Pemphigoid gestationis O26.4

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 02.02.2024

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Synonym(e)

Dermatitis multiformis gestationis; Gestational pemphigoid; Herpes gestationis; Hidroa gestationis; Pemphigus gravidarum; PG; Schwangerschaftspemphigoid

Erstbeschreiber

Bunes, 1811; Milton 1872

Definition

Seltene, dem bullösen Pemphigoid nahestehende, chronische, bullöse, autoimmunologische Schwangerschaftsdermatose, die vorwiegend in der 2. Schwangerschaftshälfte oder postpartal auftritt und durch Ausbildung großer, meist erheblich juckender entzündlicher Plaques und subepithelialer Blasen gekennzeichnet ist. Außerhalb der Schwangerschaft wurde die Erkrankung in Assoziation mit trophoblastischen Tumoren (Chorionkarzinom, Blasenmole) beschrieben.   

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 1 : 10.000 bis 1 : 60.000  Schwangerschaften/Jahr. In Deutschland liegt die Inzidenz bei etwa 2 Neuerkrankungen pro 1 Million Einwohner /Jahr.

Ätiopathogenese

Ausbildung von Komplement-fixierenden Autoantikörpern. Zielantigen ist das 180-kDa (BP 180) "bullous pemphigoid antigen = Kollagen XVII", in etwa 20% der Fälle das 230-kDa (BP 230), im Bereich der Hemidesmosomen der dermoepidermalen Junktionszone. Diese Reaktivität läßt sich im Blut der Patientinnen und der Neugeborenen nachweisen. Die Ursache der mütterlichen Autoantikörperproduktion ist unklar. Es besteht eine Korrelation mit den Haplotypen HLA-DR3 und DR4.

Möglicherweise ist eine Erkrankung der Plazenta ursächlich für den autoimmunologischen Mechanismus. Hierfür sprechen insbes.:

  • Erkrankung tritt nur in der Schwangerschaft sowie bei Chorionkarzinom und Blasenmole auf.
  • Zirkulierenden Antikörper binden auch an die Basalmembran des Chorion- und Amnionepithels.
  • Aberrante Expression von MHC-Klasse-II-Moleküle im Bereich der Chorionzotten weisen auf eine allogene Immunreaktion gegen Plazentamatrixantigene paternaler Herkunft hin (Sadik 2016). 
  • Im 2. Trimenon kann BP180 im Amnionepithel nachgewiesen werden.

Manifestation

Meist mittleres Trimenon (durchschnittlich in der 31.Woche bei Erstgraviden und 21.2 Wochen bei Multigravidae) oder unmittelbar post partum.

Das durchschnittliche Alter der ersterkrankten Pat. beträgt in größeren Studien 30.5 Jahre. 

Lokalisation

Vor allem an Bauch, Periumbilikalregion und Extremitäten lokalisiert. In 20% der Fälle Schleimhautbefall.

Klinisches Bild

Meist geht dem blasigen Exanthem einige Tage oder Wochen ein generalisierter Juckreiz voraus. Hautveränderungen beginnen bevorzugt periumbilikal mit gruppierten oder disseminierten, 0,2-4,0 cm großen, intensiv roten, urtikariellen Papeln und Plaques. Vereinzelt bilden sich kokardenförmige Formationen. Meist erst nach einigen Wochen Ausbildung von gruppierten (manchmal in herpetiformer Anordnung: s. Namensgebung!) Bläschen und prallen Blasen (Blasenbildung ist nicht obligat). Berichtet wurde über Assoziationen mit anderen blasenbildenden Autoimmunerkrankungen (Pemphigus).

Schleimhäute: Die Schleimhäute bleiben meist frei. Eine Assoziation zu Striae distensae findet sich nicht.  

Neugeborene: In 10% der Fälle sind, meist mild verlaufende, entsprechende Hautveränderungen beim Neugeborenen möglich (passiver transplazentarer Antikörpertransfer). Diese klingen innerhalb weniger Wochen spontan ab. 

Labor

Bluteosinophilie.

Histologie

Subepidermale Blasenbildung. Zellulär-entzündliche Reaktion im oberen Korium. Histoeosinophilie.

Direkte Immunfluoreszenz

Stets lineare Komplementablagerungen (C3) an der dermoepidermalen Junktionszone. In etwa 1/3 der Fälle sind analoge IgG-, seltener IgA- und IgM-Ablagerungen nachweisbar. Bei der Salztrennmethode kann eine 100% Reaktivität von C3 an der epidermalen Seite des Salt-split-Präparates nachgeweisen werden. Die selben Antikörper werden bei einer Miterkrankung in der Haut des Säuglings gefunden.

Indirekte Immunfluoreszenz

Nachweis von zirkulierenden Antikörpern (sog. Herpes-gestationis-Faktor) mit komplementfixierenden Eigenschaften. Bei den Routinunterschungen werden nur bei etwa 20% der Pat. Pemphigoid-Ak gefunden. 

Differentialdiagnose

PUPPP (betrifft fast immer Erstgebärende; kein Rezidiv in weiteren Schwangerschaften; kein Antikörpernachweis; Periumbilikalregion ist klinisch nicht betroffen); Erythema exsudativum multiforme; Dermatitis herpetiformis; bullöses Pemphigoid; Dermatose, IgA-lineare.

Komplikation(en)

Antikörper sind diaplazentar übertragbar. 5-10% der Säuglinge können an einer passageren Blasenbildung leiden.

Therapie

Therapieziel ist die Unterdrückung des häufig schweren Juckreizes und der Blasenbildung.

Externe Therapie

Zunächst Versuch mit blanden, wirkstofffreien Schüttelmixturen, Emulsionen oder Gelen. Kühles Abduschen. Wenn dies nicht ausreicht, Glukokortikoid-haltige Emulsionen wie 0,5-1% Hydrocortison-Emulsion (z.B. Hydrogalen, R123 ).

Interne Therapie

Einsatz von oralen Antihistaminika . Bei starkem Juckreiz können systemische Antihistaminka eingesetzt werden. Die älteren sedierenden Antihistaminka (z.B. Dimetinden oder Clemastin 1 Tbl./Tag) gelten schon während des 1. Trimenons als sicher. Nicht sedierende Antihistaminika können im 2./3. Trimenon oder in der Stillzeit eingesetzt werden (z.B. Loratadin, Ceterizin).

Bei erheblichem Eruptionsdruck mit erheblicher Tendenz zur Blasenbildung sowie intolerablem Juckreiz mit Schlafstörungen sind nicht-halogenierte Glukokortikoide z.B. Prednisolon in einer Dosierung von 0,5-1,0 mg/kg KG/Tag p.o. angezeigt. S.u. " Schwangerschaft, Arzneiverordnungen".

Bei Therapieresistenz wurde mehrfach IVIG erfolgreich eingesetzt.

Bei Therapieresistenz kann während der Schwangerschaft eine Immunapharese und postpartal eine intensivierte immunsupressive Therapie notwendig werden.

Andere Alternativen, wie z.B. die intravenöse Stoßtherapie mit Cyclophosphamid, Plasmapherese oder Dapson sind bei therapierefraktärem Verlauf wirksam. Der Einsatz sollte jedoch postpartal erfolgen.

Verlauf/Prognose

In der Regel keine vitale Gefährdung für Mutter und Kind. Ein Aufflammen der Erkrankung zum Zeitpunkt der Geburt ist nicht ungewöhnlich (kurzfristige Erhöhung der Systemtherapie!). Spontane Abheilung 2-3 Wochen nach der Entbindung.

Bei Persistenz der Erkrankung oder bei ihrer Erstmanifestation mehrere Wochen bis Monate nach der Entbindung sollte ein Plazentatumor ausgeschlossen werden. 

Rezidive sind in den folgenden Graviditäten, unter hormoneller Kontrazeption oder mit Beginn der Menses möglich. Vorsicht mit gestagenhaltigen Kontrazeptiva post partum.  Risiko für die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen scheint erhöht.

Die kindliche Prognose ist günstig. In 20% der Fälle erhöhte Frühgeburtsrate sowie die Entwicklung von sog. "small -fordate-babies" (chronische Plazentainsuffizienz).   

Hinweis(e)

Das Pemphigoid gestationis begünstigt die Entwicklung einer Plazentainsuffizienz und führt zu untergewichtigen Neugeborenen (small-for-date Babies). Auch besteht erhöhte Frühgeburtenrate. Wichtig ist sorgfältige Schwangerschaftüberwachung. Ambulante gynäkologische Mitbehandlung sowie Einbindung in eine Klinik mit Säuglingsintensiveinheit sind zu empfehlen. Bei etwa 10% der Neugeborenen kommt es infolge passiven transplazentaren Antikörpertransfers zu milden Hautveränderungen, die innerhalb weniger Tage abklingen.

Literatur
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