OP-Aufklärung

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

Co-Autor: Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 24.10.2017

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Operationsaufklärung

Allgemeine Information

I Inhalt der Richtlinien
  • Nach ständiger Rechtsprechung wird jeder ärztliche Eingriff in die körperliche Unversehrtheit als tatbestandsmäßige Körperverletzung angesehen. Er ist grundsätzlich nur dann rechtmäßig, wenn der Patient über den Eingriff aufgeklärt worden ist, nach Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hat und der Eingriff fachgerecht durchgeführt worden ist. Einer Einwilligung bedarf es nicht, wenn der Eingriff zur Abwendung einer drohenden Gefahr für den Patienten sofort durchgeführt werden muß und eine vorherige Einwilligung wegen der körperlichen oder geistigen Verfassung des Patienten nicht zu erlangen war.
  • Als Voraussetzung für eine rechtswirksame Einwilligung ist der Patient - soweit er nicht darauf verzichtet - über Ziel, Tragweite, Notwendigkeit und Dringlichkeit, Art und Verlauf einer ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahme sowie damit verbundenen Risiken aufzuklären.
  • Der Patient muß einerseits Kenntnis seiner Erkrankung und ihrer Gefahren, andererseits Kenntnis der Behandlung und ihrer unvermeidbaren Folgen haben, um sachgemäß abwägen und sich entscheiden zu können.
  • Da das Aufklärungsgespräch und die Einwilligung des Patienten von rechtserheblicher Bedeutung sind, ist insoweit eine Dokumentation unverzichtbar.
  • Jeder Krankenhausträger hat dafür Sorge zu tragen, daß die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Aufklärung der Patienten vor der Durchführung ärztlicher Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahmen beachtet werden. Jeder Arzt muß sein Aufklärungsgespräch an den Anforderungen dieser Rechtsprechung ausrichten.
  • Im folgenden Abschnitt II sind deswegen diese Anforderungen der Rechtsprechung in den wesentlichen Grundzügen in Form von Leitsätzen zusammengefaßt.
  • Abschnitt III enthält eine Aufzählung organisatorischer Maßnahmen, die zur Sicherstellung einer ausreichenden Aufklärung von Patienten im Krankenhaus vor der Durchführung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen erforderlich sind.
  • Die "Sicherungsaufklärung" (Aufklärung nach einer ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahme zur Gewährleistung des Behandlungserfolges bzw. der Vermeidung von Gesundheitsschäden) und die "Diagnoseaufklärung" (Aufklärung des Patienten über die Art und Schwere seines Leidens unabhängig von der Einwilligung in einen diagnostischen oder therapeutischen Eingriff) sind nicht Gegenstand dieser Richtlinie. Das gleiche gilt für die Besonderheiten der Aufklärung im Rahmen einer Zwangsbehandlung (insbesondere bei Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt).
II. Leitsätze zum Aufklärungsgespräch:
  • 1. Das Aufklärungsgespräch muß durch den Arzt erfolgen; es darf nicht an nichtärztliches Dienstpersonal delegiert werden. Der Arzt, der eine ärztliche Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahme durchführt, muß nicht mehr aufklären, wenn diese Aufklärung bereits durch einen anderen Arzt erfolgt ist; er muß sich jedoch hierüber Klarheit verschaffen.
  • 2. Die Aufklärung muß individuell in einem Gespräch mit dem Patienten erfolgen. Das Aufklärungsgespräch kann nicht durch Formulare ersetzt werden. Formulare dienen nur der Vorbereitung und der Dokumentation des erfolgten Gesprächs.
  • 3. Der Arzt muß den Patienten über die Grundzüge der vorgesehenen Untersuchung oder Behandlung aufklären, nicht jedoch über Einzelheiten. Dabei sind die Anforderungen an den Umfang der Aufklärung abhängig von der Dringlichkeit des Eingriffs sowie vom Bildungs- und Wissensstand des Patienten.
  • 4. Über Risiken, die mit der Eigenart eines Eingriffs spezifisch verbunden sind (typische Risiken), ist unabhängig von der Komplikationsrate aufzuklären; bei anderen Risiken (atypische Risiken) ist die Aufklärung abhängig von der Komplikationsrate.
  • 5. Stehen mehrere wissenschaftlich anerkannte Methoden ernsthaft zur Erwägung, so muß die Aufklärung auch diese alternativen Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten sowie deren Risiken umfassen. Das gilt nicht, wenn sich die gewählte Methode im Bereich der wissenschaftlich anerkannten Therapie hält und die zur Wahl stehende ebenfalls anerkannte Behandlungsmöglichkeit kein ins Gewicht fallendes geringeres Risiko verspricht.
  • 6. Besteht die Möglichkeit, daß eine Bluttransfusion bei einer Operation erforderlich wird, ist der Patient über die Infektionsgefahren (insbesondere Hepatitis und HIV) bei der Verwendung von Fremdblut aufzuklären.
  • Ist die Verwendung von Eigenblut beim Patienten möglich, ist er rechtzeitig darauf hinzuweisen, um entsprechende Blutkonserven anzulegen.
  • 7. Die Aufklärung muß zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Patient noch in vollem Besitz seiner Erkenntnis- und Entscheidungsfähigkeit ist; ihm muß eine Überlegungsfrist verbleiben, sofern die Dringlichkeit der Maßnahmen dies zuläßt.
  • 8. Die Aufklärung muß in einer für den Patienten behutsamen und verständlichen Weise erfolgen. Im persönlichen Gespräch soll der Arzt sich bemühen, die Information dem individuellen Auffassungsvermögen sowie dem Wissensstand des Patienten anzupassen und sich zugleich davon überzeugen, daß dieser sie versteht.
    • Ist bei einem ausländischen Patienten nicht sicher, ob dieser die Erläuterungen versteht, muß der Arzt eine sprachkundige Person hinzuziehen.
    • Wenn die Einwilligung des Patienten in eine mit Gefahren verbundene Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahme nur dadurch zu erreichen ist, daß ihn der Arzt auf die Art und Bedeutung seiner Erkrankung hinweist, so darf der Arzt auch bei schweren Erkrankungen davor grundsätzlich nicht zurückschrecken. Im übrigen ist er jedoch nicht zu einer restlosen und schonungslosen Aufklärung über die Natur des Leidens verpflichtet, sondern muß die Gebote der Menschlichkeit beachten und das körperliche und seelische Befinden seines Patienten bei der Erteilung seiner Auskünfte berücksichtigen.
  • 9. Die von einem Patienten aufgrund der Aufklärung gegebene Einwilligung deckt nur solche Eingriffe ab, die Gegenstand des Aufklärungsgesprächs gewesen sind. Ist für den Arzt vorhersehbar, daß möglicherweise ein operativer Eingriff auf weitere Bereiche ausgedehnt werden muß, so ist der Patient hierüber vor dem Eingriff aufzuklären. Stellt sich erst während einer Operation heraus, daß ein weitergehender Eingriff erforderlich ist, muß der Arzt die Risiken einer Unterbrechung der Operation gegenüber den Risiken der Durchführung des erweiterten Eingriffs abwägen und danach seine Entscheidung über eine Operationsunterbrechung zum Zwecke der Einholung der Einwilligung des Patienten treffen.
  • 10. Bei Minderjährigen ist die Einwilligung zum Eingriff im Regelfall von den Eltern oder sonstigen Sorgeberechtigten oder von deren Beauftragten einzuholen. In bestimmten Ausnahmefällen, wie Eil- oder Notmaßnahmen sowie Eingriffen von minderer Bedeutung, reicht es aus, wenn die Einwilligung nur eines Elternteils vorliegt. Jugendliche unter 18 Jahren haben jedoch ausnahmsweise die Befugnis zur Einwilligung, wenn sie hinreichend reif sind, die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu messen. In jedem Fall sind aber auch die Kinder und Jugendlichen in groben Zügen über den vorgesehenen Eingriff und dessen Verlauf zu informieren, wenn und soweit sie in der Lage sind, die ärztlichen Maßnahmen zu verstehen. Entsprechendes gilt für die Aufklärung bei geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen volljährigen Patienten; hier ist die Einwilligung in der Regel des Betreuers einzuholen.
  • 11. Psychisch bzw. geistig Kranke sind in groben Zügen über den vorgesehenen Eingriff und dessen Verlauf zu informieren, wenn und soweit sie in der Lage sind, die Bedeutung und Tragweite zu verstehen.
  • 12. Bei bewußtlosen Patienten hat der Arzt diejenigen medizinischen Maßnahmen durchzuführen, die im Interesse des Patienten zur Herstellung seiner Gesundheit erforderlich sind (mutmaßliche Einwilligung). Zur Erforschung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Patienten kann sich ein Gespräch mit den ihm besonders nahestehenden Personen empfehlen; auch schriftlich vom Patienten abgegebene Erklärungen können ein Indiz für seinen mutmaßlichen Willen sein. Bei Suizidpatienten ist aus dem Suizidversuch kein mutmaßlicher Wille auf Unterlassen einer ärztlichen Hilfeleistung abzuleiten. Sobald und soweit die Einwilligungsfähigkeit des Patienten wieder vorliegt, ist zur Fortsetzung der Behandlung seine Einwilligung einzuholen.
  • 13. Gibt der Patient deutlich zu erkennen, daß er eine Aufklärung nicht wünscht (Aufklärungsverzicht), so kann diese unterbleiben.
III. Organisatorische Maßnahmen:
  • 1. Der ärztliche Leiter ist dem Krankenhausträger gegenüber verantwortlich, daß in Zusammenarbeit mit den leitenden Ärzten des Krankenhauses sichergestellt wird, daß alle im Krankenhaus tätigen Ärzte über die ihnen im Zusammenhang mit der Aufklärung auferlegten Pflichten entsprechend diesen Richtlinien unterrichtet sind.
  • 2. Der ärztliche Leiter hat zusammen mit den leitenden Ärzten der Krankenhausabteilung (Chefärzte und Belegärzte) festzulegen, in welcher Abteilung die Aufklärung über Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen durchzuführen ist, wenn sich ein Patient gleichzeitig oder nacheinander in der Behandlung mehrerer Abteilungen befindet, sofern nicht ohnehin in jedem Fach eine Aufklärung erfolgen muß.
  • 3. Jeder leitende Abteilungsarzt hat für seine Abteilung die ordnungsgemäße Durchführung der Aufklärung sicherzustellen, insbesondere festzulegen, welcher Arzt die Aufklärung durchzuführen hat. Dabei ist darauf zu achten, daß auch vor einzelnen mit zusätzlichen Gefahren verbundenen Eingriffen eine Aufklärung zu erfolgen hat, wenn sie nicht bereits Gegenstand eines früheren Aufklärungsgesprächs gewesen sind; dies gilt auch für diagnostische Eingriffe.
  • 4. Unabhängig von den Ziffern 2 und 3 hat sich jeder Arzt, der nicht selbst aufklärt, davon zu überzeugen, daß eine ordnungsgemäße Aufklärung stattgefunden hat.
  • 5. Der leitende Abteilungsarzt hat sicherzustellen, daß die Tatsache der Aufklärung und der wesentliche Inhalt des Aufklärungsgesprächs ordnungsgemäß dokumentiert sind. Die Tatsache der Aufklärung, ihr Zeitpunkt sowie der wesentliche Inhalt des Aufklärungsgesprächs sollen in der Krankengeschichte vermerkt werden. Der Patient soll in einer schriftlichen Einwilligungserklärung durch Unterschrift die erfolgte Aufklärung, einen eventuellen Aufklärungsverzicht und den wesentlichen Inhalt der Aufklärung bestätigen. Das Aufklärungsgespräch kann nicht durch eine formulargemäße Einwilligungserklärung ersetzt werden.
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