; gehäuft bei Ashkenazi Juden.

Inzidenzen im Einzelnen:

  • Deutschland: 0,15/100.000
  • Schweiz und Finnland: 0,06-0,076/100.000
  • 0,8-1,0: Griechenland, Rumänien, Iran
  • Jüdische Population: 1,6-3,2/100.000  
  • Mortalität: 5-10% global

Ätiopathogenese

Beim Pemphigus vulgaris handelt es sich nach der Klassifikation von Coombs und Gell um eine allergische Reaktion vom Typ II (Zytotoxische Reaktion).

Bildung von Autoantikörpern gegen Desmoglein 3 (Dsg 3) oder Desmoglein 1 (Dsg 1-s.u. DSG1-Gen). Desmogleine sind Adhäsionsmoleküle aus der Familie der Cadherine und werden auf der Oberfläche u.a. von Keratinozyten exprimiert. Weitere Autoantikörper (es wurden bisher etwa 50 Zielantigene beschrieben), die beim Pemphigus vulgaris gebildet werden, richten sich gegen Desmocollin, Plakoglobin, Pemphaxin (Annexin 9), E-Cadherin, Desmocolline sowie den cholinergen Rezeptor v. Keratinozyten (s.u. Zellkontakte). Da die verhornende Epidermis sowohl Dsg 1 wie auch Dsg 3 exprimiert, die Schleimhaut jedoch fast nur Dsg 3, verursacht eine Immunreaktivität gegen Dsg 3 überwiegend Schleimhautveränderungen. Bei Ausbildung von Antikörpern gegen Dsg 1 und 3 ist dagegen das Integument beteiligt.

Die Bindung der Autoantikörper im Gewebe ist mit einer Entzündungsreaktion verbunden, die durch autoinflammatorische Mechanismen wie Inflammasomaktivierung und Leukozytenrekrutierung als auch eine adaptive Immunantwort antigenspezifischer T-Zellen verbunden ist.   

Medikamentöse Auslösung nach Einnahme von bestimmten Medikamenten ist u.a. beschrieben für:

Ein durch Arzneimittel induzierter Pemphigus vulgaris kann auch nach Jahren der guten Verträglichkeit eines Medikamentes induziert werden.

Externe Provokation: Auslösung durch Verbrennungen, UV-Bestrahlungen, Röntgenbestrahlung ist möglich.

 

Manifestation

Es  ergeben sich hier je nach Population unterschiedliche Erstmanifestationen:

  • In europäischen Ländern liegt das Alter der Erstmanifestation bei 50-60 Jahren.
  • In nicht-europäischen Ländern lag sie niedriger (30-50 Jahre, durchschnittlich 43,4 Jahre Daneeshpazhoo et al. 2012)
  • Seltener findet sich die Erkrankung im Kindes- und hohen Erwachsenenalter.

Lokalisation

Im lokalisierten Stadium: Mundhöhle (Wangen, Gaumen, Gingiva), Nasenhöhle (blutiger Schnupfen), Pharynx,  Genitalschleimhäute, Urethra, Konjunktiven. Nabelregion, v.a. auch intertriginöse Bereiche (Genital - und Perianalbereich) sowie der Periungualbereich können befallen sein.

Im generalisierten Stadium disseminiertes Krankheitsbild mit symmetrischem Befall von Rumpf, Capillitium, Axillen, Leistenregion, Extremitäten

Klinisches Bild

Der Pemphigus vulgaris manifestiert sich meist  zweistufig:

1. Lokalisierte chronische erosive Dermatitis und Mukositis

Typisch ist ein chronisch schleichende Beginn, schwankend zwischen Besserungen und Rezidive. Merke: Blasen werden in diesem lokalisierten Stadium häufig nicht gesehen; somit wird die Erkrankung klinisch meist nicht als blasenbildend bewertet.

Häufig (> 50%!) erste klinische Erscheinungen in der Mundhöhle (erosive, schmerzhafte Stomatitis, Fötor ex ore).

Hautbefall (>80%): der lokalisierte Pemphigus vulgaris ist klinisch meist nicht als blasenbildende Erkrankung zu erkennen. Er wird als pyodermisierte, nässende, meist auch als therapieresistente Pyodermie diagnostiziert. Klinisch imponieren an Rumpf, Wangen, Nabelbereich, Capillitium, meist großflächige, verkruste Erosionen. Weitere Manifestationen sind: Lippenrot (klinisch: erosive, krustige Cheilitis), Lider (klinisch: nässendes Lidekzem), Finger ( klinisch: chronische, schmerzhafte und therapieresistente Paronychie). 

Weiterhin in abfallender Häufigkeit:

  • Nasenschleimhaut: therapieresistente, blutig sezernierende Rhinitis
  • Pharynx: schmerzhafte Schluckbeschwerden (evtl. kombiniert mit Laryngitis: Schluckbeschwerden, Heiserkeit) 
  • Konjunktiven: erosive und therapieresistente Konjunktivitis (cave: Ulcus corneae)
  • Genital- und Analschleimhaut: erosive Vulvitis/Balanitis und Proktitis

Bei relevantem Mundschleimhautbefall ist Gewichtsverlust häufig ein begleitendes Zeichen!.   

2. Generalisierte, chronische, erosive Dermatitis und Mukositis

Das generalisierte Stadium kann plötzlich eintreten. In dieser Phase treten, ohne ein entzündliches (lokales) Vorstadium, rasch aufschießende klare, zuerst gespannte, dann schlaffe, äußerst fragile, schnell platzende (die Zerreißlichkeit des Blasendaches ist das Kennzeichen der intraepidermal gelegenen Pemphigusblase) große Blasen auf, deren Platzen große nässende Erosionsflächen hinterlassen. Diese verkrusten rasch.

Merke: Beim Pemphigus vulgaris muss man nach Blasen suchen um sie zu finden!

Weiterhin: Aktivitätsschübe  führt zu neuen Erosionsflächen, während die alten, bereits verkrusteten, noch persistieren. Somit ergibt sich ein wechselhaftes Krankheitsbild mit großflächigen, nässenden oder verkrusteten Erosionen deren krumpelige Blasenränder wie nasses Papier den Erosionsflächen aufliegen. Sie lassen sich durch leichten Fingerdruck tangential abschieben (das diagnostisch wichtige Nikolski-Phänomen ist positiv). 

Hieraus resultierten die klinischen Leitsymptome des PV. Diese sind nicht großflächige Blasen, sondern großflächige, verkrustete Erosionen mit lappigen Blasenrändern. Manchmal imponieren ausschließlich  nässende, schwer ablösbare Krusten. 

In der Phase der Generalisation treten  Haut- und Schleimhautveränderungen (s.o.) zusammen auf. Die  Ausbildung schmerzhafter Erosionen ist an allen hautnahen Schleimhäuten möglich. Die seltene Manifestation im Bereich des Ösophagus kann zur Notfallsituation werden!

Sonderformen: Pemphigus herpetiformisErythema-anulare-ähnlicher Pemphigus, Intertrigo-ähnlicher Pemphigus, Pemphigus vegetans.

Histologie

Es wird empfohlen vorsichtig eine kleine intakte Blase mittels Biospie zu entnehmen, sodass die Blase intakt bleibt. Falls die Entnahme einer kompletten Blase nicht gelingt, wird eine randliche Biopsie, die den periläsionalen Bereich einer Erosion erfasst (Bemerkung: Epidermis kann bei der Präparation nicht abschwimmen).

Tipp: Falls das Gewebe sehr fragil erscheint, empfiehlt es sich, das Bioptat auf einem kleinen Stück festem, trockenen, saugfähigem Papier auszubreiten und Papier mitsamt der darauf festklebender Probe in die 10% Formalin-Lösung zu verbringen. Damit fixiert das Material in seiner anatomischen korrekten Weise und ist einfacher zu präparieren.   

Weitere Empfehlung: Es empfiehlt sich nicht eine Blase zu teilen (Histologie und Immunfluoreszenz), da der Artefakt beim Zuschneiden eine histologische Beurteilung häufig deutlich erschwert oder unmöglich macht.

Bzgl. der Lokalisation der Gewebeentnahmen gibt es keine Präferenzen!      

Der Histologe ist aufgefordert das Bioptat mittels serieller Aufbereitung zu beurteilen. HE-Diagnostik ist ausreichend. 

Ergebnistechnisch findet eine superfizielle Dermatitis mit suprabasaler, akantholytischer Kontinuitätstrennung und  Blasenbildung. In älteren Blasen: Neutrophile und eosinophile Leukozyten. Elektronenmikroskopie: Desmolyse.

Direkte Immunfluoreszenz

Die Diagnose Pemphigus vulgaris läßt sich immunhistologisch sichern (diese Diagnostik hat eine hohe Relevanz!).  Wichtig ist eine periläsionale Biopsie! Die Biopsie einer Blase kann zu einem falsch positiven (Ig und C3 lagert sich unspezifisch ab) oder zu einem falsch negativen Befund (Ig/C3 wird proteolytisch abgebaut, oder das Blasendach stellt sich aus technischen Gründen überhaupt nicht dar) führen. Eine Bevorzugung einer bestimmten Körperregion wird diagnostisch nicht empfohlen.   

Der Nachweis von IgG und meist Komplementkomponenten (C3, C4, C1) im Interzellularraum der Epidermis ist diagnostisch beweisend.

Indirekte Immunfluoreszenz

Affenösophagus ist das sensitivste Gewebe zum Nachweis von  Pemphigusantikörper im Serum. Sensitivitäten zwischen 86% und 100% wurden beschrieben.

Differentialdiagnose

Je nach Befallsmuster ergeben sich unterschiedliche klinische Konstellationen und damit unterschiedliche DD.

Bei initialem und zunächst ausschließlichem Befall der Mundschleimhaut:

  • Erosiver Lichen planus: Fehlender serologischer Nachweis! Indirekte: IF: Fibrinogen-Ablagerungen und Zytoide Körperchen. Keine IC-Fluoreszenz 
  • Erythema exsudativum multiforme: Fehlender serologischer Nachweis! Indirekte: IF: in den meisten Fällen negativ. Keine IC-Fluoreszenz; meist sind die typischen Hautveränderungen des EEM vorhanden.
  • Stomatitis aphthosa: Jugendliche Altersgruppe oder Kleinkinder. Akuter Beginn mit schwerer Allgemeinsymptomatik.  IF: negativ. DIF: keine IC-Fluoreszenz

Bei lokalisiertem Hautbefall:

  • Chronische Pyodermie
  • Mikrobielles Ekzem
  • M. Hailey-Hailey

Im Stadium der Generalisation:

  • Mikrobielles Ekzem
  • Ausgedehnte Pyodermie
  • Subkorneale Pustulose (Sneddon-Wilkinson)
  • Andere blasenbildende Erkrankungen
  • M. Darier
  • M. Grover  

Komplikation(en)

Die flächigen Erosionen stellen eine Eintrittspforte für pathogene Erreger dar, die zu Sekundärinfektionen bis hin zur Sepsis führen. Weiterhin Gefahr der  Bronchopneumonie, der Kachexie.

In der Schwangerschaft: Diaplazentäre Übertragung von IgG-Autoantikörpern auf das Ungeborene → Auftreten eines Pemphigus beim Neugeborenen (Pemphigus neonatorum) → Abheilung des Pemphigus beim Neugeborenen i.d.R. innerhalb von Wochen

Therapie allgemein

Ausschluss provozierender Faktoren, insbes. Absetzen fraglicher provozierender Medikamente. Konsequenter textiler Lichtschutz.

Merke! Regelmäßig intravenöse Zugänge kontrollieren (hohe Kontaminationsgefahr), ggf. tgl. wechseln!

Allgemeine Richtlinien bei schwerem, großflächigem Pemphigus vulgaris:
  • Intensivpflege in entsprechend eingerichteten Therapieeinheiten.
  • Isolierung des Patienten.
  • Aseptische Schutzkleidung, Mundschutz für ärztliches und pflegerisches Personal.
  • Tragen von Handschuhen.
  • Ausreichende Wärmezufuhr (exakte Temperaturregelung).
  • Ausreichender Feuchtigkeitsgehalt der Zimmerluft.
  • Spezialbett zur Dekubitusprophylaxe verwenden.
  • Flüssigkeitsbilanzierung, ggf. Blasenkatheter.
  • Dokumentation der Befunde (Ausdehnung, Schweregrad auf Intensivbehandlungsbögen).
  • Jeden Tag Abstriche der Wundflächen (Kultur mit Resistenzverhalten), Gefahr der Pseudomonasbesiedlung.
  • Lagerung auf Metallinefolie.
  • Blasen eröffnen und Blasendecke abtragen.
  • Bei offenen und superinfizierten Stellen 1% Sulfadiazin-Silber-Creme (z.B. Flammazine).
  • Augenhygiene mit desinfizierenden und adstringierenden Augentropfen (z.B. Solan Augentropfen).
  • Schema mit tgl. Dosierung: Kolloidale Lösung (1 ml/kg x befallene KO), Elektrolytlösung (physiologische Kochsalzlösung 1 ml/kg x befallene KO).
  • Bei Stabilisierung Übergang auf hochkalorische Flüssigkost (Meritene), später Diät mit passierter Nahrung; keine Gewürze, keine Fruchtsäuren.

Externe Therapie

Symptomatische (nichtsteroidale) Therapie, z.B. mit milden Antiseptika wie 0,5% Clioquinol-Creme (z.B. R049, Linola-Sept). Alternativ 2% Clioquinol-Salbe. Die Blasen sind steril zu eröffnen. Vermeiden von Sekundärinfektionen. Bei Verdacht auf Sekundärinfektion sofort Abstrich und Antibiogramm. 

Augen: Regelmäßige Kontrollen. Antiseptische Augentropfen wie Zinksulfat-Augentropfen R297 .

Schleimhautveränderungen (Mund - oder Genitalschleimhaut):

  • Als "Erstschritt-Therapie" ist eine Lokaltherapie mit topischen Glukokortikoiden, z.B. mit 0,1% Betamethason Mundgel 031, sinnvoll.
  • Alternativ: Gute Erfahrungen bestehen auch mit Clobetasol-Creme (z.B. Dermoxin Creme auf einen Mull-umwickelten Mundspatel auftragen und lokal applizieren).
  • Alternativ: Wässrige Prednisolon-Lösung (Rp.: Nystatin 100KUI/Lidocain 0,1/Prednisolon 0,1/ aqua purificata ad 100,0/ S: Milde gut verträgliche Kortison-haltige Lösung 1-2x täglich anwenden).
  • Alternativ: Ciclosporin A-haltigen Paste 046 oder eine 0,03% Tacrolimus Suspension.
  • Alternativ: 1% Pimecrolimus Creme, die im Schleimhautbereich besser verträglich ist als Ciclosporin und Tacrolimus (diese Externa mit einer weichen Zahnbürste oder auf einem mit Mull umwickelten Spatel auf die Läsion auftragen und möglichst lange einwirken lassen). Behandlung 2-3mal täglich durchführen.
  • Bei starker Schmerzhaftigkeit empfiehlt sich die Behandlung mit einem Lidocain-haltigen Gel (z.B. Dynexan-Mundgel®) bzw. Lidocain-haltiges Spray (z.B. Sulagil Spray®). Geeignet ist auch die Krister Lösung nach NRF 7.14 (Kombinationspräparat mit Lidocain, Prednisolon und Kamillenextrakten).  
  • nach dem Essen begleitende antiseptische Mundspülung mit z. B. Octenisept-Mundspüllösung bzw. Betaisodona-Mundspülung sowie anschließend pflegende Dexpanthenol-Lösung oder Tormentillae Adstringens (R066 R255).

Interne Therapie

Merke! Der Pemphigus vulgaris erweist sich häufig als therapieresistent!

Die Erkrankung bedarf einer intensiven medikamentösen Immunsuppression, die langfristig (mit langem Atem) durchgehalten werden muss! Hochdosierte systemisch applizierte Glukokortikoide in Kombination mit Immunsuppressiva ( Azathioprin [z.B. Imurek]) oder Mycophenolatmofetil oder Cyclophosphamid (Endoxan) oder Ciclosporin A (Sandimmun) oder seltener Methotrexat (MTX) (Reihenfolge nach Umfrageergebnissen unter klinischen Experten). Die steroidale Dauertherapie kann täglich oder alternierend jeden 2. Tag (Evidenzlevel IIA) appliziert werden. Die Dauer der (für Azathioprin nachgewiesenen) "Steroid-sparenden" Therapie mit Immunsuppressiva beträgt zumeist > 2 Jahre, ggf. lebenslang. Engmaschige Laborwertkontrollen sind unerlässlich! Auf opportunistische Infektionen achten!

Bei den nachfolgend aufgeführten Therapieempfehlungen sind Evidenzlevel und Grad der Empfehlung, so weit vorhanden, mit aufgeführt:

  • Bei moderaten bis schweren Fromen von Pemphigus vulgaris sowie Pemphigus folicacea wird Leitlinien-gemäß Rituximab in Kombination mit systemischen Glukokorticoide empfohlen. Rituximab (MabThera, Anti-CD20 AK. Therapieprinzip der B-Zelldepletion mit Abfall des Antikörperspiegels) Dosierung: Rituximab: 375 mg/m2 KO am Tag 1 und 14(-21) i.v. Zeit bis zum Ansprechen der Therapie etwa 7 Wochen). Evtl. Wiederholung des Therapieregimes nach 1 Jahr.

    Eine multizentrische Studie zeigte nach einer Einmal-Infusion von Rituximab (Dosis: 375 mg/m2 KO i.v.) bei 86% der Pat. nach 3 Monaten eine vollständige Remission. Alternativ kann Rituximab als Monotherapie auch als "Low-dose" Regime eingesetzt werden (Dosis: jeweils 500mg am Tag 1 und 14 i.v.).

  • Glukokortikoide (A; II) in Kombination mit Immunsuppresiva wie Rituximab oder Azathioprin: Einstieg mit 2,0-4,0 mg/kg KG/Tag Prednisonäquivalent (z.B. Decortin H) und 1,5-2,5 mg/kg KG/Tag Azathioprin (z.B. Imurek). Als Dauertherapie ist eine Behandlung mit Glukokortikoiddosen unterhalb der Cushingdosis anzustreben (< 7-10 mg/Tag Prednisonäquivalent). Azathioprin-Dosis in den ersten Monaten unverändert belassen! Bei längerer klinischer Erscheinungsfreiheit (Abheilen der alten Blasen, kein weiteres Neuauftreten von Blasen) Reduktion des Azathioprins. Komplette Remissionen unter Glukokortikoid/Azathioprin-Kombination bei 28-53% der Patienten (Mortalitätsrate: 4-7%). 
  • Es wird empfohlen, die Dosis von Azathioprin an die individuelle Aktivität der Thiopurinmethyltransferase (TPMT) anzupassen! Patienten mit einer TPMT-Aktivität < 5U/ml sollten kein Azathioprin erhalten.
  • Glukokortikoid-Pulstherapie (C; IV): Bei Therapieresistenz nach mehreren Therapiewochen (etwa 10% der Fälle) empfehlen wir unter Belassung der Azathioprindosis eine Glukokortikoidpulstherapie: 1 g Prednisonäquivalent (z.B. Solu Decortin H) als Kurzinfusion an jeweils 3 aufeinander folgenden Tagen, dann absteigende Dosierung (750/500/250 mg/Tag). Azathioprin in obiger Dosierung belassen.
  • Cyclophosphamid (B; III): Bei weiterer Therapieresistenz kann Azathioprin gegen Cyclophosphamid (z.B. Endoxan) ausgetauscht werden. Orale Cyclophosphamid-Dosis: 1,0-2,0 mg/kg KG/Tag. Cyclophosphamid kann auch als Pulstherapie appliziert werden (500-1000 mg/alle 2-4 Wochen).

    Merke! Bei Einsatz von Cyclophosphamid sind Blasenschutzmittel wie Mesna (z.B. Uromitexan) unumgänglich!

  • Alternativ: Alternativ zu der Prednisolon/Cyclophosphamid-Pulstherapie kann auch Dexamethason mit Cyclophosphamid kombiniert werden (Tag 1: Fortecortin® mono 100 mg als Kurzinfusion/Cyclophosphamid 500 mg über Perfusor über 2 Std., Tag 2: Dexamethason 100 mg i.v.; Tag 3: Dexamethason 100 mg i.v.). Pulsschema dauerhaft nach 4 Wochen wiederholen.
  • Alternativ: Ciclosporin A (C; I): Die Erfahrungen mit systemisch appliziertem Ciclosporin A sind als positiv zu werten. Bei Therapieresistenz kann das Immunsuppressivum in Kombination mit einem Glukokortikoid eingesetzt werden, Dosierung: 5,0-7,5 mg/kg KG/Tag p.o.
  • Alternativ: Methotrexat (C; III): Als Alternativtherapie (zu AZ und Cyclophosphamid) in Kombination mit Prednisolon einzusetzen. Dosierung: 15 mg/Woche i.m. oder i.v. Am Folgetag ist Folsäure zu applizieren (analoge Dosis zum MTX).
  • Alternativ: Mycophenolatmofetil (A; IB): Bislang liegen Fallberichte und eine positive, randomisierte, placebokontrollierte Studie (n = 94 Pat.!) vor. Der Einsatz bei Kontraindikationen bzw. bei Versagen anderer Immunsuppressiva gerechtfertigt. Die Kombination von Mycophenolatmofetil (2 g/Tag) und Methylprednisolon (2 mg/kg KG) scheint nach einer multizentrischen Studie gute klinische Resultate zu erzielen.
  • Alternativ und Steroid-sparend kann Rituximab eingesetzt werden . Opportunistische Nebenwirkungen (HSV, COVID, Cytomegalievirus-Infektionen) eineshcließlich eines höheren Risikos für Pneumokokken-Infektionen (Penumokokken-Impfung wird empfohlen) sind zu beachten (Chen DM et al. 2020; Frampton JE 2020). 
  • Alternativ: IVIG (B; III): Gute Erfahrungen unter hoch dosierter i.v. Immunglobulintherapie (z.B. Intratect®). In Studien meist als Monotherapie durchgeführt. Dosierung: 2,0 g/kg KG über 3 Tage verteilt, monatliche Therapiezyklen. Cave! Hohe Therapiekosten! Kombinationen mit Glukokortikoiden sind meist notwendig. Alternativ Kombination von Rituximab und IVIG: Die Kombinationstherapie zeigte in einer Studie bei 9/11 Patienten nach insgesamt 6 Rituximab Infusionen gute klinische Effekte.
  • Alternativ: Plasmapherese (C; I) (oder Immunadsorption): Bei Therapieresistenz gegen andere Verfahren initial als Zusatztherapie mit Zyklen im Abstand von 14 Tagen. Ziel der Behandlung ist die prompte Antikörperreduktion im Serum. Eine Studie mit 19 Patienten zeigte bei behandelten Patienten jedoch keinen Benefit gegenüber einer Kontrollgruppe. Als Therapiemodalität nur dann indiziert, wenn jegliche andere immunsuppressive Therapie kontraindiziert erscheint. Neuere Studien scheinen eine hohe Effektivität bezüglich einer schnellen klinischen Remission, jedoch ohne dauerhafte Heilung, zu zeigen. In kleinen Studien konnten Erfolge mit der Kombinationstherapie Immunadsorption (3 malig) und nachfolgender stabilisierender Therapie mit Rituximab erzielt werden (s.u.).

Rezidiv und/oder Resistenz auf die zuvor aufgeführten Therapieregimes: Bei ausgeprägtem Rezidiv der Haut- oder Schleimhautveränderungen ist initial wiederum hohe Immunsuppression notwendig (Glukokortikoid-Pulstherapie)! Bei geringeren Rezidiven (wenige Erosionen) immunsuppressive Therapie nicht zwangsläufig steigern: Zunächst Versuch mit lokaler Glukokortikoidtherapie, potente Glukokortikoide wie 0,1% Mometason (z.B. Ecural® Salbe).

Verlauf/Prognose

Unterschiedlicher Verlauf. Ohne Therapie Tod meist in 1 bis 3 Jahren. Körperlicher Verfall durch Erschwerung der Nahrungsaufnahme.

Fortbestehende hohe Desmoglein1-Werte haben (im Gegensatz zu den Desmoglein3-Werte) einen positiven prädiktiven Wert für Hautrezidive.  

Tabellen

Stufentherapie bei schwerem Pemphigus vulgaris

Stufe

Therapieregime

Stufe I

Glukokortikoide in Kombination mit Azathioprin: Einstieg mit Prednisonäquivalent 2,0-4,0 mg/kg KG/Tag und Azathioprin 1,5-2,0 mg/kg KG/Tag.

Stufe II

Glukokortikoid-Pulstherapie: Prednisonäquivalent 1 g als Kurzinfusion an jeweils 3 aufeinander folgenden Tagen. Azathioprindosis belassen. Ggf. gleichzeitig Plasmapherese (Zyklen im Abstand von 14 Tagen).

Stufe III

Cyclophosphamid (statt Azathioprin) 1,0-2,0 mg/kg KG/Tag (auch als Pulstherapie; 500-1000 mg/Monat).

Alternativ: Ciclosporin.

Stufe IV

Ciclosporin in Kombination mit Glukokortikoiden (5,0-7,5 mg/kg KG/Tag p.o.).

Experimentell

Immunglobuline hoch dosiert i.v. in Kombination mit immunsuppressiver Therapie (Glukokortikoide oder Methotrexat).

 

Warum ist das Rituximab hier nicht aufgeführt?

Diät/Lebensgewohnheiten

Bei Schleimhautveränderungen im Mundbereich auf ausgewogene und ausreichende Ernährung achten (Vitamine, Mineralien), ggf. Ernährungsplan.

Hinweis(e)

Assoziationen mit Myasthenia gravis, Thymomen, Lupus erythematodes, Lymphomen und Karzinomen sind in unterschiedlichen Prozentsätzen gegeben.

Patienten mit Thymom sind zu 30% (!) mit einem Pemphigus vulgaris assoziiert.

Die Dokumentation der Erkrankungsausbreitung kann durch klinische Erfassungsbögen erfolgen.Hierzu steht der Autoimmune-Skin-Disorder-Intensity-Score (ABSIS) und der Pemphigus-Disease-Area-Index (PDAI) zur Verfügung (Boulard 2016)     

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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Zuletzt aktualisiert am: 13.03.2024